Urteil des BVerwG vom 16.02.2012

Rechtliches Gehör, Flughafen, Nacht, Betriebszeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 A 4001.12 (4 A 4001.10)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
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Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Urteil des Se-
nats vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Rügeverfahrens tragen die Kläger - die
Kläger zu 1 und 2, 4 und 5, 11 und 12, 13 und 14, 17 und
18, 19 und 20, 22 und 23, 25 und 26, 27 und 28, 32 und
33, 34 und 35 jeweils als Gesamtschuldner - zu je 1/23.
G r ü n d e :
Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Zu Unrecht machen die Kläger geltend,
der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserhebli-
cher Weise verletzt. Sie haben daher keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1
Satz 1 VwGO auf Fortführung des Klageverfahrens.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen
der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die
Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der
Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden; jedoch können besondere Umstän-
de auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hindeuten, wenn
entscheidungserhebliches Vorbringen nicht hinreichend erwogen wurde.
Art. 103 Abs. 1 GG gewährt auch keinen Schutz gegen Entscheidungen, die
den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen
Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli
1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.>; stRspr). Die Vorschrift ver-
pflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu fol-
gen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juli 2011 - 1 BvR 3269/10 - juris
Rn. 3). Gemessen hieran sind die von den Klägern erhobenen Gehörsrügen
unbegründet.
1. Die Kläger machen geltend, der Senat habe sich nicht substantiiert mit ihren
Einwendungen gegen die dem Nachtflug-Gutachten zugrunde gelegten Wachs-
tumsraten auseinander gesetzt (II. der Anhörungsrüge):
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1.1 In Rn. 64 des Urteils sei der Senat davon ausgegangen, dass die Hoch-
rechnung mit den aus der Masterplan-Prognose abgeleiteten Wachstumsraten
eine geeignete Methode zur Ermittlung des Nachtflugaufkommens in 2020 auf
dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld sei. Das sei aber gerade nicht
der Fall. Bereits in ihrem Schriftsatz vom 21. Dezember 2010 (S. 40) hätten sie
dargelegt - was im Übrigen unstreitig sei -, dass die Masterplan-Prognose keine
Differenzierung zwischen Tag- und Nachtflugverkehr enthalte (Anhörungsrüge
S. 6).
Ein Gehörsverstoß ergibt sich aus diesem Vortrag nicht. Der Senat hat selbst
dargelegt, dass die zeitliche Lage der Verkehrsströme (Tag/Nacht) in den vor-
handenen Quelle-Ziel-Matrizes nicht hinterlegt sei (UA Rn. 64). Er ist lediglich
nicht der Rechtsauffassung der Kläger gefolgt, dass die Masterplan-Prognose
aus diesem Grund keine geeignete Grundlage für die Ableitung von verkehrs-
segmentspezifischen Wachstumsraten sei. Er hat die Hochrechnung mit ein-
heitlichen Wachstumsraten für Tag und Nacht (UA Rn. 72) gebilligt, weil die ihr
zugrunde liegende Hypothese, dass sich im Prognosezeitraum zwar das Auf-
kommen des jeweiligen Verkehrssegments, nicht aber die zeitliche Struktur in-
nerhalb des Segments und damit das Verhältnis von Tag- und Nachtflügen än-
dere, plausibel sei (UA Rn. 65).
1.2 Auf Seite 160 ff. ihrer Klagebegründung hätten sie im einzelnen dargelegt,
dass die Wachstumsraten des Nachtflugverkehrs in den Segmenten Touristik,
Low-Cost-Verkehr, sonstiger Kontinentalverkehr und Interkontinentalverkehr
deutlich über den Wachstumsraten dieser Segmente für den gesamten Tag lä-
gen; die Wachstumsraten in der Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr seien sogar noch
höher. Der Senat habe diesen überproportionalen Anstieg mit den Effekten der
Glättung erklärt, ohne sich mit ihrem Vortrag auseinander zu setzen, dass die
Glättung ein reines Rechenmodell sei. Sie hätten vorgetragen, dass es im
Sommerflugplan 2008 für den Flughafen Berlin-Schönefeld Interkontinentalflüge
nur zu Zielen in der Türkei und für den Flughafen Tegel in der Nacht nur einen
Interkontinentalflug nach Doha gegeben habe. Sie hätten auch vorgetragen
(S. 60 ff. des Schriftsatzes vom 21. Dezember 2010), dass die von Air Berlin
und Lufthansa geplanten Interkontinentalverbindungen (Bangkok, Boston, Kap-
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stadt, New York, Miami, Los Angeles, Peking, Fort Myers, Toronto, Washing-
ton) bislang auch bei einer Betriebszeit bis 23:00 Uhr erreicht würden. Die Glät-
tung sei damit nicht plausibel (Anhörungsrüge S. 12).
Auch damit zeigen die Kläger einen Gehörsverstoß nicht auf. Mit ihrem Vortrag
auf S. 160 ff. der Klagebegründung hat sich der Senat in Rn. 72 des Urteils aus-
einandergesetzt. Aus den Kontrollrechnungen der Kläger für die verschiedenen
Verkehrssegmente hat er exemplarisch den besonders aufkommensstarken
Low-Cost-Verkehr herausgegriffen, für den Intraplan zudem den höchsten An-
stieg zwischen 23:00 und 6:00 Uhr prognostiziert hatte (280 %). Er hat darge-
legt, dass das im Verhältnis zum Gesamtverkehr (Tag und Nacht) überpropor-
tionale Wachstum des Nachtflugverkehrs rechnerisch eine Folge der Glättung
sei. Dass die Glättung ein statistisches Verfahren (UA Rn. 73) ist, das nicht
nach den Gründen für konkrete nächtliche Flugverbindungen fragt, hat er dabei
nicht verkannt. Er hat jedoch die der Glättung zugrundeliegende Annahme als
plausibel angesehen, dass sich mit einer Freigabe der Halbstundensegmente
23:00 bis 23:30 Uhr und 5:30 bis 6:00 Uhr ein Teil der bislang in Tegel vor
23:00 Uhr und nach 6:00 Uhr aufgestauten Verkehre in die freigegebenen
Segmente verlagern würde (UA Rn. 71). Die Ausführungen der Kläger zum bis-
herigen und zum geplanten Interkontinentalverkehr gaben keinen Anlass, dies
in Frage zu stellen. Dass derzeit Flüge zu den von Air Berlin und Lufthansa ge-
planten Interkontinental-Destinationen auf anderen Flughäfen nicht in den Halb-
stundensegmenten liegen, aus denen Flüge „hinausgeglättet“ werden, bedeutet
nicht, dass die zusätzliche Nachfrage, die die künftigen Verbindungen rechtfer-
tigen würde, nicht jedenfalls teilweise in der Nachtzeit liegen wird. Im Kern be-
streiten die Kläger nicht die von Intraplan prognostizierte Nachfrage nach nächt-
lichem Interkontinentalverkehr, sondern das Vorliegen betrieblicher oder struk-
tureller Gründe für die Durchführung dieser Flüge gerade während der Nacht.
Hiermit hat sich der Senat in Rn. 114 des Urteils auseinandergesetzt.
1.3 Auf Seite 37 f. ihres Schriftsatzes vom 21. Dezember 2010 hätten sie vorge-
tragen, dass Intraplan bei ihren Gutachten ein reines Nachfragemodell verfolge.
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Damit setzten sich die Entscheidungsgründe nicht auseinander (Anhörungsrüge
S. 12).
Dies war mangels Entscheidungserheblichkeit nicht erforderlich. Der Senat hat
in Rn. 50 des Urteils ausgeführt, dass die Darlegung einer Nachfrage notwendi-
ge Voraussetzung für die Zulassung von Nachtflugbetrieb sei; sie allein genüge
für die Zulassung von Nachtflugbetrieb jedoch nicht. Die Verkehrsinteressen
seien nur dann geeignet, sich im Wege der Abwägung gegen die Lärmschutzin-
teressen der Anwohner durchzusetzen, wenn es ausgehend von den Gegeben-
heiten des Luftverkehrsmarktes betriebliche oder strukturelle Gründe dafür ge-
be, den Verkehr gerade in den Nachtrandstunden abzuwickeln. Auf das Intra-
plan-Gutachten haben sich der Beklagte und ihm folgend der Senat nur zum
Nachweis der Nachfrage nach Nachtflügen (2.1 der Entscheidungsgründe) ge-
stützt. Das Vorliegen betrieblicher oder struktureller Gründe für die Durchfüh-
rung von Nachtflugverkehr hat der Senat ausgehend von den Darlegungen des
Beklagten im Planergänzungsbeschluss gesondert geprüft (2.3 der Entschei-
dungsgründe).
1.4 Auf Seite 22 f. des Schriftsatzes vom 31. August 2011 hätten sie dargelegt,
dass sich die in Tab. 3-8 der Masterplan-Prognose abgebildeten Wachstums-
schwerpunkte in der Nachtflug-Prognose gerade nicht wiederfänden. Die Mas-
terplan-Prognose gehe davon aus, dass im Bereich der so genannten Hub-
Flüge und der direkten Interkont-Flüge nicht der Hauptschwerpunkt des Ange-
botswachstums des BER liege. Vielmehr werde das Segment „Linie konventio-
nell Europa“ am stärksten wachsen. Das Nachtflug-Gutachten prognostiziere
demgegenüber für den Bereich der Interkont-Flüge das deutlich stärkste
Wachstum, während im Bereich der (Linien-)Kontinentalflüge ein nur durch-
schnittliches Wachstum prognostiziert werde. Dieses Vorbringen sei in den Ent-
scheidungsgründen nicht berücksichtigt worden (Anhörungsrüge S. 13 - 17).
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Die Rüge ist unbegründet. Der Senat hat den Vortrag der Kläger zu den be-
haupteten Widersprüchen zwischen Tab. 3-8 der Masterplan-Prognose und den
Wachstumsraten, die dem Nachtflug-Gutachten zugrunde gelegt wurden, zur
Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Er hat - ausgehend von dem in
Rn. 59 seines Urteils vom 13. Oktober 2011 dargelegten Prüfungsmaßstab für
Verkehrsprognosen - ausgeführt, dass die Hochrechnung mit den aus der Mas-
terplan-Prognose abgeleiteten Wachstumsraten eine geeignete Methode zur
Ermittlung des Nachtflugaufkommens in 2020 auf dem ausgebauten Flughafen
Berlin-Schönefeld sei (UA Rn. 64). Für den ausgebauten Flughafen Berlin-
Schönefeld habe die Masterplan-Prognose für das Jahr 2020 33,2 Mio. Passa-
giere und 367 000 Flugbewegungen prognostiziert. Sie weise die Flugbewe-
gungen nicht segmentspezifisch aus, sondern unterscheide lediglich zwischen
Passagierverkehr, Fracht/Post und Allgemeiner Luftfahrt. Den Gesamtbewe-
gungszahlen liege jedoch eine Erfassung der Flugbewegungen je Flughafen mit
folgenden Angaben zugrunde: von Flughafen, nach Flughafen, Verkehrsart
(Passage, Fracht, sonstige), Airline (Allianz), Anzahl Passagiere, Anzahl t
Fracht, Anzahl Flugbewegungen. Mit diesen Zusatzinformationen ließen sich
die Flugbewegungen den für das Nachtflug-Gutachten definierten Verkehrs-
segmenten zuordnen. Dass Intraplan die Flugbewegungen in der Masterplan-
Prognose teilweise nach anderen Gesichtspunkten aggregiert habe - so seien
z.B. Hub-Flüge im Sinne der dortigen Tab. 3-8 nur Interkontinentalflüge und mit
den Hub-Feeder-Flügen des Nachtflug-Gutachtens nicht zu vergleichen -, stelle
die Plausibilität dieses Vorgehens nicht infrage (UA Rn. 66).
Leitend für die Überzeugung des Senats, dass die Ableitung von Wachstumsra-
ten aus der Masterplan-Prognose eine geeignete Prognosemethode sei, war
mithin, dass sich die verkehrssegmentspezifischen Wachstumsraten in der von
Intraplan beschriebenen Weise aus den für die Masterplan-Prognose ermittel-
ten Flugbewegungsdaten errechnen lassen. Die Tab. 3-8 der Masterplan-Prog-
nose gab schon deshalb keinen Anlass, an der Korrektheit dieser Berechnun-
gen zu zweifeln, weil die Segmente in dieser Tabelle - wie in Rn. 66 des Urteils
dargelegt - teilweise nach anderen Gesichtspunkten gebildet worden waren als
im Nachtflug-Gutachten. Bereits aus diesem Grund lassen sich die Verkehrs-
segmente der Tab. 3-8 der Masterplan-Prognose einerseits und des Nachtflug-
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Gutachtens andererseits nicht ohne weiteres miteinander vergleichen. Zudem
weist die Tab. 3-8 nicht die Entwicklung der Flugbewegungen 2005 : 2020 für
die dort gebildeten Verkehrssegmente aus; sie ist keine Darstellung der Ergeb-
nisse der Masterplan-Prognose, sondern bildet einen Teil des Kapitels 3 „Pro-
gnoseprämissen“. Sie gibt „Rahmenbedingungen für die Angebotsentwicklung“
(Masterplan-Prognose S. 26, 35) wieder, die in die Entwicklung der Prognose-
flugpläne der Flughäfen eingeflossen sind (a.a.O. S. 39 oben). Die Schwer-
punkte der Angebotsentwicklung wurden aus gegenwärtigem Angebot und
künftigen Rahmenbedingungen des jeweiligen Flughafens abgeleitet und mit
einem groben Raster zusammenfassend bewertet („++“, „+“, „(+)“, „o“). Wie die
Bemerkungen der letzten Spalte zeigen, erfolgte die Bewertung insbesondere
mit Blick auf die Verkehrsfunktion des Flughafens, seine Infrastruktur und sei-
nen Einzugsbereich. Die auf dieser Grundlage erstellten Prognoseflugpläne
wurden anschließend nachjustiert (a.a.O. S. 40 Bemerkung (7), ferner S. 24).
Schon deshalb verbietet sich eine Gleichsetzung der Bezeichnungen „++“, „+“,
„(+)“, „o“ in der Tab. 3-8 mit bestimmten Wachstumsraten im Prognoseergebnis.
Die Bezeichnungen beinhalten im Übrigen - wie Intraplan dargelegt hat (Stel-
lungnahme vom 28. Januar 2011 S. 16 - 19) - nicht nur Erwartungen hinsichtlich
der Zahl der Flugbewegungen, sondern auch hinsichtlich der Qualität des An-
gebots, insbesondere der Zahl der angebotenen Ziele. Dass die Zahl der Flug-
bewegungen im Interkont-Verkehr ausgehend von einer relativ geringen absolu-
ten Zahl in 2008 - wie im Nachtflug-Gutachten angenommen - prozentual stark
wachsen wird (Steigerungsfaktor 2,6), bedeutet hiernach nicht, dass sich der
Interkont-Verkehr auch zu einem erstrangigen Angebotsschwerpunkt des aus-
gebauten Flughafens Berlin-Schönefeld entwickeln wird; eine Hub-Funktion
wird insoweit - wie in der Spalte „Bemerkungen“ der Tab. 3-8 erläutert - nur für
Nordasien erwartet. Ebenso wenig muss, wenn die Tab. 3-8 für den Bereich
„Linie konv. Europa“ im Vergleich zu den anderen Verkehrssegmenten das
stärkste Angebotswachstum („++“) ausweist, dieser Bedeutungszuwachs auch
mit dem stärksten Zuwachs der Flugbewegungen einhergehen.
2. Die Kläger machen weiter geltend, dass eine prognostische Hochrechnung
eines Nachtflugbetriebs auf der Grundlage eines auf den Flugplätzen bereits
bestehenden Nachtflugbetriebs zwangsläufig zu weiterem „prognostischem“
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Nachtflugbedarf führe. Dies hätten sie in der mündlichen Verhandlung und auf
Seite 8 ihres Schriftsatzes vom 31. August 2011 dargelegt. In den Entschei-
dungsgründen sei diese Problematik nicht angesprochen worden (III. der Anhö-
rungsrüge).
Hierzu bestand ausgehend vom rechtlichen Prüfungsmaßstab des Senats kein
Anlass. Der Senat hat die Ermittlung des Nachtflugbedarfs - wie bereits darge-
legt - in mehreren Schritten überprüft (UA Rn. 49 f.): Grundvoraussetzung für
die Anerkennung eines Nachtflugbedarfs sei die Darlegung einer Nachfrage
nach Nachtflugverkehr (2.1 der Entscheidungsgründe). Die Bedienung der
Nachfrage müsse zudem von den Planungszielen, die die Anlegung oder den
Ausbau des Flughafens gerechtfertigt haben, umfasst sein (2.2 der Entschei-
dungsgründe). Die Darlegung einer Nachfrage sei notwendige Voraussetzung
für die Zulassung von Nachtflugbetrieb; sie allein genüge für die Zulassung von
Nachtflugbetrieb jedoch nicht. Die Verkehrsinteressen seien nur dann geeignet,
sich im Wege der Abwägung gegen die Lärmschutzinteressen der Anwohner
durchzusetzen, wenn es ausgehend von den Gegebenheiten des Luftver-
kehrsmarktes betriebliche oder strukturelle Gründe dafür gebe, den Verkehr
gerade in den Nachtrandstunden abzuwickeln (2.3 der Entscheidungsgründe).
Der Senat hat lediglich die Nachfrage nach Nachtflugverkehr durch die Nacht-
flugprognose als nachgewiesen angesehen (2.1 der Entscheidungsgründe).
Grundlage der Nachtflugprognose war eine Bestandsaufnahme des Nachtflug-
betriebs im Berliner Flughafensystem für das Jahr 2008 (UA Rn. 61). Dass die
aktuell bereits vorhandene Nachfrage nach Nachtflügen auch für die Zukunft
eine solche Nachfrage erwarten ließ, war ohne Weiteres plausibel. Dass inso-
weit auch ein Nachtflug besteht, hat der Senat allein aus der prognosti-
zierten Nachfrage nicht geschlossen.
3. Die Kläger meinen, es sei sachfremd, wenn bei einem Prognosegutachten
Annahmen zugrunde gelegt würden, deren Vorliegen erst das Ergebnis des
Prognosegutachtens sein solle. Intraplan sei bei der Erstellung des Prognose-
gutachtens unstreitig davon ausgegangen, dass ein Nachtflugbetrieb notwendig
sei; auf dieser Grundlage habe sie ihr Gutachten erstellt. Darauf hätten die Klä-
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ger auf S. 6 f. ihres Schriftsatzes vom 31. August 2011 hingewiesen (IV. der An-
hörungsrüge).
Hierauf einzugehen war ausgehend von dem Prüfungsmaßstab des Senats
nicht erforderlich. Der Senat hat das Intraplan-Gutachten - wie bereits darge-
legt - nur zum Nachweis der Nachfrage nach Nachtflügen, nicht für die den
Nachtflugverkehr rechtfertigenden betrieblichen oder strukturellen Gründe he-
rangezogen.
4. Die Kläger rügen, dass der Senat Vortrag zur Gewichtung des Nachtflugbe-
darfs nicht berücksichtigt habe (V. der Anhörungsrüge).
4.1 In der Klagebegründung hätten sie an vielen Stellen dargelegt, dass das
Gewicht des Nachtflugbetriebs in den einzelnen Verkehrssegmenten in den
Nachtrandzeiten, insbesondere zwischen 23:00 und 23:30 Uhr, so gering sei,
dass es sich gegen die Lärmschutzbelange der Anwohner nicht durchsetzen
könne (Anhörungsrüge S. 21).
Der Senat hat das Vorbringen der Kläger zum Umfang des Nachtflugverkehrs in
den einzelnen Verkehrssegmenten und zu seinem Anteil am Gesamtverkehr
zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (UA Rn. 50, 53, 92, 96,
119, 124, 130, 136, 193, 194, 195). Dass er dieses Vorbringen rechtlich anders
bewertet hat als die Kläger, verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.
4.2 Auch bei der Umlaufplanung hätten sie auf Seite 147 ff. der Klagebegrün-
dung nachgewiesen, dass jedenfalls für die Zeitscheiben zwischen 23:00 und
23:30 Uhr sowie zwischen 5:30 und 6:00 Uhr nur ein geringfügiges Mehr an
Umläufen abgewickelt werden könne, selbst wenn man entgegen der tatsächli-
chen Situation im weltweiten Luftverkehr für sämtliche Flughäfen die gleichen
Betriebszeiten wie auf dem künftigen Flughafen Berlin-Schönefeld annehme
(Anhörungsrüge S. 23). Sie hätten dargetan, dass bei 17 Betriebsstunden ledig-
lich 6,3 Blockstunden (3,1 %) weniger möglich seien als bei 18 Betriebsstun-
den. Dies finde in den Entscheidungsgründen keine Berücksichtigung. Zwar
setze sich die Entscheidung in Rn. 104 und 105 zunächst mit der Problematik
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des 17- und des 18-Stunden-Betriebes auseinander; bei der konkreten Gewich-
tung werde dann aber in Rn. 105 ebenso sowie im Planergänzungsbeschluss
lediglich der 16- mit dem 18-Stunden-Betrieb verglichen (Anhörungsrüge S. 26).
Die Rüge ist unbegründet. Der Senat hat auch die Möglichkeiten der Umlauf-
planung bei 17 Betriebsstunden in seine Erwägungen einbezogen. Wie in
Rn. 102 der Entscheidungsgründe ausgeführt, hatte sich der Beklagte zur Dar-
legung des Nachtflugbedarfs - ergänzend zu den in Rn. 99 f. wiedergegebenen,
vom Senat als tragfähig erachteten (Rn. 101) Erfordernissen der Umlaufpla-
nung - auf die von Intraplan untersuchten repräsentativen Musterumläufe und
die auf dieser Grundlage durchgeführten Modellrechnungen gestützt. Intraplan
hatte die Blockstunden bei 16, 17, 18 und 19 Betriebsstunden verglichen und
zwar ausgehend von der Prämisse, dass die gewählten Betriebszeiten sowohl
für Berlin als auch für die Zielflughäfen gelten. Die Einwendungen der Kläger
gegen diese Prämisse hat der Senat zurückgewiesen (UA Rn. 103). In der Mo-
dellrechnung führte eine Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 17 Stunden
(+6,25 %) bei den Blockstunden zu einem Zuwachs von 11,2 %, eine Verlänge-
rung der Betriebszeit von 16 auf 18 Stunden (+12,5 %) zu einem Zuwachs der
Blockstunden von 19,5 % (Rn. 102). Die Kläger waren bei ihrer eigenen Be-
rechnung der Blockstunden für einen 17-Stunden-Betrieb davon ausgegangen,
dass die Zielflughäfen längere Betriebszeiten als der Berliner Flughafen haben
(S. 147 ff. der Klagebegründung). Schon aus diesem Grund waren ihre Berech-
nungen nicht geeignet, die Plausibilität der Modellrechnung von Intraplan in
Frage zu stellen. Im Übrigen geht es in Rn. 105 der Entscheidungsgründe nicht
um den Vergleich der unterschiedlichen Betriebszeiten, sondern um die Aussa-
gekraft der Musterumläufe und der Modellrechnung für die Erfordernisse einer
effektiven Umlaufplanung und um die Frage, ob der Beklagte die Aussagekraft
überschätzt haben könnte. Seine - nicht quantifizierte - Aussage im Planergän-
zungsbeschluss, dass bei 18 Betriebsstunden ein „deutlich effizienterer“ Flug-
betrieb möglich sei als bei 16 Stunden, belegt lediglich, dass er die Aussage-
kraft nicht überschätzt hat.
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5. Die Kläger halten die Auseinandersetzung des Senats mit ihrem Vorbringen
zum Nachtflugbedarf im Interkontinentalverkehr für unzureichend (VI. der Anhö-
rungsrüge).
5.1 Soweit es um die Nachfrage nach Interkont-Flügen geht, verweisen sie auf
ihren Vortrag im Zusammenhang mit der Glättung (Anhörungsrüge S. 27). Wie
unter 1.2 der Entscheidungsgründe des vorliegenden Beschlusses ausgeführt,
haben sie mit diesem Vortrag einen Gehörsverstoß nicht dargelegt.
5.2 Auf Seite 180 ff. der Klagebegründung hätten sie vorgetragen, dass nach
dem Sommerflugplan 2008 nur eine nächtliche Interkont-Verbindung nach Doha
bestanden habe. Air Berlin wickle derzeit in Deutschland den gesamten Inter-
kontinentalverkehr ohne Inanspruchnahme der Nachtzeit ab, insbesondere auf
dem Flughafen Düsseldorf. Auch Lufthansa könne, wie die derzeitige Praxis auf
dem Flughafen Tegel belege, den Interkontinentalverkehr am Tage durchfüh-
ren. Diese konkrete Betrachtung des Interkontinentalverkehrs finde in den Ent-
scheidungsgründen keine Berücksichtigung (Anhörungsrüge S. 33).
Der Senat hat den Vortrag zum Interkontinentalverkehr zur Kenntnis genommen
und erwogen. In Rn. 114 und 115 hat er hierzu die aus seiner Sicht erforderli-
chen Ausführungen gemacht. Er hat u.a. darauf hingewiesen, dass es nicht nur
darum gehe, den Flughafen überhaupt mit interkontinentalen Destinationen zu
verbinden, sondern den Reisenden am Zielflughafen attraktive Anschlussver-
bindungen anbieten zu können; dies setze eine Einbindung in die dortigen
Drehkreuze voraus (Rn. 114, vgl. auch Rn. 113). Bei der Kontrolle des vom Be-
klagten vorgenommenen Ausgleichs der gegenläufigen Belange hat er sich er-
neut mit dem - auch auf den Interkontinentalverkehr bezogenen - Einwand der
Kläger auseinandergesetzt, dass die Planungsziele jedenfalls auch dann er-
reicht werden könnten, wenn der Flugverkehr auf die Zeit von 6:00 bis
23:00 Uhr beschränkt werde. Dass auch eine solche Beschränkung des Flugbe-
triebs das Ergebnis der Abwägung hätte sein können, bedeute - so der Senat in
Rn. 199 der Entscheidungsgründe - nicht, dass die vom Beklagten festgelegten
Betriebszeiten den Abwägungsspielraum überschritten; in den Nachtrandstun-
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den bedürfe es für die Zulassung von Nachtflugbetrieb keiner „Erforderlichkeit“
im Sinne eines etwa unabweisbaren Bedarfs (Rn. 199, vgl. auch Rn. 106).
6. Die Kläger rügen schließlich, der Senat folge mit der Annahme, dass bereits
heute die Beschränkung der Betriebszeit in Berlin-Tegel auf 6:00 bis 23:00 Uhr
dazu führe, dass die vorhandene Nachfrage nach Hub-Feeder-Flügen nicht
ausreichend befriedigt werden könne (UA Rn. 90), den Ausführungen im Plan-
ergänzungsbeschluss, ohne den klägerischen Vortrag zur Frage der Drehkreu-
ze und der Hub-Feeder-Flüge auf Seite 129 ff. der Klagebegründung hinrei-
chend zu berücksichtigen (VII. der Anhörungsrüge).
Das trifft nicht zu. Der Senat hat sich mit diesem Vortrag in Rn. 91 f. der Ent-
scheidungsgründe auseinandergesetzt. Er ist der Auffassung der Kläger, dass
Umsteigeverbindungen einen Nachtflugbedarf nicht begründen können, wenn
auch eine Direktverbindung angeboten wird, und dass der Hub-Feeder-Verkehr
auch zwischen 6:00 und 23:00 Uhr möglich sei, nicht gefolgt (UA Rn. 91 f.). Ei-
ne Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt darin nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 und 2 VwGO,
§ 100 Abs. 1 ZPO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400
KV GKG; einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.
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