Urteil des BVerwG vom 13.10.2011

Flughafen, Nacht, Anwohner, Zahl

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 A 4000.10
Verkündet
am 13. Oktober 2011
Ott
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. und 21. September 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
am 13. Oktober 2011 für Recht erkannt:
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache
für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kos-
ten des Beklagten und der Beigeladenen tragen die Kläge-
rin zu 4 sowie - jeweils als Gesamtschuldner - die Kläger
zu 2 und 3, zu 5 und 6 sowie zu 7 und 8 je 3/16.
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Der Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils 1/8 der
Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der
Kläger.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
G r ü n d e :
I
Die Kläger sind Eigentümer von Wohngrundstücken in der Nähe des Flugha-
fens Berlin-Schönefeld. Sie wenden sich gegen den vom Beklagten erlassenen
Planergänzungsbeschluss „Lärmschutzkonzept BBI“ zum Vorhaben „Ausbau
Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ vom 20. Oktober 2009.
Der angegriffene Planergänzungsbeschluss (PEB) ergänzt den Planfeststel-
lungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Ver-
kehrsflughafens Berlin-Schönefeld (PFB). Durch den Planfeststellungsbe-
schluss wurde die Grundlage für den Ausbau des Flughafens zum alleinigen
internationalen Verkehrsflughafen für die Region Berlin-Brandenburg geschaf-
fen. A II 5.1.1 PFB regelte den Flugbetrieb während der Nacht (22:00 bis
6:00 Uhr). In dieser Zeit sollten grundsätzlich nur lärmarme Flugzeuge starten
und landen dürfen (5.1.1 Nr. 1). Ausbildungs- und Übungsflüge waren grund-
sätzlich nicht zulässig (5.1.1 Nr. 4). Abgesehen hiervon sollten Starts und Lan-
dungen während der gesamten Nacht zulässig sein.
Auf ausgewählte Musterklagen von Anwohnern und Gemeinden hat der Senat
den Beklagten durch Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04,
1073.04, 1075.04 und 1078.04 (BVerwG 4 A 1075.04 veröffentlicht in BVerwGE
125, 116) - verpflichtet, u.a. über eine weitergehende Einschränkung des
Nachtflugbetriebs in Teil A II 5.1.1 des Planfeststellungsbeschlusses vom
13. August 2004 in der Fassung vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Soweit der Planfeststel-
lungsbeschluss den ausgesprochenen Verpflichtungen entgegenstand, hat er
ihn aufgehoben. Im Übrigen hat er die Klagen abgewiesen.
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Um der Verpflichtung aus den Urteilen vom 16. März 2006 nachzukommen, hat
der Beklagte den Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 erlassen.
Durch diesen Beschluss hat A II 5.1.1 PFB folgende Fassung erhalten:
5.1.1 Flugbetriebliche Regelungen
Ab Inbetriebnahme der planfestgestellten neuen Südbahn unterliegt
der Flugbetrieb folgenden Regelungen:
1) In der Zeit zwischen 23:30 und 5:30 Uhr Ortszeit dürfen keine Luft-
fahrzeuge starten oder landen.
2) In der Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr Ortszeit dürfen strahlge-
triebene Flugzeuge mit einer maximal zulässigen Abflugmasse von
mehr als 20 000 kg auf dem Flughafen nur starten oder landen, wenn
sie nachweisen, dass ihre gemessenen Lärmzertifizierungswerte in
der Summe mindestens 10 EPNdB unter der Summe der für sie gel-
tenden Grenzwerte gemäß Band 1, Teil II, Kapitel 3 des Anhangs 16
zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (ICAO-
Abkommen) liegen. …
3) Von den unter Nr. 1) und 2) genannten Regelungen sind ausge-
nommen:
a)
Landungen von Luftfahrzeugen, wenn die Benutzung des
Flughafens als Not- oder Ausweichflughafen aus meteorologi-
schen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen erfolgt,
b)
Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die sich im Einsatz
für den Katastrophenschutz oder für die medizinische Hilfeleis-
tung befinden oder die für Vermessungsflüge von Flugsiche-
rungsunternehmen bzw. in deren Auftrag eingesetzt werden,
c)
Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die bei Staatsbe-
suchen und für Regierungsflüge sowie Militär- und Polizeiflüge
eingesetzt werden.
4) Von den unter Nr. 1) genannten Regelungen sind ausgenommen:
a)
Starts und Landungen von Luftfahrzeugen im Luftpostverkehr
werktags in den fünf Nächten von Montag auf Dienstag bis
Freitag auf Samstag,
b)
verspätete Starts von Luftfahrzeugen im Interkontinental-
Verkehr zu Zielen außerhalb Europas sowie außerhalb der
nichteuropäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten, deren planmä-
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ßige Abflugzeit vor 23:30 Uhr Ortszeit liegt, bis 24:00 Uhr
Ortszeit,
c)
verspätete Landungen von Luftfahrzeugen, deren planmäßige
Ankunftszeit vor 23:30 Uhr Ortszeit liegt, bis 24:00 Uhr Ortszeit
und verfrühte Landungen von Luftfahrzeugen, deren planmä-
ßige Ankunft nach 5:30 Uhr Ortszeit liegt, ab 5:00 Uhr Ortszeit,
d)
Starts und Landungen von Luftfahrzeugen bei deren Bereitstel-
lung und instandhaltungsbedingter Überführung als Leerflüge
bis 24:00 Uhr Ortszeit und ab 5:00 Uhr Ortszeit.
5) In der Zeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr Ortszeit sind auch ver-
spätete Landungen von Flugzeugen mit Lärmzulassung nach Band 1,
Teil II, Kapitel 3 des Anhangs 16 zum ICAO-Abkommen im gewerbli-
chen Verkehr gestattet, wenn deren planmäßige Ankunftszeit vor
22:00 Uhr Ortszeit liegt.
6) An- und Abflüge im Rahmen von Ausbildungs- und Übungsflügen
sind in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr Ortszeit sowie an Sonn- und
Feiertagen nicht zulässig. Nach vorheriger Zustimmung der örtlichen
Luftaufsicht können Ausbildungs- und Übungsflüge an Werktagen bis
23:00 Uhr Ortszeit durchgeführt werden, wenn sie nach luftverkehrs-
rechtlichen Vorschriften über den Erwerb, die Verlängerung oder Er-
neuerung einer Erlaubnis oder Berechtigung als Führer eines Luft-
fahrzeugs zur Nachtzeit erforderlich sind und die Flüge nicht vor
22:00 Uhr Ortszeit beendet werden können. Als Feiertag im oben ge-
nannten Sinne gilt jeder Feiertag, der in den Gesetzen über die Sonn-
und Feiertage der Länder Berlin oder Brandenburg genannt ist.
7) (Triebwerksprobeläufe)
8) … (Schubumkehr)
9) Zum Schutz der Nachtruhe sind Starts und Landungen bei Flügen
nach Instrumentenflugregeln mit Ausnahme der in A II 5.1.1 Nr. 3)
genannten Flüge und der im Abschnitt A II 5.1.1 Nr. 4) a) genannten
Luftpostflüge wie folgt geregelt:
a)
Starts und Landungen sind zwischen 23:00 und 24:00 Uhr so-
wie 5:00 und 6:00 Uhr bis zu einer jährlichen Nachtverkehrs-
zahl von 12 852 für die Sommer- und Winterflugplanperiode
zulässig.
b)
Die Nachtverkehrszahl ist die Summe der Starts und Landun-
gen über alle Zeitscheiben, pro Zeitscheibe jeweils multipliziert
mit einem Nachtflugfaktor. Die maßgeblichen Nachtflugfakto-
ren und Zeitscheiben sind wie folgt definiert: Nachtflugfaktor 1
für 23:00 bis 23:30 Uhr Ortszeit, Nachtflugfaktor 2 für 23:30 bis
24:00 Uhr Ortszeit, Nachtflugfaktor 2 für 5:00 bis 5:30 Uhr
Ortszeit und Nachtflugfaktor 1 für 5:30 bis 6:00 Uhr Ortszeit.
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c)
Für jede Flugplanperiode ist die geplante Nachtverkehrszahl
im Voraus zu ermitteln. Die geplante Nachtverkehrszahl darf in
der Sommerflugplanperiode maximal 71 % (9 125) der zuge-
lassenen jährlichen Nachtverkehrszahl betragen, in der Winter-
flugplanperiode 29 % (3 727). Drei Jahre nach Inbetriebnahme
der planfestgestellten Südbahn ergibt sich für die kommenden
Jahre die Aufteilung der jährlich zugelassenen maximalen
Nachtverkehrszahl (12 852) auf die Sommer- und Winterflug-
planperiode jeweils aus den Durchschnittswerten der Auftei-
lung der tatsächlichen Nachtverkehrszahlen auf die Sommer-
und Winterflugplanperiode der sechs zurückliegenden Flug-
planperioden.
d)
Zur Berücksichtigung von Verspätungen und Verfrühungen
sowie ungeplanter Flüge muss die geplante Nachtverkehrszahl
erstmalig vor Beginn der Flugplanperiode, in der die planfest-
gestellte Südbahn in Betrieb geht, mindestens um 36 % unter
der maximal zulässigen Nachtverkehrszahl der Flugplanperio-
de liegen (Minderungsbetrag). Drei Jahre nach Inbetriebnahme
der planfestgestellten Südbahn ergibt sich für die kommenden
Flugplanperioden der Minderungsbetrag jeweils als Durch-
schnittswert der tatsächlichen Nachtverkehrszahlen aller Ver-
spätungen und Verfrühungen sowie ungeplanter Flüge in den
letzten drei Jahren.
e)
Sofern nach Ablauf der jeweiligen Flugplanperiode festgestellt
wird, dass die maximal zulässige Nachtverkehrszahl aufgrund
der tatsächlich durchgeführten Starts und Landungen über-
schritten wurde, muss in der kommenden Flugplanperiode die
geplante Nachtverkehrszahl um den Minderungsbetrag und
zusätzlich um den Überschreitungsbetrag unter der maximal
zulässigen Nachtverkehrszahl liegen.
f)
Die geplante Nachtverkehrszahl und die tatsächliche Nacht-
verkehrszahl der letzten Flugplanperiode einschließlich einer
Flugbewegungsstatistik für die maßgeblichen Zeitscheiben
sind der Genehmigungsbehörde unverzüglich zu übermitteln,
die geplante Nachtverkehrszahl erstmalig vor Beginn der Flug-
planperiode, in der die planfestgestellte Südbahn in Betrieb
geht. Der Aufbau und Inhalt der Flugbewegungsstatistik sind
mit der Genehmigungsbehörde abzustimmen.
10) … (Verteilung der Flüge auf die Start- und Landebahnen)
11) Die Genehmigungsbehörde kann in begründeten Einzelfällen
Abweichungen von den vorgenannten flugbetrieblichen Regelungen
zulassen.
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Die Kläger, die bereits gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August
2004 geklagt hatten, haben im Anhörungsverfahren rechtzeitig Einwendungen
erhoben. Am 12. Februar 2010 haben sie die vorliegenden Klagen erhoben. Sie
halten den Planergänzungsbeschluss aus mehreren Gründen für rechtswidrig:
Gegen den für den Erlass des Planergänzungsbeschlusses zuständigen Beam-
ten bestehe die Besorgnis der Befangenheit. Er habe zwischen April 2005 und
September 2008 an Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrs-
flughäfen (ADV) teilgenommen und sich mit flughafenfreundlichen Beiträgen
beteiligt.
Der Planergänzungsbeschluss verstoße gegen die Vorgaben des Urteils vom
16. März 2006 und die darin geäußerte Rechtsauffassung des Gerichts. Das
Gutachten der I. GmbH (im Folgenden: I.), auf das sich der Beklagte zum
Nachweis des Nachtflugbedarfs stütze, leide an mehreren, im Einzelnen be-
nannten Fehlern. Die Prognose finde in einer nicht überprüfbaren „Black Box“
statt. Die Nachtflugregelung lasse sich auch nicht durch die Erwägungen zum
Bedarf der einzelnen Verkehrssegmente rechtfertigen. Regionalwirtschaftliche
Effekte könnten Nachtflugverkehr nicht rechtfertigen. Eine Eindämmung des
Nachtflugverkehrs erst durch eine Kontingentierung stehe mit den Vorgaben
des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Einklang. Im Übrigen sei die Nachtver-
kehrszahl auch in ihrer Ausgestaltung unzureichend.
Die der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten zugrunde gelegten parallelen Ab-
flugstrecken seien aus Gründen der Flugsicherheit nicht vertretbar. Die gleich-
zeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen erfordere um mindestens
15° divergierende Abflugkurse. Der Planergänzungsbeschluss gehe - wie be-
reits der Planfeststellungsbeschluss - von im Wesentlichen unzutreffenden Be-
troffenheiten aus; insbesondere bleibe die Betroffenheit zehntausender zusätz-
licher Anwohner außer Betracht.
Die Gesamtabwägung stehe mit den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts
nicht in Einklang. Wohngrundstücke in der Nähe des Flughafens seien ohnehin
praktisch unverkäuflich; ihr Wert werde bei zusätzlichem Flugverkehr auch in
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der Nacht noch weiter sinken. Auch die Schadstoffbelastung und die Katastro-
phengefahr würden weiter erhöht.
Die Kläger beantragen,
die im Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009
angeordneten flugbetrieblichen Regelungen (Verfügung
A I 1) sowie die diese ergänzenden „Nebenentscheidun-
gen“ (Verfügung A III, IV) aufzuheben,
hilfsweise
den Beklagten zu verpflichten,
über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbe-
triebes in Teil A II Ziff. 5.1.1 des Planfeststellungsbe-
schlusses vom 13. August 2004 in der Fassung des Plan-
ergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 unter Be-
achtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden,
und den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben, soweit er
dieser Verpflichtung entgegensteht.
Soweit die Klagen ursprünglich auch auf weitergehenden passiven Schallschutz
und eine weitergehende Entschädigung für die Beeinträchtigung der Außen-
wohnbereiche gerichtet waren, haben die Kläger den Rechtsstreit in der Haupt-
sache für erledigt erklärt.
Der Beklagte verteidigt den Planergänzungsbeschluss und beantragt,
die Klagen abzuweisen, soweit sie noch aufrechterhalten
sind.
Im Übrigen hat auch er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Beigeladene beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Für den Fall, dass es hierauf ankommt, stimmt sie den Erledigungserklärungen
zu.
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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für
erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1
VwGO einzustellen. Im Übrigen sind die Klagen mit dem hilfsweise gestellten
Verpflichtungsantrag zulässig, aber nicht begründet.
A. Zulässigkeit
Die Kläger begehren eine über A II 5.1.1 PFB i.d.F. des PEB hinausgehende
Beschränkung des Nachtflugbetriebs. Dieses Ziel können sie nicht - wie mit
dem Hauptantrag begehrt - durch Aufhebung der getroffenen Betriebsbe-
schränkungen und der mit diesen Beschränkungen möglicherweise verbunde-
nen konkludenten Zulassung des Nachtflugbetriebs im Übrigen erreichen, son-
dern nur durch die - hilfsweise beantragte - Verpflichtung des Beklagten zu er-
neuter Entscheidung über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbe-
triebs. Zur Abwehr von Lärmimmissionen eines planfestgestellten Vorhabens
besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf Planergänzung, der im Wege einer
Verpflichtungsklage durchzusetzen ist; eine (teilweise) Aufhebung des Planfest-
stellungsbeschlusses kommt nur in Betracht, wenn das zum Schutz der Nach-
barschaft entwickelte Lärmschutzkonzept des Planungsträgers Defizite auf-
weist, die so schwer wiegen, dass die Ausgewogenheit der Planung insgesamt
infrage gestellt erscheint (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 -
BVerwGE 125, 116 Rn. 238 m.w.N.). Das gilt nicht nur, soweit der Lärmschutz
durch passiven Schallschutz gewährt wird, sondern auch, soweit Beschränkun-
gen des Flugbetriebs in Rede stehen (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O.
Rn. 290). Ausgehend hiervon kommt im vorliegenden Fall - wie der Senat be-
reits im Urteil vom 16. März 2006 entschieden hat - nur ein Anspruch auf Plan-
ergänzung in Betracht. Aus dem im damaligen Urteil enthaltenen Hinweis, dass
der nächtliche Flugbetrieb nicht aufgenommen werden dürfe, solange die gebo-
tene Vervollständigung des Lärmschutzkonzepts ausstehe (a.a.O. Rn. 290),
ergibt sich nichts anderes.
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B. Begründetheit
Die Klagen sind nicht begründet. Die flugbetrieblichen Regelungen in A II 5.1.1
PFB i.d.F. des PEB leiden nicht an Fehlern, die zu einem Anspruch der Kläger
auf eine erneute Entscheidung führen.
I. Verfahren
Die von den Klägern geltend gemachten Fehler des Planergänzungsverfahrens
liegen nicht vor.
Die Kläger rügen, dass der Leiter des für die Planfeststellung von Flugplätzen
zuständigen Referats des Beklagten und Unterzeichner des Planergänzungs-
beschlusses, Herr Ministerialrat B., befangen gewesen sei. Er habe zwischen
April 2005 und September 2008 als Gast an Sitzungen des Fachausschusses
Umwelt der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) teilge-
nommen. Dies sei ihnen erst während des gerichtlichen Verfahrens bekannt
geworden. In den Sitzungen habe er sich in „flughafenfreundlicher“ Weise ge-
äußert. Vor dem Hintergrund, dass die Autoren der Fluglärmsynopse selbst
nach Einschätzung der ADV zwischenzeitlich wissenschaftlich isoliert seien und
diese Einschätzung Herrn Ministerialrat B. bekannt gewesen sei, lasse zudem
der Umstand an seiner Unvoreingenommenheit zweifeln, dass der Beklagte
einen Mitautor der Fluglärmsynopse, Herrn Prof. Dr. Sch., damit beauftragt ha-
be, die Stellungnahmen eines anderen Mitautors, nämlich des für die Beigela-
dene tätigen Herrn Prof. Dr. Dr. J., zu begutachten.
Ein Grund im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 21 Abs. 1 VwVfG, der
geeignet ist, Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung zu rechtferti-
gen, liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteilig-
ten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszu-
schließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch,
unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden (Kopp/Ramsauer, VwVfG,
12. Aufl. 2011, § 21 Rn. 13; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG,
7. Aufl. 2008, § 21 Rn. 9). Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung
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der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht nicht aus (Be-
schluss vom 13. September 2007 - BVerwG 4 A 1007.07 - Buchholz 310 § 54
VwGO Nr. 68 Rn. 14).
Gemessen hieran begründet die Tatsache, dass Herr Ministerialrat B. vor und
während des Planergänzungsverfahrens an den Sitzungen des Fachausschus-
ses Umwelt der ADV teilgenommen hat, nicht die Besorgnis der Befangenheit.
Herr Ministerialrat B. hat durch die Teilnahme an den Sitzungen des ADV-
Ausschusses eine dienstliche Aufgabe wahrgenommen. Der Beklagte ist nicht
nur Planfeststellungsbehörde für Flughäfen des allgemeinen Verkehrs, für die
der Bund einen Bedarf nach § 27d Abs. 1 LuftVG anerkannt hat (§ 4 Abs. 1
Nr. 1 Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörden auf den Gebieten
der Luftfahrt und der Luftsicherheit im Land Brandenburg vom 2. Juli 1994,
GVBl Bbg II 1994, 610); er vertritt auch das Land Brandenburg im Bund-Länder-
Fachausschuss Luftfahrt. Herr Ministerialrat B. hat an den Sitzungen des ADV-
Ausschusses auf Wunsch des Bund-Länder-Fachausschusses Luftfahrt als
Gast teilgenommen. Der ADV gehören als ordentliche Mitglieder 21 internatio-
nale und 17 regionale deutsche sowie mehrere österreichische und schweizeri-
sche Verkehrsflughäfen an. Außerordentliche Mitglieder sind die für Luftfahrt
zuständigen Ministerien aller 16 Bundesländer, eine Reihe von Industrie- und
Handelskammern sowie einzelne Städte, Gemeinden und Verbände
(http://www.adv.aero/verband/mitglieder). Der ADV ist zwar ein Verband, der
nicht nur den Sachverstand der Verkehrsflughäfen bündelt, sondern auch deren
Interessen vertritt. Erfüllt der Beamte durch die Teilnahme an den Sitzungen der
ADV jedoch lediglich eine dienstliche Aufgabe, verhält er sich nicht anders, als
jeder andere Beamte an seiner Stelle es auch tun müsste; die Besorgnis indivi-
dueller Befangenheit ergibt sich aus einem solchen Sachverhalt nicht.
Dass der Beklagte demselben Beamten sowohl die erneute Entscheidung über
eine Beschränkung des nächtlichen Flugbetriebs auf dem Flughafen Berlin-
Schönefeld als auch die Teilnahme an Sitzungen der ADV zugewiesen hat, ver-
letzt auch nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung.
Dieser Grundsatz verlangt, dass die Planfeststellungsbehörde die ihr übertra-
gene Aufgabe in unparteiischer Weise wahrnimmt. Die Unparteilichkeit kann
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gefährdet werden, wenn Interessenverbände außerhalb zulässiger Beteiligun-
gen auf das Verwaltungsverfahren Einfluss zu nehmen suchen; das schließt
Kontaktaufnahmen, Informationen und Kenntnisnahmen nicht aus, sofern da-
raus nicht im Einzelfall entscheidungsbezogene Aktivitäten betreffend den Ver-
lauf und den Inhalt des Planfeststellungsverfahrens hervorgehen (vgl. Urteile
vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 <230 f.> und
vom 3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - DVBl 2011, 1021 Rn. 23 ff.). Dass die
regelmäßige Teilnahme des Leiters des für die Planfeststellung zuständigen
Referats des Beklagten an den Sitzungen eines Verbandes, der die Interessen
der deutschen Verkehrsflughäfen vertritt, die Besorgnis begründen kann, die
Planfeststellungsbehörde halte die Interessen der Flughäfen unabhängig von
der im Planfeststellungsverfahren vorzunehmenden Abwägung, für besonders
gewichtig, ist, jedenfalls wenn die Planfeststellungsbehörde einen vergleichba-
ren Kontakt zu Verbänden von Fluglärmbetroffenen nicht unterhält, nicht von
vornherein von der Hand zu weisen. Außerhalb der Befangenheitsvorschriften
genügt der „böse Schein“ für die Bejahung eines Verfahrensverstoßes jedoch
nicht. Dass die ADV den Gestaltungsspielraum des Beklagten durch aktive Ein-
flussnahme sachwidrig eingeengt habe, machen die Kläger selbst nicht geltend.
Anhaltspunkte dafür sind auch nicht ersichtlich. Das Planergänzungsverfahren
für den Flughafen Berlin-Schönefeld war nicht Gegenstand der Sitzungen, an
denen Herr Ministerialrat B. teilgenommen hat.
Die Äußerungen von Herrn Ministerialrat B. während der Sitzungen des ADV-
Ausschusses geben entgegen der Auffassung der Kläger keinen Anlass, an
seiner Unbefangenheit zu zweifeln. Gleiches gilt für die Beauftragung von Herrn
Prof. Dr. Sch. mit einer Stellungnahme zu den Einwendungen zum Themen-
komplex Lärmmedizin und Lärmwirkungsforschung. Dass die Fluglärmsynopse,
deren Mitautor Herr Prof. Dr. Sch. ist, wissenschaftlich umstritten ist, begründet
keine Zweifel an seiner Sachkunde und seiner Unparteilichkeit. Unabhängig
hiervon müssen Befangenheitsgründe unverzüglich geltend gemacht werden.
Sowohl Herr Prof. Dr. Sch. als auch Herr Prof. Dr. Dr. J. waren nicht erst im
Planergänzungs-, sondern bereits im Planfeststellungsverfahren für ihre jeweili-
gen Auftraggeber tätig, ohne dass die Kläger, denen die Fluglärmsynopse
schon damals bekannt war, dies gerügt hätten.
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II. Materielle Rechtmäßigkeit
In der Sache hat der Beklagte bei seiner erneuten, in der mündlichen Verhand-
lung auf Anraten des Gerichts durch eine klarstellende Erklärung präzisierten
Entscheidung über die Einschränkung des nächtlichen Flugbetriebs die im Urteil
vom 16. März 2006 dargelegte Rechtsauffassung des Senats beachtet. Auch im
Übrigen hat er die Belange der Kläger rechtsfehlerfrei abgewogen.
1. Anforderungen an eine Regelung des Nachtflugbetriebs
Die Planfeststellungsbehörde ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG ermächtigt,
im Rahmen der Planfeststellung für die Anlegung oder wesentliche Änderung
eines Flughafens auch den Flugbetrieb zu regeln. Zentrales Element dieser
Ermächtigung ist die mit ihr verbundene Einräumung planerischer Gestaltungs-
freiheit (Urteile vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332
<341> und vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110
<116>). Begrenzt wird die Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde
durch das fachplanerische Abwägungsgebot in Verbindung mit dem in § 29b
Abs. 1 Satz 2 LuftVG enthaltenen Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in
besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass
- erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwä-
gung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt
werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffent-
lichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in
einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Be-
lange außer Verhältnis steht (Urteile vom 29. Januar 1991 a.a.O. S. 341 und
vom 7. Juli 1978 a.a.O. S. 122 f.). Innerhalb dieser Grenzen wird das Abwä-
gungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der Kolli-
sion zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und
damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet; die darin
liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten
Belange ist vielmehr ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungs-
freiheit und damit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (Urteil vom
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14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <64> dort zum Bun-
desfernstraßengesetz).
Die sich aus dem Abwägungsgebot in Verbindung mit § 29b Abs. 1 Satz 2
LuftVG ergebenden Anforderungen an eine Regelung des nächtlichen Flugbe-
triebs hat der Senat in seinem Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A
1075.04 - (BVerwGE 125, 116 Rn. 267 ff.) und der nachfolgenden Rechtspre-
chung (Urteile vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127,
95 Rn. 67 - 74, vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316
Rn. 39, 93 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123
Rn. 51) wie folgt konkretisiert:
In der sogenannten Nachtkernzeit (0:00 bis 5:00 Uhr) setzt die Zulassung von
Nachtflugbetrieb einen standortspezifischen Nachtflugbedarf voraus. Allein die
Absicht, dem Flugverkehr, vor allem dem Linien-, Charter- und Frachtverkehr,
optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, rechtfertigt es nicht, die Lärm-
schutzbelange der Anwohner hintanzustellen. Es müssen vielmehr Umstände
gegeben sein, die im Unterschied zur Mehrzahl der anderen deutschen Flughä-
fen einen unbeschränkten Nachtflugbetrieb zu rechtfertigen geeignet sind. Für
den Flughafen Berlin-Schönefeld hat der Senat vorgegeben, dass die Nacht-
kernzeit grundsätzlich frei von Flugaktivitäten bleiben muss (Urteil vom 16. März
2006 a.a.O. Rn. 290).
Für die Nutzung der Nachtrandstunden, also die Zeit von 22:00 bis 24:00 Uhr
und 5:00 bis 6:00 Uhr, ist ein standortspezifischer Bedarf nicht erforderlich.
Auch die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden bedarf im
Rahmen der Abwägung im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG jedoch einer
besonderen Begründung. Starts und Landungen dürfen nicht ohne erkennbare
Notwendigkeit gerade in diesen Zeitraum - und damit außerhalb der unter
Lärmgesichtspunkten weniger problematischen Tagesstunden - gelegt werden.
In den Nachtrandstunden und hier insbesondere in der Zeit zwischen 22:00 und
23:00 Uhr besitzt der Lärmschutz allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in
der Nachtkernzeit. Daraus folgt, dass sich plausibel nachgewiesene sachliche
Gründe, weshalb ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Ver-
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kehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt wer-
den kann, im Zuge der Abwägung gegen die Belange des Lärmschutzes durch-
setzen können. Solche Gründe können sich z.B. aus den Erfordernissen einer
effektiven Flugzeug-Umlaufplanung, aus den Besonderheiten des Interkontinen-
talverkehrs (Zeitzonen, Verspätungen, Verfrühungen) oder aus dem Umstand
ergeben, dass der Flughafen als Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt
von Fluggesellschaften deren Bedürfnisse nachvollziehbar nicht ausschließlich
in den Tageszeiten abdecken kann (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O.
Rn. 287 f.).
Für die Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs in den Nachtrand-
stunden bedeutet das: Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Nacht-
flugbedarfs ist die Darlegung einer Nachfrage nach Nachtflugverkehr. Das gilt
jedenfalls für die planbaren Verkehre, insbesondere den Passagier- und
Frachtverkehr. Nachtflugbedarf kann sich zwar nicht nur aus einer tatsächli-
chen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Voraus-
schau künftiger Entwicklungen; eine entsprechende Bedarfslage muss aber bei
vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit
erwartet werden können (Urteile vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 -
BVerwGE 123, 261 <271 f.>, vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 282 und vom 9. Juli
2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 17). Die Bedienung der
Nachfrage muss zudem von den Planungszielen, die die Anlegung oder den
Ausbau des Flughafens gerechtfertigt haben, umfasst sein. Eine Nachfrage
nach Verkehren, für die der Flughafen nicht geplant wurde, kann die Zulassung
von Nachtflugbetrieb von vornherein nicht rechtfertigen.
Die Darlegung einer Nachfrage ist notwendige Voraussetzung für die Zulassung
von Nachtflugbetrieb; sie allein genügt für die Zulassung von Nachtflugbetrieb
jedoch nicht. Die Verkehrsinteressen sind nur dann geeignet, sich im Wege der
Abwägung gegen die Lärmschutzinteressen der Anwohner durchzusetzen,
wenn es ausgehend von den Gegebenheiten des Luftverkehrsmarktes betriebli-
che oder strukturelle Gründe dafür gibt, den Verkehr gerade in den Nachtrand-
stunden abzuwickeln. Die Planfeststellungsbehörde muss plausibel darlegen,
warum der Nachtflugbedarf gerade in der Nacht besteht. Plausible Gründe für
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- 16 -
die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten können auch dann gegeben sein,
wenn es nur um wenige Flugbewegungen geht; die Zahl der Flugbewegungen
ist insoweit ohne Bedeutung.
Das Gewicht, das einem nachtrandspezifischen Verkehrsbedarf in der behördli-
chen Abwägung zukommt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Maßgebend
sind insbesondere die sich aus den Planungszielen ergebende Verkehrsfunk-
tion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz (vgl. Urteil vom
20. April 2005 a.a.O. S. 272). Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine
Stellung im Luftverkehrsnetz bestimmen die Erwartungen, die berechtigterweise
an das Verkehrsangebot zu stellen sind, insbesondere an die Zahl und die Di-
versität der Destinationen, die Frequenz der Verbindungen und die Erreichbar-
keit des Flughafens in den frühen Morgen- und späten Abendstunden. Diese
Erwartungen sind entscheidend dafür, ob das Verkehrsangebot ohne die in Re-
de stehenden Nachtflugverbindungen noch als „befriedigend“ (Urteil vom
16. März 2006 a.a.O. Rn. 288) angesehen werden kann. Von Bedeutung kann
ferner sein, ob der Bedarf von einem anderen Flughafen nachfragegerecht ge-
deckt werden könnte (Urteil vom 20. April 2005 a.a.O. S. 272).
Die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz
sind ein zentraler Bezugspunkt für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs; einen
von der Abwägung im Einzelfall unabhängigen Vorrang gegenüber den Lärm-
schutzbelangen der Anwohner verleihen sie dem Nachtflugbedarf nicht. Der
Nachtflugbedarf muss im Wege der Abwägung in ein ausgewogenes Verhältnis
zu den berechtigten Lärmschutzbelangen der Anwohner gebracht werden (Ur-
teil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 288). Nicht nur die Anwohner müssen Beein-
trächtigungen hinnehmen; auch bei den Planungszielen können und müssen
gegebenenfalls Abstriche gemacht werden.
Auch der Umfang der Nachfrage ist für die Gewichtung des Nachtflugbedarfs
relevant. Je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto
bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung (Urteile vom
29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <368> und vom
20. April 2005 a.a.O. S. 268). Mit der Zahl der Flugbewegungen wächst aller-
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dings auch das Gewicht der Lärmschutzbelange. Für die Flughafenanwohner
bedeutet jeder zusätzliche Flug eine zusätzliche Belastung, jeder Flug, der un-
terbleibt, eine Entlastung (Urteil vom 9. November 2006 a.a.O. Rn. 76).
2. Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs
Ausgehend hiervon hat der Beklagte einen Bedarf für den im Planergänzungs-
beschluss zugelassenen Nachtflugverkehr zu Recht bejaht; er hat auch nicht
die Bedeutung und das Gewicht dieses Bedarfs verkannt.
2.1 Nachfrage nach Nachtflügen
Zum Nachweis der Nachfrage nach Nachtflügen hat sich der Beklagte nicht auf
das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten der A. GmbH (im Folgenden:
A.) „Der besondere Bedarf an der Durchführung von Nachtflugbewegungen
während der Nachtzeiten am Flughafen Berlin Brandenburg International“ vom
9. Mai 2007 (Beiakte 1) gestützt, sondern auf das von ihm selbst in Auftrag ge-
gebene I.-Gutachten „Nachtflugbedarf am Flughafen Berlin Brandenburg Inter-
national“ vom Juni 2009 (Beiakte 17 Bl. 1689 ff. - im Folgenden: Nachtflug-
Gutachten). Er hat dem A.-Gutachten zwar die Verwertbarkeit attestiert (PEB
S. 69 f.), die von A. ermittelte Zahl von Nachtflugbewegungen jedoch tenden-
ziell für zu hoch erachtet (PEB S. 72 Abs. 1). Die insoweit gegen das
A.-Gutachten gerichteten Einwände der Kläger sind mithin nicht entscheidungs-
erheblich.
2.1.1 Verwertbarkeit der I.-Nachtflugprognose
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterlie-
gen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Das Ge-
richt hat nur zu prüfen, ob die Prognose nach einer geeigneten Methode durch-
geführt wurde, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde
und ob das Ergebnis einleuchtend begründet ist (Urteile vom 20. April 2005
a.a.O. S. 275, vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83
Rn. 50 und vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG
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- 18 -
Nr. 208 Rn. 73). Ausgehend hiervon ist die im I.-Gutachten erstellte Nachtflug-
prognose nicht zu beanstanden.
2.1.1.1 Bestandsaufnahme
Als Grundlage der Prognose hat I. die Flugbewegungsdaten der Flughäfen Te-
gel, Tempelhof und Schönefeld für das Jahr 2008 ausgewertet und auf diese
Weise die zeitliche Verteilung des Flugverkehrs aufgeschlüsselt nach Verkehrs-
segmenten ermittelt (Kapitel 3 des Nachtflug-Gutachtens). Einwendungen ge-
gen diese Bestandsaufnahme haben die Kläger nicht erhoben. Sie rügen aller-
dings, dass der Ausgangsdatensatz maßgeblich von den Nachtflugbewegungen
auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld mit seiner unbeschränkten Nachtbe-
triebserlaubnis geprägt werde und zwar in einem Ausmaß, das in keinem Ver-
hältnis zur Bedeutung Schönefelds im Berliner Flughafensystem stehe. Warum
dies zu einer Überschätzung des Nachtflugbedarfs führen sollte, ist nicht er-
sichtlich. Das Nachtflug-Gutachten ermittelt gerade zunächst die Nachfrage
nach Nachtflügen bei einem unbeschränkten Nachtflugbetrieb (Kapitel 8) und
erst anschließend die Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen (Kapitel 9).
2.1.1.2 Hochrechnung
In einem zweiten Schritt hat I. aus einer anderen Verkehrsprognose Wachs-
tumsraten 2005 : 2020 für die einzelnen Verkehrssegmente abgeleitet und mit
deren Hilfe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung bis 2008 das
Nachtflugaufkommen je Verkehrssegment unter status-quo-Bedingungen auf
das Jahr 2020 hochgerechnet (Kapitel 7 des Nachtflug-Gutachtens). Grundlage
für die Ermittlung der Wachstumsraten war die „Luftverkehrsprognose Deutsch-
land 2020“ vom Dezember 2006 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom
18. Oktober 2010 - im Folgenden: Masterplan-Prognose), die I. im Auftrag der
Initiative „Luftverkehr für Deutschland“ für die Fortschreibung des Masterplans
zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur erstellt hat. Die genannte Initiative
wurde im Jahr 2003 von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, der Flugha-
fen München GmbH, der Fraport AG und der Deutsche Lufthansa AG unter der
Schirmherrschaft des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
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gegründet (Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur, Dezember
2006, Anlage K 43 zum Schriftsatz der Kläger vom 14. Juli 2010, S. 3). Die
Masterplan-Prognose hat für alle deutschen Flughäfen ab 1 Mio. Passagiere
(Stand 2005) sowohl das Flugbewegungs- als auch das Passagieraufkommen
in 2020 prognostiziert; Basisjahr der Prognose ist das Jahr 2005 (Masterplan-
Prognose S. 2). Die Prognosen wurden mit Hilfe eines Gesamtverkehrsmodells
errechnet, dessen Ursprünge auf die Bundesverkehrswegeplanung zurückge-
hen (a.a.O. S. 6). In einem ersten Schritt wird das Gesamtverkehrsaufkommen,
darunter das flughafenunabhängige Luftverkehrsaufkommen, in Form einer
nach Marktsegmenten differenzierten Quelle-Ziel-Matrix für den Ist-Zustand aus
empirischen Grundlagen ermittelt und unter Berücksichtigung der sozioökono-
mischen Entwicklung und der Entwicklung des Verkehrsangebotes und der
Nutzerkosten aller Verkehrszweige prognostiziert. In einem zweiten Schritt er-
folgt die Aufteilung des Luftverkehrsaufkommens auf die Flughäfen durch ein
Flughafen-Wahlmodell, das die landseitige Erreichbarkeit und das Luftver-
kehrsangebot der Flughäfen berücksichtigt (a.a.O. S. 6). Die Quelle-Ziel-Matrix
umfasst die Verkehrsströme zwischen allen Quellen (Raumeinheiten, hier Kreis-
regionen im Inland und 342 Auslandsregionen) und Zielen, ebenfalls in Raum-
einheiten (a.a.O. S. 7). Sie ist sachlich gegliedert nach Verkehrsmitteln (Flug-
zeug, Bahn, motorisierter Individualverkehr, Bus), Reisezwecken (geschäftlich,
privat, sonstiger Privatverkehr) sowie nach out- und inbound (a.a.O. S. 9). Sie
basiert auf hochgerechneten Fluggastbefragungen, die mit den Relationsstatis-
tiken des Statistischen Bundesamtes und entsprechenden Statistiken des Aus-
lands abgeglichen werden (a.a.O. S. 12).
Die Hochrechnung mit den aus dieser Prognose abgeleiteten Wachstumsraten
ist eine geeignete Methode zur Ermittlung des Nachtflugaufkommens in 2020
auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld. Sie ist keine schlichte
Trendprognose. Ob eine solche genügen würde, kann deshalb offen bleiben
(vgl. Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239
Rn. 107). I. hat nicht die Entwicklung des Nachtflugverkehrs in der Vergangen-
heit nach Maßgabe eines sich daraus ergebenden Trends fortgeschrieben,
sondern aus einer Modellprognose für den Gesamtverkehr Wachstumsraten für
die einzelnen Verkehrssegmente abgeleitet und diese der Entwicklung des
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- 20 -
Nachtflugverkehrs zugrunde gelegt. Den Flugverkehr unmittelbar durch eine
Modellprognose zu ermitteln, wäre auf der Grundlage der vorhandenen Daten
nicht möglich gewesen; die zeitliche Lage der Verkehrsströme (Tag/Nacht) ist in
den vorhandenen Quelle-Ziel-Matrizes nicht hinterlegt (I.-Stellungnahme vom
15. Oktober 2010 S. 32).
Die der Hochrechnung zugrunde liegende Hypothese, dass sich im Prognose-
zeitraum zwar das Aufkommen des jeweiligen Verkehrssegments, nicht aber
die zeitliche Struktur innerhalb des Segments und damit das Verhältnis von
Tag- und Nachtflügen ändert, ist plausibel. Sie wird durch die zu erwartende
Veränderung der Verkehrsstruktur am ausgebauten Flughafen Berlin-
Schönefeld als alleinigem Flughafen für Berlin nicht infrage gestellt. Die Wachs-
tumsraten sind nicht für den Gesamtverkehr, sondern spezifisch für die einzel-
nen Verkehrssegmente ermittelt worden.
Für den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld hat die Masterplan-Prog-
nose für das Jahr 2020 33,2 Mio. Passagiere und 367 000 Flugbewegungen
prognostiziert (Masterplan-Prognose S. 72, 90). Sie weist die Flugbewegungen
nicht segmentspezifisch aus, sondern unterscheidet lediglich zwischen Passa-
gierverkehr, Fracht/Post und Allgemeiner Luftfahrt (a.a.O. S. 90). Den Gesamt-
bewegungszahlen liegt jedoch eine Erfassung der Flugbewegungen je Flugha-
fen mit folgenden Angaben zugrunde: von Flughafen, nach Flughafen, Ver-
kehrsart (Passage, Fracht, sonstige), Airline (Allianz), Anzahl Passagiere, An-
zahl t Fracht, Anzahl Flugbewegungen (I.-Stellungnahme vom 28. Januar 2011
S. 16). Mit diesen Zusatzinformationen lassen sich die Flugbewegungen den für
das Nachtflug-Gutachten definierten Verkehrssegmenten (vgl. Nachtflug-
Gutachten S. 20 f.) zuordnen. Dass I. die Flugbewegungen in der Masterplan-
Prognose teilweise nach anderen Gesichtspunkten aggregiert hat - so sind z.B.
Hub-Flüge im Sinne der dortigen Tab. 3-8 (Masterplan-Prognose S. 41 ff.) nur
Interkontinentalflüge und mit den Hub-Feeder-Flügen des Nachtflug-Gutachtens
nicht zu vergleichen (I.-Stellungnahme vom 28. Januar 2011 S. 16 f.) -, stellt die
Plausibilität dieses Vorgehens nicht infrage.
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- 21 -
Das dargelegte, der Masterplan-Prognose zugrunde liegende Gesamtver-
kehrsmodell ist eine geeignete Methode zur Ermittlung des künftigen Luftver-
kehrsaufkommens an einem bestimmten Flughafen. Die Kläger behaupten, die
in der Masterplan-Prognose dargestellte Methode, nach der angeblich jede ein-
zelne Flugbewegung weltweit (mit Zuweisung zu Fluggesellschaften und Zu-
weisung zu einem spezifischen Segment) mit Quelle und/oder Ziel in Deutsch-
land ermittelt werden könne, sei derart komplex, dass sie die derzeit technisch-
wissenschaftlichen Möglichkeiten der Prognose überstiege; das gelte erst recht,
wenn Haus-zu-Haus-Beziehungen abgebildet werden sollten. Zum Beweis die-
ser Tatsache beantragen sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Der Antrag war abzulehnen. Dass die Beweisbehauptung nicht zutrifft, kann der
Senat auf der Grundlage der Masterplan-Prognose und des Vortrags der Kläger
sowie ihrer Sachbeistände selbst beurteilen. Das der Masterplan-Prognose zu-
grunde liegende Gesamtverkehrsmodell ist nicht darauf gerichtet, einzelne
Flugbewegungen oder gar Haus-zu-Haus-Beziehungen abzubilden; es erfasst
die Verkehrsströme zwischen den genannten Raumeinheiten. Das entspricht
gängiger Praxis bei der Erstellung von Verkehrsprognosen.
Auch dem Antrag der Kläger, gegenüber dem Beklagten Einsicht in die der
Prognose zugrunde liegenden Unterlagen und die computergestützten Berech-
nungen zu verlangen, brauchte der Senat nicht zu entsprechen. Die Ermittlung
der Wachstumsraten ist auch ohne Offenlegung der genannten Unterlagen kei-
ne „Black Box“. Inwieweit die Ausgangsdaten und die Verarbeitungsschritte ei-
ner Verkehrsprognose dokumentiert werden müssen, um deren Verwertbarkeit
überprüfen zu können, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die sich nicht all-
gemeingültig beantworten lässt (Beschlüsse vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B
61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 24 und vom 14. April 2011 - BVerwG 4 B 77.09 -
juris Rn. 44). Ob - wie I. geltend macht - die Quelle-Ziel-Matrizes Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse darstellen, kann offen bleiben; etwaige Dokumenta-
tionsdefizite würden dadurch nicht unbeachtlich. Soweit die Daten erforderlich
sind, um die Verwertbarkeit des Gutachtens zu beurteilen, ist es im Grundsatz
Sache des Auftraggebers, bei Erteilung des Gutachtenauftrags sicherzustellen,
dass der Gutachter ihm die erforderlichen Daten übergibt. Hat der Auftraggeber
dies unterlassen, kann zwar auch das Gericht die Vorlage der Daten nicht er-
54
- 22 -
zwingen; die fehlende Offenlegung geht jedoch zulasten des Auftraggebers,
das Gutachten ist nicht verwertbar. Hier brauchte der Beklagte, soweit es um
die Wachstumsraten geht, eine über die Vorlage der Masterplan-Prognose und
die im gerichtlichen Verfahren nachgelieferten Erläuterungen hinausgehende
Dokumentation nicht zu verlangen. Auch wenn er die Nachtflugprognose selbst
erstellt hätte, wäre eine weitergehende Dokumentation nicht erforderlich gewe-
sen. Dies folgt zwar entgegen der Auffassung des Beklagten nicht allein daraus,
dass die Masterplan-Prognose aus Sicht des Nachtflug-Gutachtens eine exter-
ne Quelle ist. Es kommen hier jedoch mehrere Umstände hinzu: Die Master-
plan-Prognose wurde weder speziell für den Flughafen Berlin-Schönefeld noch
zur Ermittlung des Nachtflugbedarfs erstellt, sondern für eine realistische Be-
darfsplanung der deutschen Luftverkehrswirtschaft insgesamt; die Gefahr, dass
Wertungen und Ausgangsdaten mit Blick auf ein bestimmtes Prognoseergebnis
ausgewählt wurden, besteht mithin nicht. Allenfalls mangelnde Sorgfalt oder
Sachkunde des Gutachters hätten zu Fehlern führen können. Dagegen spricht
indes, dass die Prognose bereits mehrfach verwendet worden ist und dabei je-
weils Anerkennung gefunden hat. Sie wurde zunächst von der Initiative „Luft-
verkehr für Deutschland“ für die Fortschreibung des Masterplans zur Entwick-
lung der Flughafeninfrastruktur vom Dezember 2006, sodann von der Bundes-
regierung für ihr Flughafenkonzept 2009 (S. 17 - 19) verwendet. Die der Mas-
terplan-Prognose zugrunde liegenden Daten wurden für die Nachtverkehrspro-
gnose für den Flughafen Leipzig/Halle ausgewertet. Der Senat hat diese Pro-
gnose nicht beanstandet; er ist davon ausgegangen, dass die Methodik der
Masterplan-Prognose wissenschaftlichen Ansprüchen genügt (Urteil vom
24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31
Rn. 67 f.). Das Gesamtverkehrsmodell findet im Übrigen auch in der Bundes-
verkehrswegeplanung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung (BMVBS) Verwendung. Das BMVBS hat für die Fernstraßenplanung
die Verwendung der Daten der Bedarfsplanprognose bzw. der Bundesver-
kehrswegeplanung sogar vorgegeben (Urteile vom 18. März 2009 - BVerwG
9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 110 und vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A
20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 77). Gegen die der Masterplan-
Prognose zugrunde gelegten Annahmen zur Entwicklung der Rahmenbedin-
gungen der Luftverkehrswirtschaft bestehen ebenfalls keine Bedenken; sie sind
- 23 -
mit einem projektbegleitenden Arbeitskreis, dem u.a. das BMVBS und Fachmi-
nisterien der Länder angehörten, abgestimmt worden (Masterplan-Prognose
S. 4; I.-Stellungnahme vom 15. Oktober 2010 S. 5 f., 28). Vor diesem Hinter-
grund hätte es konkreter Anhaltspunkte dafür bedurft, dass bei der Aufnahme
der Grundlagendaten und den Zwischenberechnungen Fehler unterlaufen oder
dass unvertretbare Einzelwertungen getroffen worden sein könnten. Solche An-
haltspunkte bestehen nicht; auch die Kläger haben sie nicht aufgezeigt.
Die Masterplan-Prognose war bei Erlass des Planergänzungsbeschlusses noch
hinreichend aktuell. Die Basisdaten wurden nicht aus der für den Bundesver-
kehrswegeplan 2003 erstellten Prognose übernommen, sondern auf das Jahr
2005 aktualisiert; lediglich die Methodik der damaligen Prognose blieb im We-
sentlichen unverändert. Den vorübergehenden Einbruch der Weltwirtschaft En-
de des Jahres 2008 konnte die Masterplan-Prognose nicht berücksichtigen. Die
Erwartung, dass der Konjunktureinbruch die Entwicklung des Luftverkehrs nicht
nachhaltig beeinflussen würde, war jedoch bezogen auf den Prognosehorizont
2020 nicht unrealistisch. Auch die aktuelle, im Jahr 2006 nicht absehbare Öl-
preisentwicklung steht der Verwertbarkeit der Masterplan-Prognose für das
Nachtflug-Gutachten nicht entgegen. Als bestimmenden Faktor für die Entwick-
lung des Luftverkehrs hat die Masterplan-Prognose nicht den Ölpreis selbst,
sondern nur u.a. die Luftverkehrspreise eingestellt und bei diesen neben den
Ölpreisen eine Reihe von weiteren preistreibenden und preissenkenden Fakto-
ren verglichen (Masterplan-Prognose S. 32 - 35). Die außergewöhnliche Ent-
wicklung eines einzelnen Faktors stellt die Stimmigkeit des Gesamtergebnisses
nicht infrage.
Die Masterplan-Prognose musste auch keine weitergehenden Betrachtungen
zu einer künftigen Verschärfung von Umweltregelungen anstellen. Sie hat bei
der Untersuchung der Luftverkehrspreise etwaige Änderungen zum Schutz der
Umwelt (Emissionshandel, Lärmabgaben, Kerosinsteuer) in die Betrachtung
einbezogen (S. 34 Tab. 3-5). Welche konkreten Regelungsvorhaben darüber
hinaus hätten berücksichtigt werden müssen, zeigen die Kläger nicht auf.
55
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- 24 -
2.1.1.3 Glättung
Um die zeitliche Verteilung der Nachfrage zu ermitteln, die sich auf dem ausge-
bauten Flughafen Berlin-Schönefeld bei einem nicht beschränkten Flugbetrieb
einstellen würde, hat I. in einem dritten Prognoseschritt die unter status-quo-
Bedingungen errechnete Nachfragekurve „geglättet“ (Kapitel 8 des Nachtflug-
Gutachtens). Sie hat für jeden Zeitpunkt die Flugbewegungen aufsummiert, die
bis 30 Minuten vor- und 30 Minuten nachher stattfinden, die Werte gemittelt und
angetragen. Einbezogen in dieses Verfahren hat sie nur die Flugbewegungen,
die auf die Flughäfen Tegel und Tempelhof entfallen; am Flughafen Berlin-
Schönefeld ist der Flugbetrieb bis zur Inbetriebnahme der neuen Südbahn oh-
nehin zeitlich unbeschränkt zulässig.
Der Glättung liegt die Annahme zugrunde, dass ein Teil der Flugbewegungen,
die sich kurz nach Betriebsbeginn in Berlin-Tegel und kurz vor dem dortigen
Betriebsende „stauen“, ohne die Betriebsbeschränkungen in die bisherige Be-
triebspause hinein verlagert würden. Das ist plausibel. Nichts spricht dafür,
dass der starke Anstieg der Flugbewegungen nach 6:00 Uhr und der abrupte
Abfall nach 23:00 Uhr allein auf die Nachfrage zurückzuführen ist.
Die Plausibilität wird durch die Kontrollrechnungen der Kläger des Parallelver-
fahrens (BVerwG 4 A 4001.10) nicht infrage gestellt. Sie machen geltend, dass
das Gutachten Gründe für den im Vergleich zum Gesamtverkehr überproportio-
nalen Anstieg des Nachtflugverkehrs nicht aufzeige. Besonders deutlich werde
die unterschiedliche Entwicklung von Gesamt- und Nachtverkehr beim Low-
Cost-Verkehr. Die Zahl der Flugbewegungen in diesem Segment solle von
89 157 in 2008 (Nachtflug-Gutachten S. 31 Tab. 3-4) auf 144 434 in 2020
(a.a.O. S. 85 Tab. 8-2), also um 62 % steigen. Die Zahl der Nachtflugbewegun-
gen steige im gleichen Zeitraum von 4 325 auf 7 670, also um 77 %, die Zahl
der Flugbewegungen zwischen 23:00 und 6:00 Uhr von 278 auf 1 057, also um
280 %. Da die Hochrechnung von einheitlichen Wachstumsraten für Tag und
Nacht ausgeht, ist das überproportionale Wachstum der Nachtflugbewegungen
rechnerisch eine Folge der Glättung. Dass der Nachtflugverkehr insgesamt bei
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einem unterstellten Wegfall der zeitlichen Betriebsbeschränkungen auch real
stärker wachsen wird als der Tagflugverkehr, ist - wie dargelegt - plausibel und
zwar auch in der für den Low-Cost-Verkehr prognostizierten Größenordnung.
Die große prozentuale Steigerung für die Zeit zwischen 23:00 und 6:00 Uhr ist
in erster Linie auf die geringe absolute Zahl von Flugbewegungen in diesem
Zeitraum unter status-quo-Bedingungen (278 Flugbewegungen - a.a.O. S. 31
Tab. 3-4) zurückzuführen - der Low-Cost-Verkehr wird anders als die touristi-
schen Verkehre überwiegend auf dem Flughafen Tegel abgewickelt - und die im
Verhältnis dazu große absolute Zahl von Flugbewegungen insgesamt (144 434
Flugbewegungen) und dementsprechend auch zwischen 22:30 und 23:00 Uhr
(2 634 Flugbewegungen - a.a.O. S. 80 Tab. 7-1) sowie nach 6:00 Uhr. Der
„Stau-Effekt“ ist bei einem aufkommensstarken Verkehrssegment mit hohem
Nachtfluganteil stark; das ist nicht unplausibel.
Die Glättung führt auch in den Zeitsegmenten von 22:00 bis 22:30 Uhr zu einem
Anstieg der Flugbewegungen von 7 872 (Nachtflug-Gutachten S. 81 Tab. 7-2)
auf 8 325 (a.a.O. S. 89 Tab. 8-5). Das ist rechnerisch die Folge davon, dass
zwischen 21:30 und 22:00 Uhr deutlich mehr Flugbewegungen stattfinden als
von 22:00 bis 22:30 Uhr. Die Glättung führt auf der anderen Seite für die Zeit
von 22:30 bis 23:00 Uhr zu einer Verringerung der Flugbewegungen von 7 005
auf 6 253. Insoweit ist die Glättung lediglich ein statistisches Verfahren zur ver-
feinerten Betrachtung der Halbstundensegmente.
2.1.1.4 Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen
Im letzten Prognoseschritt hat I. ein mögliches Modell für eine Regelung des
Nachtflugbetriebs entwickelt (Nachtflug-Gutachten S. 100 Tab. 9-2) und ausge-
hend hiervon die Zahl der Nachtflugbewegungen in 2020 prognostiziert (a.a.O.
S. 102 Tab. 9-4). Das Betriebsmodell entspricht weitgehend den im Planergän-
zungsbeschluss getroffenen Regelungen, lässt aber von 5:00 bis 5:30 Uhr und
von 23:30 bis 24:00 Uhr Flugverkehr weitergehend zu. Bei diesem Betriebsmo-
dell wird sich die Zahl der Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020
nach Einschätzung von I. von 76,6 (a.a.O. S. 101 Tab. 9-3) auf 71,1 (a.a.O.
S. 102 Tab. 9-4), also um 5,5 Flugbewegungen, verringern.
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Die Kläger vermissen eine Begründung dafür, wann von einer Verschiebung
und wann von einem Entfallen eines Fluges auszugehen sei. Herr Dr. Schu. hat
hierzu in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass ein Flug, der umlaufbe-
dingt für die Kernzeit der Nacht geplant werde, bei einem Nachtflugverbot in der
Regel ersatzlos entfalle. Eine Verschiebung um bis zu 30 Minuten in die Nacht-
randzeiten habe man hingegen in der Regel als möglich angesehen; dieser
Zeitraum sei eine Setzung. Im Übrigen könnten sich im Zielgebiet ansässige
Fluggesellschaften auf nächtliche Betriebsbeschränkungen besser einstellen
als Home-Base-Carrier. Da die Durchführung eines Fluges auf einer unterneh-
merischen Entscheidung beruht, die nicht nur von den Betriebszeiten des Flug-
hafens, sondern einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängt, ist die Prognose, wie
sich Beschränkungen des Flugverkehrs auf das Flugangebot auswirken, mit
großen Unsicherheiten behaftet. Eine Überprüfung konkreter Umlaufplanungen
ist - wie noch darzulegen sein wird - nicht möglich. Welche weiteren Ermittlun-
gen I. zur Ermittlung der Verschiebbarkeit von Flügen hätte anstellen sollen, ist
nicht ersichtlich. Dass Flüge, die kurz nach Ende oder kurz vor Wiederbeginn
des Betriebs geplant sind, leichter verschoben werden können als Flüge mitten
in der Kernzeit, ist plausibel. Ausgehend hiervon hält sich die Annahme, dass
Flüge bei einer zeitlichen Beschränkung des Nachtflugbetriebs in der Regel ent-
fallen, wenn sie um mehr als 30 Minuten verschoben werden müssten, inner-
halb des für eine solche Prognose erforderlichen Wertungsrahmens.
2.1.2 Ergänzende Prognose des Beklagten
Der Beklagte hat die von I. vorgeschlagenen Betriebsregelungen, die in be-
stimmten Verkehrssegmenten und in bestimmten Jahreszeiten Flugbetrieb von
5:00 bis 24:00 Uhr vorsahen, nicht vollständig übernommen. Er hat den Nacht-
betrieb weitergehend beschränkt; Flugbetrieb ist grundsätzlich nur von 5:30 bis
23:30 Uhr zulässig. Ausgehend von dem in Tabelle 9-4 des Nachtflug-
Gutachtens (S. 102) ermittelten Bedarf hat er die planmäßigen Flugbewegun-
gen in den halben Stunden vor und nach der Kernzeit auf die nächstliegenden
halben Stunden verlagert (vgl. E-Mail des Beklagten an I. vom 24. August 2009,
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Beiakte 17 Bl. 1880). Das Ergebnis dieser Anpassungen findet sich in der Ta-
belle auf S. 147 des Planergänzungsbeschlusses.
Die Kläger machen geltend, der Beklagte habe Flugbewegungen verschoben,
für die I. einen „unabweisbaren“ Nachtflugbedarf festgestellt habe; nach der
Definition von I. handele es sich dabei um Verkehre, die „ersatzlos entfallen
müssten, wenn die entsprechende Flugzeit nicht zur Verfügung steht“ (Nacht-
flug-Gutachten S. 92). Dies belege die absolute Beliebigkeit des Vorgehens.
Dieser Vorwurf ist unbegründet. Die Bezeichnung des in Kapitel 9 des Nacht-
flug-Gutachtens ermittelten Bedarfs als „unabweisbar“ ist allerdings missver-
ständlich. I. weist selbst darauf hin, dass es in der Praxis einen gewissen Spiel-
raum zur Anpassung an die Gegebenheiten des Nachtflugverkehrs gibt (a.a.O.
S. 92 f., 96). Im Übrigen muss der Nachtflugbedarf gegen die Lärmschutzbe-
lange abgewogen werden. Die Verschiebung der Flugbewegungen, die der Be-
klagte wegen der weitergehenden Beschränkung des Nachtflugbetriebs vorge-
nommen hat, stellt die Einschätzung von I. zur Verlagerbarkeit von Flügen nicht
infrage. Die Verschiebungen überschreiten - von Ausnahmen abgesehen -
30 Minuten nicht. Im Übrigen handelt es sich um bloße Randkorrekturen. Die
Gesamtzahl der Nachtflugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 hat sich
hierdurch lediglich von 71,1 (Nachtflug-Gutachten S. 102 Tab. 9-4) um 0,1 auf
71,2 erhöht.
Der Beklagte hat sodann die Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020
ausgehend von der in der Masterplan-Prognose ermittelten deutschlandweiten
durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,6 % pro Jahr auf das Jahr 2023 - das
ist der Prognosehorizont der dem Antrag auf Planfeststellung zugrunde liegen-
den Verkehrsprognose - weiter hochgerechnet und zwar auf 77 Flugbewegung-
en in der Durchschnittsnacht und 103 Flugbewegungen in der typischen Spit-
zennacht (PEB S. 148).
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- 28 -
2.1.3 Plausibilität des Gesamtergebnisses
Das Ergebnis der Nachtverkehrsprognose ist plausibel. Die vom Beklagten auf
der Grundlage des I.-Gutachtens ermittelten Flugbewegungszahlen entspre-
chen in ihrer Größenordnung den Flugbewegungszahlen, die bereits im Plan-
feststellungsverfahren für die Fluglärmberechnungen ermittelt wurden. Die da-
maligen Lärmberechnungen gingen von 16 734 Flugbewegungen (ohne Hub-
schrauber; 17 074 incl. Hubschrauber) zwischen 22:00 und 6:00 Uhr in den
sechs verkehrsreichsten Monaten des Prognosejahres 20XX aus (Gutachten
M 2 S. 31 Tab. 3-14 und 3-15, Beiakte 235 ). Auf der Grundlage
der Verkehrsverteilung der letzten Jahre war festgelegt worden, dass 60 % der
gesamten Flugbewegungen eines Jahres auf die sechs verkehrsreichsten Mo-
nate entfallen (a.a.O. S. 51). Der Beklagte hat für das Jahr 2023 28 068 Flug-
bewegungen (ohne Hubschrauber) zwischen 22:00 und 6:00 Uhr prognostiziert
(Darstellung der Planfeststellungsbehörde vom 1. September 2009 zur Entwick-
lung der Nachtflugbewegungen von 2008 bis 2023 im Planergänzungsbe-
schluss, S. 7 Tab. B.3). Das entspricht 16 840 Flugbewegungen in den sechs
verkehrsreichsten Monaten und damit ziemlich genau den im Planfeststellungs-
verfahren für den Prognosehorizont 20XX ermittelten Flugbewegungen. Bei
diesem Vergleich ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Prognosejahr 20XX
360 000 Flugbewegungen/Jahr erreicht sein sollen (a.a.O. S. 29), I. in seinem
Nachtflug-Gutachten (S. 78) aber bereits für das Jahr 2020 von 367 000 Flug-
bewegungen ausgegangen ist. Der Vergleich bestätigt jedoch, dass das dem
Planergänzungsbeschluss zugrunde liegende Prognoseergebnis nicht aus dem
Rahmen bisheriger Prognosen fällt. Es bleibt im Übrigen auch unter den Flug-
bewegungszahlen, die A. im Auftrag der Beigeladenen ermittelt hat (PEB
S. 71).
Die Plausibilität des Prognoseergebnisses wird durch den im Parallelverfahren
(BVerwG 4 A 4001.10) vorgelegten Modellflugplan 2015, der zwischen 5:30 und
6:00 Uhr nur zwei, zwischen 23:00 und 23:30 Uhr nur vier Flugbewegungen
vorsieht, nicht infrage gestellt. Der Planergänzungsbeschluss geht für die ge-
nannten Zeitsegmente zwar von erheblich mehr, nämlich von 10,0 bzw. 13,6
Flugbewegungen aus (PEB S. 147); ein Vergleich dieser Zahlen ist jedoch nicht
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- 29 -
aussagekräftig. Der Modellflugplan 2015 wurde für einen anderen Zweck und
nach anderen Grundsätzen erstellt als die Nachtflugprognose im Planergän-
zungsverfahren. A. hat den Modellflugplan im Jahr 2010 für die Beigeladene
erstellt, um zu ermitteln, zu welchen Tageszeiten zeitgleiche Abflüge von bei-
den Bahnen benötigt werden. Flüge, die bei unbeschränktem Verkehr zwischen
23:30 und 5:30 Uhr geplant würden, wurden, weil für die Fragestellung nicht
relevant, für den Modellflugplan ersatzlos gestrichen. Bemessungstag ist zudem
ein konkreter Flugplantag, nicht ein gemittelter Durchschnittstag. Im Übrigen
sind die Unterschiede zwischen beiden Prognosen bei einem Vergleich der
Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr insgesamt
erheblich geringer als in den oben genannten Zeitsegmenten.
Die Kläger meinen, der Nachtflugbetrieb entspringe nicht den Wünschen und
der Nachfrage der Fluggäste, sondern allenfalls den Wünschen der Fluggesell-
schaften. Maßgebend für den Nachtflugbedarf ist jedoch nicht die innere Hal-
tung der Fluggäste, sondern ihr tatsächliches Nachfrageverhalten. Dieses wird
nicht nur durch die Flugzeiten, sondern durch eine Vielzahl weiterer Faktoren,
u.a. durch den Flugpreis, bestimmt. Unabhängig hiervon werden die Ergebnisse
des I.-Gutachtens durch die im Parallelverfahren (BVerwG 4 A 4001.10) vorge-
legte Emnid-Umfrage nicht infrage gestellt. Auch nach dem Gutachten werden
Flüge in 2020 weit überwiegend während des Tages und nur zu etwa 7 % wäh-
rend der Nacht nachgefragt. In dieser Größenordnung haben auch die von Em-
nid Befragten angegeben, am liebsten während der Nachtstunden abzufliegen
(11 %) oder anzukommen (7 %). Anhaltspunkte dafür, dass die Luftverkehrsge-
sellschaften, um eine Nachfrage nach Nachtflügen hervorzurufen, verlustbrin-
gende Flüge durchführen, hat der Beklagte im Übrigen nicht festgestellt (PEB
S. 77 Abs. 4). Seine Ermittlungen haben vielmehr ergeben, dass in der Nacht
signifikant mehr Passagiere pro Flug befördert werden als am Tag (PEB S. 112
Abs. 2).
2.2 Planungsziele
Die Verkehre, die der Beklagte in der Nacht zugelassen hat, sind von den Pla-
nungszielen für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld umfasst. Die
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- 30 -
Planungsziele ergeben sich aus dem Planfeststellungsbeschluss für den Flug-
hafenausbau vom 13. August 2004. Die Planfeststellungsbehörde hat sie im
Planergänzungsbeschluss zutreffend zusammengefasst. Der Ausbau des Flug-
hafens Berlin-Schönefeld dient hiernach dem durch die Landesplanung vorge-
gebenen Ziel, den künftigen nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarf
der Länder Berlin und Brandenburg durch Konzentration auf einen einzigen
Flughafenstandort zu decken (PEB S. 160 Abs. 5, S. 161 Abs. 3). Durch die
Bündelung der Verkehrsströme von den bisherigen Standorten Tegel, Tempel-
hof und Schönefeld auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld soll ein Flughafen für
die Hauptstadt Berlin und die Metropolregion Berlin-Brandenburg entstehen,
dessen Verkehrsbedeutung zwar nicht an die größeren Flughäfen Frankfurt
Main und München heranreichen wird, der aber doch eine herausragende, über
die bisherigen Berliner Flughäfen hinausgehende Bedeutung erlangt (PEB
S. 162 Abs. 3) und damit zu einem insgesamt verbesserten Flugangebot führt.
Durch einen Zuwachs der Umsteigeverkehre soll insbesondere der in Berlin
bisher nur schwach ausgeprägte (PEB S. 101 Abs. 2) Interkontinentalverkehr
stärker entwickelt werden. Nicht zuletzt hierfür wird der Flughafen erstmals mit
Start- und Landebahnen von mehr als 3 500 m Länge ausgestattet (PFB
S. 335). Darüber hinaus soll der ausgebaute Flughafen spezifische Funktionen
Berlins als Hauptstadt und Regierungssitz erfüllen. Unter anderem im Hinblick
hierauf hat das Bundesministerium für Verkehr als oberste Luftfahrtbehörde der
Bundesrepublik Deutschland das öffentliche Interesse des Bundes am Ausbau
des Flughafens bejaht (PFB S. 344 Abs. 6). Von Bedeutung ist im vorliegenden
Zusammenhang schließlich das Ziel, durch den Ausbau des Flughafens die re-
gionale Wirtschaftskraft Berlins und Brandenburgs zu stärken und zu erhalten
(PEB S. 148 f.; PFB S. 348 f.). Dieses Ziel ist für sich allein betrachtet zwar
nicht geeignet, die Zulassung von Nachtflugverkehr zu rechtfertigen (vgl. Urteil
vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 52; Beschluss
vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 62). Es kann je-
doch für die Gewichtung eines Verkehrsbedarfs von Bedeutung sein.
Sämtliche Verkehre, die der Beklagte während der Nacht zugelassen hat, sind
von den dargelegten verkehrlichen Planungszielen umfasst. Das gilt auch für
Flüge im Zusammenhang mit der Luftfahrzeuginstandhaltung. Ihre Zulassung
75
- 31 -
dient nicht allein der Stärkung der Region als Standort von Instandhaltungsbe-
trieben, sondern in erster Linie der Aufrechterhaltung des regelmäßigen Flugbe-
triebs im Passagier- und Frachtverkehr (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG
4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 31 Rn. 75).
2.3 Nachtfluggründe
Der Beklagte hat im Planergänzungsbeschluss sachliche Gründe, weshalb die
einzelnen Verkehre nicht befriedigend innerhalb der Tagstunden abgewickelt
werden können, plausibel dargelegt.
2.3.1 Hub-Feeder-Verkehr
Die sinnvolle Vernetzung eines Flughafens mit in- und ausländischen Passa-
gierdrehkreuzen ist ein Grund für die Zulassung von Flugbetrieb in den Nacht-
randstunden; das ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt (Urteil vom
24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 41 ff.). Der Beklagte hat dargelegt, dass bereits heute
die Beschränkung der Betriebszeit in Berlin-Tegel auf 6:00 bis 23:00 Uhr dazu
führt, dass die vorhandene Nachfrage nach Hub-Feeder-Flügen nicht ausrei-
chend befriedigt werden kann (PEB S. 85 Abs. 2). Der erste Flug nach Frankfurt
Main (Abflug 6:00 Uhr, Ankunft 7:10 Uhr) erreiche die Anschlüsse zu bedeut-
samen Metropolen wie Barcelona, Genf, Madrid, Mailand und Rom, zu denen
es keine Direktflüge der Lufthansa gebe, nicht mehr. Der letzte Abbringer (Ab-
flug 21:45 Uhr, Ankunft 22:50 Uhr) könne Verbindungen aus Genf, Madrid, Mai-
land und Rom ebenfalls nicht herstellen (PEB S. 82 Abs. 2, 3). Ausgehend hier-
von ist die Einschätzung, dass wichtige Zu- und Abbringerflüge zu und von in-
und ausländischen Drehkreuzflughäfen nur nachfragegerecht durchgeführt
werden können, wenn zumindest die Randstunden bis 23:30 Uhr und ab
5:30 Uhr für planmäßigen Flugbetrieb zur Verfügung stehen (PEB S. 112
Abs. 5), nicht zu beanstanden.
Dass einige Fluggesellschaften zu den genannten Metropolen bereits heute
Direktverbindungen unterhalten, stellt die Berechtigung von nächtlichen Hub-
Feeder-Flügen anderer Luftverkehrsgesellschaften nicht infrage. Das Luftver-
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- 32 -
kehrsnetz, in das der Flughafen durch Hub-Feeder-Flüge eingebunden werden
soll, besteht nicht zwischen den Flughäfen als solchen; es entsteht erst durch
die von einer Luftverkehrsgesellschaft und den mit ihr in einer Allianz assoziier-
ten Partnern unterhaltenen Drehkreuze und die von ihnen angebotenen Flug-
verbindungen. Ob es für eine Luftverkehrsgesellschaft sinnvoll ist, einen Hub-
Feeder-Flug anzubieten, hängt nicht von der Sinn- und Dauerhaftigkeit jeder
einzelnen Drehkreuzverbindung ab (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 46).
Ein Hub-Feeder-Flug verbessert die Einbindung des Flughafens in das Luftver-
kehrsnetz auch dann, wenn sich die Passagiere auf eine größere Zahl von An-
schlussflügen verteilen, jedem einzelnen Anschlussflug für sich betrachtet also
nur eine geringe Bedeutung zukommt.
Die Kläger legen dar, dass die Fluggesellschaften bislang den Zu- und Ab-
bringerverkehr vom Flughafen Tegel zu den von ihnen unterhaltenen Drehkreu-
zen zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abwickeln und die Betriebszeit teilweise nicht
einmal ausschöpfen. Dass der Hub-Feeder-Verkehr einen weitergehenden
Nachtflugbetrieb nicht erfordert, folgt daraus nicht. Auf dem Flughafen Tegel
muss der Hub-Feeder-Verkehr bereits wegen des dort geltenden Nachtflugver-
bots zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abgewickelt werden. Die Zahl von nächtli-
chen Hub-Feeder-Flügen wird zwar insbesondere zwischen 23:00 und
23:30 Uhr gering sein - der Beklagte geht für die Durchschnittsnacht 2020 von
0,6 Flugbewegungen aus (PEB S. 147) -; auch diese wenigen Flugverbindun-
gen sind jedoch geeignet, die Einbindung des ausgebauten Flughafens Berlin-
Schönefeld in das Luftverkehrsnetz zu verbessern und für die Zukunft zu si-
chern.
Anhaltspunkte dafür, dass die ersten Knoten nach dem Ausbau der Flughäfen
Frankfurt Main und München - wie die Kläger meinen - später und die letzten
Knoten früher beginnen werden, sind nicht ersichtlich. Nach Einschätzung des
Beklagten wird die Erweiterung der Kapazitäten an den beiden Flughäfen viel-
mehr dazu führen, dass die Anzahl der Flüge steigt, für die eine Anschlussver-
bindung nach Berlin nicht mehr besteht (PEB S. 83 Abs. 2). Entgegen der Auf-
fassung der Kläger muss auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die
Fluggesellschaften aufgrund der künftigen Verkehrsbedeutung des ausgebau-
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- 33 -
ten Flughafens Berlin-Schönefeld auf dessen Nachtbetriebsregelung einstellen
und für Anschlussverbindungen sorgen werden. Die Knotenstrukturen an den
Drehkreuz-Flughäfen haben sich über einen längeren Zeitraum gebildet. Sie
sind in erster Linie abhängig von der geographischen Lage des Flughafens und
den Entfernungen zu den Hauptzielgebieten (A.-Gutachten S. 38). In diese
Strukturen müssen sich alle anzubindenden Anschlüsse einfügen. Dass die
Verkehrsbedeutung des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld so weit
wachsen könnte, dass er seinerseits die Knotenstrukturen prägt, liegt fern.
2.3.2 Direktverbindungen der konventionellen Fluggesellschaften
Für den Point-to-Point-Verkehr der konventionellen Fluggesellschaften hat der
Beklagte dargelegt, dass dieser Verkehr weitgehend im Tagflugbetrieb durchge-
führt und sich hieran auf absehbare Zeit nichts ändern wird (PEB S. 89 Abs. 2).
Die klassischen Pendlerstrecken würden allerdings bis 23:00 Uhr nachgefragt
(PEB S. 89 Abs. 3); ohne nächtliche Betriebsbeschränkungen wäre auch nach
23:00 Uhr und in der Kernzeit eine geringe Nachfrage vorhanden (PEB S. 90
Abs. 2). Die Direktverbindungen der klassischen Fluggesellschaften würden
auch als Hub-Feeder-Flüge genutzt; oft entstünden erst durch die Kombination
von Point-to-Point-Verkehr mit Hub-Feeder-Verkehr hinreichend starke Ver-
kehrsströme, die die Einrichtung der Verbindung ermöglichten (PEB S. 90
Abs. 4).
Auch damit ist ein sachlicher Grund für die Zulassung dieser Verkehre in den
Nachtrandstunden dargelegt. Die Kläger bestreiten die Überschneidung mit den
Hub-Feeder-Verkehren nicht. Sie machen geltend, es gebe in diesem Segment
keinen nennenswerten Nachtflugbedarf. Richtig ist, dass der Beklagte für die
Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr weniger als eine Flugbewegung im klassischen
Point-to-Point-Verkehr prognostiziert hat (PEB S. 90 Abs. 3). Seine Annahme,
dass oft erst die Kombination von Direktverbindungen und Hub-Feeder-Verkehr
in der Lage sei, die Angebotsqualität „zu stabilisieren und nachhaltig zu verbes-
sern“ (PEB S. 90 Abs. 4), bezieht sich jedoch nicht nur auf die Zeit von 23:00
bis 6:00 Uhr; sie schließt die Stunde von 22:00 bis 23:00 Uhr mit 1,4 Flugbewe-
gungen ein. Ausgehend hiervon ist die Einschätzung, dass sich das Flugange-
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- 34 -
bot nachhaltig verbessern kann, wenn es nicht nur die Nachfrage nach 7,3 Hub-
Feeder-Flügen, sondern zugleich die Nachfrage nach 2,3 Flugbewegungen im
klassischen Point-to-Point-Verkehr bedient, nicht zu beanstanden.
2.3.3 Direktverbindungen der Low-Cost-Carrier und der Touristikverkehre / Um-
laufplanungen
Der Nachtflugbedarf der Low-Cost-Carrier und im Touristikbereich ergibt sich
insbesondere aus den Erfordernissen einer effektiven Umlaufplanung. Der Be-
klagte hat im Planergänzungsbeschluss dargelegt:
Die Low-Cost-Carrier versuchten, die Nachfragebedürfnisse auf Kurz- und Mit-
telstrecken so miteinander zu kombinieren, dass sie durch nahezu optimale
Einsatzdauer mit maximal möglichen Blockstunden günstige Kostenstrukturen
erreichten. Es würden bis zu vier Umläufe abgewickelt. Zu diesem Zweck wür-
den die Nachtrandzeiten bis 24:00 Uhr in Anspruch genommen. Die Rotations-
pläne ließen aufgrund der minimalen Bodenzeiten, aber auch aufgrund von Ka-
pazitätsengpässen an den Quell- und Zielflughäfen kaum Potential für eine Ver-
lagerung der Flüge in den Tag (PEB S. 91 Abs. 4).
Im Touristikverkehr stehe der Nachfrage derzeit nahezu über 24 Stunden ein
adäquates Angebot gegenüber; die Gesamtumlaufzeiten einzelner Flugzeuge
betrügen bis zu 21 Stunden; es zeigten sich ausgeprägte Touristikverkehre in
der Nachtkernzeit (PEB S. 95 Abs. 4). Die Passagiere strebten die Ausnutzung
des ersten und letzten Urlaubstages an und flögen möglichst früh morgens und
spät abends (PEB S. 97 Abs. 2). Gründe für Nachtflüge ergäben sich insbeson-
dere aus saisonalen Nachfragespitzen, dem Veranstalterkonzept, den Fluglän-
gen im Mittelstreckenbereich, Zeitverschiebungen, Erfordernissen eines effizi-
enten Fluggeräteeinsatzes und der mangelnden Verfügbarkeit von Slots und
Abfertigungsressourcen an den Zielflughäfen (PEB S. 98 Abs. 2). Die Entfer-
nung Berlins zu den wichtigsten Zielorten, die mehrheitlich im Westen und Sü-
den liegen, sei größer als von den meisten anderen deutschen Flughäfen; zur
Sicherstellung vergleichbarer Streckenangebote müsse der Flughafen Berlin-
Schönefeld entsprechend länger geöffnet sein (PEB S. 99 Abs. 1).
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Damit sind sachliche Gründe für die Nutzung der Nachtrandstunden dargelegt.
Nach der Rechtsprechung des Senats können die Erfordernisse einer effektiven
Flugzeug-Umlaufplanung die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten rechtferti-
gen (Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116
Rn. 288 und vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316
Rn. 48 ff.). Umlaufplanungen sind komplexe Entscheidungen, in die das erwar-
tete Passagieraufkommen, die an den Flughäfen verfügbaren Start- und Lande-
zeiten (Slots), die Möglichkeiten des Personaleinsatzes, die Wartungsmöglich-
keiten sowie hinsichtlich des eingesetzten Flugzeugtyps beispielsweise Kapazi-
tät, Reichweite und Wartungszeiten einfließen (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O.
Rn. 52). Sie beruhen maßgebend auf unternehmerischen Entscheidungen der
Luftverkehrsgesellschaften. Eine umfassende Prüfung der Verlagerungsmög-
lichkeiten von Flügen innerhalb der Nacht und von der Nacht in den Tag kann
eine Planfeststellungsbehörde nicht vornehmen. Sie kann den Fluggesellschaf-
ten lediglich einen Rahmen für ihre Umlaufplanungen setzen. Davon ist der Be-
klagte zu Recht ausgegangen (PEB S. 93 Abs. 2, S. 97 Abs. 4).
Da der Beklagte sich nicht in der Lage gesehen hat, konkrete Flugpläne und
Umlaufplanungen einer umfassenden Detailprüfung zu unterziehen (PEB
S. 106 f.), hat er zur Darlegung des Nachtflugbedarfs ergänzend auf die von I.
im Nachtflug-Gutachten (Kapitel 4) untersuchten repräsentativen Musterumläu-
fe und die auf dieser Grundlage durchgeführten Modellrechnungen zurückge-
griffen. I. hat für verschiedene typische Flugstrecken und Umkehrzeiten ermit-
telt, wie viele Umläufe in 16 (6:00 bis 22:00 Uhr), 17 (6:00 bis 23:00 Uhr), 18
(5:30 bis 23:30 Uhr) und 19 (5:00 bis 24:00 Uhr) Betriebsstunden möglich wä-
ren. Den Berechnungen liegt die Annahme zugrunde, dass die gewählten Be-
triebszeiten sowohl für Berlin als auch für den Zielflughafen gelten. Betrachtet
hat I. sieben Umläufe im Shuttle-Betrieb (Nachtflug-Gutachten S. 46 ff. Tab. 4-1
bis 4-7) und zwei Umläufe mit einer Kombination von zwei Zielen (a.a.O.
S. 57 f. Tab. 4-8 und 4-9). Anschließend hat I. in einer Modellrechnung für 17
typische Flugstrecken (Shuttle-Betrieb) die Summe der Umläufe und Blockzei-
ten im Verhältnis zu den Betriebszeiten ermittelt (a.a.O. S. 60 f. Tab. 4-10 und
4-11). Sowohl ein Teil der Einzelberechnungen als auch die Modellrechnung
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- 36 -
haben ergeben, dass die Produktivität der Flugzeuge bei einer Verlängerung
der Betriebszeit von 16 auf 17 Stunden und von 16 auf 18 Stunden überpropor-
tional zunimmt (Nachtflug-Gutachten S. 62; PEB S. 108, 109 Abs. 4). In der
Modellrechnung führt eine Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 17 Stunden
(dies entspricht einem Zuwachs von 6,25 %) bei den Blockstunden zu einem
Zuwachs von 11,2 %, eine Verlängerung der Betriebszeit von 16 auf 18 Stun-
den (Zuwachs: 12,5 %) zu einem Zuwachs der Blockstunden von 19,5 %. Die
Blockstunden wachsen also im Vergleich zu den Betriebsstunden überpropor-
tional (Nachtflug-Gutachten S. 62; PEB S. 109 Abs. 4).
Die Kläger halten die Modellrechnung nicht für aussagekräftig; die Annahme,
dass die Strecken im Shuttle-Betrieb beflogen würden und dass die Betriebszei-
ten für Berlin und den Zielflughafen gleich seien, sei nicht realitätsgerecht. Die
Wirklichkeit genau abzubilden, nimmt das Modell jedoch auch nicht für sich in
Anspruch. Es soll den Zusammenhang zwischen der Länge der Betriebszeiten
der Flughäfen und den Blockstunden der Flugzeuge für unterschiedliche Um-
laufzeiten in typisierter Form aufzeigen; Vereinfachungen sind hierfür unum-
gänglich. Sie sind bei den Rückschlüssen von dem Modell auf die Wirklichkeit
zu berücksichtigen. I. hat im Übrigen nicht nur Umläufe im Shuttle-Betrieb, son-
dern auch zwei Streckenkombinationen untersucht (a.a.O. S. 57 Tab. 4-8:
Kombination von Zielen mit zweieinhalb und viereinhalb Stunden Flugzeit;
a.a.O. S. 58 Tab. 4-9: Kombination von Zielen mit 70 Minuten und 2 Stunden
Flugzeit). Auf die konkreten Flugziele kommt es für die Musterumläufe, soweit
die Flugzeiten gleich sind, im Übrigen nicht an. Dass die ausgewählten Flugzei-
ten, Umkehrzeiten und die sich daraus ergebenden Zeiten für einen Umlauf für
den von Berlin ausgehenden Flugbetrieb repräsentativ sind, stellen auch die
Kläger nicht in Abrede. Dem Beklagten war auch bewusst, dass das Modell
nicht genau der betrieblichen Wirklichkeit entspricht (PEB S. 109 Abs. 1 und 3);
er hat die Aussagekraft des Modells nicht überschätzt.
Die Kläger meinen, aussagekräftig seien nur Vergleiche innerhalb der Betriebs-
zeiten und der Blockzeiten. Eine Verlängerung der Betriebszeiten führe nur zu
einem linearen Zuwachs; bei den Blockstunden sei der Zuwachs sogar unter-
proportional. Dass die Blockstunden in der Modellrechnung in der ersten zu-
92
93
- 37 -
sätzlichen Stunde um 11,2 %, in der zweiten um 19,5 % und in der dritten Stun-
de um 23,8 % gegenüber den Blockstunden bei 16 Betriebsstunden wachsen,
der prozentuale Zuwachs mit jeder weiteren Betriebsstunde also abnimmt
(+ 11,2 %, + 8,3 %, + 4,3 %), stellen auch I. (Nachtflug-Gutachten S. 62 Tab. 4-
12) und der Beklagte (PEB S. 109 Abs. 4) nicht in Abrede. Dies war ein Grund
dafür, nur eine Betriebszeit von 18 und nicht von 19 Stunden zuzulassen. Auch
bei diesem Vergleich werden die Blockstunden jedoch in Abhängigkeit von den
Betriebszeiten betrachtet. Warum es unzulässig sein soll, den Zuwachs der
Blockzeiten mit der linearen Zunahme der Betriebszeiten zu vergleichen, ergibt
sich daraus nicht.
Die Kläger machen weiter geltend, im Musterumlauf mit einer Kombination von
Kurzstreckenzielen mit einer Flugzeit von 1:10 und 2:00 Stunden (Nachtflug-
Gutachten S. 58 Tab. 4-9) könnten bereits bei einer Betriebszeit von 17 Stun-
den nicht nur 3,5, sondern 4 Umläufe geflogen werden, wenn der erste Start
von 6:15 auf 6:10 Uhr vorverlegt werde. Das trifft nicht zu. Im Musterumlauf
landet das Flugzeug nach zweistündiger Flugzeit um 21:55 Uhr auf dem Ziel-
flughafen. Es könnte um 22:45 Uhr wieder starten, würde Berlin also selbst bei
der von den Klägern angenommenen Flugzeit von 1:10 Stunden erst um
23:55 Uhr, richtigerweise aber erst nach 2 Stunden, also um 0:45 Uhr wieder
erreichen. Aus dem gleichen Grund wäre ein vierter Umlauf auch dann nicht
möglich, wenn die Flugzeit um 5 Minuten kürzer wäre.
Die quantitativen Aussagen des Nachtflug-Gutachtens zum Verhältnis von Be-
triebszeiten zu Blockstunden gelten nur für die gewählten Ausgangsdaten; an-
dere Flug- und Umdrehzeiten würden zu anderen Ergebnissen führen. Da die
betrachteten Musterumläufe für den Flugbetrieb in Berlin repräsentativ sind, ist
das Modell jedoch geeignet, den Zusammenhang zwischen den Betriebszeiten
des Flughafens und den Blockzeiten der Flugzeuge näherungsweise abzu-
schätzen. Eine weitergehende Bedeutung hat auch der Beklagte dem Modell
nicht beigemessen. Er hat lediglich angenommen, dass bei 18 Betriebsstunden
ein „deutlich effizienterer“ Flugbetrieb möglich sei als bei 16 Stunden (PEB
S. 109 Abs. 5); quantifiziert hat er diesen Effizienzgewinn - anders als in den
Modellrechnungen - nicht.
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Der Beklagte ist auf der Grundlage der Analyse der Low-Cost- und der Touris-
tikverkehre sowie der repräsentativen Musterumläufe zu der Einschätzung ge-
langt, dass für effektive Umlaufplanungen Betriebszeiten von 5:30 bis 23:30 Uhr
erforderlich sind; anderenfalls wären nach seiner Einschätzung Umläufe unter
wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen nicht mehr möglich mit der Folge, dass
wichtige Flugverbindungen entfielen und die Verkehrsfunktion des Flughafens
nicht unerheblich beeinträchtigt würde (PEB S. 98 Abs. 1, S. 111 Abs. 2). Diese
Einschätzung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Erforderlich meint in diesem
Zusammenhang allerdings nicht, dass die Zulassung von Flugbetrieb für die
Erreichung der Planungsziele zwingend erforderlich wäre, sondern lediglich,
dass es im Interesse einer unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinn-
vollen und vertretbaren Planung vernünftigerweise geboten ist, diesen Zeitraum
für Umlaufplanungen zu öffnen. Von einer zwingenden Erforderlichkeit ist auch
der Beklagte nicht ausgegangen. Er ist zwar der Auffassung, dass ein völliges
Nachtflugverbot der Verkehrsfunktion bzw. dem Widmungszweck des Verkehrs-
flughafens Berlin-Schönefeld widerspräche (PEB S. 165 Abs. 2); dass bereits
eine weitergehende Beschränkung des Nachtflugbetriebs, insbesondere ein
grundsätzliches Nachtflugverbot von 23:00 bis 6:00 Uhr, die Verkehrsfunktion
des Flughafens insgesamt infrage stellen würde, hat er hingegen nicht ange-
nommen. Insoweit hat er es lediglich im Hinblick auf die Planungsziele für ver-
nünftigerweise geboten gehalten, den Nachtflugbetrieb nicht weiter als von
23:30 bis 5:30 Uhr grundsätzlich zu beschränken.
Der Beklagte hat damit die Bedeutung des Nachtflugbedarfs aufgrund von Um-
laufplanungen nicht verkannt. Er hat diesem Bedarf insbesondere aufgrund der
im Zeitraum von 22:00 bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr relativ starken,
bereits aktuell vorhandenen Nachfrage nach Nachtflügen ein hohes Gewicht
beigemessen (PEB S. 112 Abs. 2). Das ist ausgehend von der Verkehrsfunktion
des ausgebauten Flughafens Berlin-Schönefeld rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Erfordernisse einer effektiven Umlaufplanung sind nicht an jedem deut-
schen Verkehrsflughafen unabhängig von seiner Stellung im Luftverkehrsnetz
und seiner geographischen Lage in gleicher Weise geeignet, die Inanspruch-
nahme der Nachtrandzeiten zu rechtfertigen. An die Erreichbarkeit des einzigen
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Verkehrsflughafens der Metropolregion Berlin-Brandenburg dürfen auch im Be-
reich der Low-Cost- und der Touristikverkehre höhere Anforderungen gestellt
werden als an andere Flughäfen mit einem kleineren Passagieraufkommen im
Einzugsbereich und geringerer Bedeutung als Zielgebiet. Hinzu kommt, dass
die Entfernung zu den für Berlin wichtigsten Zielorten, die mehrheitlich im Sü-
den und Westen liegen, größer ist als von den meisten anderen deutschen
Flughäfen (PEB S. 99 Abs. 1).
Die Kläger wenden ein, dass die Verkehrsfunktion des Flughafens insbesonde-
re im Bereich der Low-Cost- und der Touristikverkehre durch weitergehende
Nachtflugbeschränkungen nicht beeinträchtigt werde. Das Fluggastaufkommen
werde nicht erheblich weniger ansteigen. Für das Originäraufkommen von
Fluggästen aus der Region Berlin-Brandenburg und für Städtereisen nach Ber-
lin sei der ausgebaute Flughafen Berlin-Schönefeld praktisch ohne Alternative.
Eine Verletzung des Abwägungsgebots ergibt sich aus diesem Vortrag nicht.
Dass das Flugangebot tendenziell weniger attraktiv wird, wenn die Betriebszei-
ten beschränkt werden und sich die Kostenstrukturen der Luftverkehrsgesell-
schaften verschlechtern, liegt auf der Hand. Die Kläger halten die Folgen eines
solchen Attraktivitätsverlustes für weniger gravierend als der Beklagte. Dass
dieser mit seiner Bewertung die Bedeutung des Nachtflugbedarfs aufgrund von
Umlaufplanungen verkannt und damit den mit der Planungsermächtigung ver-
bundenen Einschätzungs- und Bewertungsspielraum überschritten hätte, folgt
daraus nicht.
Dass auf anderen Flugplätzen wie z.B. Berlin-Tegel, Düsseldorf oder Hamburg
wegen der dortigen Betriebsbeschränkungen nach 23:00 Uhr und vor 6:00 Uhr
Passagierverkehr nicht stattfindet, sich aber gleichwohl ein Low-Cost- und Tou-
ristikverkehr entwickelt hat, bedeutet nicht, dass ein weitergehender Nachtflug-
bedarf auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld nicht besteht. Der
Beklagte hat einen solchen Bedarf dargelegt. Er verkennt das Gewicht dieses
Bedarfs nicht, wenn er an die Erreichbarkeit des Flughafens Berlin-Schönefeld
höhere Anforderungen stellt als an die genannten Flughäfen. Mit dem Flugha-
fen Berlin-Tegel ist der ausgebaute Flughafen Berlin-Schönefeld im Übrigen
schon deshalb nicht zu vergleichen, weil er der einzige Verkehrsflughafen der
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- 40 -
Region Berlin-Brandenburg sein wird. Anders als auf dem Flughafen Berlin-
Tegel darf auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld bis zur Inbetriebnahme der
neuen Südbahn während der gesamten Nacht geflogen werden. Insbesondere
die touristischen Verkehre machen von dieser Ausweichmöglichkeit Gebrauch.
Von 4 469 Nachtflügen zu touristischen Zielen wurden in 2008 1 181 Flüge auf
dem Flughafen Berlin-Schönefeld in der Nachtkernzeit durchgeführt (Nachtflug-
Gutachten S. 29 Tab. 3-3).
Entgegen der Auffassung der Kläger hat der Beklagte auch nicht ein öffentli-
ches Interesse an Flügen „zu jedem Preis“ bejaht. Er ist vielmehr davon ausge-
gangen, dass ein Nachtflug in der Regel nur durchgeführt wird, wenn es neben
dem Preis auch andere Gründe für eine entsprechende Nachfrage gibt, wie z.B.
die Ausnutzung des ersten bzw. letzten Urlaubstages bei Privatreisenden oder
die Nutzung ganzer Arbeitstage bei Geschäftsreisenden (PEB S. 114 Abs. 2).
Unbegründet ist schließlich der Vorwurf, dass es sich bei den zur Rechtferti-
gung des Nachtflugbetriebs angeführten Gründen, insbesondere den Erforder-
nissen einer effektiven Umlaufplanung, ausschließlich um private und kommer-
zielle Belange der Beigeladenen und der Fluggesellschaften handele. Es ist ein
Ziel der Landesplanung, den Flughafen Berlin-Schönefeld zur Deckung des na-
tionalen und internationalen Luftverkehrsbedarfs der Länder Berlin und Bran-
denburg weiterzuentwickeln (Z 1 Landesentwicklungsplan Flughafenstandort-
entwicklung - LEP FS - vom 30. Mai 2006, GVBl Bbg II S. 154). Der Ausbau des
Flughafens Berlin-Schönefeld zum einzigen Verkehrsflughafen der Region Ber-
lin-Brandenburg dient der Umsetzung dieses Ziels. Es liegt nicht nur im privaten
Interesse der Beigeladenen und der Luftverkehrsgesellschaften, sondern auch
im öffentlichen Interesse, den Luftverkehr, für den der Flughafen ausgebaut
wird, durch bedarfsgerechte Betriebsregelungen zu ermöglichen. Davon ist der
Beklagte zu Recht ausgegangen (PEB S. 112 Abs. 5, S. 161 f.). Die kommer-
ziellen Interessen der Beigeladenen, der Luftverkehrsgesellschaften und der
Touristikunternehmen einerseits und die Interessen der Passagiere anderer-
seits müssen im Übrigen nicht gegenläufig sein. Eine frühe Ankunft am Zielort
und eine möglichst späte Abreise können - insbesondere bei Kurzurlauben und
Geschäftsreisen - auch im Interesse der Passagiere liegen. Auch die Möglich-
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keit, die Reise zu einem günstigen Preis anzubieten, liegt sowohl im Interesse
der Luftverkehrsgesellschaften und Reiseveranstalter als auch der Passagiere.
2.3.4 Interkontinentalverkehr
Für den Interkontinentalverkehr hat der Beklagte im Planergänzungsbeschluss
dargelegt, dass sich für Flugverbindungen in bestimmte Regionen der Welt auf-
grund der Zeitverschiebungen und der Streckenlängen relativ enge Zeitfenster
entwickelt hätten (PEB S. 102 Abs. 4, S. 104 Abs. 1). Aufgrund der geographi-
schen Lage Berlins müssten die Abflüge in Richtung Fernost/Asien später erfol-
gen als von weiter westlich gelegenen Flughäfen (PEB S. 103 Abs. 2). Um die
Wirtschaftlichkeit der Langstreckendienste zu sichern, müsse zudem ein Zu-
und Abbringernetz von innerdeutschen und Europadiensten das örtliche Auf-
kommen unterstützen (PEB S. 101 Abs. 4). Die morgendliche Ankunft der Inter-
kontinentalflüge müsse der ersten Abflugwelle zu innerdeutschen und europäi-
schen Zielen, die zwischen 6:00 und 7:00 Uhr liege, vorlaufen; deshalb sei es
wichtig, dass Landungen im Interkontinentalverkehr ab 5:30 Uhr möglich seien
(PEB S. 102 Abs. 5). Entsprechend müsse der Abflug im Interkontinentalver-
kehr den letzten zwischen 22:00 und 23:00 Uhr eintreffenden Ankünften nach-
laufen, also auch die Zeitscheibe bis 23:30 Uhr nutzen können (PEB S. 103
Abs. 3).
Damit ist ein sachlicher Grund für die Nutzung der Nachtrandzeiten von 22:00
bis 23:30 Uhr und von 5:30 bis 6:00 Uhr plausibel dargelegt. Die Besonderhei-
ten des Interkontinentalverkehrs sind nach der Rechtsprechung des Senats ge-
eignet, die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten zu rechtfertigen (Urteil vom
16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 288). Die Klä-
ger wenden im Wesentlichen ein, dass der Interkontinentalverkehr auf die Inan-
spruchnahme der Nachtrandzeiten nicht angewiesen sei; auf dem Flughafen
Berlin-Tegel werde er jedenfalls zwischen 6:00 und 23:00 Uhr abgewickelt. Der
im Planergänzungsbeschluss dargelegte weitergehende Bedarf an nächtlichen
Interkontinentalflügen auf dem ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld wird
dadurch nicht infrage gestellt. Mit dem Flughafen Berlin-Tegel ist der künftige
„Single-Airport“ Berlin-Brandenburg - wie bereits dargelegt - auch im Hinblick
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auf den Interkontinentalverkehr nicht zu vergleichen. In 2008 wurden 402 von
insgesamt 978 nächtlichen Interkontinentalflügen nicht in Tegel, sondern auf
dem Flughafen Berlin-Schönefeld in der Nachtkernzeit durchgeführt (Nachtflug-
Gutachten S. 35 Tab. 3-6). Eine solche Ausweichmöglichkeit wird es nach Inbe-
triebnahme der neuen Südbahn nicht mehr geben. Im Übrigen geht es nicht nur
darum, den ausgebauten Flughafen Berlin-Schönefeld überhaupt mit interkonti-
nentalen Destinationen zu verbinden, sondern den Reisenden am Zielflughafen
attraktive Anschlussverbindungen anbieten zu können. Dies setzt eine Einbin-
dung in die dortigen Drehkreuze voraus (PEB S. 103 f.).
Der Beklagte durfte dem Nachtflugbedarf für den Interkontinentalverkehr ein
hohes Gewicht beimessen. Gerade im Bereich des Interkontinentalverkehrs soll
die Konzentration des gesamten Berliner Flugverkehrs auf einen Standort ein
verbessertes Flugangebot ermöglichen. Die Zulassung von Flugbetrieb in den
Nachtrandstunden kann dieses Ziel befördern.
2.3.5 Luftfrachtverkehr
Gründe für die Nutzung der Nachtrandzeiten von 22:00 bis 23:30 Uhr und 5:30
bis 6:00 Uhr für Frachtflüge ergeben sich aus den Abläufen der Logistik. Der
Beklagte hat hierzu im Planergänzungsbeschluss dargelegt:
Der üblichen Logistik des Luftfrachtverkehrs auf Nicht-Hub-Flughäfen entspre-
chend würden die Sendungen abends nach Beendigung der Produktion einge-
sammelt, zum Flughafen transportiert, dort verladen und „gebündelt“ zu einem
Hub-Flughafen geflogen, dort nachts zusammen mit den anderen ankommen-
den Waren auf die Ziele bzw. die entsprechenden Flugzeuge verteilt, die dann
in den frühen Morgenstunden, vor Produktionsbeginn, an den Zielflughäfen lan-
den. Für diese Logistikkette sei die Nutzung der Nachtrandzeiten an den Nicht-
Hub-Flughäfen von entscheidender Bedeutung (PEB S. 116 Abs. 3).
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Das ist plausibel. Der Beklagte hat den Bedarf an nächtlichem Luftfrachtverkehr
auch nicht überschätzt. Dass der Fracht- im Vergleich zum Passagierverkehr in
Berlin nur eine untergeordnete Rolle spielt und spielen wird, hat er erkannt; er
weist aber unwidersprochen darauf hin, dass fast zwei Drittel (61,9 %) der
Flugbewegungen nachts stattfinden (PEB S. 115 Abs. 4). Dass er der Deckung
dieses Bedarfs trotz des geringen Aufkommens eine erhebliche Bedeutung für
Berlin als Wirtschaftsraum (PEB S. 119 Abs. 4) beimisst, ist nicht zu beanstan-
den. Auch ein geringes Frachtaufkommen kann für bestimmte Produktionsab-
läufe von entscheidender Bedeutung sein. Der nächtliche Frachtverkehr kann
auch nicht zu vergleichbaren Bedingungen über den Flughafen Leipzig/Halle
abgewickelt werden. Die Transportwege würden sich verlängern; zudem haben
die Expressdienstleister TNT, UPS und FedEx - anders als DHL - ihre Verteil-
zentren nicht in Leipzig/Halle, sondern in Berlin und Umgebung (A.-Stellung-
nahme vom 23. Januar 2009 S. 26 - 29, Beiakte 16 Bl. 1211 <1235 - 1238>).
Dass die Zahl von sechs Luftfrachtbewegungen (PEB S. 119 Tabelle) im Nacht-
flug-Gutachten von I. keine Stütze findet, trifft nicht zu. I. hat für das gesamte
Cargo-Segment (Fracht und Post) 8,1 Flugbewegungen in der Durchschnitts-
nacht 2020 prognostiziert (S. 102 Tab. 9-4). Davon entfallen jeweils drei Flug-
bewegungen in den fünf Nächten von Montag auf Dienstag bis Freitag auf
Samstag oder 2,1 Flugbewegungen am Durchschnittstag auf die Post (S. 94),
die verbleibenden sechs Flugbewegungen auf die Fracht.
2.3.6 Luftpostverkehr
Für Nachtpostflüge (A II 5.1.1 Nr. 4 a PFB i.d.F. des PEB) hat der Beklagte ei-
nen standortspezifischen Bedarf auch für die Kernzeit der Nacht zu Recht an-
erkannt. Postflüge sind auf die Nutzung der Nachtkernzeit angewiesen. Sie sind
seit mehreren Jahrzehnten ein fester Bestandteil des Luftverkehrsgeschehens
(Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG
Nr. 31 Rn. 76). Die Deutsche Post AG hatte zwar mit Schreiben vom 22. Juli
2009 (Beiakte 17 Bl. 1824) mitgeteilt, dass innerdeutsche Nachtluftpostflüge
von und nach Berlin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit künftig
auch bei saisonal erhöhtem Briefaufkommen nicht mehr erforderlich seien. Der
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Beklagte ist dieser Einschätzung jedoch zu Recht nicht gefolgt. Hauptgrund für
ein Nachtflugpostnetz ist die Einhaltung der Zustellquote im Rahmen der Brief-
laufzeit „E + 1“ nach § 2 Nr. 3 PUDLV. Die Einschätzung des Beklagten, dass
Nachtflüge zur Einhaltung dieser Quote weiter erforderlich sein können, hat sich
nach Erlass des Planergänzungsbeschlusses als richtig erwiesen. Die Deut-
sche Post AG führt seit dem 30. November 2009 wieder sechs Nachtflüge
durch. Sie hat selbst eingeräumt, dass die Brieflaufzeiten im Inland nach Ein-
stellung der Flüge in einzelnen Verkehrsrelationen nicht mehr die gewünschten
Qualitätsstandards erreicht haben (Schreiben vom 21. Oktober 2009, Beiak-
te 18 Bl. 2039). Der Flughafen Leipzig/Halle wäre für diese Flüge keine gleich-
wertige Alternative. Der Flughafen Berlin-Schönefeld ist aufgrund seiner geo-
graphischen Lage deutlich besser geeignet, den Briefverkehr auf der großen
Distanz zwischen dem Südwesten und dem Nordosten Deutschlands in kurzer
Zeit abzuwickeln.
2.3.7 Regierungsflüge
Für Starts und Landungen von Luftfahrzeugen, die bei Staatsbesuchen und für
Regierungsflüge eingesetzt werden (A II 5.1.1 Nr. 3 c PFB i.d.F. des PEB), hat
der Beklagte einen standortspezifischen Bedarf auch für die Kernzeit der Nacht
zu Recht bejaht.
Für Staatsbesuche hat er dargelegt: In Bezug auf Flüge von ausländischen
Staatsgästen der Bundesrepublik Deutschland sowie der Begleitdelegationen
beschränke sich der Bedarf auf die an- und abreisenden Staatsoberhäupter,
Regierungschefs, Außenminister sowie Leiter internationaler und supranationa-
ler Organisationen (PEB S. 126 Abs. 1). Die Flüge unterlägen bezüglich ihrer
Durchführung und Planung diplomatischen und protokollarischen Zwängen
(PEB S. 126 Abs. 3).
Das ist plausibel. Es ist im Staatenverkehr nicht opportun, Staatsgästen Vorga-
ben für die Flugzeiten zu machen. Der Bedarf ist durch die Funktion Berlins als
Bundeshauptstadt bedingt und damit standortspezifisch.
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Zu den Regierungsflügen hat der Beklagte dargelegt: Die Beförderung von Per-
sonen aus dem politisch-parlamentarischen Bereich erfolge im Wesentlichen
durch die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Be-
darf beschränke sich auf die Personen, die gemäß einer von der Bundesregie-
rung beschlossenen Richtlinie anforderungsberechtigt seien (PEB S. 123
Abs. 5). Über ihre Beförderung werde allein in politisch-parlamentarischer Ver-
antwortung entschieden (PEB S. 126 Abs. 3).
Auch dieser Bedarf ist durch die Funktion Berlins als Bundeshauptstadt bedingt
und damit standortspezifisch. Da anforderungsberechtigt nur die Inhaber hoher
Staatsämter sind - für die Mitglieder des Bundestags nur der Präsident des
Bundestags und die Fraktionsvorsitzenden -, darf die Prüfung, ob die Durchfüh-
rung des Fluges in der Nachtkernzeit notwendig ist, dem Anfordernden selbst
überlassen werden.
2.3.8 Allgemeine Luftfahrt
Der nächtliche Taxi- und Werkverkehr hat nach Einschätzung des Beklagten
trotz seines geringen Aufkommens - für die Durchschnittsnacht 2020 wird mit
0,9 Flugbewegungen gerechnet (PEB S. 147) - für den Wirtschafts-, Kultur- und
Medienstandort Berlin-Brandenburg eine wichtige Bedeutung. Er werde genutzt,
um zeitkritische geschäftliche Termine wahrzunehmen, wenn die Luftverkehrs-
gesellschaften keine geeigneten Verbindungen bereit hielten (PEB S. 129
Abs. 2).
Damit ist ein Nachtflugbedarf plausibel dargelegt. Er ergibt sich aus der Er-
reichbarkeit der Metropolregion Berlin-Brandenburg im Taxi- und Werkverkehr
auch während der frühen Morgen- und späten Abendstunden. Der Taxi- und
Werkverkehr ergänzt insoweit den Linienverkehr. Dass er nach der Zahl der
Flugbewegungen und der Passagiere gegenüber dem Linienverkehr nur eine
untergeordnete Rolle spielen wird, steht der Anerkennung des vorhandenen
Bedarfs nicht entgegen.
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2.3.9 Ausbildungs- und Übungsflüge
Mit der in A II 5.1.1 Nr. 6 PFB i.d.F. des PEB getroffenen Regelung hält der Be-
klagte an der bereits im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen inhaltsgleichen
Regelung A II 5.1.1 Nr. 4 fest. Die Kläger berufen sich insoweit lediglich auf die
Unverwertbarkeit des I.-Gutachtens; dieses liegt der Regelung jedoch nicht zu-
grunde. Im Übrigen sind ihre Einwände gegen das Gutachten unbegründet (B II
2.1.1). Aus welchen Gründen der dargelegte Bedarf für die ausnahmsweise
Zulassung von Ausbildungs- und Übungsflügen bis 23:00 Uhr (PEB S. 129
Abs. 3) zu beanstanden sein sollte, ist nicht ersichtlich.
2.3.10 Flüge im Zusammenhang mit der Luftfahrzeuginstandhaltung
Wartungsflüge dienen der Aufrechterhaltung des regelmäßigen Flugbetriebs
und dürfen jedenfalls in dem Umfang zugelassen werden, in dem ihre Verkehre
die Nachtzeit in Anspruch nehmen können (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O.
Rn. 73, 75). Nach A II 5.1.1 Nr. 4 d PFB i.d.F. des PEB sind Starts und Landun-
gen von Luftfahrzeugen bei deren Bereitstellung und instandhaltungsbedingter
Überführung als Leerflüge über die reguläre Betriebszeit hinaus bis 24:00 Uhr
und ab 5:00 Uhr zulässig. Zur Begründung dieser Regelung hat der Beklagte
dargelegt: Wegen der Einbindung der Flugzeuge in die täglichen Umläufe und
der hohen Auslastung müssten die Instandhaltungsarbeiten möglichst in den
Nachtstunden, insbesondere der Nachtkernzeit, durchgeführt werden. Nächtli-
che Betriebsbeschränkungen könnten zu erheblichen Ineffizienzen führen,
wenn instandgesetzte Flugzeuge am Morgen nicht rechtzeitig dem Flugzeug-
umlauf zugeführt bzw. die Flugzeuge zur Wartung und Instandsetzung nicht
unmittelbar nach Beendigung ihres Einsatzes zum Flughafen Berlin-Schönefeld
verbracht werden könnten (PEB S. 133 Abs. 3). Bereitstellungs- oder Positio-
nierungsflüge als Leerflüge seien darüber hinaus notwendig, falls ein Ersatz-
flugzeug von oder nach Berlin zu überführen sei (PEB S. 133 Abs. 4).
Damit ist ein Nachtflugbedarf bis 24:00 Uhr und ab 5:00 Uhr plausibel darge-
legt. Es geht um größere Wartungsarbeiten, wie die A- und C-Checks, die nur
an technisch hierfür ausgestatteten Standorten durchgeführt werden können
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(PEB S. 132 Abs. 2). Da Wartung und Instandsetzung die reguläre Umlaufpla-
nung möglichst nicht beeinträchtigen sollen, besteht ein berechtigtes Interesse
an der Möglichkeit, derartige Leerflüge dem regulären Flugbetrieb zeitlich vor-
bzw. nachlaufen zu lassen. Gleiches gilt für die Bereitstellung von Ersatzflug-
zeugen. Ohne Not wird im Übrigen keine Fluggesellschaft Leerflüge durchfüh-
ren. Der geringe Umfang des Verkehrs - der Beklagte geht für die Durch-
schnittsnacht 2020 von 1,3 Flugbewegungen aus (PEB S. 147) - spricht auch
insoweit nicht gegen einen Nachtflugbedarf.
2.3.11 Sonderverkehre
Den Sonderverkehren rechnet der Beklagte die Verkehre zu, die nach A II 5.1.1
Nr. 3 PFB i.d.F. des PEB auch während der Nachtkernzeit zulässig sind.
Zum Nachtflugbedarf für Militärflüge (Nr. 3 c) wird im Planergänzungsbeschluss
dargelegt: Militärflüge, wie z.B. der Lufttransport von militärischem Personal und
Material, seien zur Wahrnehmung von außen-, sicherheits- und verteidigungs-
politischen sowie bündnispolitischen Interessen und Verantwortlichkeiten der
Bundesrepublik Deutschland unbedingt notwendig. Das Bundesministerium der
Verteidigung führe hierzu aus, dass ein Flugbetrieb der Luftwaffe in der gesam-
ten Nacht aus militärischen Gründen erforderlich sei (PEB S. 137 Abs. 1).
Für die Flugbereitschaft hat das Bundesministerium der Verteidigung dies in
seinen Stellungnahmen vom 15. Januar 2008 (Beiakte 6) und vom 20. März
2009 (Beiakte 17 Bl. 1526) plausibel dargelegt. Die Flugbereitschaft des Bun-
desministeriums der Verteidigung ist ein Verband der Luftwaffe, der für beson-
dere Aufgaben jederzeit, also auch während der Nachtkernzeit, einsatzbereit
sein soll. In erster Linie wird die Flugbereitschaft für die Beförderung von Per-
sonen aus dem politisch-parlamentarischen Bereich (Regierungsflüge), den
Lufttransport zur Unterstützung bei Hilfeleistungen der Bundeswehr im In- und
Ausland z.B. bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen
sowie für den Lufttransport von Kranken und Verwundeten (MEDEVAC) einge-
setzt. Zu ihrem Auftrag gehört aber auch der Lufttransport von militärischem
Personal und Material. Derartige militärische Flüge entziehen sich einer regel-
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haften Planung; sie können - je nach den militärischen Notwendigkeiten - zu
jeder Tages- und Nachtzeit erforderlich sein (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008
- BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 79). Der Nachtflugbedarf für
Luftfahrzeuge der Flugbereitschaft ist auch standortspezifisch. Ein Teil der
Flugzeuge ist bereits in Berlin stationiert. Die Bundeswehr beabsichtigt, die An-
teile der Kurz- und Mittelstreckenflotte, die derzeit noch auf dem Flughafen
Köln/Bonn stationiert sind, zum Flughafen Berlin-Schönefeld zu verlegen; auch
die Langstreckenflugzeuge sollen dort permanent stationiert werden.
Ein Bedarf für Nachtflüge sonstiger militärischer Luftfahrzeuge oder ziviler Luft-
fahrzeuge auf militärische Anforderung, wie sie etwa auf dem Flughafen Leip-
zig/Halle zum Transport von US-Personal in den Nahen und Mittleren Osten
stattfinden, ist hingegen nicht substantiiert dargelegt. Der Prozessbevollmäch-
tigte des Beklagten hat deshalb in der mündlichen Verhandlung auf Anraten des
Gerichts erklärt, dass Militärflüge im Sinne des Abschnitts A II 5.1.1 Nr. 3 c PFB
i.d.F. des PEB nur Flüge von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft des Bundes-
ministeriums der Verteidigung und von Gastluftfahrzeugen der Regierungen
oder militärischer Einrichtungen anderer Staaten sind.
Einwände gegen die im Planergänzungsbeschluss dargelegte Erforderlichkeit
der Regelung für Notlandungen (Nr. 3 a), für Flüge für den Katastrophenschutz,
medizinische Hilfeleistungen und Vermessungen (Nr. 3 b) und für Polizeiflüge
(Nr. 3 c) erheben die Kläger nicht; sie berufen sich insoweit lediglich auf ihr
Vorbringen zur Verwertbarkeit des I.-Nachtflug-Gutachtens.
2.3.12 Verspätungen und Verfrühungen
Zur Begründung des Nachtflugbedarfs für verspätete Landungen bis 24:00 Uhr,
verfrühte Landungen ab 5:00 Uhr, verspätete Starts im Interkontinentalverkehr
bis 24:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 4 b und c PFB i.d.F. des PEB) sowie verspätete
Landungen von nicht lärmarmen Flugzeugen bis 23:00 Uhr (A II 5.1.1 Nr. 5 PFB
i.d.F. des PEB) hat der Beklagte ausgeführt:
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Unpünktlichkeiten im internationalen Luftverkehr ließen sich auch in Zukunft
nicht vollständig vermeiden (PEB S. 143 Abs. 2); es sei aber nicht erkennbar,
dass die Fluggesellschaften die Verspätungen oder Verfrühungen gezielt er-
zeugten bzw. deren Konsequenzen bewusst in Kauf nähmen (PEB S. 143
Abs. 3). Planmäßige Flüge müssten auch bei Verspätungen landen können und
zwar möglichst auf dem Zielflughafen; eine Umleitung auf einen anderen Flug-
hafen sei mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Geeignete Ausweichflug-
häfen stünden in näherer Umgebung nicht zur Verfügung (PEB S. 143 Abs. 4).
Frühankünfte träten vor allem im Interkontinentalverkehr auf. Ohne Landemög-
lichkeit müsste das Flugzeug in Warteschleifen in der Luft bleiben - mit allen
ökonomischen und ökologischen Folgen (PEB S. 142 Abs. 3).
Damit ist ein Bedarf für die Verspätungsregelungen plausibel dargelegt. Da die
Personenbeförderung im Luftverkehr Bestandteil des öffentlichen, für jeden
Nutzer zugänglichen Verkehrs ist, besteht ein allgemeines Interesse daran, den
Luftverkehr möglichst planmäßig abzuwickeln (Urteil vom 24. Juli 2008 a.a.O.
Rn. 55); dieses Interesse besteht auch im Luftfrachtverkehr. Das Ausweichen
auf andere Flughäfen stört die Abwicklung des Luftverkehrs erheblich; auch die
Passagiere werden dadurch in hohem Maße belastet. Das gilt bereits dann,
wenn - wie bislang mit dem Flughafen Berlin-Schönefeld für den Flughafen Ber-
lin-Tegel - ein Ausweichflughafen in der Nähe vorhanden ist. Dass der Beklagte
die Flexibilität des Berliner Flughafensystems aus anderen Gründen, insbeson-
dere zur Reduzierung der Lärmbetroffenheiten (vgl. Urteil vom 16. März 2006
- BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 109 ff.), selbst aufgegeben hat,
steht der Anerkennung eines Bedarfs nicht entgegen. Dass Verfrühungen - wie
die Kläger geltend machen - vermeidbar sind, ist nur teilweise richtig. Eine Ver-
langsamung des Fluges ist nur innerhalb gewisser Grenzen möglich (Urteil vom
24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 56; PEB S. 142 Abs. 4). Warteschleifen sind aus den
im Planergänzungsbeschluss (S. 142 Abs. 3) dargelegten Gründen keine ein-
deutig bessere Alternative. Schließlich weisen die Kläger des Parallelverfahrens
(BVerwG 4 A 4001.10) auf den ebenfalls stadtnahen Flughafen Düsseldorf hin,
der sich auch hinsichtlich der Verspätungsregelungen erhebliche Restriktionen
zum Schutz der Anwohner gefallen lassen müsse. Für die Abendstunden hat
allerdings auch der Flughafen Düsseldorf eine Verspätungsregelung (Nachtflug-
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Gutachten S. 67). Lediglich am Morgen werden Landungen erst ab 6:00 Uhr
zugelassen - ohne Ausnahme für Verfrühungen. Ein Bedarf für verfrühte Lan-
dungen auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld ist, auch wenn ihre Zahl gering
ist, belastbar dargelegt. Dass der Flughafen Düsseldorf ohne eine solche Rege-
lung auskommen muss, obwohl dort ebenfalls Interkontinentalverkehr stattfin-
det, muss sich der Flughafen Berlin-Schönefeld nicht entgegenhalten lassen.
2.4 Regionalwirtschaftliche Aspekte
Der Beklagte hat die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen einer Beschrän-
kung des nächtlichen Flugbetriebs ausreichend ermittelt. Er hat die Bedeutung
der regionalwirtschaftlichen Belange nicht überschätzt.
Der Beklagte ist davon ausgegangen, dass die Realisierung des Ausbauvorha-
bens positive wirtschaftliche und strukturelle Effekte für die Hauptstadtregion
haben werde (PEB S. 155 Abs. 1). Die im Gutachten der Beigeladenen (Ar-
beitsgemeinschaft IfV Köln / KE-Consult, Regionalwirtschaftliche Effekte einer
Betriebsgenehmigung mit Kernruhezeit für den Airport Berlin Brandenburg In-
ternational BBI vom 20. Juni 2007, Beiakte 1) herausgearbeiteten Ursachenbe-
ziehungen zwischen der Steigerung der Verkehrsnachfrage und -leistung an
einem Flughafen in Relation zu Flugbetriebsbeschränkungen in den Nachtzei-
ten und der von diesem Flughafen ausgehenden direkten Beschäftigungswir-
kungen seien plausibel, wenn auch die Zahlen möglicherweise nicht exakt be-
legbar seien (PEB S. 155 Abs. 3). Insgesamt änderten die verfügten Flugbe-
schränkungen zur Nachtzeit nichts daran, dass das Ausbauvorhaben generell
geeignet sei, positive arbeitsmarktpolitische Effekte auszulösen (PEB S. 155
Abs. 4). Der Beklagte habe durch die Öffnung der Nachtrandzeiten bis
23:30 Uhr und ab 5:30 Uhr die durchaus vorhandenen negativen regionalwirt-
schaftlichen Auswirkungen von Flugbeschränkungen minimiert. Er halte die ver-
fügten Betriebsregelungen auch unter Würdigung des öffentlichen Interesses an
Arbeitsplätzen sowie der Erhaltung und Stärkung der Wirtschaftskraft der
Hauptstadtregion für vertretbar (PEB S. 156 Abs. 2).
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Die Kläger meinen, dass das Gutachten der Beigeladenen die Effekte von
Flugbeschränkungen in der Nachtzeit überbewerte; der Beklagte folge dieser
Überbewertung. Es werde verkannt, dass ein Großteil des bei uneingeschränk-
tem Flugbetrieb bestehenden Verkehrs nicht wegfallen, sondern sich in den Tag
verlagern werde.
Die Einwände der Kläger sind unbegründet. Der Beklagte hat sich die quantita-
tiven Einschätzungen insbesondere der Passagierverluste in dem Gutachten
der Beigeladenen, die auch I. für überhöht gehalten hat (Bericht vom
3. Dezember 2008 S. 7, Beiakte 16 Bl. 987 <996>), nicht zu eigen gemacht. Er
musste die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen von Nachtflugbeschränkun-
gen auch nicht weiter ermitteln oder quantifizieren, insbesondere auch nicht für
eine Beschränkung des Flugbetriebs auf 6:00 bis 23:00 Uhr. Denn er hat den
regionalwirtschaftlichen Effekten im Rahmen seiner Abwägung von vornherein
nur eine eingeschränkte Bedeutung beigemessen. Er ist zwar davon ausge-
gangen, dass der Flughafenausbau auch deshalb im öffentlichen Interesse
liegt, weil er der Stärkung und Erhaltung der regionalen Wirtschaft dient (PEB
S. 148 Abs. 4), und dass sich Beschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs
negativ auf dieses Ziel auswirken (PEB S. 152 Abs. 2). Den Nachtflugbedarf hat
er jedoch ausschließlich auf die Nachfrage nach Nachtflügen und die strukturel-
len und betrieblichen Gründe für deren Durchführung in der Nacht gestützt,
nicht auf die regionalwirtschaftlichen Effekte des Nachtflugbetriebs. Auch in der
Gesamtabwägung hat er diese Effekte lediglich punktuell im Zusammenhang
mit den Bereitstellungs- und Überführungsflügen und deren Bedeutung für die
Flugzeuginstandhaltungsbetriebe (PEB S. 171 Abs. 4) sowie beim Luftfracht-
verkehr (PEB S. 169 Abs. 4) in seine Erwägungen einbezogen. Die regional-
wirtschaftlichen Gesamtauswirkungen der von ihm verfügten Betriebsbeschrän-
kungen hat er lediglich geprüft, um der Forderung nach einer weitergehenden
Zulassung von Nachtflugbetrieb und dem Argument zu begegnen, dass die po-
sitiven wirtschaftlichen und strukturellen Effekte des Flughafenausbaus für die
Region Berlin-Brandenburg durch die verfügten Beschränkungen des nächtli-
chen Flugbetriebs infrage gestellt würden. Die Frage, ob dies bei einer weiter-
gehenden Beschränkung des Flugbetriebs, etwa auf 6:00 bis 23:00 Uhr, der
Fall wäre, brauchte er nicht zu stellen, da er eine solche Regelung im Rahmen
140
141
- 52 -
der Abwägung schon wegen des dargelegten Nachtflugbedarfs nicht als ange-
messen angesehen hat.
3. Ermittlung und Gewichtung der Lärmschutzbelange
Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange der Kläger ausreichend ermittelt. Er
hat das Gewicht dieser Belange nicht zu gering eingeschätzt.
3.1 Flugroutenprognose
Welche Auswirkungen der Betrieb eines Flugplatzes auf die Anwohner und die
Umwelt hat, hängt nicht nur von Art und Umfang des Flugbetriebs auf dem
Flugplatz, sondern auch von den Flugwegen und der Flughöhe der Flugzeuge
im Luftraum ab. Der Flugbetrieb auf dem Flugplatz kann im Planfeststellungs-
verfahren geregelt werden (§ 8 Abs. 4 LuftVG), die Benutzung des Luftraums in
der Umgebung des Flugplatzes nicht (Urteil vom 11. Juli 2001 - BVerwG 11 C
14.00 - BVerwGE 114, 364 <377>). Sie wird maßgebend durch sogenannte
Flugverfahren bestimmt. Die Flugverfahren einschließlich der Flugwege, Flug-
höhen und Meldepunkte werden vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung
(BAF) auf der Grundlage von Vorarbeiten der DFS durch Rechtsverordnung
festgelegt (§ 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c LuftVG, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO).
Müssen die Flugverfahren für ein neues Bahnsystem festgelegt werden, kann
dies erst nach der Planfeststellung der neuen Bahnen geschehen. Auch nach
Inbetriebnahme des Bahnsystems können die Flugverfahren geändert werden
(vgl. Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 und
vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152). Die Ermittlung
der Lärmbetroffenheiten im Planfeststellungsverfahren ist hiernach systemim-
manent mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugrouten für die An- und Ab-
flüge nicht feststehen. Die Planfeststellungsbehörde muss nicht alle realisti-
scherweise in Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärm-
beeinträchtigungen untersuchen; sie kann sich auf die Betrachtung bestimmter
Flugrouten beschränken. Die Flugrouten gehören zu den prognostischen An-
nahmen, die der Lärmermittlung zugrunde zu legen sind (Beschluss vom
142
143
144
145
- 53 -
18. August 2005 - BVerwG 4 B 17.05 - juris Rn. 27
in Buchholz 442.40 § 10 LuftVG Nr. 13>).
3.1.1 Anforderungen an die Flugroutenprognose
Die prognostische Flugroutenplanung muss besonderen, sich aus ihrer Funk-
tion ergebenden Anforderungen genügen: Sie muss zum einen die Modalitäten
des Flugbetriebs hinreichend genau abbilden; zum anderen muss sie regelmä-
ßig mit dem BAF oder der DFS abgestimmt sein.
Für das Planfeststellungsverfahren genügt eine prognostische planung der
An- und Abflugverfahren - eine Detailplanung würde dem vorläufigen Charakter
der nur prognostischen Planung nicht gerecht. Auch die prognostische Planung
darf jedoch nicht beliebig „grob“ sein. Sie muss die Modalitäten des Flugbe-
triebs soweit abbilden, wie dies für die jeweilige im Planfeststellungsverfahren
zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Für die Regelung des Flugbetriebs
muss sie nicht so genau sein wie für die Festlegung der Schutz- und Entschä-
digungsgebiete. Letztere sollen es ermöglichen, individuelle, im Wege der Ab-
wägung nicht überwindbare Schutzansprüche durchzusetzen. Über die Rege-
lung des Flugbetriebs ist hingegen auf der Grundlage einer Abwägung zu ent-
scheiden (§ 8 Abs. 1 und 4 LuftVG). Relevant für diese Abwägung ist, wie viele
Anwohner ungefähr durch Fluglärm betroffen sein werden und wie schwer die
jeweilige Betroffenheit sein wird. Welche Anwohner betroffen sein werden, ist
- anders als für die Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete - nicht
erheblich. Der Flugbetrieb wird geregelt für einen Flughafen an einem bestimm-
ten Standort mit einer bestimmten Siedlungsstruktur in seiner Umgebung. Die
Regelung soll grundsätzlich auch dann Bestand haben können, wenn andere
An- und Abflugverfahren festgelegt werden als im Planfeststellungsverfahren
angenommen wurde. Unabhängig vom Verlauf der jeweiligen Flugrouten muss
bei der Flughafenplanung davon ausgegangen werden, dass nach den örtlichen
Gegebenheiten bestimmte Siedlungsgebiete durch Fluglärm betroffen werden
können. Vor diesem Hintergrund ist eine Änderung der Flugrouten für die Rege-
lung des nächtlichen Flugbetriebs unter Lärmschutzgesichtspunkten in der Re-
146
147
148
- 54 -
gel nur relevant, wenn wesentlich dichter besiedelte Gebiete auf passiven
Schallschutz angewiesen wären als angenommen.
Die Prognose der An- und Abflugverfahren muss zudem in aller Regel mit dem
BAF oder der DFS abgestimmt sein. Für hoheitliche Planungen gilt der Grund-
satz der Problembewältigung; der Planfeststellungsbeschluss muss die von
dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme
bewältigen (Urteile vom 7. März 2007 - BVerwG 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177
Rn. 19 und vom 1. Juli 1999 - BVerwG 4 A 27.98 - BVerwGE 109, 192 <201>).
Hierzu ist die Planung nicht in der Lage, wenn sie eine beliebige Flugroutenpla-
nung zugrunde legt; sie muss von realistischen Annahmen ausgehen. Die Pro-
gnose ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erst dann fehlerhaft,
wenn die Flugroutenplanung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht
realisiert werden kann oder wenn bereits zum Zeitpunkt der Planfeststellung
definitiv feststeht, dass das BAF andere Flugstrecken festlegen wird. Ob eine
Flugroutenplanung realistisch ist, kann die Planfeststellungsbehörde regelmä-
ßig allein nicht beurteilen. Nicht sie, sondern die DFS ist für die Planung, das
BAF für die Festlegung der An- und Abflugverfahren zuständig. Ziel der Ab-
stimmung ist die Bestätigung, dass die dem Planfeststellungsantrag zugrunde
liegende prognostische Flugroutenplanung realisierbar ist und dass sie den bis-
herigen Planungen der DFS entspricht, ihre Umsetzung also realistischerweise
zu erwarten ist.
3.1.2 Prognose der DFS vom November 1997 / März 1998
Der Beklagte hat der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten im Planergänzungs-
verfahren - wie im gesamten Planfeststellungsverfahren - eine von der DFS er-
stellte Grobplanung der Anflugstrecken vom November 1997 (Beiakte 45
2004> Bl. 29 f.) und der Abflugstrecken vom März 1998 zugrunde gelegt (a.a.O.
Bl. 84 f.). Die DFS hatte diese Planungen der bereits vor Eingang des Planfest-
stellungsantrags beim Beklagten eingerichteten „Arbeitsgruppe An- und Abflug-
verfahren EDDB“ vorgelegt. Die DFS ging bei ihrer Planung, ohne hierauf aus-
drücklich hinzuweisen, davon aus, dass die beiden Bahnen des Flugplatzes
nicht unabhängig voneinander genutzt werden sollten. In der 3. Sitzung der Ar-
149
150
151
- 55 -
beitsgruppe vom 30. März 1998 wurde sie gebeten zu prüfen, welche Auswir-
kungen Achsabstand und Schwellenversatz der Pisten auf die gleichzeitige un-
abhängige Durchführung von IFR-Flugverkehr haben (a.a.O. Bl. 79 <80>). Mit
Schreiben vom 20. August 1998
(a.a.O. Bl. 92 f.)
teilte sie mit, dass der vorge-
sehene Achsabstand (1 900 m) und der Schwellenversatz (1 250 m) keine
nachteiligen Auswirkungen auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung des
IFR-Flugverkehrs hätten. Zugleich wies sie „deutlich“ darauf hin, dass die
gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen von beiden Pisten
unmittelbar nach dem Start eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15°
erfordere. Ebenso müssten die Abflugkurse um mindestens 30° von den Fehl-
anflugkursen der jeweils anderen Piste abweichen. Da derartige Präzisierungen
in der übergebenen Grobplanung nicht berücksichtigt worden seien, sei bei der
weiteren Verwendung dieser Unterlagen ein entsprechender Toleranzbereich
zu berücksichtigen. Der Beklagte bat die Vorhabenträgerin, diese Vorgaben der
DFS bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen (a.a.O. Bl. 95 f.).
Die Vor-
habenträgerin erwiderte, dass sie die Forderung der DFS bei der Konstruktion
der Standard Instrument Departures nicht berücksichtigt habe (a.a.O. Bl. 98 f.).
Eine exakte Berücksichtigung solcher modifizierter Abflugwege würde die De-
klarierung zusätzlicher Abflugstrecken erfordern, was nicht vorgesehen sein
könne. Sie gehe davon aus, dass die Hinweise der DFS nicht zu einer Verände-
rung der Streckengeometrie führten; anderenfalls müsste kurzfristig ein Klä-
rungsgespräch mit der DFS herbeigeführt werden. Ein solches Gespräch fand
am 29. September 1998 in der Hauptverwaltung der DFS statt; ein Ergebnispro-
tokoll liegt nicht vor. In einem nicht zu den Verwaltungsvorgängen gelangten
Schreiben vom 7. Oktober 1998 wandte sich der Geschäftsführer der Vorha-
benträgerin, Herr Dr. H., an das Bundesministerium für Verkehr mit der Bitte um
Unterstützung bei der Lösung eines Problems mit der DFS. In einer schriftlichen
Stellungnahme zum Datenerfassungssystem habe die DFS festgestellt, dass
bei gleichzeitiger unabhängiger Durchführung von IFR-Abflügen eine Divergenz
der Abflugkurse von 15° erforderlich werde. Das Ministerium werde gebeten,
Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass sie ihre Stellungnahme
zum vorliegenden Datenerfassungssystem modifiziere. Die DFS nahm mit
Schreiben vom 26. Oktober 1998 (a.a.O. Bl. 106) unter Bezugnahme auf die
Besprechungen vom 30. März und 29. September 1998 erneut Stellung. Sie
- 56 -
legte dar, dass die von der Vorhabenträgerin zugrunde gelegte Streckengeome-
trie grundsätzlich den derzeitigen Planungen der DFS entspreche. IFR-Anflüge
könnten bei dem geplanten Bahnabstand unabhängig voneinander durchgeführt
werden. Sie wies jedoch darauf hin, dass, um parallele Abflüge gleichzeitig von
beiden Pisten zu gewährleisten, generell eine Divergenz der Abflugwege von
15° erforderlich wäre. Dies bedeute, dass es bei den vorliegenden Abflugver-
fahren während der Verkehrsspitzen zu Abflugverzögerungen kommen könne.
Weiter wies sie darauf hin, dass die Flugverfahren nicht Gegenstand einer Plan-
feststellung seien, sondern jederzeit optimiert werden könnten. Die Festlegung
der für die Inbetriebnahme des neuen Bahnsystems notwendigen Flugverfahren
werde erst kurz vor Betriebsaufnahme erfolgen.
Im Planfeststellungsverfahren nahm die DFS als Trägerin öffentlicher Belange
mit Schreiben vom 3. Juli 2000 Stellung (Beiakte 322 Nr. 170). Zur
Möglichkeit paralleler IFR-Abflüge wiederholte sie praktisch wortgleich den In-
halt ihres Schreibens vom 26. Oktober 1998. Im Planergänzungsverfahren er-
hob sie im Anhörungsverfahren keine Einwendungen gegen das Vorhaben
(Schreiben vom 18. Januar 2008, Beiakte 6 Stellungnahme 500007). Auf eine
schriftliche Anfrage des Beklagten vom 10. Oktober 2008 (Anlage zum Schrift-
satz des Beklagten vom 25. Juli 2011) teilte sie unter dem 15. April 2009 mit,
eine kurzfristige Festlegung von Flugverfahren würde dem Grundsatz wider-
sprechen, die Verfahren erst nach einer gründlichen Abwägung aller Faktoren
einzuführen; sie könne daher noch keine konkreten Angaben zur Flugverfah-
rensplanung geben (Beiakte 17 Bl. 1576).
Auf der Grundlage dieser schriftlichen Stellungnahmen der DFS durfte der Be-
klagte - unabhängig davon, ob ihm das sogenannte H.-Schreiben bekannt war -
nicht davon ausgehen, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb paral-
lele Abflugstrecken planen würde. Von einem abhängigen Bahnbetrieb durfte er
ebenfalls nicht ausgehen. Die Herstellung eines unabhängig benutzbaren Paral-
lelbahnsystems, auf dem An- und Abflüge auf beiden Bahnen gleichzeitig
durchgeführt werden dürfen, war ein wesentlicher Grund für den Ausbau des
Flughafens (PFB S. 336 Abs. 1, S. 409 Abs. 5). Der Senat hat die Entscheidung
gegen einen abhängigen und für einen unabhängigen Parallelflugbetrieb in sei-
152
153
- 57 -
nem Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116
Rn. 221) nicht beanstandet. Der unabhängige Betrieb paralleler Bahnen unter-
liegt aber besonderen Anforderungen. Anhang 14 Band I zum Chicagoer Ab-
kommen über die Internationale Zivilluftfahrt empfiehlt für den unabhängigen
Betrieb paralleler Bahnen zunächst Mindestabstände zwischen den Bahnen,
und zwar für Ankünfte 1 035 m und für Abflüge 760 m (Nr. 3.1.12). Das ICAO-
Dokument 4444, auf das Anhang 14 hinweist, verlangt für unabhängige Abflüge
von parallelen Bahnen darüber hinaus, dass die Abflugrouten unmittelbar nach
dem Abheben um mindestens 15° divergieren sollen (Nr. 6.7.2.2 Buchst. b).
Dokument 9643 enthält eine entsprechende Regelung (Nr. 3.2 Buchst. b).
Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es mit den ICAO-
Vorschriften vereinbar wäre, wie am Flughafen München auch am Flughafen
Berlin-Schönefeld für gleichzeitige Abflüge parallele Abflugstrecken festzulegen,
kann offen bleiben. Eine solche Planung war mit der DFS nicht abgestimmt; sie
hatte ihre Forderung, bei gleichzeitigen Abflügen eine Divergenz der Abflug-
routen von 15° einzuhalten, nicht aufgegeben. Ihren Schreiben konnte auch
nicht die Absicht entnommen werden, die Divergenz der Abflugwege in jedem
Einzelfall mittels Flugverkehrskontrollfreigaben gemäß § 26 Abs. 2 LuftVO zu
erreichen. Während der Nacht werden parallele Starts zwar voraussichtlich
nicht benötigt; dass die DFS deshalb - wie der Beklagte meint - für die Nacht an
den parallelen Abflugstrecken festhalten würde, hatte sie in ihren Schreiben
ebenfalls nicht zu erkennen gegeben. Auch tatsächlich hat die Möglichkeit, die
Flugverfahren für Tag und Nacht differenziert zu regeln (vgl. Urteil vom 4. Mai
2005 - BVerwG 4 C 6.04 - BVerwGE 123, 322 <325, 328>), in den weiteren
Planungen der DFS keine Rolle gespielt.
Konsequenzen hieraus hätte der Beklagte bei der Festlegung der Schutz- und
Entschädigungsgebiete ziehen müssen; diese Gebiete hätte er nicht auf der
Grundlage paralleler Abflugrouten festlegen dürfen. Das ist im vorliegenden
Verfahren jedoch nicht mehr relevant. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit
insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte sich ver-
pflichtet hat, nach der erstmaligen Festlegung der Routen durch das BAF die
bisher festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete insgesamt neu auszu-
154
155
- 58 -
weisen; die Nebenbestimmungen zu den bereits festgelegten Schutz- und Ent-
schädigungsgebieten bleiben hiervon unberührt.
Soweit es um die Regelung des Nachtflugbetriebs geht, war hingegen die für
den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten
ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb
abzuschätzen. Die Anflugrouten sind von dem Modus des Bahnbetriebs ohne-
hin nicht berührt; sie können auch bei unabhängigem Bahnbetrieb - wie in der
Grobplanung der DFS vom November 1997 vorgesehen - in gerader Verlänge-
rung der beiden Bahnen durchgeführt werden. Bei den Abflugrouten muss für
den unabhängigen Bahnbetrieb allerdings davon ausgegangen werden, dass
die Flugwege um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknicken. Abflug-
routen in diesem Korridor würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als
die parallelen Abflugwege der DFS-Grobplanung; diese Gebiete wären jedoch
nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen, die von pa-
rallelen Abflugrouten betroffen wären. Das ergibt sich bereits aus einer Grob-
analyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung. Betroffen wäre im ei-
nen wie im anderen Fall der Randbereich der Metropole Berlin; die dichter be-
siedelte Metropole selbst wäre nicht betroffen. Abflüge in Richtung Westen
- das sind etwa 2/3 aller Abflüge -, die um bis zu 15° nach Norden oder Süden
abknicken, ändern den Umfang der Betroffenheiten in dem für den passiven
Schallschutz relevanten Bereich gegenüber geraden Abflügen allenfalls un-
erheblich. Bei nach Norden abknickenden Abflügen von der Nordbahn würde
Blankenfelde-Mahlow etwas weiter nördlich überflogen. Stärker als bei geraden
Abflügen wäre Großbeeren betroffen; im Gegenzug würde Diedersdorf entlas-
tet. Um 15° nach Süden abknickende Abflüge von der Südbahn würden Blan-
kenfelde-Mahlow eher entlasten. Auch eine Berechnung der DFS für die Flug-
lärmkommission mit dem NIROS-Programm hat ergeben, dass eine abknicken-
de Route unter Lärmschutzgesichtspunkten sogar günstiger wäre als gerade
Abflüge (Präsentation „Flugverfahrensvorschläge der Fluglärmkommission für
BBI“ vom 14. Februar 2011, http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/de-
tail.php/484669, Folien 25 ff.). Für Abflüge in Richtung Osten ist die Situation
allerdings nicht in gleicher Weise eindeutig. Die Gebiete, die bei um 15° nach
Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn auf passiven Schallschutz an-
156
- 59 -
gewiesen wären, dürften etwas dichter besiedelt sein als die von geraden Ab-
flugstrecken betroffenen Gebiete. Der Norden von Eichwalde und Schulzendorf
würde entlastet; die Mitte von Schulzendorf, der Süden von Eichwalde und der
Nordrand von Zeuthen wären neu auf passiven Schallschutz angewiesen; eine
andere Größenordnung der Betroffenheiten insgesamt würde aber hierdurch
nicht erreicht. Ein Abknicken von der Nordbahn nach Nordosten würde zu Di-
rektüberflügen von Bohnsdorf in geringer Höhe und damit zu einer nicht un-
erheblichen Zunahme der besonders starken Betroffenheiten führen. Dass die-
se unter Lärmschutzgesichtspunkten ungünstigste Variante zur Umsetzung der
15°-Divergenz gewählt werden würde, war jedoch von vornherein unwahr-
scheinlich. Diese Variante musste deshalb nicht betrachtet werden. Insgesamt
bleiben damit die durch die Berücksichtigung der 15°-Toleranz möglichen Ver-
änderungen der Lärmbetroffenheiten in einem Unsicherheitsbereich, der bei der
prognostischen Flugroutenplanung für die Regelung des nächtlichen Flugbe-
triebs ohnehin mitgedacht werden muss.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass abknickende Abflugwege nicht
mehr im selben Korridor wie die Anflugwege verlaufen. Die Zahl der Flüge steigt
dadurch nicht; lediglich die Verteilung des Lärms ändert sich. Die Belastung
neuer Anwohner durch abknickende Abflugwege führt zugleich zu einer Entlas-
tung der durch gerade Abflüge Betroffenen. Selbst wenn diese wegen der An-
flüge auf passiven Schallschutz angewiesen bleiben, besteht diese Belastung
für viele nicht mehr bei beiden Betriebsrichtungen und damit an jedem Tag,
sondern nur noch bei einer Betriebsrichtung. Gleiches gilt für die Anwohner, die
aufgrund der abknickenden Abflugwege neu in das Nachtschutzgebiet einbezo-
gen werden müssen; auch sie benötigen den passiven Schallschutz nur bei ei-
ner Betriebsrichtung.
Dass um mehr als 15° abknickende Abflugstrecken festgelegt werden würden,
wenn dies nicht - wie z.B. bei der in der Planung der DFS vom 4. Juli 2011 ent-
haltenen Route „LUDDI-kurz“ (vgl. Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom
1. August 2011, Folie 20 f.), die unmittelbar nach Verlassen der Südbahn in
Richtung Osten bereits vor Erreichen von Schulzendorf stark nach rechts ab-
biegt - zu einer Verringerung der Lärmbetroffenheiten führt, musste der Beklag-
157
158
- 60 -
te nicht in Betracht ziehen; insbesondere musste er nicht von einer Verwirkli-
chung der von der DFS nach Erlass des Planergänzungsbeschlusses präsen-
tierten, um mehr als 15° nach Norden abknickenden Route über Stahnsdorf,
Teltow und Kleinmachnow ausgehen. Die DFS hatte in ihrem Schreiben vom
26. Oktober 1998 bestätigt, dass die auf der Grundlage ihrer Grobplanung er-
stellte Streckengeometrie grundsätzlich ihren Planungen entspreche; mehr als
die Berücksichtigung des Toleranzbereichs hatte sie auch im Schreiben vom
20. August 1998 nicht gefordert. Hiervon war sie weder im Planfeststellungs-
noch im Planergänzungsverfahren abgerückt. Ob sie im Jahr 2009 bei der Er-
arbeitung von Luftraummodellen von der Route über Stahnsdorf, Teltow und
Kleinmachnow ausging und den Beklagten hierüber informierte, ist unerheblich.
Maßgebend für die Abstimmung der Flugroutenprognose mit der DFS sind die
von ihr im Planfeststellungs- und im Planergänzungsverfahren abgegebenen
schriftlichen Erklärungen. Diese enthalten keinen Hinweis auf die Route über
Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow. Der Beklagte musste nicht auf jeden
zwischenzeitlichen Planungsstand der DFS bei der Vorbereitung der verbindli-
chen An- und Abflugverfahren reagieren.
3.2 Lärmberechnung
Ausgehend von der dargelegten, für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs
ausreichenden Flugroutenprognose hat der Beklagte die Lärmbetroffenheiten in
der für die Abwägung relevanten Größenordnung zutreffend ermittelt. Er hat für
die bereits im Planfeststellungsverfahren ausgewählten Immissionsorte sowohl
den L
Aeq
Tag
und den L
Aeq
Nacht
als auch die mittlere tägliche Verteilung der ma-
ximalen A-Schallpegel über 55 dB(A) in der Nacht nach der 1. Fluglärmschutz-
verordnung neu berechnen lassen (Beiakte 17 Bl. 1826 ff., 1832 ff.). Die Be-
rechnungen haben im Wesentlichen die Ergebnisse des Ausgangsverfahrens
bestätigt (PEB S. 156 f., S. 160 Abs. 4). Hiernach werden ca. 40 000 Anwohner
auf passiven Schallschutz angewiesen sein (PEB S. 166 Abs. 1). Das den neu-
en Berechnungen zugrunde gelegte Datenerfassungssystem enthält allerdings
Eingabefehler. Das hat der Beklagte selbst eingeräumt; die Fehler beruhten auf
einer versehentlichen doppelten Eingabe der Rohdaten bei der Berechnung der
3-Sigma-Regelung nach der 1. Fluglärmschutzverordnung, der fehlenden Anla-
159
160
- 61 -
ge der A-Matrix-Daten für die virtuelle Bahn sowie einem Übertragungsfehler
bei den Hubschrauberstrecken. Sie führten zu einer geringen Vergrößerung des
Nachtschutzgebiets im Westen und Osten des Flughafens. Dass diese Einga-
befehler geeignet sein könnten, die der Abwägung zugrunde gelegte Größen-
ordnung der Lärmbetroffenheiten infrage zu stellen, machen die Kläger selbst
nicht geltend; hierfür gibt es auch keine Anhaltspunkte.
3.3 Lärmmedizin und Lärmwirkungsforschung
Die neueren Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung
brauchte der Beklagte für die Gewichtung der Lärmschutzbelange nicht zu wür-
digen.
Maßgebender Bezugspunkt für die Gewichtung der Lärmschutzbelange ist die
sogenannte fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, bei deren Über-
schreiten passiver Schallschutz zu gewähren ist (vgl. Urteile vom 16. März 2006
- BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 251 und vom 21. September
2006 - BVerwG 4 C 4.05 - BVerwGE 126, 340 Rn. 34). Die Erkenntnisse der
Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung sind bei der Festlegung dieser
Schwelle zu berücksichtigen. Auch Lärmbeeinträchtigungen unterhalb der fach-
planungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle sind abwägungsrelevant (Urteil
vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 268). Hat die Planfeststellungsbehörde die fach-
planungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle fehlerfrei bestimmt, genügt es für die
Abwägung grundsätzlich, die Lärmschutzbelange ausgehend von dieser
Schwelle zu gewichten: Sie sind umso gewichtiger, je näher die Lärmbelastun-
gen an die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle heranreichen, ihr
Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleiben.
Eine Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Lärmmedizin und der
Lärmwirkungsforschung ist für diese Gewichtung nicht erforderlich.
Der Beklagte hat die Schwelle, bei deren Überschreiten passiver Schallschutz
für Schlafräume zu gewähren ist, rechtsfehlerfrei bestimmt. Vor Inkrafttreten
des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung
von Flugplätzen vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986) mussten mangels normativer
161
162
163
164
- 62 -
Vorgaben die Zulassungsbehörde und im Streitfall die Gerichte entscheiden,
welche Lärmpegel den Anwohnern tags und nachts zugemutet werden dürfen;
die im Fluglärmschutzgesetz vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282) genannten
Lärmwerte waren hierfür nicht aussagekräftig (vgl. Urteil vom 16. März 2006
a.a.O. Rn. 254). Insoweit hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 1. Juni
2007 geändert. Das neu gefasste Fluglärmschutzgesetz - FluglärmG - verfolgt
zwar weiterhin nur einen eingeschränkten Zweck. Es soll in der Umgebung von
Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz
zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Fluglärm regeln (§ 1
FluglärmG); die Regelung des sogenannten aktiven Schallschutzes insbeson-
dere durch Betriebsbeschränkungen bleibt dem Planfeststellungsverfahren vor-
behalten (vgl. BTDrucks 16/508 S. 17; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011
- 1 BvR 1502/08 - NVwZ 2011, 991 Rn. 23). Durch den neu eingefügten § 8
Abs. 1 Satz 3 LuftVG hat es nunmehr jedoch auch Bedeutung erhalten für die
bei der Planfeststellung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG erforderliche Abwägung
der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließ-
lich der Umweltverträglichkeit. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG sind hierbei
zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelt-
einwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2
FluglärmG zu beachten. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass bei der Bewäl-
tigung der durch Fluglärm hervorgerufenen Probleme im Rahmen der Abwä-
gung keine anderen als die nach dem Fluglärmschutzgesetz maßgeblichen
Werte für die Lärmschutzbereiche zugrunde gelegt werden (BTDrucks 16/508
S. 24). § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglärmG legt die
fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze auch mit Wirkung für die fachpla-
nerische Abwägung normativ fest (Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B
61.08 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr.
34 Rn. 33; zustimmend: Rathgeb, in:
Giemulla/Schmid, LuftVG, Stand August 2010, § 6 Rn. 126; Kämper, ZLW
2009, 16 <22>; Paetow, NVwZ 2010, 1184 <1190>; a.A. Mechel, ZUR 2007,
561 <566>). Jedenfalls zur Bestimmung der fachplanungsrechtlichen Zumut-
barkeitsgrenze müssen lärmmedizinische Gutachten im luftrechtlichen Zulas-
sungsverfahren nicht mehr eingeholt werden (vgl. BTDrucks 16/3813 S. 11 f.).
- 63 -
A II 5.1.3 Nr. 1 PFB i.d.F. des PEB gewährt passiven Schallschutz für Schlaf-
räume bei Überschreiten eines L
Aeq Nacht innen
von 35 dB(A) - das entspricht unter
Berücksichtigung eines Pegelunterschieds zwischen außen und innen von
15 dB(A) (vgl. Anlage zu § 3 FluglärmG) einem L
Aeq Nacht außen
von 50 dB(A) -
und eines L
Amax
von 6 × 55 dB(A). Diese bereits im Planfeststellungsbeschluss
2004 und damit vor Inkrafttreten des neu gefassten Fluglärmschutzgesetzes
festgelegten Werte sind für die Anwohner günstiger als die gemäß § 2 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1a FluglärmG bis zum 31. Dezember 2010 maßgebenden Werte für
neue Flughäfen (L
Aeq Nacht
= 53 dB, L