Urteil des BVerwG vom 29.03.2007

Schallschutz, Entschädigung, Hauptsache, Verfahrenskosten

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 A 2003.07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2007
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz als Berichterstatter
gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich
der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 600 000 € fest-
gesetzt.
G r ü n d e :
Nachdem die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Haupt-
sache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz
1 VwGO einzustellen und gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Berück-
sichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über
die Verfahrenskosten zu entscheiden. Vorliegend entspricht es der Billigkeit,
dass die Klägerin die Verfahrenskosten trägt. Dazu gehören auch die außerge-
richtlichen Kosten der Beigeladenen, die nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstat-
tungsfähig zu erklären sind, weil die Beigeladene einen Klagabweisungsantrag
gestellt und diesen auch begründet hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der Einschätzung, dass die Klage abgewie-
sen worden wäre, wenn über sie zur Hauptsache hätte entschieden werden
müssen. Dazu ist im Einzelnen auszuführen:
Der Klageantrag zu 1, den Beklagten insoweit zur Ergänzung des Planfeststel-
lungsbeschlusses zu verpflichten, als Schallschutz gemäß Teil A II. 4.2.1 für alle
Aufenthaltsräume zu gewährleisten ist, hätte keinen Erfolg haben können. Teil
A II. 4.2.1. ordnet zur Vermeidung von Schlafstörungen und zur Gewährleistung
des Wiedereinschlafens an, dass für Schallschutzvorrichtungen an Schlafräumen
Sorge zu tragen ist. Schlafräume sind alle Räume, die ganz oder teilweise dem
Schlafen dienen, also die im Grundrissplan Marktzentrum Nord als Schlaf-
zimmer, kombinierte Wohn-/Schlafzimmer und Kinderzimmer konzipierten Räu-
me. Ausschließlich zur Wohnnutzung gekennzeichnete Räume bedürfen keiner
Einbeziehung in das Programm zum Schutz vor nächtlichem Fluglärm. Die An-
sicht der Klägerin, es müsse jedem ihrer Mieter selbst überlassen bleiben, wel-
che Räume er zum Schlafen nutzen wolle, und deshalb sei jeder Aufenthalts-
raum so zu schützen, dass er sich als Schlafraum eigne, trifft nicht zu. Den Mie-
tern wird nichts Unzumutbares angesonnen, wenn sie diejenigen Räume zum
Schlafen nutzen, in denen die zur Sicherstellung störungsfreien Nachtschlafs
notwendigen Schallschutzmaßnahmen ergriffen werden. Die Vorbelastung der
Immobilie durch die Existenz des Flughafens Leipzig/Halle mindert den Aus-
gleichsanspruch nach § 9 Abs. 2 LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (vgl.
Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 74 Rn. 93) und be-
gründet die Obliegenheit, durch mögliche und zumutbare Maßnahmen der „ar-
chitektonischen Selbsthilfe“ (vgl. dazu Urteil vom 23. September 1999 – BVerwG
4 C 6.98 – BVerwGE 109, 314 <323>) auf die Lärmemissionen des Flughafens
Rücksicht zu nehmen.
Mit dem Anspruch im Klageantrag zu 2, den Beklagten zu verpflichten, der Bei-
geladenen die Erstattung der Betriebs- und Wartungskosten für die einzubauen-
den Lüfter aufzugeben, ist die Klägerin nach § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVG präklu-
diert, weil sie den Anspruch in ihrem Einwendungsschreiben vom 30. Dezember
2003 nicht angemeldet hat.
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Der auf die Festsetzung einer Entschädigung gerichtete Hilfsantrag zu 3 wäre
ohne Erfolg geblieben, weil die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG
nicht vorliegen. Der in der Vorschrift verbriefte Entschädigungsanspruch ist da-
von abhängig, dass der Betroffene einen Anspruch auf Schutzvorkehrungen
nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat, diese aber untunlich oder mit dem Vorha-
ben unvereinbar sind. Hier fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung; denn
die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schutzeinrichtungen an anderen als an
Schlafräumen.
Mit dem Übernahmeanspruch im Klageantrag zu 4 und dem Anspruch auf Ent-
schädigung wegen Minderung des Grundstückswerts im Klageantrag zu 7 wäre
die Klägerin aus den Gründen des den Beteiligten bekannten Musterurteils vom
9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 – (juris Rn. 139, 140, 143, 144) ge-
scheitert.
Dem hilfsweise zum Klageantrag zu 4 gestellten Klageantrag zu 5 auf Anord-
nung von Schallschutzvorrichtungen einschließlich klimatechnischer Geräte für
das Pflegezentrum Großkugel „Haus Abendfrieden“ wäre entgegengehalten wor-
den, dass die im Planfeststellungsbeschluss verfügten Maßnahmen zum Schutz
besonderer Einrichtungen und zum Schutz besonders schutzbedürftiger Perso-
nen ausreichend sind. Der Planfeststellungsbeschluss sieht in Teil A II. 4.5.1.
vor, dass die Beigeladene auf Antrag des Trägers von Krankenhäusern, Alten-
heimen, stationären Pflege- und Habilitationseinrichtungen für Schallschutzein-
richtungen an schutzbedürftigen Räumen Sorge zu tragen hat. Liegt die Einrich-
tung - wie vorliegend - im Nachtschutzgebiet und bestimmt sich der Schallschutz
nach der DLR-Aufwachreaktion, ist die erforderliche Pegeldifferenz um 3 dB(A)
zu erhöhen. Der Senat hat das DLR-Schutzkonzept gebilligt (Urteil vom 9. No-
vember 2006 a.a.O. Rn. 84 ff.), und die Verbesserung des Schallschutzes für
Pflegeheime trägt der besonderen Belastungssituation der Heimbewohner hin-
reichend Rechnung. Mit der Forderung nach dem Einbau von Klimaanlagen ist
die Klägerin wiederum nach § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVG präkludiert; außerdem ist
die Forderung in der Sache unbegründet (vgl. Urteil vom 9. November 2006
a.a.O. Rn. 124). Präkludiert ist die Klägerin schließlich mit ihrem geltend ge-
machten Anspruch im Klageantrag zu 6, den Beklagten zu verpflichten, der Bei-
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geladenen aufzugeben, ihr, der Klägerin, die Kosten für einen häufigeren Fas-
sadenanstrich zu ersetzen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.
Gatz
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