Urteil des BVerwG vom 23.02.2004

Entschädigung, Ermessen, Vorwirkung, Plangenehmigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 A 11.03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Februar 2004
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a
als Berichterstatter gemäß § 87 a VwGO
beschlossen:
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Das Klageverfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Klageverfahren
auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben,
ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO
einzustellen. Über die Kosten ist nach § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung
des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten in Anlehnung an § 155 Abs. 1
Satz 2 VwGO gegeneinander aufzuheben.
Die Klägerin hat Einwände gegen folgende im Planfeststellungsbeschluss vom
26. Mai 2003 (S. 103) enthaltene Aussage erhoben: "Umfang und Höhe einer Ent-
schädigung sind privatrechtlich zu vereinbaren. Soweit über die Entschädigung keine
Einigung erzielt werden kann, wird diese in einem gesonderten Entschädigungsver-
fahren von der Enteignungsbehörde festgelegt (§ 19 a FStrG). Zusätzlich wird auf
Abschnitt C, Ziffer 9 verwiesen." Der Beklagte hat auf Anregung des Gerichts unter
dem 2. Februar 2004 folgende "klarstellende Änderung des Planfeststellungsbe-
schlusses" beschlossen: "Für die Inanspruchnahme besteht Anspruch auf Entschä-
digung dem Grunde nach. Über die Höhe und den Umfang der Entschädigung wird
nicht im Planfeststellungsverfahren entschieden. Auf Ziffer XII.1 sowie Abschnitt C,
Ziffer 9, wird verwiesen."
Die ursprüngliche Formulierung gab die Rechtslage insofern zutreffend wieder, als
der Beklagte die Klägerin darauf verwies, etwaige Entschädigungsforderungen im
Enteignungsverfahren geltend zu machen. Muss für den Bau einer Bundesfernstraße
fremder Grund und Boden in Anspruch genommen werden, so hat die Planungsbe-
hörde im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG gebotenen Abwägung nicht
zuletzt zu prüfen, ob die für das Vorhaben entsprechenden öffentlichen Belange so
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gewichtig sind, dass sie das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung der Eigen-
tumssubstanz überwiegen. Denn nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG kommt eine Enteig-
nung nur für Vorhaben in Betracht, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Bejaht
die Planungsbehörde die Enteignungsvoraussetzungen, so entfaltet der Planfeststel-
lungsbeschluss insoweit Vorwirkungen für das nachfolgende Enteignungsverfahren.
Erklärt sie zur Ausführung des Planvorhabens die Enteignung für zulässig, so bedarf
es keiner hierauf gerichteten weiteren Feststellung mehr. § 19 Abs. 1 Satz 1 FStrG
räumt dem Träger der Straßenbaulast zur Erfüllung seiner Aufgaben das Enteig-
nungsrecht ein. Der festgestellte Plan ist ausweislich des § 19 Abs. 2 FStrG dem Ent-
eignungsverfahren zugrunde zu legen und für die Enteignungsbehörde bindend.
Auch wenn er damit den Zugriff auf privates Eigentum eröffnet, bewirkt er für den
Betroffenen noch keinen Rechtsverlust. Vielmehr bedarf es noch einer weiteren Ein-
griffsregelung. Der Eigentümer erleidet den Rechtsverlust erst, wenn in dem an-
schließenden Enteignungsverfahren eine Enteignungsentscheidung getroffen wird, in
der notwendigerweise auch die Höhe der Entschädigung festzusetzen ist. Die recht-
liche Regelung des Planfeststellungsbeschlusses erschöpft sich darin, den Rechts-
entzug zuzulassen. Im Übrigen kann sich die Planfeststellungsbehörde darauf be-
schränken, den Betroffenen auf das Enteignungsverfahren zu verweisen (vgl.
BVerwG, Urteile vom 5. Dezember 1980 - BVerwG 4 C 28.77 - und vom 14. Mai
1992 - BVerwG 4 C 9.89 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nrn. 36 und 88).
Der in den Planfeststellungsbeschluss vom 26. Mai 2003 aufgenommene Hinweis
war gleichwohl geeignet, für Missverständnisse zu sorgen. Er wich von der Formulie-
rung ab, die der Beklagte im Rahmen der Behandlung der Einwendungen Privater
anderen mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffenen Grundeigentümern ge-
genüber gebrauchte. Der unterschiedliche Wortlaut ließ sich als Indiz dafür werten,
dass auf unterschiedliche Rechtsfolgen aufmerksam gemacht werden sollte. Dieser
Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass der für die Klägerin bestimmte Hinweis
einen Klammerzusatz enthielt, durch den Missdeutungen noch zusätzlich Vorschub
geleistet wurde. Anstatt § 19 FStrG zu zitieren, nahm die Planfeststellungsbehörde
Bezug auf § 19 a FStrG. In dieser Bestimmung widmet sich der Gesetzgeber indes
nicht der Enteignungsentschädigung. Den Regelungsgegenstand bilden vielmehr
Entschädigungsleistungen auf der Grundlage des § 8 a oder des § 9 FStrG. Soweit
daneben auch Entschädigungszahlungen erwähnt werden, zu denen der Träger der
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Straßenbaulast "aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses (§ 17 Abs. 1) oder
einer Plangenehmigung (§ 17 Abs. 1 a) verpflichtet ist", ist insbesondere der finan-
zielle Ausgleich nachteiliger Beeinträchtigungen i.S. des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG
angesprochen, über den bereits im Planfeststellungsverfahren eine Entscheidung zu
treffen ist.
Die Klägerin konnte mit ihrer Klage nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbe-
schlusses vom 26. Mai 2003 erreichen. Denn sie stellt letztlich selbst nicht ernstlich
in Abrede, dass die angefochtene Planungsentscheidung den Anforderungen des
materiellen Rechts entspricht. Aussicht auf Erfolg versprach ihre Klage lediglich in-
soweit, als sie das Ziel verfolgte, die Unsicherheiten zu beseitigen, die dadurch ins
Verfahren hineingetragen worden sind, dass die Begründung des Planfeststellungs-
beschlusses verbale Unebenheiten aufweist. Es bestand Veranlassung, die durch die
missverständlichen Formulierungen hervorgerufenen Zweifel auszuräumen. Diesem
Erfordernis hat die Planfeststellungsbehörde mit der Ergänzung vom 2. Februar 2004
in der Weise Rechnung getragen, dass sie den Wortlaut des für die Klägerin
bestimmten Hinweises an den sonst von ihr im Planfeststellungsbeschluss vom
26. Mai 2003 verwendeten Text angepasst hat.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Halama