Urteil des BVerwG vom 15.01.2004

Handel Und Gewerbe, Schutz des Lebens, Erhaltung, Europäische Kommission

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 A 11.02
Verkündet
am 15. Januar 2004
Salli-Jarosch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l , H a l a m a ,
G a t z und Dr. J a n n a s c h
am 15. Januar 2004 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist ein anerkannter Naturschutzverband. Er wendet sich mit seiner Klage
gegen den Beschluss der Regierung von Oberfranken vom 20. März 2002, der den
Plan für den Bau der Bundesautobahn A 73 "Suhl-Lichtenfels" im Abschnitt
"Ebersdorf b. Coburg (Bundesstraße 303) bis Lichtenfels (Bundesstraße 173)" fest-
stellt. Die Trasse verläuft vom Beginn der Baustrecke bei Bau-km 57+200 in Rich-
tung Süden, quert in der Nähe von Kloster Banz und der Basilika Vierzehnheiligen
das Maintal und geht westlich von Lichtenfels bei Bau-km 70+660 in die Bundesstra-
ße 173 über. Die A 73 ist Teil der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit und im Be-
darfsplan 1993 für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf dargestellt.
Der Kläger ist seit 1990 zu einem Fünftel Miteigentümer eines 3 340 m² großen
Grundstücks, das als naturnahe Wiese genutzt wird und von dem etwa die Hälfte
dauerhaft für die planfestgestellte Trasse in Anspruch genommen werden soll. Mit
seiner am 14. Mai 2002 erhobenen Klage rügt er Verfahrensfehler, erhebt Einwände
gegen die gesetzliche Bedarfsplanung im Fernstraßenausbaugesetz sowie die recht-
liche Bindungswirkung, die dieser Planung zukommt, und macht ferner geltend:
Die planfestgestellte Trasse durchquere einen Bereich, der europarechtlich als fakti-
sches Vogelschutzgebiet und als potenzielles FFH-Gebiet einzustufen sei. Sie wider-
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spreche dem Schutzregime der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie. Das Landesamt
für Umweltschutz des Beklagten habe das obere Maintal zwischen Lichtenfels und
Banz als eine von neun "Vorrangflächen des Artenschutzes, Brutvögel der stehenden
Gewässer" definiert. Von besonderer Bedeutung sei das gesamte Gebiet am Ober-
main für das Blaukehlchen, aber auch für die Rohrweihe und den Wachtelkönig. Die
Trasse führe zudem über Flächen des FFH-Lebensraumtyps 6510 (Magere Flach-
land-Mähwiesen), auf denen der Dunkle und Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling
heimisch sei. Wegen der Größe des Habitats und der nachweisbaren Vorkommen
der beiden Tagfalterarten sei es geboten, das Maintal bei Banz der Europäischen
Kommission als FFH-Gebiet zu melden. Meldewürdig sei das Gebiet auch wegen
seiner Besiedlung durch die Schmale Windelschnecke sowie zur Erhaltung von
Exemplaren der Lebensraumtypen 3150 (Natürliche eutrophe Seen mit einer Vege-
tation des Magnopotamions oder Hydrocharitions), 6430 (Feuchte Hochstaudenfluren
der planaren und montanen bis alpinen Stufe), 9110 (Hainsimsen-Buchenwald),
9130 (Waldmeister-Buchenwald), 9160 (Mitteleuropäischer Stieleichenwald oder Ei-
chen-Hainbuchenwald), 9170 (Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald) und *91E0 (Auen-
wälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior). Aus allgemein naturschutzrechtli-
cher Sicht sei zu bemängeln, dass die Tragweite des Eingriffs nicht erkannt worden
sei. Kritik verdiene ferner das Ausgleichs- und Ersatzflächenkonzept des Planfest-
stellungsbeschlusses. Die Ausgleichsmaßnahmen, die für die Versiegelung der Flä-
chen von forstlich geprägten Wäldern, Äckern, intensiv genutztem Grünland und Of-
fenlandbiotopen vorgesehen seien, und die flache Talquerung als Kompensation für
die Beeinträchtigung der Zugrouten von Blaukehlchen, Wachtelkönig und Rohrweihe
seien unzureichend.
Mit dem Gebot der gerechten Abwägung der widerstreitenden Belange sei nicht ver-
einbar, dass die Zerstörung einer europaweit einzigartigen Kulturlandschaft zugelas-
sen werde, die der Anerkennung als Weltkulturerbe würdig sei. Die planfestgestellte
Trasse verlaufe durch den so genannten "Gottesgarten", der durch die Klosteranlage
Banz, die Basilika Vierzehnheiligen und den Staffelberg eingerahmt werde und noch
heute landschaftliche Qualitäten habe, die andernorts bereits verloren gegangen sei-
en. Der Bau der A 73 führe zu einer irreversiblen Störung der Sichtachsen zwischen
den markantesten Bestandteilen des Gottesgartens und einer nachhaltigen Beein-
trächtigung des Panoramablicks. Diese nachteiligen Folgen ließen sich durch die be-
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absichtigte landschaftsgerechte Neugestaltung des Landschaftsbildes nicht ausglei-
chen.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberfranken vom 20. März
2002 aufzuheben,
hilfsweise,
den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklä-
ren.
Der Beklagte tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und beantragt die Abweisung
der Klage.
II.
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist rechtmä-
ßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
1. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den vom Kläger geltend gemachten
Verfahrensfehlern.
a) Der Kläger beanstandet, dass die Planfeststellungsbehörde den Markt Zapfendorf
nicht am Verfahren beteiligt hat, obwohl dies wegen einer Verdoppelung des Ver-
kehrsaufkommens auf der Bundesstraße 173 als absehbare Folge der A 73 und des
damit verbundenen Lärmzuwachses zu Lasten angrenzender Wohngebiete geboten
gewesen sei. Richtig ist, dass der Markt Zapfendorf nicht zum Kreis der nach § 17
Abs. 3a FStrG von der Planfeststellungsbehörde beteiligten Behörden zählt. Ob er
hätte beteiligt werden müssen und ob der Kläger den behaupteten Verstoß gegen
§ 17 Abs. 3a FStrG rügen durfte, kann offen bleiben; denn der Markt Zapfendorf hat
sich mit einer "Jedermann-Einwendung" nach § 73 Abs. 4 VwVfG zu Wort gemeldet
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und auf die zu befürchtende zusätzliche Verlärmung seines Gemeindegebiets hinge-
wiesen. Eine etwaige Verletzung des § 17 Abs. 3a FStrG hat mithin nicht dazu ge-
führt, dass ihm das rechtliche Gehör versagt war, und sich folglich nicht ausgewirkt.
b) Der Kläger moniert des Weiteren den Verzicht der Planfeststellungsbehörde auf die
Durchführung eines zweiten Erörterungstermins, der wegen wesentlicher Planände-
rungen zu Lasten der Planungshoheit der Stadt Staffelstein erforderlich gewesen sei.
Das Tekturverfahren habe gegenüber der Ursprungsplanung zur Ausweisung einer
Ausgleichsfläche im Ortsteil Unnersdorf geführt. Außerdem seien neue Lärmberech-
nungen für das Gemeindegebiet vorgelegt worden, und es habe sich zusätzlich he-
rausgestellt, dass die B 173 durch eine weitere Standspur im Anschluss an den südli-
chen Planfeststellungsabschnitt ertüchtigt werde.
Die Rüge des Klägers geht fehl. Wird ein ausgelegter Plan geändert, so bedeutet dies
nicht in jedem Fall, dass das vorausgegangene Anhörungsverfahren wiederholt wer-
den muss. Wie sich aus § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG ergibt, genügt es, wenn Dritte, de-
ren Belange erstmalig oder stärker als bisher berührt werden, Gelegenheit erhalten,
sich innerhalb von zwei Wochen zur Änderung zu äußern. Eines neuen Anhörungs-
verfahrens bedarf es nur dann, wenn die Planänderungen insgesamt so weitreichend
sind, dass sie im Ergebnis zu einem neuen Vorhaben führen. Davon kann keine Rede
sein, wenn - wie vorliegend - das Gesamtkonzept nicht berührt wird bzw. trotz der Än-
derungen die Identität des Vorhabens gewahrt bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Ok-
tober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <145>).
2. Auch materiellrechtlich bietet der Planfeststellungsbeschluss keinen Anlass zu Be-
anstandungen.
a) Die A 73 entspricht den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG, weil sie in den Be-
darfsplan für die Bundesfernstraßen, der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Fernstraßenaus-
baugesetzes – FStrAbG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. November 1993
(BGBl I S. 1878) dem Gesetz als Anlage beigefügt ist, aufgenommen (und darin als
vordringlicher Bedarf ausgewiesen) ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG). Nach § 1 Abs. 2
Satz 2 FStrAbG ist die Feststellung des Bedarfs für die Planfeststellung nach § 17
FStrG verbindlich. Das bedeutet, dass nach der gesetzgeberischen Wertung unter
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Bedarfsgesichtspunkten eine Planrechtfertigung vorhanden ist.
aa) Der Kläger sieht die Bedarfsfrage durch § 1 Abs. 2 FStrAbG nicht gelöst, weil der
Verlauf der A 73 nach dem Bedarfsplan und nach dem Planfeststellungsbeschluss
nahezu vollständig verschieden sei. Seine Ansicht trifft nicht zu. Der Umstand, dass
die A 73 nach der zeichnerischen Darstellung im Bedarfsplan westlich an Coburg vor-
beiführt, während der Planfeststellungsbeschluss eine Umgehung im Osten vorsieht,
bedingt keinen Verlust der dem Bedarfsplan vom Gesetz beigelegten Bindungswir-
kung.
Der Kläger misst dem Bedarfsplan eine Bedeutung bei, die ihm nicht zukommt. Der
Bedarfsplan bindet mit der Feststellung der Zielkonformität und des Bedarfs zwar
auch, soweit er durch zeichnerische Einzelheiten eine bestimmte Bedarfsstruktur nä-
her festlegt. Der aufgrund von Prognosen über Verkehrsströme festgestellte Bedarfs-
plan gibt nicht nur an, dass ein bestimmter Verkehrsbedarf überhaupt besteht. Er kon-
kretisiert zugleich die Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG, indem er ein bestimmtes,
wenn auch grobmaschiges zusammenhängendes Verkehrsnetz für einen weiträumi-
gen Verkehr darstellt, das dem prognostizierten Bedarf gerecht wird. Demgemäß darf
im Planfeststellungsverfahren die im Bedarfsplan festgestellte Netzverknüpfung nicht
ignoriert werden (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 29.94 -
BVerwGE 102, 331 <343 f.>). Eine weitergehende Bindung besteht hingegen nicht.
Der Bedarfsplan ist als globales und grobmaschiges Konzept von vornherein nicht
detailgenau und lässt - entsprechend dieser Unbestimmtheit - für die Ausgestaltung im
Einzelnen den nachfolgenden Verfahren der Linienbestimmung und Planfeststellung
noch weite planerische Spielräume (BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C
19.94 - BVerwGE 100, 370 <385>).
Es ist nicht feststellbar, dass die Planfeststellungsbehörde von dem in der zeichneri-
schen Darstellung des Bedarfsplans zum Ausdruck gekommenen Modell der Netzver-
knüpfung abgewichen ist. Da die planfestgestellte Trasse im Anfangs- und Endpunkt
mit der in den Bedarfsplan eingezeichneten übereinstimmt, wird ihre Funktion, die als
"Frankenschnellweg" bekannte B 173 nach Norden bis zur Landesgrenze Thüringen
und weiter bis zur A 71 zu verlängern, nicht in Frage gestellt. Wie im Bedarfsplan vor-
gesehen, wird sie - wenn auch an anderen Knotenpunkten - mit der in West-Ost-
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Richtung verlaufenden B 303 und der nahezu parallel geführten B 289 verknüpft. Der
Umstand, dass Coburg im Süden nunmehr nicht über die B 4, sondern über die B 303
an die A 73 angebunden werden wird, ist entgegen der Ansicht des Klägers bedeu-
tungslos. Entscheidend ist, dass der gesetzgeberische Wille, Coburg durch eine zügi-
ge Verbindung an das Autobahnnetz anzuschließen, umgesetzt wird.
bb) Der Kläger hält der Bedarfsfestschreibung entgegen, der zu erwartende Verkehr
könne durch eine "intelligente" Lösung dergestalt bewältigt werden, dass unter Ver-
zicht auf den Bau des hier streitigen Südabschnitts der nördliche Ast der A 73 mit
Coburg verknüpft und für den Verkehr südlich von Coburg die B 4 ausgebaut werde.
Jedenfalls halte die gesetzgeberische Entscheidung einer Evidenzkontrolle nicht
stand, weil die A 73 eine Regionalautobahn sei und es sich bei ihr materiell deshalb
nicht um ein Verkehrsprojekt Deutsche Einheit handele, die Abgeordneten keine Pla-
nungsalternativen in Betracht gezogen und Untersuchungen über die Umweltver-
träglichkeit nicht gekannt hätten.
Die vom Kläger propagierte Aufwertung der B 4 zwischen Coburg und Bamberg durch
den Bau von Ortsumgehungen und die Verbreiterung des Straßenraums ist keine Al-
ternative, mit der sich die Ziele des Bedarfsplans verwirklichen ließen. Darauf wird in
anderem Zusammenhang noch zurückzukommen sein. Ein rechtlich relevantes Defizit
lässt sich auch nicht mit dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung hervorgeho-
benen Einwand dartun, der Anteil des weiträumigen Durchgangsverkehrs liege nach
den Prognosen der Planfeststellungsbehörde nur bei einer Größenordnung von weni-
ger als 10 %. Die Verbesserung der Verkehrsverbindungen für den Fernverkehr ist
zwar eines der wesentlichen Ziele, die sich mit der Schaffung zusätzlicher Verkehrs-
wege erreichen lassen. Bundesautobahnen dürfen jedoch nicht nur gebaut werden,
wenn sie als reine Überlandautobahnen vorwiegend dem Transitverkehr dienen (vgl.
BVerwG, Urteil vom 23. November 2001 - BVerwG 4 A 46.99 - Buchholz 406.25 § 43
BImSchG Nr. 19). Der Verkehrswegebau lässt sich auch für andere Zwecke zulässi-
gerweise nutzbar machen. Dazu gehört die Stärkung der allgemeinen Leistungsfähig-
keit des Verkehrsnetzes ebenso wie die regionale Anbindung von Wirtschaftszentren
oder die Förderung der Entwicklung in bisher unzureichend erschlossenen Räumen
(BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - a.a.O. <147>). Im Übri-
gen entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Planrechtfertigung
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nicht mit einem unabweisbaren Bedürfnis gleichzusetzen ist. Vielmehr reicht es aus,
wenn das Vorhaben vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 1 FStrG vernünftigerweise ge-
boten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1985 - BVerwG 4 C 59.82 - BVerwGE
72, 282 <285>). Die vom Kläger angegriffene Bedarfsfeststellung genügt diesen An-
forderungen. Die A 73 wurde im Vorgriff auf den Bedarfsplan 1993 bereits im Februar
1991 in den Katalog der 17 "Verkehrsprojekte Deutsche Einheit" aufgenommen. Das
mit dieser Einstufung verfolgte Ziel ist es, eine leistungsfähige Verkehrsdiagonale zwi-
schen Süddeutschland, Nordbayern und Thüringen herzustellen, den südthüringi-
schen und nordwestoberfränkischen Raum zu erschließen, die thüringischen und
fränkischen Wirtschaftszentren zu verbinden, die Standortbedingungen für Wirtschaft,
Industrie, Handel und Gewerbe zu verbessern sowie das regionale Straßennetz ein-
schließlich der überfüllten Ortsdurchfahrten zu entlasten. Die gesetzliche Bedarfsfest-
stellung wird nicht dadurch ernsthaft in Frage gestellt, dass der Kläger den wirtschaft-
lichen Nutzen der A 73 bestreitet. Zwar prognostiziert er, dass die Autobahn zu einer
Verlagerung von Betrieben aus dem Regierungsbezirk Oberfranken nach Thüringen
und Sachsen beitragen werde. Ob seine Vorhersage zutrifft, ist jedoch keinesfalls ge-
sichert. Die Landes- und Regionalpolitik verspricht sich von der A 73 jedenfalls das
Gegenteil, nämlich einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Die Bedarfsfeststellung gibt zu Bedenken auch nicht deshalb Anlass, weil die Gesetz-
gebungsmaterialien nichts dafür hergeben, dass seinerzeit Alternativen erörtert wur-
den. Der Bedarfsplan lässt für seine Umsetzung planerische Spielräume, die gegebe-
nenfalls im Rahmen der Linienbestimmung, jedenfalls aber im Rahmen der Planfest-
stellung auszufüllen sind (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C
29.94 - a.a.O. <344>). Wie sich aus § 4 FStrAbG ergibt, sind schon bei der Bedarfs-
planung die auf dieser Ebene maßgeblichen Belange, insbesondere die der Raum-
ordnung, des Umweltschutzes und des Straßenbaus, in die Beurteilung einzubezie-
hen. Das befreit die Planungsbehörde im anschließenden Planfeststellungsverfahren
bei der nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG gebotenen Abwägung aller für und gegen das
Vorhaben sprechenden Gesichtspunkte jedoch nicht von der Prüfung, ob einer vom
Bedarfsplan abweichenden Trassierung oder sogar der Nullvariante, die einem Ver-
zicht auf die Projektverwirklichung gleichkommt, der Vorzug zu geben ist. Die Be-
darfsplanung bietet nach ihrer spezifischen Aufgabenstellung nur eine Handhabe da-
für, einen Teil des Problemstoffs abzuschichten. Sie eignet sich nicht zur verbindli-
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chen Vorabklärung, ob eine bestimmte Straßenbaumaßnahme, für die aus gesamt-
wirtschaftlicher und verkehrlicher Sicht ein Bedarf besteht, in jeder Hinsicht den An-
forderungen des Abwägungsgebots genügt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 1997
- BVerwG 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 <249>).
cc) Der Kläger leitet aus der mangelnden Überprüfung des Bedarfsplans innerhalb der
Fünf-Jahres-Frist des § 4 Satz 1 FStrAbG die Unbeachtlichkeit der gesetzlichen Be-
darfsfeststellung für Planfeststellungsbeschlüsse her, die nach 1997 ergangen sind.
Es trifft zu, dass die Fortschreibung bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses, dem
für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt (stRspr, vgl. BVerwG,
Beschluss vom 9. Mai 1989 - BVerwG 7 B 185.88 - NVwZ 1989, 967), noch nicht er-
folgt war. Der Umstand, dass die A 73 zwischen der Landesgrenze Thüringen und
Lichtenfels als hochprioritäre Maßnahme in das Investitionsprogramm des Bundes-
verkehrsministeriums für die Jahre 1999 bis 2002 aufgenommen worden ist, lässt sich
jedoch als Indiz dafür werten, dass die seinerzeitige Bedarfsfeststellung nichts an Ak-
tualität eingebüßt hat. Im Übrigen übersieht der Kläger, dass der Bedarfsplan selbst
dann nicht automatisch gegenstandslos wird, wenn die Prüfung, ob ein Anpassungs-
bedarf besteht, nicht innerhalb des Zeitrahmens des § 4 Satz 1 FStrAbG stattfindet.
Nach § 4 Satz 2 FStrAbG ist die Anpassungsentscheidung dem Gesetzgeber vorbe-
halten. Diese Regelung schließt es, solange der Gesetzgeber an einer von ihm getrof-
fenen Bedarfsfeststellung festhält, im Regelfall aus, sich über einen Bedarfsplan allein
deshalb hinwegzusetzen, weil der ihm zugrunde liegende Gesetzgebungsakt deutlich
mehr als fünf Jahre zurückliegt. Zweifel daran, ob die gesetzliche Regelung weiterhin
Geltung beansprucht, sind allenfalls dann angebracht, wenn sich die Verhältnisse in
der Zwischenzeit so grundlegend gewandelt haben, dass sich die ursprüngliche Be-
darfsentscheidung nicht mehr rechtfertigen lässt (BVerwG, Urteil vom 14. November
2002 - BVerwG 4 A 15.02 - BVerwGE 117, 149 <152>). Der Kläger geht von einem
solchen Sachverhalt aus, weil der von der Planfeststellungsbehörde als Sachverstän-
diger berufene Gutachter, Prof. Dr.-Ing. K., seine Verkehrsprognose vom 21. April
1995 später nach unten korrigiert hat. Die vorausgesagte Änderung der Verkehrsent-
wicklung stellt indes nicht die Zielsetzung in Frage, die den Gesetzgeber 1993 bewo-
gen hat, die A 73 in den Kreis der als vordringlich eingestuften Projekte aufzunehmen.
Die von ihm seinerzeit angestellten überregionalen Infrastruktur- und Erschließungs-
erwägungen sind nach wie vor gültig.
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dd) Der Kläger macht schließlich geltend, angesichts einer Finanzierungslücke von
etwa 100 Milliarden DM bei der Verwirklichung des Bundesverkehrswegeplans 1992
sei die Finanzierung des hier umstrittenen Straßenbauvorhabens nicht gesichert, son-
dern mehr als fraglich. Einer Planung, die nicht realisierbar ist, fehlt es zwar an der
erforderlichen Rechtfertigung; sie ist rechtswidrig. Dazu gehört auch der Mangel der
Finanzierbarkeit eines Straßenbauvorhabens. Der Senat hat jedoch hierzu bereits
entschieden, dass die Aufnahme eines Straßenbauprojekts mit Dringlichkeitsstufe des
"vordringlichen Bedarfs" in aller Regel die Annahme verbietet, die direkte Finanzier-
barkeit des Vorhabens aus Mitteln des Bundeshaushalts innerhalb eines Zeitraums
von zehn Jahren (vgl. § 17 Abs. 7 Satz 1 FStrG) sei ausgeschlossen (vgl. Urteil vom
20. Mai 1999 - BVerwG 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 S. 32). Es sind
keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sich die Planung innerhalb dieses Zeit-
rahmens aus finanziellen Gründen als undurchführbar erweisen könnte. Im Entwurf
eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes, den die Bun-
desregierung vorgelegt hat (BTDrucks 15/1657 vom 2. Oktober 2003) und der mo-
mentan den maßgeblichen Ausschüssen vorliegt, und im Bundesverkehrswegeplan
2003 (BTDrucks 15/2050 vom 17. November 2003) ist die A 73 weiterhin als vordring-
licher Bedarf gekennzeichnet. Dies zeigt ihren unveränderten Stellenwert und unter-
streicht nicht nur die Dringlichkeit der Planung, sondern auch die Vorrangigkeit der
Finanzierung im Rahmen aller in den Bedarfsplan aufgenommenen Vorhaben
(BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1999 - BVerwG 4 A 12.98 - a.a.O.). In der Begründung
zum Gesetzentwurf der Bundesregierung wird der Vorrang der Verkehrsprojekte
Deutsche Einheit wegen der herausragenden Bedeutung für den Aufbau Ost sowie
das Zusammenwachsen von neuen und alten Bundesländern und die Konsequenz,
dass sie deshalb im Bundesverkehrswegeplan 2003 zu den laufenden und fest dispo-
nierten Vorhaben zählen, nachdrücklich betont (BTDrucks 15/1657, A Nr. 2.1.1, S. 6).
b) Das Planvorhaben ist nicht aus Gründen des europäischen Naturschutzes unzuläs-
sig.
aa) Der Kläger rügt eine Verletzung der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April
1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (Vogelschutz-Richtlinie - VRL -
ABlEG Nr. L 103/1 mit späteren Änderungen). Zu den unmittelbar anwendbaren Vor-
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schriften der Vogelschutz-Richtlinie gehört ihr Art. 4 Abs. 1 Satz 4, der die Identifizie-
rung von Vogelschutzgebieten näher regelt. Hiernach erklären die Mitgliedstaaten ins-
besondere die für die Erhaltung bestimmter Vogelarten "zahlen- und flächenmäßig ge-
eignetsten Gebiete" zu Schutzgebieten. Darunter fällt ein Gebiet nur, wenn es aus
ornithologischer Sicht für die Erhaltung der in Anhang I VRL aufgeführten Vogelarten
oder der in Art. 4 Abs. 2 VRL genannten Zugvogelarten von hervorragender Bedeu-
tung ist (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - BVerwG 4 A 15.01 - Buchholz 407.4
§ 17 FStrG Nr. 168).
Die Frage, ob das Maintal in dem von der Querung durch die A 73 betroffenen Ab-
schnitt den Rechtsstatus eines Vogelschutzgebiets verdient, ist entscheidungserheb-
lich. Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL sind die Beeinträchtigung der Lebensräume und
die erhebliche Belästigung der Vögel in den geschützten Gebieten zu vermeiden. In
den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen auch Straßenbauvorhaben. Nur über-
ragende Gemeinwohlbelange wie etwa der Schutz des Lebens und der Gesundheit
von Menschen oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit sind geeignet, das Beein-
trächtigungs- und Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL zu überwinden (EuGH,
Urteil vom 28. Februar 1991 - Rs. C-57/89 - Slg. I S. 883 Rn. 22). Gebiete, die nicht zu
Schutzgebieten erklärt worden sind, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, unterlie-
gen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 7. De-
zember 2000 - Rs. C-374/98 - NuR 2001, 210), der sich der Senat angeschlossen hat,
weiterhin dem strengen Schutzregime der Vogelschutz-Richtlinie und nicht dem milde-
ren Rechtsregime des Art. 6 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der
natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen vom 21. Mai
1992 (FFH-Richtlinie – FFH-RL - ABlEG Nr. L 206/7 mit späteren Änderungen). Ein
derartiges "faktisches" Vogelschutzgebiet wird indes von dem planfestgestellten Auto-
bahnabschnitt nicht beeinträchtigt.
Die Identifizierung europäischer Vogelschutzgebiete in den Bundesländern unterliegt
nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BVerwG, Urteil vom
14. November 2002 - BVerwG 4 A 15.02 - a.a.O. <155>). In der Frage, welche Gebie-
te für die Erhaltung der in Anhang I oder Art. 4 Abs. 2 VRL aufgeführten Arten "zah-
len- und flächenmäßig" am geeignetsten sind, haben die Mitgliedstaaten einen fachli-
chen Beurteilungsspielraum. Zu den Bewertungskriterien gehören neben Seltenheit,
- 12 -
Empfindlichkeit und Gefährdung einer Vogelart u.a. die Populationsdichte und Arten-
vielfalt eines Gebiets, sein Entwicklungspotenzial und seine Netzverknüpfung (Kohä-
renz) sowie die Erhaltungsperspektiven der bedrohten Art. Ist hieran gemessen die
Nichtmeldung eines Gebiets fachwissenschaftlich vertretbar, ist sie von den Gerichten
hinzunehmen.
Das Landesamt für Umweltschutz des Beklagten hat sich während des Klageverfah-
rens mit der Frage befasst, ob und inwieweit das obere Maintal mit seinen Nebentä-
lern als Vogelschutzgebiet in Betracht kommt. Nach seiner Einschätzung beherbergen
das obere Maintal, der Itzgrund und die Zuflüsse Rodach, Baunach und Steinach ei-
nes der bedeutendsten großräumigen Vorkommen des Blaukehlchens in Bayern. Mit
400 Brutpaaren stelle das Gebiet die zweitgrößte Teilpopulation in Bayern und die
größte in Nordbayern. Individuenreicher sei nur das ostbayerische Donautal ein-
schließlich des Mündungsgebiets der Isar mit 800 Brutpaaren. Auf der Grundlage der
Befunde des Landesamts beabsichtigt der Beklagte dem Vernehmen nach, im Zuge
einer Nachmeldung von FFH-Gebieten und einer ergänzenden Erklärung von Vogel-
schutzgebieten die neuen SPA(= Special Protection Areas)-Gebiete 5831-701 "Itz-,
Rodach- und Baunachaue" und 5931-701 "Oberes Maintal, untere Rodach und
Steinach" vorzuschlagen. Die Gebiete sind nicht in sich geschlossen, sondern in Teil-
gebiete untergliedert. Das obere Maintal wird zwischen Kemmern bei Bamberg und
Staffelstein sowie zwischen Michelau und Altenkunstadt als Vogelschutzgebiet emp-
fohlen. Der Abschnitt zwischen Staffelstein und Lichtenfels, in dem die umstrittene
Trasse den Main quert, bleibt ausgenommen. Zur Begründung des Gebietsvorschlags
heißt es, er zeichne sich dadurch aus, dass das Gebiet die Kernbereiche des Blau-
kehlchenvorkommens an Baggerseen im Maintal enthalte. Das Blaukehlchen komme
vor allem an Kiesteichen unterschiedlicher Sukzessionsstadien, daneben auch in ge-
ringerer Zahl in Renaturierungsbereichen des Mains sowie an ehemaligen Altarmen
vor. Um den Bestand an Abbaustellen und damit die erwartete Dynamik des Blaukehl-
chens umfassend abzudecken, enthalte der Gebietsvorschlag auch Ackerflächen als
künftige Abbaugebiete, die gegenwärtig noch keine Habitate darstellten, sich aber ab-
sehbar im Rahmen des Abbaus dahin entwickeln würden. Die Vorkommen an den
Baggerseen und Mainabschnitten zwischen Breitengüßbach und Staffelstein gingen
fast nahtlos ineinander über. Daher werde dieses Gebiet als eine große Teilfläche des
Gebietsvorschlags gesehen. Sie enthalte ca. 35 % des Gesamtbestandes im Raum
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Coburg/Lichtenfels. Das zweite Kerngebiet mit der Mainaue bei Michelau/Hochstadt
und dem Nassangergebiet beherberge etwa 35 Brutpaare (ca. 9 %). Zwischen
Staffelstein und Lichtenfels kämen in einem dem letzteren Teilgebiet vergleichbar
großen Abschnitt des Maintals nur ca. 10 Brutpaare vor.
Der Kläger hält die Herausnahme des Mainabschnitts zwischen Staffelstein und
Lichtenfels aus dem Gebietsvorschlag für naturschutzfachlich nicht vertretbar. Der Ab-
schnitt unterscheide sich weder nach der geomorphologischen Talraumausbildung
noch nach der Nutzungsstruktur, der naturräumlichen Ausstattung oder des Artenin-
ventars von den beidseitig angrenzenden Abschnitten des oberen Maintals. Er sieht
sich durch den überarbeiteten und aktualisierten IBA-Katalog 2002 (Heath/Evans
, Important Bird Areas in Europe, Priority sites for conservation, 2002; abge-
druckt in: Berichte zum Vogelschutz, Heft Nr. 38, 2002, herausgegeben vom Deut-
schen Rat für Vogelschutz und vom Naturschutzbund Deutschland) bestätigt, der ein
Verzeichnis von Auswahlkriterien zur Bestimmung bedeutender Vogelschutzgebiete
enthält und die nach diesen Kriterien bestimmten Gebiete aufzählt. Während im
IBA-Katalog 2000 nur der "Nassanger near Trieb and surrounding gravel-pits" mit ei-
ner Größe von ca. 200 ha verzeichnet ist, benennt der IBA-Katalog 2002 unter BY030
die Rodachaue, den Itzgrund sowie das obere Maintal einschließlich Nassanger bei
Trieb und umgebende Baggerseen als Raum, der bei Anlegung der C6- und C7-Kri-
terien auf einer Gesamtfläche von 12 734 ha für den Vogelschutz bedeutsam ist. Der
Kläger argwöhnt, die Abweichung des Gebietsvorschlags vom IBA-Katalog 2002 be-
ruhe auf unzulässigen, weil wirtschafts- und verkehrspolitischen Gründen.
Nach Ansicht des Senats ist die Kritik des Klägers nicht stichhaltig. An der Argumenta-
tion des Klägers ist zutreffend, dass sich die Identifizierung europäischer Vogel-
schutzgebiete ausschließlich an ornithologischen Kriterien zu orientieren hat. Eine
Abwägung mit anderen Belangen findet nicht statt. Die in Art. 2 VRL erwähnten Grün-
de wirtschaftlicher oder freizeitbedingter Art sind bei der Auswahl eines Vogelschutz-
gebiets außer Betracht zu lassen; denn Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL ist das Ergebnis ei-
ner bereits vom europäischen Richtliniengeber getroffenen Abwägungsentscheidung,
die keiner weiteren Relativierung zugänglich ist (EuGH, Urteile vom 2. August 1993
- Rs. C-355/90 - NuR 1994, 521, vom 11. Juli 1996 - Rs. C-44/95 - NuR 1997, 36 und
vom 19. Mai 1998 - Rs. C-3/96 - NuR 1998, 538; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002
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- BVerwG 4 A 15.01 - a.a.O.). Der Senat hat sich jedoch nicht davon überzeugen kön-
nen, dass für die Entscheidung des Beklagten, den Mainabschnitt zwischen Staffel-
stein und Lichtenfels aus dem Vorschlag für die Ausweisung eines europäischen Vo-
gelschutzgebiets am oberen Main auszuklammern, naturschutzfremde Erwägungen
mitbestimmend waren. Das Bayerische Landesamt für Umweltschutz hat sich nach
eigener Darstellung ausschließlich an den Gesichtspunkten Bestandsdichte, Eignung
als artgerechtes Habitat und Entwicklungsperspektiven orientiert. Das lässt sich nicht
widerlegen. Die Behörde hat Unterschiede in der Besatzdichte und in den Lebens-
raumbedingungen ausgemacht, welche die vorgenommene Abgrenzung der schutz-
würdigen von den nicht schutzwürdigen Bereichen am Obermain vertretbar erschei-
nen lassen. Während in den Kernzonen acht bis 19 Brutpaare des Blaukehlchens je
100 ha anzutreffen sind, liegt die Zahl im Abschnitt zwischen Staffelstein und Lichten-
fels bei fünf Brutpaaren je 100 ha. Zurückzuführen ist dies auf die Verschiedenheit des
Habitatangebots. Das Blaukehlchen bevorzugt Kiesabbauflächen in jungen Sukzessi-
onsstadien. Solche sind am Main zwischen Staffelstein und Lichtenfels nicht zu fin-
den. An den dortigen Baggerseen ist die Sukzession fortgeschritten. Mit dem damit
einhergehenden Verlust an offenen Bodenstellen verkleinert sich der den Blaukehl-
chen zur Verfügung stehende Lebensraum. Der Beklagte verfolgt deshalb das zu-
kunftsorientierte Konzept, die Lebensräume zu schützen, die dem Blaukehlchen ge-
genwärtig und zukünftig bessere Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Zwar weisen die
Grünlandflächen in der Mainaue zwischen Staffelstein und Lichtenfels nach dem Vor-
trag des Klägers das Ausstattungspotenzial für ein Blaukehlchenvorkommen in nor-
maltypischer Dichte auf. Dieser Umstand würde die Einbeziehung des umstrittenen
Geländes in das Vogelschutzgebiet ohne Zweifel rechtfertigen. Als unumgänglich er-
scheint der vom Kläger geforderte Zuschnitt aber nicht. Der Beklagte erfasst mit sei-
nem Gebietsvorschlag nach eigenen, unbestritten gebliebenen Angaben 91 % der
bekannten Blaukehlchenpopulation im Raum Bamberg/Lichtenfels/Coburg. Damit er-
fährt diese Vogelart insgesamt einen ausreichenden Schutz. Da von den etwa
10 Brutpaaren im Abschnitt Staffelstein-Lichtenfels ihr Fortbestand nicht abhängt, wä-
re die Erstreckung des förmlichen Vogelschutzes auf diesen Landschaftsbereich keine
Maßnahme, die als nennenswerter Beitrag zur Erhaltung der Art geboten erscheinen
könnte.
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Dem Kläger ist einzuräumen, dass das Schutzkonzept des Beklagten nicht rundum
schlüssig ist; denn der Beklagte hat in den Tälern von Baunach und Steinach Land-
striche unter Schutz gestellt, die als Lebensraum für das Blaukehlchen noch weniger
Bedeutung haben als der Mainabschnitt zwischen Staffelstein und Lichtenfels. Dem
Hinweis des Beklagten auf weitere "wertgebende" Vogelarten in den Schutzgebieten
hat der Kläger zu Recht entgegengehalten, solche Arten seien auch in dem umstritte-
nen Landschaftsteil anzutreffen. Dessen Ausklammerung aus dem Schutzregime der
Vogelschutz-Richtlinie wird jedoch nicht dadurch fachlich unvertretbar, dass der Be-
klagte an anderer Stelle großzügigere Maßstäbe angelegt hat.
Die vom Beklagten gewählte Begrenzung der schutzwürdigen Gebiete erweist sich
ferner nicht deshalb als unhaltbar, weil der IBA-Katalog 2002 den gesamten Talraum
des oberen Mains unter Schutz gestellt wissen will. Der Katalog hat keinen Rechts-
normcharakter (EuGH, Urteil vom 19. Mai 1998 - Rs. C-3/96 - a.a.O.). Er dient nach
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Orientierungshilfe, ersetzt
aber nicht bereits für sich genommen die Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal
der "zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete" in Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL. Im
Übrigen sind sich auch die Autoren der IBA-Liste dessen bewusst, dass größer di-
mensionierte Schutzgebiete Teilbereiche von geringerer ornithologischer Bedeutung
enthalten können (Berichte zum Vogelschutz, a.a.O., S. 116). Sie sehen deshalb nicht
alle Landschaftsräume, die mindestens eines der Kriterien C1 bis C6 erfüllen, von
vornherein in vollem Umfang als schutzbedürftig an. Vielmehr halten sie es im Hinblick
auf die konkrete lokale Situation für denkbar, dass nur Flächenanteile nach Art. 4 VRL
schutzwürdig sind (Berichte zum Vogelschutz, a.a.O., S. 22 f., 117). Auch der Senat
hat schon früher angenommen, dass nicht sämtliche Gebietsteile, die von der Be-
zeichnung eines Landschaftsraums im IBA-Katalog umfasst werden, zwingend unter
Schutz zu stellen sind (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - BVerwG 4 A 15.01 -
a.a.O.).
Auch die Existenz von Rohrweihe und Wachtelkönig zwingen nicht zu der Annahme
eines faktischen Vogelschutzgebietes im Planungsraum. Um einem Landschaftsteil
die Qualität eines derartigen Gebietes zuzuerkennen, genügt nicht der Nachweis,
dass dort überhaupt Vogelarten vorkommen, die in Anhang I zur Vogelschutz-Richtli-
nie genannt werden. Nur Lebensräume und Habitate, die für sich betrachtet in signifi-
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kanter Weise zur Arterhaltung in dem betreffenden Mitgliedstaat beitragen, gehören
zum Kreis der im Sinne des Art. 4 VRL geeignetsten Gebiete. Das Vorliegen dieser
Voraussetzung ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
bb) Der Kläger ist der Auffassung, das Planvorhaben stehe mit den Anforderungen
des FFH-Rechts nicht im Einklang. Das trifft nicht zu.
(1) Aus floristischer Sicht fehlt es weitestgehend an den Voraussetzungen, die an ein
potenzielles FFH-Gebiet zu stellen sind. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Pla-
nungsraum wegen seiner Pflanzenwelt, den Lebensraumtyp 6510 (Magere Flach-
land-Mähwiesen) ausgenommen, die sachlichen Kriterien des Art. 4 Abs. 1 FFH-RL
erfüllt und sich seine Aufnahme in ein kohärentes Netz mit anderen Gebieten auf-
drängt (vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1998 - BVerwG
4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <21 f.>).
Wegen des Vorkommens des prioritären Lebensraumtyps *91E0 (Auenwälder mit
Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior) haben die Mainauen nicht als potenzielles
FFH-Gebiet zu gelten. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Obermain von
Exemplaren dieses Typs gesäumt wird. Nicht jeder Landschaftsraum, in dem sich
Lebensraumtypen im Sinne des Anhangs I oder Arten im Sinne des Anhangs II der
FFH-Richtlinie nachweisen lassen, ist indes als potenzielles FFH-Gebiet einzustufen.
Auf der Ebene der mitgliedstaatlichen Gebietsauswahl ist die FFH-Relevanz nach
Art. 4 Abs. 1 FFH-RL anhand der im Anhang III Phase 1 festgelegten Merkmale zu
beurteilen. Die Mitgliedstaaten haben dabei einen ökologisch-fachlichen Beurtei-
lungsspielraum. Der Kriterienkatalog ist so konzipiert, dass er im Einzelfall für unter-
schiedliche fachliche Wertungen offen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2000
- Rs. C-371/98 - Slg. 2000 I - 9249 Rn. 14). Dies gilt auch beim Vorhandensein priori-
tärer Biotope und Arten (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - BVerwG 4 A 59.01 -
UPR 2003, 353 <355>). Lässt sich die Entscheidung für oder gegen die Aufnahme
eines Landschaftsraums in die nationale Gebietsliste aus fachwissenschaftlicher
Sicht vertreten, so nimmt die FFH-Richtlinie dieses Ergebnis hin (vgl. BVerwG, Urteil
vom 31. Januar 2002 - BVerwG 4 A 15.01 - a.a.O.).
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Der Beklagte hat zu keiner Zeit erwogen, den von der Planung betroffenen Abschnitt
des Maintals zum Schutz des Lebensraumtyps *91E0 in die FFH-Gebietskulisse auf-
zunehmen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Dabei kann offen bleiben, ob gewässer-
begleitende Saumstrukturen überhaupt als Auenwald bezeichnet werden können. Der
Beklagte kennzeichnet das als fachlich umstritten. Jedenfalls scheint der vorhandene
Baumbestand nicht repräsentativ zu sein. In der Klageschrift an den Europäischen
Gerichtshof vom 24. Februar 1999 in der Rechtssache Kommission/Bundesrepublik
Deutschland - Rs. C-71/99 - ist das Fränkische Keuper-Liasland, dem das Plangebiet
angehört, nicht als Naturraum aufgeführt, in dem die Europäische Kommission für den
Lebensraumtyp *91E0 Nachmeldebedarf sieht. Die Bestandsaufnahme, die anlässlich
eines unter Leitung der EU-Kommission im November 2002 in Potsdam veranstalteten
Seminars erarbeitet worden ist, bestätigt dieses Bild. In ihr wird nur den Ländern
Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein vorgehalten,
nicht genug Gebiete zum Schutz des Lebensraumtyps *91E0 benannt zu haben. Nicht
einmal in der "Schattenliste" des Klägers taucht dieser Typ auf.
Die Ausstattung der Mainauen bei Banz mit den nichtprioritären Lebensraumty-
pen 3150 (Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamions oder
Hydrocharitions), 6430 (Feuchte Hochstaudenfluren der planaren und montanen bis
alpinen Stufe), 9110 (Hainsimsen-Buchenwald), 9130 (Waldmeister-Buchenwald),
9160 (Mitteleuropäischer Stieleichenwald und Eichen-Hainbuchenwald) und 9170
(Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald) nötigt ebenfalls nicht zur Annahme eines poten-
ziellen FFH-Gebiets. Eine Meldung des Fränkischen Keuper-Liaslandes bzw. des
Landes Bayern für den Lebensraumtyp 6430, der nach den Erhebungen des Klägers
entlang des gesamten Mains nur kleinflächig vertreten und an mehreren Stellen dege-
neriert und durch nitrophile Saumgesellschaften (vor allem Brennnesseln) substituiert
ist, sowie für die Lebensraumtypen 9110, 9130 und 9170 verlangt die EU-Kommission
weder in ihrer Klageschrift vom 24. Februar 1999 noch in dem von ihr initiierten Be-
standsverzeichnis von November 2002. Das in der Klageschrift markierte Meldedefizit
für den Lebensraumtyp 9160 im Naturraum Fränkisches Keuper-Liasland hat das
Land Bayern ausweislich der Bestandsaufnahme von November 2002 inzwischen
ausgeglichen. Die Lebensraumtypen 9130 und 9170 fehlen zudem in der "Schattenlis-
te" des Klägers. Nicht lokalisierter Nachmeldebedarf besteht nach Auffassung der
EU-Kommission zwar für den Lebensraumtyp 3150. Es spricht jedoch Überwiegendes
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dagegen, dass dafür das Plangebiet in Betracht kommt. Das vom Kläger eingeholte
Gutachten des Büros für ökologische Studien von Juni 2002 verortet den Lebens-
raumtyp 3150 an zwei kleinen Altwassern nördlich von Reundorf und gegebenenfalls
auch an einer ehemaligen Abbaufläche nordwestlich von Seubelsdorf. Es dürfte sich
mithin allenfalls um ein kleinflächiges, nicht repräsentatives Vorkommen handeln.
(2) Aus faunistischer Sicht drängt sich das Plangebiet nicht als potenzielles
FFH-Gebiet auf, soweit es um die Schmale Windelschnecke geht. Das vom Kläger
beauftragte Büro für ökologische Studien hat in dem Landschaftskorridor zwischen
Bamberg und Lichtenfels die individuenstärksten Vorkommen in den Nasswiesen und
Seggenfluren bei Glend (Sulzbachtal) und in der Großseggen- und Hochstaudenflur
im Klingengraben bei Oberhaid ausgemacht. Statt des Planungsraums hätten sich
diese Gebiete zur Aufnahme in die Meldeliste vorrangig angeboten. Der Umstand,
dass die Population im Raum Glend im Herbst 2003 zerstört worden sein soll, ist ohne
Belang. Er kann dem Planfeststellungsbeschluss nicht nachträglich entgegengehalten
werden. Die in der mündlichen Verhandlung angeschnittene Frage nach der Präklusi-
on des klägerischen Vorbringens lässt der Senat unbeantwortet.
(3) Der Senat teilt die Ansicht des Klägers, dass Teile des Planungsraums, insbeson-
dere die Mainaue und der Stöppachsgraben, bei Anwendung der in Anhang III Pha-
se 1 FFH-RL aufgeführten Kriterien wegen des Lebensraumtyps 6510 (Magere Flach-
land-Mähwiesen) und der in ihm heimischen Tagfalterarten Heller Wiesenknopf-
Ameisenbläuling (maculinea teleius) und Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (ma-
culinea nausithous) die Merkmale eines potenziellen FFH-Gebiets aufweisen. Dem
hat sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung angeschlossen und insoweit
seine abweichende Meinung aus dem Planfeststellungsbeschluss revidiert. Dagegen
sah sich der Senat nicht in der Lage zu ermitteln, ob sich der von der planfestgestell-
ten Trasse durchschnittene Landschaftsraum unter den nach Anhang III Phase 2
FFH-RL maßgeblichen Kohärenzgesichtspunkten als FFH-Gebiet aufdrängt. Ferner
hat er nicht eindeutig klären können, ob das Vorhaben zu einer im Sinne des Art. 6
Abs. 3 FFH-RL erheblichen Beeinträchtigung des möglicherweise schutzbedürftigen
Planungsraums und damit zu einer Unverträglichkeit des Projekts mit den Erhaltungs-
zielen führt. Beides kann der Senat zu Gunsten des Klägers unterstellen; denn das
gemeinschaftsrechtliche Beeinträchtigungsverbot lässt sich vorliegend mit Hilfe der
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Ausnahmevorschrift des Art. 6 Abs. 4 Satz 1 UAbs. 1 FFH-RL überwinden. Aus ihr er-
gibt sich, dass ein nichtumweltverträglicher Plan oder ein nichtumweltverträgliches
Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses ein-
schließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art durchgeführt werden darf, wenn
keine Alternativlösung vorhanden ist und alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz
der globalen Kohärenz von Natura 2000 ergriffen werden. Diese Voraussetzungen
sind hier gegeben.
Eine Alternative zur A 73, welche zu geringeren Eingriffen in den Naturhaushalt führt,
ist nicht erkennbar. Eine Alternative im Sinne des Art. 6 Abs. 4 Satz 1 UAbs. 1
FFH-RL ist vorhanden, wenn sich die mit dem Straßenbauvorhaben verfolgten Ziele,
die ihrerseits von einem Bewerten und Gewichten anderer Zielsetzungen abhängig
sind, naturverträglicher erreichen lassen. Läuft eine Variante auf ein anderes Projekt
hinaus, kann von einer Alternative nicht mehr gesprochen werden (vgl. BVerwG, Urteil
vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - a.a.O. <13 f.>; Urteil vom 17. Mai 2002
- BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <259 ff.>). So verhält es sich hier. Offen
bleiben kann, ob die vom Kläger zur Debatte gestellte "intelligente Lösung", die eine
Verknüpfung des nördlichen Astes der A 73 mit Coburg und einen Ausbau der B 4 von
Coburg bis Bamberg vorsieht, schon deshalb keine Alternative darstellt, weil die aus-
gebaute B 4 nach den Vorstellungen des Klägers nicht durchgängig vierspurig sein
soll. Gewisse Abstriche am Grad der Zielvollkommenheit sind nämlich als typische
Folge des Gebots, Alternativen zu nutzen, hinnehmbar (BVerwG, Urteil vom 17. Mai
2002 - BVerwG 4 A 28.01 - a.a.O. <262>). Das vom Kläger favorisierte Konzept hat
jedenfalls deshalb ein anderes Verkehrsprojekt zum Gegenstand, weil es nicht auf die
planungsseitig angestrebte Anbindung des Großraums Lichtenfels an das Netz der
weiträumigen Verkehrswege Bayerns ausgerichtet ist. Ziel der A 73 ist u.a. die Weiter-
führung des "Frankenschnellwegs" (B 173) in den thüringischen Raum und letztlich
der Anschluss an die BAB A 4 bei Erfurt mit dem Ziel, die Einbindung der Region in
das Fernstraßennetz in Nord-Süd-Richtung entscheidend zu verbessern. Mit einer
Ertüchtigung der westlich der A 73 verlaufenden B 4 wäre dieses Planungsziel nicht
oder nur mit deutlichen Abstrichen erreichbar. Zudem könnte ein Ausbau der B 4 das
planerische Anliegen, die B 289 zu entlasten, nicht (nennenswert) fördern.
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Für das Planvorhaben streiten zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen
Interesses. Ob solche Gründe gegeben sind, ist nicht in dem Sinne zu verstehen,
dass dies das Vorliegen von Sachzwängen erfordert, denen niemand ausweichen
kann. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 und 2 FFH-RL meint mit der gewählten Ausdrucksweise
ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln
(BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302
<314>). Hieran gemessen ist das umstrittene Straßenbauvorhaben von Rechts wegen
nicht zu beanstanden. Der Senat billigt das Bündel der von der Planfeststellungsbe-
hörde ins Feld geführten verkehrspolitischen Zielsetzungen jedenfalls deshalb als ver-
tretbar, weil das Vorhaben auch und zuvörderst dem Zusammenwachsen der alten
und neuen Bundesländer und der Herstellung gleicher Lebensverhältnisse zu dienen
bestimmt ist.
Für die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der globalen Kohärenz von Natura
2000 ist gesorgt. Der Planfeststellungsbeschluss sieht im landespflegerischen Be-
gleitplan für den Verlust von Habitatflächen für den Hellen und Dunklen Wiesenknopf-
Ameisenbläuling im Planungsraum Kompensationsflächen in der sich unmittelbar öst-
lich an die umstrittene Trasse anschließenden Mainschleife zwischen Kösten und
Seubelsdorf vor. Dort sollen auf einer Fläche von 12,1 ha extensiv zu pflegende
Feuchtwiesen entweder neu entstehen oder, soweit vorhanden, durch Pflegemaß-
nahmen so aufgewertet werden, dass sie sich als Lebensraum für die bedrohten Tag-
falterarten eignen.
c) Das Planvorhaben ist auch aus Gründen des nationalen deutschen Naturschutz-
rechts nicht zu beanstanden. Es genügt insoweit den Anforderungen des fachplaneri-
schen Abwägungsgebots und mit seinem Ausgleichs- und Ersatzflächenkonzept auch
der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung.
aa) Unabhängig davon, ob dem von einem Straßenbauvorhaben betroffenen Gebiet
der Status eines europäischen Schutzgebietes nach der Vogelschutz-Richtlinie oder
der FFH-Richtlinie zukommt, gehören die Belange des Naturschutzes und der Land-
schaftspflege zum Abwägungsmaterial und sind mit dem Gewicht in die nach § 17
Abs. 1 Satz 2 FStrG gebotene Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentli-
chen und privaten Belange einzustellen, das ihnen aus ökologischer Sicht objektiv
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zukommt (BVerwG, Urteil vom 14. November 2002 - BVerwG 4 A 15.02 - a.a.O.
<160 f.>). Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich der Planfeststellungsbe-
schluss nicht als fehlerhaft.
Die Planfeststellungsbehörde hat sich mit dem Thema "Schutzgut Vegetation und
Tierwelt" eingehend beschäftigt. Sie hat nicht verkannt, dass das Vorhaben gravie-
rende Auswirkungen auf Pflanzen, Tiere und deren Lebensräume hat. Diese ergeben
sich nach ihrer Einschätzung im Wesentlichen durch die Beseitigung zahlreicher wert-
voller, nicht oder nur schwer wieder herstellbarer Vegetationsbestände und Tierle-
bensräume durch Flächeninanspruchnahme der Baumaßnahmen sowie durch die
funktionale Beeinträchtigung wertvoller bzw. sehr wertvoller Tierlebensräume und
Pflanzenstandorte durch Flächenentzug, Durchschneidungseffekte, Trennwirkungen,
Immissionen und Veränderung der Standortverhältnisse. Die Planfeststellungsbehör-
de hat drei Eingriffsschwerpunkte ermittelt, an denen auf die Tier- und Pflanzenwelt
erhebliche Eingriffe zukommen, und als einen Schwerpunkt das Maintal mit mäandrie-
rendem Flusslauf, angrenzenden Auegehölzen und Auewiesen sowie Terrassenhang
markiert, um deren Schutz sich der Kläger bemüht. Ihr ist nicht entgangen, dass wert-
volle Ufersaumstrukturen, Hecken und Feldgehölze verloren gehen werden und er-
hebliche Beeinträchtigungen der Lebensraumfunktionen insbesondere für die Avifau-
na mit einer außerordentlich hohen Zahl von gefährdeten bzw. stark gefährdeten Ar-
ten, aber auch für Fledermäuse und Libellen durch Lebensraumverkleinerung, Trenn-
wirkungen und Störeffekte zu erwarten sind. Es kann nach alledem keine Rede davon
sein, dass sie die wahre Tragweite der Eingriffe nicht erkannt hat.
Erweist sich ein Gebiet als so schützenswert, dass es einer "Tabuzone" gleich oder
doch nahe kommt, ist auf der Stufe der fachplanerischen Abwägung zu ermitteln, ob
das Vorhaben an anderer Stelle mit geringeren Eingriffen in Natur und Landschaft zu
verwirklichen ist (BVerwG, Urteil vom 14. November 2002 - BVerwG 4 A 15.02 -
a.a.O. <161>). Das ist nicht der Fall. Der insoweit allein in Betracht zu ziehende, weil
eine zusätzliche Mainquerung vermeidende Ausbau der B 4 zwischen Coburg und
Bamberg führt, wie bereits dargelegt, auf ein anderes Vorhaben.
bb) Der Kläger übt an dem planfestgestellten Ausgleichs- und Ersatzflächenkonzept
Kritik. Er greift im Ergebnis den Befund im Planfeststellungsbeschluss an, dass das
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Vorhaben als umweltverträglich einzustufen sei, weil die Eingriffe zu 58 % ausge-gli-
chen und zu 42 % ersetzt werden könnten.
Der Kläger wendet sich zunächst grundsätzlich gegen die Methode der Planfeststel-
lungsbehörde zur Ermittlung des Ausgleichsbedarfs. Die Behörde hat in die Aus-
gleichsbilanz die Größe der von dem Vorhaben betroffenen Flächen und das Ausmaß
der Beeinträchtigung der Funktionen des Naturhaushalts eingestellt, die einzelnen
Funktionen aber nicht untersucht, weil dies nach ihrem Vortrag nur mit einem unver-
hältnismäßigen wissenschaftlichen Untersuchungsaufwand möglich gewesen wäre.
Stattdessen hat sie, einer verbreiteten Verwaltungsübung der Fachleute für Landes-
pflege sowie der Naturschutz- und der Eingriffsbehörden in Deutschland entspre-
chend, als Wertmaßstab bzw. Indikator für die Beurteilung der Funktionen nur die Ei-
genart und Größe der betroffenen Grundflächen herangezogen, mit denen die Funkti-
onen, die sich in erster Linie im Biotoptyp mit seinem jeweiligen Entwicklungs- und
Erhaltungszustand ausprägen, verbunden sind. Dieses Raster ist dem Kläger zu grob.
Nach seiner Auffassung hätte das Untersuchungsgebiet in allen Einzelheiten erforscht
und ein vollständiges Arteninventar erstellt werden müssen. Nur so hätte sich die Fra-
ge, in welchem Ausmaß die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Land-
schaftsbild beeinträchtigt werde, sachgerecht beantworten und sich der Kompensati-
onsbedarf zutreffend ermitteln lassen. Der Senat folgt dem Kläger nicht. Nach seiner
Rechtsprechung kann es, wenn bestimmte Tier- und Pflanzenarten ein Indikator für
die Biotopqualität und die Lebensraumanforderungen auch anderer Arten sind oder
bestimmte Vegetationsstrukturen sichere Schlüsse auf ihre faunistische oder floristi-
sche Ausstattung zulassen, mit der gezielten Erhebung der insoweit maßgeblichen
repräsentativen Daten sein Bewenden haben (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000
- BVerwG 4 A 18.99 - a.a.O. <159>). Hieran ist festzuhalten. Das Recht zwingt nicht
nur nicht zu Ermittlungen, die keine zusätzlichen Erkenntnisse versprechen, sondern
nötigt auch nicht zu Ermittlungen, deren Aufwand zu dem möglicherweise zu erzielen-
den zusätzlichen Erkenntnisgewinn außer Verhältnis steht.
Im Einzelnen beanstandet der Kläger, dass die Verluste forstlich geprägter Wälder im
Umfang von 9,17 ha durch den als Ausgleichsmaßnahme A 1 angeordneten ökologi-
schen Waldumbau am Nestelgraben in Höhe von 10,4 ha nicht ausgeglichen würden.
Er beklagt, dass Neuanpflanzungen keinen adäquaten Ersatz für alte, ausgewachse-
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ne Bestände darstellten. Daran ist richtig, dass jedenfalls der Eingriff in einen gereiften
und qualitativ hochwertigen Gehölzbestand nicht auf Anhieb durch einen jungen Be-
satz kompensiert werden kann. Dies steht der Bestätigung der Ausgleichsmaßnahme
als rechtmäßig indessen nicht entgegen. Ausgleich ist nicht mit einer Naturalrestitution
im naturwissenschaftlichen Sinne gleichzusetzen (Urteil vom 27. Oktober 2000
- BVerwG 4 A 18.99 - a.a.O. <163>). Ausgeglichen ist nach Art. 6a Abs. 1 Satz 4
BayNatSchG ein Eingriff, wenn nach seiner Beendigung keine erhebliche oder nach-
haltige Beeinträchtigung des Naturhaushalts zurückbleibt. Nachhaltig ist eine Beein-
trächtigung, wenn sie dauerhaft ist oder sich über einen langen, allerdings nicht exakt
definierbaren Zeitraum erstreckt. Eine vorübergehende Verschlechterung des ökologi-
schen Zustands nimmt der Gesetzgeber hin, weil es beispielsweise unabänderlich ist,
dass ein ausgewachsener Baum durch einen an seine Stelle tretenden Setzling erst
Jahre später gleichwertig substituiert werden kann.
Im Hinblick auf das im Begriff der Nachhaltigkeit enthaltene Zeitmoment geht die Plan-
feststellungsbehörde zu Recht davon aus, dass die Maßnahmen geeignet sein müs-
sen, die gestörten Funktionen des Naturhaushalts innerhalb eines absehbaren Zeit-
raums zumindest weitgehend wiederherzustellen. Sie hält einen Zeitraum von 25
bis 30 Jahren für überschaubar. Dagegen ist aus Sicht des Senats nichts einzuwen-
den, kommen doch die Maßnahmen nicht erst den künftigen Generationen zugute.
Der Kläger sieht den Ausgleich auch deshalb als nicht erreicht an, weil der Versiege-
lungszuwachs nicht durch eine Entsiegelung überbauter Flächen an anderer Stelle
kompensiert werde. Mit diesem Einwand verkennt er das gesetzliche Modell der Aus-
gleichsmaßnahmen. Deren Sinn liegt nicht in einer Verhinderung weiterer Bodenver-
siegelungen, sondern darin, einen für Natur und Landschaft gleichartigen Zustand im
Hinblick auf die durch den Eingriff gestörten Funktionen des Naturhaushalts oder des
Landschaftsbildes wiederherzustellen. Dass der Ausgleich zu einer Flächeninan-
spruchnahme an anderer Stelle führt, ist zwangsläufig. Da diese nur zulässig ist, wenn
sich mit ihr eine ökologische Aufwertung verbindet, geht die Versiegelung letztlich zu
Lasten einer ökologisch minderwertigeren Fläche. Deren Verlust löst keine weitere
Ausgleichspflicht aus, sondern wird vom Gesetzgeber in Kauf genommen.
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Der Kläger rügt ferner, dass mit der Ausgleichsmaßnahme A 3 (anteilig 7,25 ha) die
Versiegelung von Äckern und intensiv genutztem Grünland im Umfang von 24,18 ha
nicht ausgeglichen werde. Diese Rüge geht fehl.
Landwirtschaftlich genutzte Acker- und Grünflächen sind generell von begrenztem
ökologischen Wert. Auf ihnen haben Flora und Fauna einen schweren Stand. Demge-
genüber werden die hier ausgewiesenen Ausgleichsflächen nach ihrer Aufrüstung ei-
ne hohe Wertigkeit aufweisen. Der Lebensraumkomplex "Seubelsdorfer Seen" erfährt
einen Ausbau zu einem großflächig optimierten, als vielfältiger Lebensraum für ge-
fährdete Pflanzen- und Tierarten dienenden Feuchtgebietskomplex durch die Um-
wandlung vorhandener Talaueglatthaferwiesen in extensiv bewirtschaftetes Feucht-
grünland, die abschnittsweise Freistellung beschatteter Gewässerbereiche im Wege
der Rücknahme bestehender Ufergehölzsäume, die Entwicklung eines vielfältigen
Mosaiks unterschiedlicher Gehölzaltersklassen mit einer Vielfalt unterschiedlicher
Waldsukzessionsstadien, die Schaffung stufig aufgebauter, breiter Waldränder durch
Waldunterpflanzung und Einschlag von Waldrändern mit anschließender Förderung
der natürlichen Gehölzsukzession, die Entwicklung eines Netzes von breiten, gut aus-
gebildeten Saumbereichen sowohl entlang von Waldwegen als auch an Waldrändern
zur umgebenden Nutzung, die Erhöhung des Altholzanteils durch Ausweisung kleine-
rer Naturwaldparzellen u.a. zur Erhöhung der Nistmöglichkeiten mit anschließender
Förderung der natürlichen Gehölzsukzession und das Anbringen von Nistkästen u.a.
für höhlenbewohnende Vogelarten, Kleinsäugerarten und Fledermäuse. Die extensi-
ven Feuchtwiesenstandorte sollen neben den gefährdeten Tagfaltern auch Heuschre-
cken aufnehmen sowie die Verbundfunktion entlang des Mains, der Flutmulden und
der Auwaldneubegründungen fördern und breite extensive Pufferzonen schaffen.
Bei unterschiedlicher naturschutzrechtlicher Wertigkeit von Verlust- und Ausgleichs-
flächen gilt, dass die letzteren im Verhältnis zu den ersteren um so kleiner sein kön-
nen, je mehr der Wert der Ausgleichsfläche den der durch den Eingriff in Anspruch
genommenen Fläche übersteigt (OVG Lüneburg, Urteil vom 21. November 1996 - 7 L
5352/95 - NuR 1997, 301 <302>). Normativ ist nicht geregelt, wie dieses Verhältnis zu
ermitteln ist. Anerkannte wissenschaftliche Methoden existieren nicht und sind nach
Einschätzung des Beklagten auch kaum zu erwarten. Um einer einfachen Handha-
bung des Gesetzes und einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis willen haben die
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Bayerischen Staatsministerien des Innern und für Landesentwicklung und Umweltfra-
gen "Grundsätze für die Ermittlung von Ausgleich und Ersatz nach Art. 6 und 6a
BayNatSchG bei staatlichen Straßenbauvorhaben" entwickelt. Der Senat hat es be-
reits gebilligt, wenn eine Planfeststellungsbehörde die Hilfestellung durch diese Ver-
waltungsvorschrift nutzt (BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2001 - BVerwG 4 A 13.99 -
Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 16, S. 13 f.). Der Grundsatz Nr. 3.1 besagt, dass
für die Versiegelung von Äckern und intensiv genutztem Grünland (Versiegelungsflä-
che V) die Ausgleichs- bzw. Ersatzfläche V x 0,3 betragen soll. Bei Ackerflächen bzw.
intensiv genutztem Grünland auf ökologisch wertvollen Standorten (z.B. Auen oder
Niedermoor) beträgt der Multiplikator bis zu 1,0 (Grundsatz Nr. 3.3). Die Planfeststel-
lungsbehörde hat mangels Besonderheiten den Grundsatz 3.1 angewandt. Dagegen
ist nichts zu erinnern. Zwar bestreitet der Kläger, dass der Verlust der ökologischen
Funktionen Grundwasserneubildung, Regenwasserversickerung (Rückhaltefunktion),
Kaltluftbildung, Nahrungsmittelproduktionsfläche, Lebensraum typischer Ackerflora
und -fauna sowie der Funktion Landschaftsbild im Zuge der Versiegelung von Acker-
flächen und intensiv genutztem Grünland durch die Lebensraumoptimierung A 3 aus-
geglichen werden könne. Diese lediglich in den Raum gestellte Behauptung nötigt je-
doch nicht zu der Annahme, die als Kompromiss zwischen den für den Straßenbau
und den Naturschutz zuständigen Ministerien zustande gekommenen Grundsätze sä-
hen eine quantitativ oder qualitativ grundsätzlich unzureichende Bewertung des Ein-
griffs und der Ausgleichsflächen vor.
Der Kläger bemängelt des Weiteren, mit der Ausgleichsmaßnahme A 3 (anteilig
3,98 ha) würde der Verlust durch Überbauung und Versiegelung, von Feldgehölzen in
landwirtschaftlicher Flur, von Kleinstrukturen in landwirtschaftlicher Flur und von weite-
ren Offenlandbiotopen im Umfang von 2,81 ha nicht ausgeglichen. Auch dem schließt
sich der Senat nicht an. Die Planfeststellungsbehörde hat dem Umstand, dass Biotop-
und Ökoflächen in Mitleidenschaft gezogen werden, nach den Grundsätzen Nr. 1.1
bis 1.3 und 2 durch den Multiplikator 1,5 bis 2 angemessen Rechnung getragen.
Der Kläger beklagt schließlich, dass die flache Talquerung des Mains zum Schutz und
Erhalt einer europaweit bedeutenden Vogelzugroute nicht ausreiche. Im Rahmen der
Kritik am Ausgleichs- und Ersatzflächenkonzept ist seine Rüge fehl am Platz. Richtig
angesiedelt ist sie bei dem Vermeidungsgebot des Art. 6a Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG,
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das den Planfeststeller dazu zwingt, nach schonenderen Alternativen zu suchen. Der
Kläger verlangt eine Verlängerung der Brücke, um die angrenzenden Dämme (Ram-
pen) mit ihrer Barrierewirkung zu verkürzen. Seine Forderung ist nicht berechtigt. Das
von der Autobahndirektion Nordbayern beauftragte Planungsbüro IFANOS, Institut für
angewandte ökologische Studien, hat ermittelt, dass eine 655 m lange Mainbrücke zur
Eingriffsminderung als Minimum ausreicht. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu
zweifeln.
d) Der Kläger beanstandet außerdem eine irreparable Schädigung des "Gottesgar-
tens". Doch auch insoweit genügt das Planvorhaben den Anforderungen des fachpla-
nerischen Abwägungsgebots und der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung.
aa) Der Kläger hält das Abwägungsgebot für verletzt, weil das öffentliche Interesse an
der Erhaltung des "Gottesgartens", einer europaweit einzigartigen Kulturlandschaft,
mit dem ebenfalls öffentlichen Interesse an dem Bau der A 73 fehlerhaft abgewogen
worden sei. Seine herausragende Bedeutung gewinne der "Gottesgarten" durch den
Sichtbezug zwischen dem Staffelberg, dem Kloster Banz und der Basilika Vierzehn-
heiligen sowie dem Panoramablick von den in dominierender Hanglage angelegten
barocken Sakralbauten in das Maintal und das Banzer Ländchen. Dieses zeichne sich
durch großzügige Ackerschläge und Siedlungsstrukturen klösterlicher Prägung sowie
ein althergebrachtes Netz von Wirtschafts- und Kirchwegen aus und sei daher selbst
kulturhistorisch bedeutsam. Der gesamte Landschaftsraum sei von derart hohem kul-
turhistorischen Wert, dass seine irreversible Zerstörung durch den Autobahnbau nicht
vertretbar sei.
Der Senat vermag sich der Ansicht des Klägers nicht anzuschließen. Die Frage, ob
einer Planung eine gerechte Interessenabwägung zugrunde liegt, ist nur einer einge-
schränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Die Gerichte haben, soweit - wie hier -
der Abwägungsvorgang fehlerfrei ist, das Ergebnis der Abwägung grundsätzlich hin-
zunehmen und es zu respektieren, dass sich der Planungsträger in der Kollision zwi-
schen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig
für die Zurückstellung eines anderen entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom
12. Dezember 1969 - BVerwG 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 <309>). Sie dürfen das
Ergebnis nur dann beanstanden, wenn bei der Abwägung die einen Belange gegen-
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über den anderen unverhältnismäßig zurückgesetzt worden sind. Das ist hier nicht der
Fall. Die durchgeführte Ortsbesichtigung hat bei dem Senat nicht den Eindruck hinter-
lassen, das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes im "Gottes-
garten" sei in der Abwägung mit den für das Straßenbauvorhaben streitenden Ge-
sichtspunkten in unvertretbarer Weise zu kurz gekommen.
Die Sichtachsen zwischen dem Staffelberg, dem Kloster Banz und der Basilika Vier-
zehnheiligen werden durch die planfestgestellte Trasse nicht in Mitleidenschaft gezo-
gen. Davon hat sich der Senat durch Einnahme des Augenscheins von der Festwiese
oberhalb des Klosters Banz und einem Aussichtspunkt auf dem Kreuzweg bei der Ba-
silika Vierzehnheiligen überzeugt. Bestätigt worden ist sein Befund durch eine im Orts-
termin vom Beklagten präsentierte Luftbildaufnahme vom "Gottesgarten", in welcher
die Sichtachsen farblich markiert waren. Die Trasse liegt außerhalb des Dreiecks, das
durch die Achsen gebildet wird.
Nur bei einem Rundblick von der Festwiese bei Kloster Banz werden die Basilika
Vierzehnheiligen und die Trasse erfasst. Der Trassenbereich wird allerdings nicht
mehr von der Basilika als Blickfang, sondern maßgeblich von der Silhouette der Stadt
Lichtenfels geprägt. Diese wirkt wegen der mangelnden Geschlossenheit und Unein-
heitlichkeit des Stadtbildes bereits jetzt so unruhig, dass das Landschaftsbild durch
das Straßenbauvorhaben nicht entscheidend verschlechtert wird. Soweit die Trasse
noch im Blickwinkel auf Vierzehnheiligen liegt, verläuft sie vor der Kulisse eines Ge-
werbegebietes am Stadtrand von Lichtenfels und einer sich am Horizont abzeichnen-
den kastenförmigen Hochhausbebauung in Hanglage. Erst in der von Vierzehnheili-
gen abgewandten Blickrichtung zeigt sich die Landschaft harmonischer.
Auch der Panoramablick von Vierzehnheiligen in Richtung Banzer Land wird durch
das Straßenbauvorhaben nicht so weit beeinträchtigt, dass dessen Durchführung un-
vertretbar erscheint. Das Kloster Banz hebt sich aufgrund seiner exponierten Höhen-
lage derart weit vom Talraum ab, dass die Trasse, soweit sie darin verläuft, die Sicht
auf das Kirchenbauwerk nur unerheblich stört. Dies gilt umso mehr, als das Tal durch
das vorerwähnte Gewerbegebiet visuell ohnehin vorbelastet ist. Auffälliger wird das
Trassenband jenseits des Mains, weil das Gelände dort ansteigt. Die Ausstrahlung,
die das Kloster Banz auf den Betrachter auszuüben vermag, wird gleichwohl nicht völ-
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lig zunichte gemacht; denn die Trasse entfernt sich vom Banzer Wald umso weiter, je
mehr sie an Höhe gewinnt. Bereits am Hang vor der Ortschaft Schönsreuth ist die Dis-
tanz so groß, dass die Klosteranlage zumindest an den Rand des Blickwinkels gerät,
wenn nicht gar aus ihm verschwindet.
Am schmerzlichsten hat der Senat den Eingriff in das Landschaftsbild empfunden, wie
es sich vom Parkplatz an der Kreisstraße zwischen Weingarten und Kösten bei einem
Blick in Richtung Nordosten darstellt. Die hügelige, sanft aufwärts führende Wiesen-
und Waldlandschaft wirkt unberührt und reizvoll. Ihr wird durch das Straßenbauvorha-
ben zweifellos eine tiefe Wunde geschlagen werden. Vor dem Hintergrund der für das
Straßenbauvorhaben sprechenden Erwägungen erscheint die Veränderung des Land-
schaftsbildes jedoch noch hinnehmbar. Es mag sein, dass ein Experte auf dem Gebiet
der Kulturgeschichte den Wertverlust, den der "Gottesgarten" erleiden wird, für
schlechthin unerträglich halten wird. Der mit den historischen Zusammenhängen nicht
vertraute Durchschnittsbetrachter wird hingegen lediglich die Zerstörung einer ländli-
chen Idylle beklagen, wie sie für Mittelgebirgslandschaften in Deutschland typisch ist.
Aus seiner Sicht wird dem Straßenbau nicht etwas Einzigartiges geopfert.
bb) Der Kläger wirft der Planfeststellungsbehörde schließlich vor, die Denkmalbelange
des Landschaftsbildes nicht gesetzesgemäß ausgeglichen oder ersetzt zu haben. Er
moniert, dass die Behörde den Eingriff in das vorhandene Landschaftsbild zu Unrecht
durch eine landschaftsgerechte Neugestaltung des Landschaftsbildes auf der ganzen
Strecke als ausgeglichen ansehe. Das ist unzutreffend. Die Planfeststellungsbehörde
hat eingeräumt, dass trotz umfangreicher Gestaltungsmaßnahmen auf den Straßen-
begleitflächen ein "echter" bzw. "vollständiger" Ausgleich für die Beeinträchtigung des
kulturhistorisch bedeutsamen Bereichs des "Gottesgartens" nicht möglich ist.
Als Ersatzmaßnahme hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege die Instand-
setzung des abgebrannten denkmalgeschützten ehemaligen Schafhofes Heinach vor-
geschlagen. Dem hat die Planfeststellungsbehörde zu Recht entgegengehalten, dass
als Ersatzmaßnahmen nach Art. 6a Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG nur Maßnahmen des
Naturschutzes und der Landschaftspflege in Betracht kommen und der Wiederaufbau
eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes keine landschaftspflegerische Maß-
nahme ist. Sie sieht es als Ersatz an, dass für die Beeinträchtigung der kulturhisto-
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risch und landschaftlich bedeutsamen Blickbeziehungen im "Gottesgarten" auf Kom-
pensationsflächen im Eingriffsraum neue landschaftstypische Strukturen geschaffen
werden sollen, die das Landschaftsbild bereichern. Konkret nennt sie die Wiederher-
stellung auentypischer Strukturen (Auwald, offene Pionierflächen etc.) auf landwirt-
schaftlich intensiv genutzten Flächen. Dem liegt ein zutreffendes Verständnis von Er-
satzmaßnahmen zugrunde. Während Ausgleichsmaßnahmen die beeinträchtigten
Funktionen gleichartig wiederherstellen, sind Ersatzmaßnahmen auf eine gleichwerti-
ge Wiederherstellung gerichtet. Als Ersatz genügt die Herstellung ähnlicher, mit den
beeinträchtigten nicht identischer Funktionen (Louis, BNatSchG, 2. Aufl., § 8 Rn. 212).
Die von der Planfeststellungsbehörde vorgesehenen Maßnahmen werden den Anfor-
derungen, die an Ersatzmaßnahmen zu stellen sind, gerecht. Die Herstellung einer
abwechslungsreicheren und natürlich wirkenden Pflanzenwelt an Stelle eintönigen
Ackerlandes kann als Kompensation für die Beeinträchtigung von Kulturdenkmalen
und ihrer Umgebung akzeptiert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dr. Paetow Dr. Lemmel Halama
Gatz Dr. Jannasch
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25 000 € festgesetzt.
Dr. Paetow Dr. Lemmel Halama
Gatz Dr. Jannasch
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Straßenplanungsrecht
Fachpresse: ja
Naturschutzrecht
Rechtsquellen:
FStrG
§ 17 Abs. 1 Satz 2
VRL
Art. 4 Abs. 1 und 4
FFH-RL
Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 4
BayNatSchG Art. 6a Abs. 1
Stichworte:
Straßenplanung; Planfeststellung; faktisches Vogelschutzgebiet; Eignungsmerkmale;
IBA-Verzeichnis 2002; potenzielles FFH-Gebiet; Gebietsauswahl; Auswahlkriterien;
Vertretbarkeitskontrolle; Alternativlösung; zwingende Gründe des überwiegenden
öffentlichen Interesses; Kohärenzschutz; fachplanerische Abwägung; Belange des
Naturschutzes; Kulturlandschaft; Landschaftsbild; Ausgleichs- und Ersatzmaßnah-
men.
Leitsätze:
Die Identifizierung europäischer Vogelschutzgebiete nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der
Vogelschutzrichtlinie in den Bundesländern hat sich ausschließlich an ornithologi-
schen Kriterien zu orientieren. Als Orientierungshilfe dient das IBA-Verzeichnis 2002.
Es nimmt nicht für sich in Anspruch, dass sämtliche Gebietsteile, die von der Be-
zeichnung eines Landschaftsraums erfasst werden, unter Schutz zu stellen sind.
Ein Straßenbauvorhaben, das zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines potenziel-
len FFH-Gebiets führt, ist mit den Erhaltungszielen für dieses Gebiet unverträglich.
Das Gebiet darf gleichwohl nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 UAbs. 1 FFH-RL aus zwingen-
den Gründen des überwiegenden Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirt-
schaftlicher Art für das Vorhaben in Anspruch genommen werden, wenn keine Alter-
nativlösung vorhanden ist und alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der globa-
len Kohärenz von Natura 2000 ergriffen werden.
Die Entscheidung für ein Straßenbauvorhaben kann im Ergebnis abwägungsfehler-
haft sein, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung einer einzigartigen Kultur-
landschaft in unvertretbarer Weise zu kurz gekommen ist (hier verneint).
Urteil des 4. Senats vom 15. Januar 2004 - BVerwG 4 A 11.02 -