Urteil des BVerwG vom 23.08.2006

Rechtliches Gehör, Beweisantrag, Rüge, Raumordnung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 A 1067.06 (4 A 1075.04)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. August 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und
Dr. Jannasch
beschlossen:
Die das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März
2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - betreffende Anhörungsrüge der
Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
Die zulässige Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.
1. Auf die Rüge eines durch eine letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung
beschwerten Beteiligten ist das Verfahren nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO
fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches
Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren
Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort
zu kommen, namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde
liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und
Ausführungen zu machen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des
Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und
in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 - 2 BvR 731/80 -
BVerfGE 64, 135 <143 f.>). Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, jedes Vor-
bringen eines Beteiligten in den Gründen einer Entscheidung ausdrücklich zu
bescheiden (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE
22, 267 <274>). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt auch keinen Schutz gegen Ent-
scheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen
oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG,
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Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>); die Vor-
schrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer
Partei zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 -
BVerfGE 64, 1 <12>, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. - BVerfGE 87,
1 <33>).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt auch nicht gegen eine nach Mei-
nung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags
(BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 - Buchholz
310 § 86 Abs. 2 Nr. 31). Art. 103 Abs. 1 GG ist aber verletzt, wenn die Ableh-
nung eines als sachdienlich und erheblich angesehenen Beweisantrags im
Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Januar
1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141 <143 f.> und vom 26. Juni 2002
- 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <311>, BVerwG, Beschluss vom 24. März
2000 - BVerwG 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308, S. 16).
Maßgebend für die Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiell-
rechtliche Standpunkt der angegriffenen Entscheidung (zur Zulassung der Re-
vision stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B
150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1).
2.1 Die Ablehnung des auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens
gerichteten Beweisantrags Nr. 1075.1 durch den Beschluss vom 9. Februar
2006 verstieß nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG; sie ist prozessrechtlich nicht zu
beanstanden.
2.1.1 Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Gericht besondere Erfah-
rungssätze und Kenntnisse des jeweiligen Fachgebietes zu vermitteln und/oder
aufgrund von besonderen Erfahrungssätzen oder Fachkenntnissen Schlussfol-
gerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen (BVerwG, Urteil vom
6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41 f.>). Liegen bereits
Gutachten oder Auskünfte vor, steht es nach § 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412
Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Auskünfte
oder Sachverständigengutachten einholt (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1989
- BVerwG 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <90>, Beschluss vom 7. März 2003
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- BVerwG 6 B 16.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 55). Das Tatsa-
chengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf
Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die von einer Behörde
im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden (BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978
- BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <127>, Beschluss vom
4. Dezember 1991 - BVerwG 2 B 135.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO
Nr. 238, S. 67). Das Gericht ist nur verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzu-
holen, wenn sich ihm eine weitere Sachaufklärung aufdrängen musste (stRspr,
BVerwG, Beschluss vom 5. August 2004 - BVerwG 6 B 31.04 - juris, Rn. 21).
Nach diesen Maßgaben konnte der erkennende Senat den Beweisantrag unter
Hinweis auf das bereits vorhandene umfangreiche gutachtliche Material ableh-
nen. Diese beigezogenen und vom Senat verwerteten Gutachten wurden teils
von den Klägern, teils vom Beklagten und den Beigeladenen vorgelegt. Außer-
dem wurde der zu diesen Fragen von den Klägern beauftragte Sachverständige
F. in der mündlichen Verhandlung mehrfach und ausführlich zur Erläuterung
seiner verschiedenen schriftlichen gutachtlichen Äußerungen gehört. Dieses
Material reichte aus, um die entscheidungserheblichen Fragen zu beantworten.
Der Beweisantrag hatte die behaupteten Vorzüge eines Flughafensystems mit
einer neu konzipierten Verkehrsaufteilung zum Gegenstand. Dieses Konzept
widersprach der verkehrspolitischen Zielsetzung der Landesplanung, den Luft-
verkehr auf einen einzigen ballungsraumnahen Standort zu konzentrieren und
wäre nur dann abwägungsfehlerhaft ausgeklammert worden, wenn es als ver-
kehrspolitische Alternative aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen den ein-
deutigen Vorzug verdiente. Dies konnte ohne weitere Beweiserhebung unter
Darlegung der jedenfalls bestehenden Nachteile eines Flughafensystems ver-
neint werden (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - UA,
Rn. 105 f.). Dass die Kläger diesen Nachteilen - etwa hinsichtlich des Umstei-
geverkehrs - nur geringes Gewicht beimessen, betrifft die Sachverhaltswürdi-
gung und Rechtsanwendung, nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör.
2.1.2 Die Kläger haben im Übrigen weder in ihrem Beweisantrag noch in ihrer
Anhörungsrüge dargelegt, inwieweit ein weiteres, vom Gericht eingeholtes Gut-
achten bessere oder weiter gehende Erkenntnisse hätte vermitteln sollen
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(BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 B 10.05 - Buchholz 310
§ 108 Abs.1 VwGO Nr. 36). Sie gehen vielmehr selbst davon aus, dass das
Gutachten der Fa. fdc Airport Consulting & Partners vom 12. Oktober 2004
(Anlage K 33) dem Gericht ausreichende Erkenntnisse vermittelt hat, wenden
sich also nur dagegen, dass das Gericht ihren gutachtlich gestützten
Einwänden nicht gefolgt ist. Dies zeigt eine Gehörsverletzung nicht auf.
2.1.3 Der Senat hat nachvollziehbar dargelegt, dass und woher er die notwen-
dige Sachkunde erworben hat.
Lehnt das Tatsachengericht den Antrag auf Einholung eines Sachverständi-
gengutachtens mit dem Hinweis auf die eigene Sachkunde ab, muss es in dem
Ablehnungsbeschluss oder spätestens in der Sachentscheidung begründen,
woher es diese Sachkunde hat (BVerwG, Beschluss vom 24. März 2000
- BVerwG 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308). Dieser Pflicht
hat der Senat genügt, indem er die Beweisanträge unter Hinweis auf das be-
reits vorliegende umfangreiche gutachtliche Material abgelehnt hat. Diese Gut-
achten und die dazu von deren Verfassern in der mündlichen Verhandlung ge-
gebenen Erläuterungen haben dem Senat die nötige Sachkunde vermittelt,
ganz abgesehen davon, dass die Mitglieder des Senats zum Teil seit Jahrzehn-
ten in zahlreichen planungs- und zulassungsrechtlichen Streitigkeiten entspre-
chendes Fachwissen erworben haben. Auch die Kläger machen im Übrigen
nicht geltend, ihnen sei unklar gewesen, auf welches Material der Senat damit
Bezug nahm.
Hiervon unabhängig sind die Kläger mit ihrer Rüge ausgeschlossen: Nach
§ 173 VwGO, § 295 Abs. 1 ZPO hätte der behauptete Mangel - sein Vorliegen
unterstellt - spätestens in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt werden
müssen. Nächste mündliche Verhandlung im Sinne dieser Vorschrift ist auch
der Teil der mündlichen Verhandlung, der sich unmittelbar an den Verfahrens-
abschnitt anschließt, in dem der Verfahrensverstoß geschehen sein soll
(BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2003 - BVerwG 4 B 4.03 - Buchholz 310
§ 86 Abs. 2 VwGO Nr. 53). Die Kläger haben ausweislich des Terminprotokolls
den angeblichen Verfahrensfehler in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt.
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2.1.4 Die Kläger rügen auch ohne Erfolg die unterlassene Begutachtung mögli-
cher Synergieeffekte und wirtschaftlicher Betriebskonzepte eines „Single“-
Flughafens, der Anforderungen an die Koordinierung des Luftraums und des
Gruppenrisikos (Schriftsatz vom 30. Juni 2006, S. 24). Denn der Beweisantrag
Nr. 1075.1 hatte keine Tatsachenbehauptungen zu diesen Fragen zum Gegen-
stand. Die Anhörungsrüge ist aber kein Mittel, Versäumnisse der Verfahrensbe-
teiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Stellen von Beweisanträgen, zu
kompensieren. Den Beteiligten eines Prozesses obliegt es vielmehr, alle Mittel
des Prozessrechts zu nutzen, um einen Verstoß gegen den Anspruch auf recht-
liches Gehör bereits in der Tatsacheninstanz zu verhindern; dies gilt für die An-
hörungsrüge ebenso wie für die Verfassungsbeschwerde (so zur Verfassungs-
beschwerde BVerfG, Beschluss vom 9. November 2004 - 1 BvR 684/98 - BVerf-
GE 112, 50 <62>).
2.2 Der Senat hat entgegen der Darstellung der Kläger (Schriftsatz vom
30. Juni 2006, S. 11) die Erhebung eines Urkundsbeweises über das Gutachten
der Fa. fdc Airport Consulting & Partners (Anlage K 33) nicht mit der Be-
gründung abgelehnt, dem Gericht stehe bereits ausreichendes gutachtliches
Material zur Verfügung. Der Beschluss vom 9. Februar 2006 lehnte den zu Pro-
tokoll gestellten Beweisantrag vom 7. Februar 2006 ab, der allein auf Einholung
eines Sachverständigenbeweises gerichtet war. Im Übrigen legen die Kläger
nicht dar und ist auch nicht ersichtlich, welche weiter gehenden Erkenntnisse
sich aus der Erhebung eines Urkundsbeweises über dieses Gutachten ergeben
sollten.
Das Gericht hat das genannte Gutachten zur Kenntnis genommen, in Erwägung
gezogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 92, 105, 126) und
sich mit dem von den Klägern favorisierten Konzept auseinandergesetzt. Dass
das Gericht den Argumenten der Kläger und ihres Gutachters nicht gefolgt ist,
verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.
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2.3 Den Klägern wird im Urteil entgegen ihrer Darstellung nicht unterstellt, sie
seien „von der Annahme ausgegangen, es sei ausreichend, wenn die Umstän-
de des Falles zu erkennen geben würden, dass das bisherige Flughafensystem
eine weiterhin technisch realisierbare und rechtlich wohl auch vertretbare Lö-
sung ist“ (Schriftsatz vom 30. Juni 2006, S. 20). Der Senat hat den Klägervor-
trag vielmehr dahin verstanden, es gäbe Systemalternativen, die „sich nach
Lage der Dinge angeboten oder gar aufgedrängt“ hätten (BVerwG, Urteil vom
16. März 2006, a.a.O., Rn. 102).
2.4 Soweit die Kläger eine fehlerhafte Bewertung der Lärmauswirkungen durch
die Schließung der Nordbahn am Standort Schönefeld rügen (Schriftsatz vom
30. Juni 2006, S. 29), übersehen sie, dass es auf diese Frage nicht entschei-
dungserheblich ankam (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 112).
2.5 Die Kläger (Schriftsatz vom 30. Juni 2006, S. 21) wenden sich gegen die
Würdigung des Landesentwicklungsplans Flughafenstandortentwicklung
(LEP FS, GVBl Bbg II S. 594) im Urteil vom 16. März 2006 (a.a.O., Rn. 100).
Dies betrifft die Sachverhaltswürdigung, nicht den Anspruch auf rechtliches
Gehör.
3.1 Die Kläger rügen die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 1001.1, beschränkt
auf die Beweisanträge Nr. 18-20, 22-23, 25 und 26 (Schriftsatz vom 30. Juni
2006, S. 30 ff.).
3.1.1 Der Senat konnte die gestellten Beweisanträge ermessensfehlerfrei nach
§ 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO ablehnen. Das von dem Plange-
ber des LEP FS zugrunde gelegte Intraplan-Gutachten vom 13. Februar 2003
(„Bewertung der verkehrlichen Erschließung des Flughafenstandortes Schöne-
feld im Vergleich zu stadtfernen Standortalternativen“) reichte zur Beantwortung
der entscheidungserheblichen Fragen aus.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung musste sich nicht deswegen aufdrängen,
weil das Intraplan-Gutachten (hinsichtlich beider Standorte) Verkehrsverbin-
dungen einbezog, die erst im Hinblick auf die landesplanerische Standortent-
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scheidung geschaffen werden sollen. Welche rechtlichen Bedenken die Kläger
gegen dieses Vorgehen erheben, ist nicht ersichtlich. Wie die Nr. 18, 19 und 25
des Beweisantrags Nr. 1001.1 zeigen, halten auch die Kläger die verkehrliche
Anbindung eines Standortes nach dem Ausbau der Verkehrsverbindungen für
maßgeblich.
3.1.2 Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum Nr. 26 des Beweisantrags
Nr. 1001.1 die Fehlerhaftigkeit der Verkehrsprognose des Beklagten hätte zu
Tage fördern können (Schriftsatz vom 30. Juni 2006, S. 33). Der Beweisantrag
hatte nicht die Verkehrsprognose zum Gegenstand, sondern die Behauptung,
dass bestimmte Unterschiede in der Anreisezeit weder hinsichtlich der Nach-
frage noch der Wirtschaftlichkeit eines Flughafens eine Rolle spielen.
Die zu Beweis gestellte Tatsachenbehauptung war im Übrigen nicht entschei-
dungserheblich: Von einer Fehlgewichtung der Planungsentscheidung des
LEP FS kann nur die Rede sein, wenn die getroffene Entscheidung unter Be-
rücksichtigung der objektiven Gegebenheiten nicht vertretbar erscheint. Dies
setzt eine völlige Verfehlung der objektiven Gewichtigkeit eines Belanges vor-
aus. Die Entscheidung zu Gunsten des Standortes Schönefeld verwirklicht
Grundsätze der Raumordnung und Vorgaben des LEPro (BVerwG, Urteil vom
16. März 2006, a.a.O., Rn. 117 ff.); auf diese Regelwerke könnte sich die
Standortentscheidung auch stützen, wenn die wirtschaftlichen Vorteile eines
aufkommensnäheren Flughafens geringer wären, als der Beklagte annimmt.
3.1.3 Nr. 18, 19, 20 und 22 des Beweisantrags Nr. 1001.1 betrafen keine ent-
scheidungserhebliche Tatsachenbehauptung. Eine Einbindung des Standortes
Sperenberg in das Hochgeschwindigkeitsnetz über einige zentrale Punkte bringt
große Umwege, Umsteigebedarf und Reisezeitverluste mit sich (BVerwG, Urteil
vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 126). Zu diesen Nachteilen verhalten sich die
Beweisanträge Nr. 18 und 19 nicht. Die Behauptungen der Nr. 20 und 22 hatten
die Kosten einer schienenseitigen Anbindung des Standortes Sperenberg zum
Gegenstand. Diesen Kosten mussten die Verfasser des LEP FS nicht
nachgehen (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 126).
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3.1.4 Auf die Wirkung und die Kosten einer straßenseitigen Anbindung des
Standortes Sperenberg, die die Nr. 23 und 25 des Beweisantrags Nr. 1001.1
zum Gegenstand hatten, kommt es gleichfalls nicht an. Denn wegen des not-
wendigen Ausbaus ist nicht zu beanstanden, dass der LEP FS flughafenbe-
dingten Straßenbauvorhaben im Einklang mit § 19 Abs. 4 LEPro eine Absage
erteilt und dem ergänzenden Ausbau des Straßennetzes am Standort Schöne-
feld den Vorrang eingeräumt hat (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O.,
Rn. 127).
3.2 Die Kläger sehen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Ablehnung
des Beweisantrags Nr. 1001.3, Ziffer 10 bis 13 und 16 als verletzt an (Schrift-
satz vom 30. Juni 2006, S. 36 ff.).
Der Senat konnte sich auf die im Aufstellungsverfahren zum LEP FS eingeholte
gutachterliche Stellungnahme der PLANCO CONSULTING GmbH, Essen und
der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus stützen (BVerwG, Ur-
teil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 130). Die Kläger zeigen in ihrer Anhörungs-
rüge nicht auf, warum sich dem Senat eine weitere Beweiserhebung aufdrän-
gen musste. Allein der Verweis der Kläger auf den Flughafen München und die
von ihm ausgehenden wirtschaftlichen Impulse reichen dafür nicht aus, da die
eingeholte gutachterliche Stellungnahme auf einer wesentlich breiteren Tatsa-
chenbasis aufbaut (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 130). Soweit
die Kläger auf die (behauptete) Möglichkeit weiter gehenden Nachtflugs am
Standort Sperenberg verweisen, ist dem entgegen zu halten, dass über Umfang
und Grenzen des Nachtflugbetriebs in der Fachplanung, nicht in der
Raumordnung entschieden wird.
4. Der Senat hat die Dimensionierung der Betriebsflächen nicht beanstandet
(BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 214 ff.). Er hat sich mit den
Einwänden der Kläger und des von ihnen beauftragten Sachverständigen (vgl.
BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 225) gegen die Dimensionie-
rung auseinander gesetzt und dargelegt, dass die Zahl der planfestgestellten
Abstellpositionen sich noch im Erwartungshorizont einer sehr hohen Auslastung
befindet. Dass der Senat den Einwänden der Kläger nicht gefolgt ist, verletzt
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entgegen dem Vorbringen der Anhörungsrüge (Schriftsatz vom 30. Juni 2006,
S. 39 ff.) den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.
Des angebotenen Sachverständigenbeweises bedurfte es nicht. Die Stellung-
nahmen vom 28. März 2005 und vom 5. April 2005 waren Gegenstand des Eil-
verfahrens 4 VR 1005.04 (Anlagen 103 und 111 zum Schriftsatz der Antragstel-
ler vom 8. April 2005); die Kläger haben diesen Vortrag zum Gegenstand des
Klageverfahrens gemacht (Bl. 6190 GA); der Senat hat ihn zur Kenntnis ge-
nommen und erwogen. Auch die Äußerungen in den Stellungnahmen vom
21. November 2005 (Anlage K B. 90 zum Schriftsatz der Kläger vom 30. No-
vember 2005 in dem Verfahren BVerwG 4 A 1073.04) und vom 15. März 2005
(Anlage 110 zum Schriftsatz der Antragsteller in dem Verfahren 4 VR 1006.04)
hat der Senat bei seiner Entscheidungsfindung erwogen. Welche weiteren Er-
kenntnisse die geforderte Beweiserhebung über diese Gutachten erbringen
sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
5.1 Die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 1073.3 verstößt nicht gegen den An-
spruch auf rechtliches Gehör (Schriftsatz vom 30. Juni 2006, S. 44 f.). Die vor-
liegenden Gutachten reichten aus, die entscheidungserheblichen Fragen zu be-
antworten.
Auf die angeblichen methodischen Fehler des Gutachtens M 8 (Prof. Dr. J.)
kommt es nicht an: Die Planfeststellungsbehörde hat sich nicht an diesem Gut-
achten ausgerichtet; der Senat hat dies nicht beanstandet (BVerwG, Urteil vom
16. März 2006, a.a.O., Rn. 300). Auch die behaupteten methodischen Einwän-
de hinsichtlich der Ergebnisse der Fluglärmsynopse (Griefahn, Jansen,
Scheuch, Spreng, ZfL 2002, 171 ff.) sind nicht entscheidungserheblich: Der
Senat hat die lärmmedizinischen Einwände gegen die Ergebnisse dieser Syn-
opse, die insbesondere M. erhoben hat, gewürdigt und für nicht durchgreifend
erachtet (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 303-307); ob die me-
thodischen Einwände gegen die Synopse berechtigt sind, hat er - in anderem
Zusammenhang - offen gelassen (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O.,
Rn. 313). Etwaige neue präventivmedizinische Erkenntnisse wären einer Pla-
nungs- und Zulassungsentscheidung in der Regel jedenfalls erst dann zugrunde
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zu legen, wenn sie sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt und
allgemeine Anerkennung gefunden haben (Urteil vom 16. März 2006, a.a.O.,
Rn. 308). Die von den Klägern behaupteten methodischen Bedenken gegen die
Fluglärmsynopse würden einen solchen neuen Stand der Wissenschaft aber
nicht aufzeigen, sondern könnten nur belegen, dass bisher anerkannte
wissenschaftliche Aussagen kritisch hinterfragt und kontrovers diskutiert
werden.
5.2 Der Senat hat bei den Ausführungen in Rn. 307 (S. 133) des Urteils die
Stellungnahme von M. vom 27. November 2005 (Anlage K 79) nicht übersehen.
Einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die Stellungnahme vom 27. November
2005 bedurfte es nicht, weil Art. 103 Abs. 1 GG nicht fordert, jedes Vorbringen
der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli
1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE 22, 267 <274>). Auch insoweit wenden sich die
Kläger im Gewand einer Anhörungsrüge lediglich gegen die von ihnen für unzu-
treffend angesehene Würdigung der verschiedenen vom Senat herangezoge-
nen gutachtlichen Äußerungen zur Zumutbarkeit nächtlichen Fluglärms.
5.3 Die Rüge des Klägers, der Senat habe in den Rn. 312 ff. den Stand der
Lärmwirkungsforschung fehlerhaft wiedergegeben, zeigt keinen Verstoß gegen
den Anspruch auf rechtliches Gehör auf. Der Senat war nicht gehalten, alle
neueren Studien der Lärmwirkungsforschung im Einzelnen darzustellen und zu
würdigen.
5.4 Das Urteil setzt sich - entgegen der Darstellung der Kläger - mit den Aus-
führungen von M. zum Dauerschallpegel auseinander (vgl. BVerwG, Urteil vom
16. März 2006, a.a.O., Rn. 307). Dass das Gericht diesen Ausführungen nicht
gefolgt ist, berührt den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.
Die Darstellung des Urteils, M. führe zur Untermauerung seines eigenen
Standpunktes keine Fundstellen an (UA Rn. 314), trifft zu. Die Gutachtliche
Stellungnahme vom 4. Dezember 2005 (Anlage K 84) führt für die Herleitung
der Begrenzung des nächtlichen Dauerschallpegels auf 30 dB(A) bis 32 dB(A)
keine Belegstelle an (ebd., S. 36-50): Das Urteil legt dar, dass dem Spandauer
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Gesundheits-Survey die geforderten Werte nicht entnommen werden können
(UA Rn. 315). Die weiteren von den Klägern benannten Studien zieht M. nur im
Zusammenhang mit Gesundheitsschäden durch Schall am Tage heran (ebd.,
S. 66 ff., 71, 74 f.).
5.5 Die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 1075.6 verletzte den Anspruch der
Kläger auf rechtliches Gehör nicht. Hinsichtlich der DLR-Studie bedurfte es kei-
nes Beweises, da die behauptete fehlerhafte Methodik dieser Studie nicht er-
heblich war. Denn die Planfeststellungsbehörde hat sich die Methodik der DLR-
Studie nicht zu Eigen gemacht (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O.,
Rn. 302). Auch auf das behauptete Vorliegen weiterer Untersuchungen kam es
nicht an. Denn das bereits vorliegende Gutachtenmaterial vermittelte dem Se-
nat ausreichende Fachkunde, um den Planfeststellungsbeschluss mit Blick auf
den Komplex Lärm einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen.
5.6 Bei seinen Ausführungen zum Pegelunterschied eines gekippten Fensters
(BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 337 ff.) hat der Senat die Aus-
führungen der Kläger und des von ihnen beauftragen Sachverständigen M. zur
Kenntnis genommen und erwogen. Er ist diesen Ausführungen nicht gefolgt,
sondern hat es gebilligt, dass die Planfeststellungsbehörde als „Durchschnitts-
und Hilfsgröße“ einen Dämmwert von 15 dB(A) angenommen hat. Dies verletzt
den Anspruch auf rechtliches Gehör ersichtlich nicht.
5.7 Der Senat hat entgegen der Rüge der Kläger das Gutachten von M.
„Lärmmedizinische Forderungen zum Schutz vor Fluglärm“ (Anlage K 41) zur
Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Dass er sich der Auffassung
dieses Gutachtens nicht angeschlossen hat, zeigt eine Verletzung des An-
spruchs auf rechtliches Gehör nicht auf. Soweit die Kläger rügen, der „diesbe-
zügliche Diskussionsstand“ zum zumutbaren Dauerschall könne nicht mehr als
offen bezeichnet werden, wenden sie sich gegen die Sachverhaltswürdigung,
zeigen aber keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auf.
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6. Dem Beweisantrag Nr. 1075.10, Nr. 24 brauchte der Senat entgegen der
Ansicht der Kläger (Schriftsatz vom 30. Juni 2006, S. 55) nicht nachzugehen.
Der Senat hat in Ausübung des ihm in § 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1
ZPO eröffneten Ermessens abgelehnt, ein weiteres Gutachten einzuholen. In
den Urteilsgründen ist im Einzelnen dargelegt, warum der Senat den Einwän-
den der Kläger nicht gefolgt ist (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O.,
Rn. 486). Die Aufklärungsrüge zeigt nicht auf, warum sich dem Senat eine wei-
tere Beweiserhebung aufgedrängt haben sollte; im Übrigen machen die Kläger
auch nicht substantiiert geltend, warum die Einschätzung des Urteils in der Sa-
che verfehlt sein soll.
7. Der Senat hat angenommen, der Verstoß der Planfeststellungsbehörde ge-
gen die Pflicht aus § 10 Abs. 2 Nr. 5 LuftVG, den Einwendern Gelegenheit zur
- schriftlichen - Äußerung zu geben, sei nach § 46 VwVfGBbg unschädlich. Es
sei weder vorgetragen noch ersichtlich, welcher für das Entscheidungsergebnis
maßgebliche Gesichtspunkt noch hätte aufgezeigt werden können, wenn die
Kläger Gelegenheit zur Äußerung erhalten hätten (BVerwG, Urteil vom 16. März
2006, a.a.O., Rn. 52). Die Kläger sehen hierin einen Verstoß gegen den
Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie verweisen pauschal auf ihren Klagevortrag
zur Aufgabe des Flughafensystems und zu den Standortalternativen Schönefeld
und Sperenberg. Diesen Klagevortrag hat der Senat indes zur Kenntnis
genommen und erwogen, ist aber zu der Auffassung gelangt, es sei kein
Gesichtspunkt ersichtlich, der im Kern nicht bereits Gegenstand ausgiebiger
Diskussion - insbesondere in der Erörterung - gewesen sei.
8. Die in dem Schriftsatz vom 10. Juli 2006 weiter erhobenen Rügen, die über
eine Vertiefung des Vorbringens in dem Schriftsatz vom 30. Juni 2006 hinaus-
gehen, sind nicht fristgerecht erhoben. Dies gilt insbesondere für die Ausfüh-
rungen hinsichtlich einer T-Konfiguration am Standort Schönefeld (S. 14 ff.) und
mögliche Einwände bei einer erneuten Anhörung der Kläger (S. 20 ff.). Denn
die Anhörungsrüge ist nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO innerhalb von zwei
Wochen nach Kenntnis der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben.
Diese Frist wahrt der Schriftsatz vom 10. Juli 2006 nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtsgebühr
ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG. Einer Streitwertfestsetzung be-
darf es nicht.
Dr. Paetow
Prof. Dr. Rojahn
Dr. Jannasch
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