Urteil des BVerwG vom 13.08.2004

Zukünftige Nutzung, Pflicht zur Duldung, Entschädigung, Start

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
SCHLUSS - GERICHTSBESCHEID
BVerwG 4 A 1008.07 (4 A 1014.04, 4 A 1010.05, 4 A 1023.06)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Jannasch und die
Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
entschieden:
Der Beklagte wird verpflichtet, über eine weitergehende
Einschränkung des Nachtflugbetriebes in Teil A II 5.1.1,
über die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen in
Teil A II 5.1.3 und über die Grenzziehung des Entschädi-
gungsgebiets Außenwohnbereich in Teil A II 5.1.5 Nr. 2
des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004
i.d.F. vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflich-
tungen entgegensteht, wird er aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen
Kosten des Beklagten trägt der Kläger 4/5. Der Beklagte
trägt 1/5 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen
Kosten der Kläger.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20 000 € fest-
gesetzt.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten
vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld.
Er ist Eigentümer eines Wohngrundstücks in Berlin-Schmöckwitz, das im Tag-
und im Nachtschutzgebiet des planfestgestellten Flughafens liegt. Mit Schrift-
satz vom 29. November 2004 hat der Kläger in erster Linie beantragt, den Plan-
feststellungsbeschluss aufzuheben. Hilfsweise hat er Anträge auf Nachbesse-
rung des planfestgestellten Lärmschutzkonzeptes gestellt.
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 haben nahezu
4 000 Personen Klage erhoben. Der beschließende Senat hat von der ihm
durch § 93a Abs. 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vorab
Musterverfahren durchzuführen und die übrigen Verfahren auszusetzen. Auch
das Verfahren des Klägers wurde gemäß § 93a Abs. 1 Satz 1 VwGO ausge-
setzt.
Über die ausgewählten Musterklagen ist durch Urteile vom 16. März 2006 ent-
schieden worden. Die Anfechtungsklagen gegen den Planfeststellungsbe-
schluss vom 13. August 2004 i.d.F. vom 21. Februar 2006 wurden abgewiesen,
die hilfsweise erhobenen Anträge auf Planergänzung hatten, soweit es um bes-
seren Lärmschutz ging, teilweise Erfolg.
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Der Kläger hat dem Gericht mit Schreiben vom 23. Januar 2007 und 23. April
2007 mitgeteilt, er beabsichtige weiterhin, das Verfahren umfassend durchzu-
führen. Er hat - neben der Anfechtungsklage - beantragt, das streitige Verfahren
insoweit durchzuführen, als es um die Anspruchsbegrenzung auf Entschä-
digung in Höhe von 30% des Verkehrswerts gemäß Teil A II 5.1.7 Abs. 2 des
Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 i.d.F. vom 21. Februar 2006
geht. Ferner hat er beantragt, das Urteil des Senats vom 16. März 2006
insoweit auf den Kläger zu übertragen, als der Klage der Musterkläger stattge-
geben worden ist.
Der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 wurde durch den Be-
scheid vom 14. September 2006 geändert (5. Änderung). Der Änderungsbe-
scheid betrifft Änderungen an den Flugbetriebsflächen (Rollwege) und an den
Entwässerungsanlagen. Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2007 hat der Kläger seine
Anfechtungsklage weiter begründet und auf den Änderungsbescheid vom
14. September 2006 erstreckt.
Mit Teilbeschluss gemäß § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO vom 20. September 2007
hat der Senat die Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom
13. August 2004 i.d.F. vom 21. Februar 2006 zurückgewiesen (BVerwG 4 A
1008.07). Dabei hat der Senat hervorgehoben, die Änderungen, die der Plan-
feststellungsbeschluss durch den Bescheid vom 14. September 2006 erfahren
habe, seien nicht Gegenstand dieses Beschlusses nach § 93a VwGO; insofern
handele es sich um abtrennbare, eigenständig zu beurteilende Teile des Streit-
gegenstands (Rn. 17). Gegenstand des Teilbeschlusses vom 20. September
2007 waren ferner nicht die (hilfsweise) gestellten Verpflichtungsanträge betref-
fend die planfestgestellten Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschut-
zes sowie die damit verbundenen Entschädigungsregelungen (Rn. 8).
Mit Beschluss vom 20. Februar 2008 (1 BvR 2674/07) hat das Bundesverfas-
sungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Klägers nicht zur Entscheidung
angenommen. Darin wird ausgeführt, soweit sich die Verfassungsbeschwerde
gegen den 5. Änderungsbescheid vom 14. September 2006 zum Planfeststel-
lungsbeschluss vom 13. August 2004 wende, sei die Verfassungsbeschwerde
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unzulässig, weil es an der Erschöpfung des Rechtswegs fehle; über die gegen
diesen Bescheid gerichtete Klage sei mit dem Teilbeschluss vom
20. September 2007 noch nicht entschieden worden. Gleiches gelte mit Blick
auf die vom Kläger beanstandeten Regelungen des Planfeststellungsbeschlus-
ses, die Gegenstand der hilfsweise gestellten Verpflichtungsanträge sind, die
auf eine Planergänzung hinsichtlich des aktiven und passiven Lärmschutzes
sowie der damit verbundenen Entschädigungsregelungen abzielen.
II
Das Gericht macht von der ihm durch § 84 VwGO eröffneten Möglichkeit
Gebrauch, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Der Streitfall
weist, soweit er noch anhängig ist, keine besonderen Schwierigkeiten tatsächli-
cher oder rechtlicher Art auf. Die Beteiligten wurden auf die Möglichkeit einer
Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen.
1. Gegenstand der Schlussentscheidung sind die im Schreiben vom 23. Januar
2007 in der Rechtssache BVerwG 4 A 1014.04 für den Kläger (unter Nr. 125)
aufrecht erhaltenen Hilfsanträge (2.) sowie die mit Schriftsatz vom 6. Juni 2007
erhobene Anfechtungsklage gegen den Änderungsbescheid vom 14. Septem-
ber 2006 (3.). Hierüber hat der Senat in seinem gemäß § 93a Abs. 2 Satz 1
VwGO ergangenen Teilbeschluss vom 20. September 2007 noch nicht ent-
schieden.
2. Die Hilfsanträge auf verbesserten aktiven und passiven Lärmschutz haben
nur in dem aus der Beschlussformel zu ersehenden Umfang Erfolg.
2.1 Die Kläger können aus den in den Musterurteilen dargelegten Gründen in
demselben Maße wie dort Planergänzung beanspruchen. Ihrer Klage war des-
halb insoweit stattzugeben.
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2.2 Im Übrigen haben die Hilfsanträge keinen Erfolg. In den Musterurteilen hat
der Senat die vom Kläger weiterhin angegriffene in Teil A II 5.1.7 des Planfest-
stellungsbeschlusses enthaltene Regelung über die Höhe der Entschädigung
mit folgender Begründung als rechtmäßig angesehen (vgl. Urteil vom 16. März
2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - Rn. 422, BVerwGE 125, 116 <268 f.>):
„Die Planfeststellungsbehörde geht davon aus, dass Kosten in Höhe von mehr
als 30 % des Verkehrswertes ‚außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck
stehen’ (PFB S. 666). In Erläuterung und Ergänzung dieser Aussage stellt sie
fest, dass in den Fällen, in denen aufgrund der schlechten Bausubstanz der
Einbau von Schallschutzfenstern nicht zu einer wesentlichen Verbesserung der
Lärmsituation in Innenräumen führt, die Durchführung von Schallschutzmaß-
nahmen unter Kostengesichtspunkten unverhältnismäßig sein kann (PFB
S. 666 f.). Dass die Planfeststellungsbehörde es mit einer Entschädigung in
Höhe von 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäude bewenden
lässt, hält sich in dem durch § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG Bbg abgesteckten recht-
lichen Rahmen. Obwohl dies im Wortlaut, anders als in § 41 Abs. 2 BImSchG,
nicht zum Ausdruck kommt, können Kostengesichtspunkte auch im Anwen-
dungsbereich dieser Bestimmung eine Rolle spielen. Das in der Vorschrift ge-
nannte Merkmal der ‚Untunlichkeit’ ist nach den Vorstellungen des Gesetzge-
bers eine Ausprägung eines allgemeinen Grundsatzes des Inhalts, dass
Schutzmaßnahmen nicht in Betracht kommen, wenn sie ‚wirtschaftlich nicht
vertretbar’ sind (vgl. die Begründung zu § 70 Abs. 2 des Gesetzentwurfs der
Bundesregierung, BTDrucks 7/910 S. 89). Anstatt Kosten aufbringen zu müs-
sen, die außer Verhältnis zu dem mit § 9 Abs. 2 LuftVG verfolgten Schutzziel
stehen würden, hat der Vorhabenträger eine ‚angemessene’ Entschädigung in
Geld zu zahlen. Soweit sich aus § 74 Abs. 2 VwVfGBbg ein Anspruch auf Vor-
kehrungen des passiven Schallschutzes ableiten lässt, hat die Vorschrift von
ihrer Zweckbestimmung her von vornherein ein begrenztes Anwendungsfeld.
Ein Gebäude soll durch technisch-reale Maßnahmen soweit ertüchtigt werden,
dass das Gebäudeinnere gegen unzumutbare Lärmeinwirkungen abgeschirmt
wird. Der Ausgleich nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg ist ein Surrogat für
Lärmschutzeinrichtungen und nicht als Äquivalent für Maßnahmen konzipiert,
die einer Gebäudesanierung gleich oder nahe kommen. Dem Planungsträger ist
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es nicht verwehrt, mit Hilfe einer Kappungsgrenze zu verhindern, dass die
Entschädigung dafür genutzt wird, die Bausubstanz eines Bauwerks, das sich in
einem schlechten Zustand befindet, durch Verbesserungen an den verschie-
densten Umfassungsbauteilen so nachhaltig zu verändern, dass das Gebäude
seine ursprüngliche Identität verliert. Die in Teil A II 5.1.7 (PFB S. 108) getrof-
fene Regelung schießt über dieses Ziel nicht hinaus. Sie trägt den Interessen
der Betroffenen dadurch hinreichend Rechnung, dass sie nicht bloß auf den
Gebäudewert abstellt, sondern als Wertfaktor auch das Grundstück berücksich-
tigt."
Die Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 16. März 2006
- BVerwG 4 A 1075.04 - blieb erfolglos (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar
2008 - 1 BvR 2722/06 - Rn. 72 ff., NVwZ 2008, 780).
Der Senat hat in seinem Beschluss vom 7. Mai 2008 - BVerwG 4 A 1009.07 -
Rn. 20 ff. (NVwZ 2008, 1007 = Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 74) an diesen
Ausführungen festgehalten und ergänzend dargelegt:
„Soweit sich die Kläger unter Berufung auf grundrechtliche Gewährleistungen
und die Europäische Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK) in grundsätzlicher Weise gegen die Festsetzung der Kappungsgrenze
wenden (…), sind die Einwände nicht berechtigt. Sie tragen vor, bei einem
Verweis auf eine Geldentschädigung statt Schallschutzvorkehrungen würden
sie vor die Wahl gestellt, unter Inkaufnahme von Gesundheitsbeeinträchtigun-
gen in einem gegen Fluglärm unzureichend geschützten Haus wohnen zu blei-
ben oder eine Lärmsanierung auf eigene Kosten vorzunehmen oder wegzuzie-
hen. Dies sei mit den grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2,
Art. 11, Art. 14 Abs. 1 GG, den Menschenrechten und Grundfreiheiten der
EMRK, insbesondere des Art. 8 Abs. 1 EMRK, sowie den Gemeinschaftsgrund-
rechten nicht zu vereinbaren.
Mit diesem Vorbringen machen die Kläger der Sache nach, die Verfassungs-
widrigkeit solcher Vorschriften des vorhabenbezogenen Planungs- und Zulas-
sungsrechts geltend, die wie § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG (= § 74 Abs. 2 Satz 3
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VwVfG Bbg) den von den nachteiligen Wirkungen eines Vorhabens Betroffenen
auf eine angemessene Entschädigung in Geld verweisen, wenn physisch-reale
Schutzvorkehrungen, z.B. Schallschutzeinrichtungen, untunlich oder mit dem
Vorhaben unvereinbar sind (vgl. auch § 14 Satz 2 BImSchG, § 11 LuftVG; aus
dem privaten Immissionsschutzrecht § 906 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB).
Denn Inhalt dieser Regelungen ist es gerade, im Falle der Untunlichkeit (Un-
verhältnismäßigkeit) oder Unvereinbarkeit (Unmöglichkeit) dem Betroffenen die
Duldung der nachteiligen Wirkungen aufzuerlegen und als Ausgleich hierfür
(nur) eine Entschädigung zuzubilligen.
Vorschriften dieser Art sind als ausgewogene, die Belange des Vorhabenträ-
gers wie des Betroffenen gleichermaßen wahrende Regelungen verfassungs-
rechtlich unbedenklich. Denn die Pflicht zur Duldung der nachteiligen Wirkun-
gen gegen Entschädigung entfällt, wenn diese Wirkungen die Zumutbarkeits-
grenze überschreiten, die den Übergang zu einer Gefährdung verfassungs-
rechtlich geschützter Rechtsgüter markiert und deshalb einen Anspruch auf
Übernahme des Grundstücks begründet (vgl. hierzu und zum Folgenden
BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - Rn. 375 ff.,
BVerwGE 125, 116 <249 f.> m.w.N.). Diese Grenze ist bei Geräuschimmissio-
nen dann überschritten, wenn die Lärmbelastungen so schwerwiegend sind,
dass ein Wohngrundstück seine Wohnqualität einbüßt und unbewohnbar wird
oder wenn die Einwirkungen den Grad der Gesundheitsgefährdung erreichen.
Sind die Beeinträchtigungen geringer, bewegen sie sich also innerhalb des
Rahmens der sogenannten einfachrechtlichen Unzumutbarkeit, muss der Be-
troffene nach der gesetzgeberischen Entscheidung in § 74 Abs. 2 Satz 3
VwVfG unter den dort genannten Voraussetzungen mit einer Kompensation
durch Geld vorlieb nehmen. Im Fall des Planfeststellungsbeschlusses über den
Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld hat der Senat im Anschluss an seine
bisherige Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs die Annahme der Planfeststellungsbehörde gebilligt,
dass die verfassungsrechtlichen Schutzanforderungen bei einer Lärmbelastung
durch Mittelungspegel (außen) von 70 dB(A) einsetzen.“
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Der Senat hat im genannten Beschluss ferner näher dargelegt, dass auch so-
weit sich die Kläger gegen die konkrete im Planfeststellungsbeschluss festge-
legte Höhe der Kappungsgrenze von 30 % des Verkehrswertes von Grundstück
und Gebäude und die damit einhergehende entsprechende Begrenzung der
Entschädigungshöhe wenden, keine wesentlichen, zu einer Abweichung von
den Ausführungen in den Musterurteilen nötigenden Besonderheiten erkennbar
sind (unter 3.2.3 des Beschlusses).
Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Senats vom 7. Mai
2008 - BVerwG 4 A 1009.07 - hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss
vom 29. Juli 2009 - 1 BvR 1606/08 - nicht zur Entscheidung angenommen.
Diese Ausführungen lassen sich uneingeschränkt auch auf das Grundstück des
Klägers übertragen. Dessen Vorbringen lässt keine Besonderheiten erkennen,
die zu einer abweichenden Beurteilung führen müssten oder jedenfalls Anlass
geben würden, über den Antrag auf Aufhebung der fraglichen Regelung nicht
durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Der Kläger trägt vor, sein - im Übrigen mit Lärmschutzfenstern der Klasse 4
ausgestattetes - Wohnhaus sei durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass
es über drei Wintergärten verfüge, die, insbesondere deren größter (75 m²),
nicht gegen die Schallwellen der heute zum Einsatz kommenden Großflugzeu-
ge ausgelegt sei. Als dieser Wintergarten errichtet worden sei, sei er noch da-
von ausgegangen, dass eine Erweiterung des Flughafens entsprechend den
damaligen landesplanerischen Aussagen nicht in Betracht komme. Daher habe
er sich in der Bauweise nicht auf derartige Höchstbelastungen eingestellt. Die
Wintergärten könnten nicht durch entsprechende Schallschutzvorrichtungen
geschützt werden.
Wie der Senat in den Musterurteilen ausgeführt hat, rechtfertigt sich die Rege-
lung in Teil A II 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses aus dem in § 74
Abs. 2 Satz 3 VwVfG angelegten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Auf-
wendungen, die dem Träger eines Vorhabens auferlegt werden dürfen. Diese
Aufwendungen dürfen nicht außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck
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stehen. Der Geldausgleich ist ein Surrogat für Lärmschutzeinrichtungen und
nicht als Äquivalent für Maßnahmen konzipiert, die einer grundlegenden Ge-
bäudesanierung gleich oder nahe kommen mit der Folge, dass das Gebäude
praktisch seine ursprüngliche Identität verlöre. Dabei handelt es sich um einen
objektiven Maßstab, der an die Beschaffenheit des Gebäudes unabhängig da-
von anknüpft, auf welche Ursache diese besonders hohe Kosten erfordernde
Gebäudeeigenschaften zurückzuführen sind. Insbesondere kommt es nicht
darauf an, ob der Eigentümer den Zustand des Gebäudes in dem Sinne ver-
antworten muss, dass er die gebotene Schalldämmung vernachlässigt hat und
er nunmehr versucht, diese Versäumnisse durch eine entsprechende Entschä-
digung wettzumachen.
Gemessen an diesem Regelungszweck unterfällt auch das Wohngebäude der
Kläger der Begrenzung der fraglichen Bestimmung des Planfeststellungsbe-
schlusses. Dabei beziehen sich die Schwierigkeiten, mit baulichen Mitteln einen
wirksamen Schallschutz zu erreichen, nach dem Vortrag nur auf die Wintergär-
ten oder jedenfalls den größten der Wintergärten. Diese zeichnen sich durch
eine für Wintergärten typische Bauweise aus, bei der das für Wohngebäude im
Übrigen maßgebliche Schalldämmmaß weder angestrebt noch erreicht wird und
deren bauliche Verstärkung nicht ohne weiteres möglich ist oder auf einen
Neubau des entsprechenden Gebäudeteils hinausläuft. Für derartige Gebäude-
teile sind die Ausführungen des Senats im Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG
4 A 1075.04 - Rn. 422 sowie im Beschluss vom 7. Mai 2008 - BVerwG 4 A
1009.07 - ohne weiteres heranzuziehen.
3. Soweit sich der Kläger mit seinem Aufhebungsantrag gegen den 5. Ände-
rungsbeschluss vom 14. September 2006 zum Planfeststellungsbeschluss vom
13. August 2004 wendet, bleibt die Klage ebenfalls ohne Erfolg.
Der Kläger ist der Auffassung, es handele sich um eine wesentliche Änderung,
über die nicht nach § 76 Abs. 2 VwVfG Bbg habe entschieden werden dürfen.
Die 5. Änderung des Planfeststellungsbeschlusses führe zu einer Konzeptver-
änderung, die nur in einem neuen Planfeststellungsverfahren hätte vorgenom-
men werden dürfen. Durch die neuen Festsetzungen werde er in weitaus stär-
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kerem Umfang durch Fluglärm und Schadstoffe belastet, als dies nach dem
ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss der Fall sei.
Dem ist nicht zu folgen. Die Planfeststellungsbehörde ist zu Recht davon aus-
gegangen, dass die 5. Änderung im Verfahren nach § 76 Abs. 2 VwVfG Bbg
beschlossen werden durfte. Danach kann die Planfeststellungsbehörde bei
Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung von einem neuen Planfeststel-
lungsverfahren absehen, wenn die Belange anderer nicht berührt werden. Die-
se Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Auch in der Sache ist nicht zu er-
kennen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig wäre und den Kläger
in seinen Rechten verletzen würde.
Der Kläger trägt zur Begründung seines Standpunkts in erster Linie vor, durch
die Planänderung seien erstmalig und anders als im Planfeststellungsbeschluss
vom 13. August 2004 die gesamten bisherigen Betriebsflächen im Norden des
Flugplatzes in die künftige Nutzung nach der Errichtung des Flughafens BBI
einbezogen worden, wodurch auch die im Norden bestehenden Abfertigungs-
anlagen weiterhin für die Passagierabfertigung verwendet werden könnten.
Dies trifft nicht zu. Die Weiternutzung des vorhandenen nördlichen Bereichs des
Flughafens Berlin-Schönefeld war bereits im Planfeststellungsbeschluss vom
13. August 2004 geregelt und ist nicht erst durch die 5. Änderung ermöglicht
worden. Dies ergibt sich aus dem Geländenutzungs- und Funktionsplan (Anlage
1 zum Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004), in dem die
entsprechenden Flugbetriebsflächen sowie u.a. die Flächen für die bauliche
Nutzung als „zukünftige Nutzung des Bestandes“ enthalten sind. Somit ermög-
lichten die Rollwege von der Vorfläche im Bereich des bisher und gegenwärtig
noch genutzten Abfertigungsgebäudes zur vorhandenen (künftig) nördlichen
Start- und Landebahn zugleich eine Verbindung zum neu planfestgestellten Be-
reich. Bestätigt wird dies dadurch, dass der Planfeststellungsbeschluss vom
13. August 2004 zusätzlich zum vorhandenen Bestand noch einen weiteren
Schnellabrollweg nach Norden (K2) vorgesehen hat. Illustriert wird dieser Be-
fund auch durch die vom Beklagten mit dem Schriftsatz vom 19. Juni 2007
(AS 278 Anl. B1) vorgelegte Darstellung, in der die im Planfeststellungsbe-
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schluss für die zukünftige Nutzung des Bestandes vorgesehenen Flugbetriebs-
flächen in grüner Farbe hervorgehoben werden. Auch die Begründung des
Planfeststellungsbeschlusses geht im Kapitel A II 7.3 „Hochbauanlagen und
innere Verkehrserschließung“ unter Nr. 7.3.6 auf die Weiternutzung der Anla-
gen ausdrücklich ein.
Ferner ist dem 5. Änderungsplanfeststellungsbeschluss deutlich zu entnehmen,
dass die Rollbahnen H1, H3, K1 und K3 nicht erstmalig planfestgestellt werden
sondern lediglich die vorhandene Rollbahn H1 in einem kleinen Teilbereich
verbreitert wird.
Soweit der Kläger ferner darauf verweist, dass der Senat in seinem Urteil vom
16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - Rn. 220 verschiedene Nachteile einer
sogenannten T-Konfiguration dargestellt und es in diesem Zusammenhang
auch als einleuchtend angesehen hat, dass das Kollisionsrisiko durch „Kreu-
zungsverkehr am Boden“ verringert werden soll, werden zwei unterschiedliche
Sachverhalte gleich bewertet. Denn bei einem T-System und damit einer Start-
und Landebahn in Nord-Süd-Richtung hätten Start- und Landebahnen recht-
winklig zueinander gelegen. Demgegenüber geht es vorliegend darum, dass
Rollwege auch dazu genutzt werden können, den Bereich einer Start- und Lan-
debahn zu kreuzen.
Von einer künftigen Nutzung des Flughafens Berlin-Schönefeld auch durch
Flugzeuge der ICAO-Kategorie (code letter) F, beispielsweise den Airbus
A 380, sind bereits die Planfeststellungsbehörde und der Senat in seinem Urteil
vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - Rn. 41 ausgegangen.
Davon abgesehen liegt das Grundstück des Klägers unterhalb der An- und Ab-
flugrouten für die Start- und Landebahn, so dass eine Erhöhung des
Anteils der die nördliche Start- und Landebahn nutzenden Flugzeuge im Ver-
hältnis zu den die südliche Start- und Landebahn nutzenden Flugzeugen ihn
nicht stärker belasten kann.
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Im Übrigen dienen die die Betriebsflächen betreffenden Entscheidungen im
5. Änderungsbeschluss einer sinnvollen Gestaltung der Betriebsabläufe am Bo-
den und der Beachtung der Regelungen der ICAO. Es ist nicht zu erkennen,
dass der Kläger hierdurch in seinen Rechten verletzt sein könnte.
Hinsichtlich der die Entwässerung betreffenden Änderungen im Bescheid vom
14. September 2006 hat der Kläger selbst nichts vorgetragen, was eine Verlet-
zung seiner Rechte begründen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.
Rechtsbehelfsbelehrung
Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichts-
bescheides mündliche Verhandlung beantragen. Der Antrag ist beim Bundes-
verwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektroni-
scher Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBI I S. 3091) einzurei-
chen. Hierfür besteht Vertretungszwang. Jeder Beteiligte muss sich durch einen
Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne
des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevoll-
mächtigten vertreten lassen. Behörden und juristische Personen des öffentli-
chen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufga-
ben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit
Befähigung zum Richteramt einschließlich Diplomjuristen im höheren Verwal-
tungsdienst anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen
Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben
gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Jannasch
Dr. Philipp
Dr. Bumke
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