Urteil des BVerwG vom 26.01.2009

Rechtliches Gehör, Ermessen, Berufsausbildung, Aufklärungspflicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 PKH 12.08
VG 1 K 742/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
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Der Antrag des Klägers, ihm für die Durchführung des Be-
schwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom
9. April 2008 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechts-
anwalt L. beizuordnen, wird abgelehnt.
G r ü n d e :
Der Kläger wurde wegen seiner Einweisungen in ein psychiatrisches Kranken-
haus in der Zeit vom 23. Dezember 1987 bis zum 12. Juli 1988 und vom
27. Januar bis zum 5. Mai 1989 mit Beschluss des Brandenburgischen Ober-
landesgerichts vom 12. August 1996 strafrechtlich rehabilitiert. Seinen Antrag
auf Feststellung dieser Zeiten als Verfolgungszeit nach dem Beruflichen Reha-
bilitierungsgesetz (BerRehaG) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni
2005 ab, da nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger durch die Einwei-
sungen berufliche bzw. rentenrechtliche Nachteile habe. Das Verwaltungsge-
richt hat die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom 9. April 2008 abgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Be-
schwerde eingelegt.
Prozesskostenhilfe kann dem Kläger hierfür nicht bewilligt werden, weil die wei-
tere Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m.
§ 114 Satz 1 ZPO). Ob ihm wegen der Versäumung der Begründungsfrist Wie-
dereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) zu gewähren ist, kann dabei
offenbleiben, da die Beschwerde jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben
kann. Weder weist die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Be-
deutung auf (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch liegt ein Verfahrensfehler vor, auf
dem das Urteil beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Der Kläger hält den Rechtsstreit für grundsätzlich bedeutsam, weil die Frage
der höchstrichterlichen Klärung bedürfe,
„ob die nachwirkenden Folgen eines Psychiatrieaufenthal-
tes, insbesondere die dortige Verabreichung von Medika-
menten, die weiter auf ein bestehendes Berufs- und Aus-
bildungsverhältnis ausstrahlen, trotz Weiterzahlung der
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Pflichtbeiträge für die Rentenversicherung eine berufliche
Rehabilitierung nach sich zieht“.
Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan.
Das Verwaltungsgericht hat seinem Urteil die Rechtsauffassung zugrunde ge-
legt, dass die Zwangseinweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus, auch
wenn sie rechtsstaatswidrig war und der Betroffene deshalb nach dem Straf-
rechtlichen Rehabilitierungsgesetz rehabilitiert wurde, zu einer zusätzlichen
Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz nur führen könne,
wenn sie berufliche Nachteile zur Folge hatte, die über die bloße Verhinderung
einer Berufstätigkeit während der Zeit des Krankenhausaufenthalts hinausge-
hen. Zur Begründung verweist das Verwaltungsgericht darauf, dass Nachteile
aus der bloßen Berufsuntätigkeit sowohl für den Lohnbezug wie für die künftige
Altersversorgung bereits nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz
ausgeglichen werden.
Der Kläger zieht die Richtigkeit dieser Auffassung nicht in Zweifel. Er macht
indes nicht deutlich, was er darüber hinaus geklärt wissen möchte. Offenbar
geht er in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass seine weitere Berufstätigkeit
nicht nur infolge der bloßen Einweisungszeit, sondern darüber hinaus infolge
der im Krankenhaus verabreichten Medikamente weiterwirkend beeinträchtigt
worden sei. Damit unterstellt er jedoch in tatsächlicher Hinsicht einen Sachver-
halt, der vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt worden ist; zudem bleibt die-
ser neue Sachverhalt unbestimmt, weil die weiterreichenden Folgen und „Aus-
strahlungen“ nicht näher bezeichnet werden. Vor allem aber wird damit in recht-
licher Hinsicht keine zusätzliche klärungsbedürftige Frage aufgeworfen; auch
nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist keineswegs ausge-
schlossen, dass besondere Umstände einer Zwangseinweisung, wie sie fortwir-
kende Medikamentierungen sein können, auch zu einem qualifizierten berufli-
chen Nachteil führen können, der dann einer beruflichen Rehabilitierung zu-
gänglich ist.
2. Die Revision kann auch wegen eines Verfahrensmangels nicht zugelassen
werden (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Kläger legt weder eine Verletzung des
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Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1
GG), noch eine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 3
VwGO) schlüssig dar.
Der Kläger wirft dem Verwaltungsgericht vor, es habe seinen Vortrag zu
Nachteilen bei seiner Berufsausbildung sowie zur Verletzung eines Patentrech-
tes nicht zur Kenntnis genommen und damit das Gebot, rechtliches Gehör zu
gewähren, verletzt. Das trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht ist sowohl auf
seinen Vortrag, er habe infolge der Zwangseinweisungen seine Berufsausbil-
dung abbrechen müssen (Urteilsabdruck S. 4), als auch auf die Behauptung
einer Patentrechtsverletzung (Urteilsabdruck S. 5) eingegangen. Offenbar meint
der Kläger, das Verwaltungsgericht habe sich mit seinem diesbezüglichen Vor-
trag genauer befassen müssen. Hierzu nimmt er jeweils auf die als Anlagen zur
Klageschrift vom 15. Juli 2005 vorgelegten „Unterlagen“ Bezug. Auch der Senat
vermag aber diesen „Unterlagen“ keine näheren Anhaltspunkte zu den beiden
in Rede stehenden Fragen zu entnehmen.
Ferner meint der Kläger, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt zu die-
sen beiden Punkten von Amts wegen näher aufklären müssen. Auch dieser
Vorwurf ist unberechtigt. Wenn die Beteiligten keine Beweisanträge gestellt ha-
ben (§ 86 Abs. 2 VwGO), bestimmt das Gericht den Umfang seiner Sachaufklä-
rung nach seinem Ermessen. Es übt dieses Ermessen fehlerhaft aus, wenn es
hinreichend konkreten Anhaltspunkten für bestimmte tatsächliche Umstände
nicht nachgeht. Offenbar spielt der Kläger hierauf an, wenn er auf die mit der
Klagebegründung vorgelegten „Unterlagen“ verweist. Wie aber bereits erwähnt,
ergeben sich aus den Anlagen zur Klageschrift konkrete Anhaltspunkte für die
in Rede stehenden Behauptungen nicht.
Kley Dr. Dette Prof. Dr. Rennert
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