Urteil des BVerwG vom 23.07.2008

Rechtliches Gehör, Einzelrichter, Anhörung, Verfolgter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 PKH 1.08 (3 B 2.08)
VG 9 A 4.06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Buchheister
beschlossen:
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Der Antrag des Klägers, ihm für die Durchführung des
Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom
30. Oktober 2007 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und
Rechtsanwalt R. M.-A., L. Str. …, … B., beizuordnen, wird
abgelehnt.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt vom Beklagten verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nach
§ 1 Abs. 1 VwRehaG und berufliche Rehabilitierung nach § 1 Abs. 1 BerRehaG
wegen der Nichtzulassung zum Studium der klinischen Psychologie an der
Humboldt-Universität zu Berlin in den Jahren 1980 bis 1989. Wegen der Nicht-
zulassung zum Nautikstudium in Warnemünde im Jahr 1979 ist er bereits an-
derweitig als verfolgter Schüler nach § 3 Abs. 1 BerRehaG anerkannt worden.
Die gegen die Ablehnung seiner Rehabilitierung durch den Beklagten erhobene
Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der
Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, für die er
Prozesskostenhilfe begehrt.
Prozesskostenhilfe kann dem Kläger nicht bewilligt werden, weil die von ihm
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet
(§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Die geltend gemachten Zulassungsgründe
eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 1.) und der grundsätzli-
chen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 2.) liegen nicht
vor.
1. Die Verfahrensrüge ist nicht berechtigt. Der Kläger wirft dem Verwaltungsge-
richt vor, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör und sein Recht auf den ge-
setzlichen Richter verletzt zu haben. Er habe zu der mündlichen Verhandlung
aus gesundheitlichen Gründen nicht erscheinen können und habe sich rechtzei-
tig krank gemeldet. In seiner Abwesenheit sei von einem Einzelrichter ent-
schieden worden, ohne dass er Gelegenheit gehabt habe, zur Übertragung auf
den Einzelrichter Stellung zu nehmen.
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a) Der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe mündlich verhandelt und ent-
schieden, obwohl der Kläger sich rechtzeitig krank gemeldet habe, trifft nicht zu.
Der Kläger hat ausweislich der Gerichtsakten nach Erhalt der Ladung bis zum
Termin der mündlichen Verhandlung (30. Oktober 2007) keinerlei Mitteilung an
das Gericht gemacht oder gar einen Vertagungsantrag gestellt. Das Gericht
konnte deshalb ohne den ordnungsgemäß geladenen Kläger verhandeln und
entscheiden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Kläger hat lediglich, nachdem das Urteil
bereits ergangen war, mit Schriftsatz vom 4. November 2007 mitgeteilt, dass er
wegen eines Hexenschuss-Vorfalls am 30. und 31. Oktober 2007 „fast völlig
bewegungsunfähig“ im Bett gelegen habe und deshalb um Wiedereinsetzung
bitte, was das Verwaltungsgericht abgelehnt hat. Darauf geht der Kläger in der
Zulassungsbegründung nicht ein. Eine zur Zulassung der Revision führende
Verletzung des rechtlichen Gehörs ließe sich hierauf im Übrigen nicht stützen,
weil es an jeglicher Glaubhaftmachung des angeblichen Hinderungsgrundes
fehlt. Die bloße Behauptung, man habe am Terminstag krankheitsbedingt
weder bei Gericht erscheinen noch eine Nachricht über die Verhinderung
übermitteln können, reicht dafür ersichtlich nicht aus.
b) Die weitere Rüge des Klägers, er sei vor Erlass des Beschlusses zur Über-
tragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter (§ 6 VwGO) nicht angehört wor-
den, genügt nicht den Darlegungsanforderungen, weil nicht aufgezeigt wird,
was der Kläger im Falle einer vorherigen Anhörung vorgetragen hätte. Der in
der unterbliebenen vorherigen Anhörung liegende Mangel (vgl. dazu Urteil vom
10. November 1999 - BVerwG 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 40 <45> = Buchholz
448.0 § 3 WPflG Nr. 21 S. 1 <3 f.>) kann im Übrigen auch deshalb nicht zu ei-
ner Zulassung der Revision führen, weil der Kläger vor dem Verwaltungsgericht
nichts unternommen hat, um den Gehörsverstoß zu korrigieren. Es hätte ihm
oblegen, nach Bekanntgabe des Übertragungsbeschlusses, die mit der Ladung
zur mündlichen Verhandlung vom 18. September 2007 erfolgte, der Einzelrich-
terübertragung zu widersprechen, um jedenfalls die Prüfung einer Rückübertra-
gung auf die Kammer zu erreichen (s. Urteil vom 10. November 1999 a.a.O.
S. 45 f.).
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Für die vom Kläger in diesem Zusammenhang außerdem gerügte Verletzung
des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist
nichts ersichtlich. Selbst der Kläger behauptet nicht, dass willkürliche oder
sachfremde Erwägungen für die Fehlerhaftigkeit des gerügten Mangels be-
stimmend gewesen seien.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger trägt insoweit lediglich vor, von grundsätzlicher
Bedeutung sei die Frage, „ob jemand, der in Stasi-Akten geführt ist und der zu
keinerlei Studium zugelassen wurde, auch nicht zu einem anderen Studium,
aufgrund dessen er bei seinen Noten - wie sich aus dem Bescheid ergibt -
überdurchschnittliche Leistungen erbracht hatte, durch staatliche Einflussnah-
me das Studium nicht erreicht werden kann mit der Begründung, wie es das
Ausgangsgericht versucht, in seinem Anspruchsansinnen abgelehnt werden
kann, es habe sich um ein allgemeines Schicksal gehandelt“. Diese Wertung
komme - so der Kläger weiter - den historischen Fakten der Diskriminierung
Verfolgter nicht ausreichend nach, so dass die Angelegenheit grundsätzliche
Bedeutung habe. Diese Ausführungen genügen nicht im Ansatz zur Darlegung
des Zulassungsgrundes, weil jede nähere Auseinandersetzung mit den erstin-
stanzlichen Entscheidungsgründen und der bereits vorliegenden Rechtspre-
chung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 21. Januar 1999 - BVerwG 3 C 5.98 -
BVerwGE 108, 241; Beschluss vom 11. November 1998 - BVerwG 3 B 143.98 -
juris) fehlen. Dass aus Anlass dieses Falles in einem Revisionsverfahren noch
ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung geklärt werden könnten, ist
auch sonst nicht ersichtlich.
Kley
Dr. Dette
Buchheister
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