Urteil des BVerwG vom 18.11.2010

Bse, Gemeinschaftsrecht, Parlament, Unternehmen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
SCHLUSSURTEIL
BVerwG 3 C 9.10 (3 C 8.07)
VGH 9 S 2921/04
Verkündet
am 18. November 2010
Harnisch
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
Buchheister und Dr. Wysk
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Septem-
ber 2006 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten über Gebühren für die amtliche Untersuchung von Rin-
dern auf Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE).
Die Klägerin ist ein Schlacht- und Zerlegebetrieb der fleischverarbeitenden In-
dustrie. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 zog das Landratsamt Enzkreis sie
zu Gebühren für die in ihrem Betrieb im Monat Juli 2001 durchgeführten BSE-
Untersuchungen an Schlachtrindern in Höhe von insgesamt 116 467,95 €
(227 791,52 DM) heran. Der Betrag setzt sich laut Bescheid aus Gebühren für
Probenahmen für freiwillige BSE-Tests in Höhe von 1 976,29 € (3 865,29 DM)
sowie für die Durchführung von 5 973 amtlichen BSE-Tests in Höhe von
114 553,52 € (224 047,23 DM) zusammen. Von den amtlichen BSE-Tests be-
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zogen sich 4 980 Tests auf über 30 Monate alte Rinder und 993 Tests auf jün-
gere, aber über 24 Monate alte Rinder.
Nachdem über ihren Widerspruch nicht entschieden wurde, hat die Klägerin
Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, dass eine wirksame
Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung fehle. Diese könne sich nicht auf
fleischhygienerechtliche Vorschriften stützen, da es sich bei BSE um eine Tier-
seuche handele. Die Ermächtigungsgrundlage im Fleischhygienegesetz sei zu
unbestimmt; die darauf gestützte BSE-Untersuchungsverordnung verstoße ge-
gen das Zitiergebot. Die erheblich in Grundrechte eingreifende Einführung eines
BSE-Zwangstests habe durch Gesetz geregelt werden müssen. Das Ge-
meinschaftsrecht lasse außerdem die generelle Einführung von BSE-Tests bei
Rindern bis 30 Monaten nicht zu.
Die Klage ist vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht oh-
ne Erfolg geblieben. Zur Begründung wird in den Entscheidungen im Wesentli-
chen ausgeführt: Die Gebührenerhebung stütze sich auf wirksame Rechts-
grundlagen in der Fleischhygiene-Gebührenverordnung und dem Gesetz zur
Ausführung des Fleischhygienegesetzes. Die gebührenpflichtigen Amtshand-
lungen seien rechtmäßig. Der Verordnungsgeber der BSE-Untersuchungs-
verordnung habe insbesondere die Altersgrenze für die Pflichtuntersuchung
ohne Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht herabsetzen dürfen. Zwar sehe das
Gemeinschaftsrecht eine generelle Untersuchungspflicht nur für alle mehr als
30 Monate alten Tiere vor, die für den menschlichen Verzehr geschlachtet wür-
den. Dem könne aber kein Verbot der Untersuchung jüngerer Rinder entnom-
men werden.
Die dagegen geführte Revision der Klägerin hat der erkennende Senat zurück-
gewiesen, soweit sie die mit dem angefochtenen Bescheid erhobenen Gebüh-
ren für die freiwilligen BSE-Tests sowie für die amtlichen BSE-Tests der über 30
Monate alten Rinder betrifft (Teilurteil vom 25. September 2008 - BVerwG 3 C
8.07 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 28 = LRE 58, 122). Hinsichtlich der
Gebühren für die Untersuchung der jüngeren Rinder hat er das Verfahren
ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentschei-
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dung vorgelegt, ob die durch die BSE-Untersuchungsverordnung erfolgte Aus-
weitung der Untersuchungspflicht auf über 24 Monate alte Rinder mit dem Ge-
meinschaftsrecht vereinbar ist. Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof
mit Urteil vom 25. Februar 2010 (C-562/08) bejaht.
Die Klägerin macht zur weiteren Begründung der Revision geltend, dass die
Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht nicht die Frage kläre, ob die Kosten
für die BSE-Tests auf sie abgewälzt werden könnten. Die Unternehmen der
Fleischwirtschaft seien keine Veranlasser der Untersuchungskosten, sondern
selbst Opfer der Tierseuche, deren Bekämpfung der Allgemeinheit diene. Durch
die unterschiedlich hohen Gebühren in den einzelnen Ländern werde zudem
gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes verstoßen; eine Kontrolle der
Einnahmen durch Parlament und Regierung sei mangels einheitlicher Vorgaben
für die Gebührenerhebung nicht mehr gegeben.
II
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil verstößt auch insoweit nicht
gegen Bundesrecht oder Gemeinschaftsrecht, als es den angefochtenen Be-
scheid hinsichtlich der Gebühren für die amtlichen BSE-Tests der über 24 bis
30 Monate alten Rinder für rechtmäßig und die Klägerin nicht in ihren Rechten
verletzt ansieht.
Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Februar 2010
(C-562/08) ist geklärt, dass die Verpflichtung zur Testung von Rindern dieser
Altersgruppe nach der BSE-Untersuchungsverordnung mit dem Gemein-
schaftsrecht vereinbar ist. Hinsichtlich der Vereinbarkeit der Gebührenerhebung
mit Bundesrecht ergibt sich für die jüngeren Rinder nichts anderes als für die Al-
tersgruppe der über 30 Monate alten Rinder. Insoweit wird zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die Ausführungen in dem in dieser Sache ergangenen
Teilurteil des Senats vom 25. September 2008 (a.a.O.) verwiesen.
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Die Einwände der Klägerin führen nicht weiter. Nach den landesrechtlichen
Gebührenvorschriften ist sie als Schlacht- und Zerlegebetrieb Gebührenschuld-
nerin. Bundesrechtlich ist dagegen nichts zu erinnern. Auch wenn die Untersu-
chung von Schlachtrindern auf Krankheiten wie BSE im Interesse der Allge-
meinheit liegt, entsteht den fleischverarbeitenden Unternehmen ein spezifischer
Vorteil, an den die Gebührenerhebung anknüpfen darf. Dass in anderen Län-
dern Gebühren in abweichender Höhe angesetzt werden, begründet weder ei-
nen Gleichheitsverstoß (s. dazu bereits Teilurteil vom 25. September 2008
a.a.O. Rn. 47), noch gerät es in Konflikt mit der von der Klägerin nunmehr an-
geführten Finanzverfassung des Grundgesetzes. Die vom Bundesrecht vorge-
gebene Erhebung kostendeckender Gebühren durch die Länder kann je nach
Höhe der anfallenden Personal- und Sachkosten Unterschiede in der Gebüh-
renhöhe bedingen. Warum dadurch eine Kontrolle der Einnahmen durch Par-
lament und Regierung entfallen sollte, erschließt sich nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Kley
Liebler
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Buchheister
Dr. Wysk
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