Urteil des BVerwG vom 24.02.2005

Erlöschen des Anspruchs, Unterbrechung der Verjährung, Absolute Verjährungsfrist, Absolute Frist

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 56.04
VGH 11 UE 2379/02
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. D e t t e , L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen den Beschluss des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2004 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Gebüh-
ren für die Zulassung behandelter Blutpräparate durch das Paul-Ehrlich-Institut in
Höhe von 45 200 DM.
Die Klägerin beantragte am 20. Dezember 1988 beim Bundesgesundheitsamt die
Zulassung und Registrierung von Thrombozytenkonzentraten, die zur Inaktivierung
von Blutbestandteilen mit ionisierenden Strahlen behandelt werden. Am 16. Juli 1990
beantragte sie die Zulassung und Registrierung entsprechend behandelter Erythro-
zytenkonzentrate. Daraufhin erhielt die Klägerin am 20. Januar 1998 vom Paul-
Ehrlich-Institut - Bundesamt für Sera und Impfstoffe - als Rechtsnachfolger des Bun-
desgesundheitsamtes für den hier maßgeblichen Zulassungsbereich Zulassungen für
insgesamt vier Thrombozyten- und acht Erythrozytenkonzentrate, jeweils differenziert
nach Blutgruppenmerkmalen.
Am 21. Januar 1998 erließ das Paul-Ehrlich-Institut einen Kostenbescheid über ins-
gesamt 45 600 DM, bestehend aus 45 200 DM Gebühren gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6d
PEI-KostVO und 400 DM Auslagen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 Verwaltungskostenge-
setz (VwKostG). Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, den das Paul-Ehrlich-
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Institut durch Bescheid vom 2. November 1999 als unbegründet zurückwies, da der
Klägerin die von ihr beanspruchte Gebührenfreiheit nicht zustehe.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin daran festgehalten, dass sie Gebührenfreiheit genie-
ße. Außerdem sei die Gebührenforderung verjährt.
Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid - mit Ausnahme des Aus-
lagenbetrages von 400 DM - durch Urteil vom 13. Juni 2001 mit der Begründung auf-
gehoben, die Gebührenforderung sei verjährt, da die vierjährige Verjährungsfrist des
§ 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG mit der Antragstellung im Dezember 1988 zu
laufen begonnen habe und daher bei Erlass des Kostenbescheids bereits abgelaufen
sei.
Die Berufung der Beklagten hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof durch Be-
schluss vom 6. Oktober 2004 mit derselben Begründung zurückgewiesen. Dazu hat
er ausgeführt, neben der dreijährigen Frist für die Verjährung eines Anspruchs auf
Zahlung von Kosten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwKostG, die gemäß § 20
Abs. 1 Satz 2 VwKostG mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem der
Anspruch fällig geworden sei, sei die vierjährige mit Entstehung des Kostenan-
spruchs beginnende Frist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG als weitere
eigenständige Verjährungsfrist zu beachten. Im Falle einer notwendigen Antragstel-
lung auf Vornahme einer gebührenpflichtigen Amtshandlung beginne diese Verjäh-
rungsfrist gemäß § 11 Abs. 1 VwKostG mit dem Eingang des Antrags bei der zu-
ständigen Behörde.
Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das
Ziel der Klageabweisung weiter. Sie ist der Auffassung, die Gebührenansprüche sei-
en bei Erlass der angefochtenen Bescheide nicht verjährt gewesen. Auch die absolu-
te Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG beginne erst mit der
Fälligkeit der Kostenforderung zu laufen. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 20
Abs. 1 Satz 2 VwKostG, der generell vom Beginn der Verjährung spreche. Zu
Unrecht meine das Berufungsgericht, § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG ent-
halte mit dem Verweis auf die Entstehung des Anspruchs auf Zahlung von Kosten
einen eigenständigen Anknüpfungspunkt, der mit § 11 Abs. 1 VwKostG korrespon-
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diere. Die Gebührenschuld in der letztgenannten Bestimmung sei etwas anderes als
der Anspruch auf Zahlung von Kosten. § 11 Abs. 1 VwKostG begründe nur eine Kos-
tenpflicht dem Grunde nach und noch keine konkrete Kostenpflicht. Diese entstehe
erst durch die Festsetzung nach § 14 VwKostG. Die Auffassung des Berufungsge-
richts führe zu dem unhaltbaren Ergebnis, dass die Gebührenforderung verjähre,
bevor sie überhaupt fällig geworden sei.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Vertreter des Bundesin-
teresses beteiligt sich nicht am Verfahren.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein
Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Kosten für die Arzneimittelzulas-
sung ist § 33 Abs. 1 AMG. Danach erhebt die zuständige Bundesoberbehörde für die
Entscheidungen über die Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz Kosten (Gebühren
und Auslagen). Die nähere Bestimmung der gebührenpflichtigen Tatbestände und
die anzuwendenden festen Sätze oder Rahmensätze werden nach § 33 Abs. 2
Satz 1 AMG durch Rechtsverordnung vom Bundesministerium im Einvernehmen mit
dem Bundesministerium für Wirtschaft festgelegt. Dies ist durch die Kostenverord-
nung für die Zulassung von Arzneimitteln durch das Bundesgesundheitsamt vom
20. Juni 1990 (BGBl I S. 1196), die Nachfolgeverordnung vom 16. September 1993
(BGBl I S. 1634) sowie die dazu ergangene Änderungsverordnung vom 23. Dezem-
ber 1998 (BGBl I S. 4054) geschehen. Im Übrigen bestimmt § 33 Abs. 3 AMG, dass
das Verwaltungskostengesetz Anwendung findet. Dieses regelt in § 20 VwKostG die
Verjährung, auf die die Vorinstanzen die Aufhebung der angefochtenen Gebühren-
bescheide gestützt haben.
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, die Bescheide seien rechtswidrig,
weil die Gebührenansprüche bei ihrer Festsetzung bereits verjährt waren.
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Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG verjährt der Anspruch auf Zahlung von Kosten
- zu diesen gehören nach § 1 Abs. 1 VwKostG Gebühren und Auslagen - nach drei
Jahren, spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung. Das
Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass hier der 2. Halbsatz zur Anwendung
kommt, der mit der Formulierung "spätestens" die absolute Grenze für die Verjährung
setzt. In der Literatur wird diese Auffassung von Schlabach, Verwaltungskostenrecht,
§ 20 VwKostG Rn. 8 geteilt. Für die Entstehung des Anspruchs stellt das
Berufungsgericht auf § 11 Abs. 1 VwKostG ab. Demgegenüber meint die Beklagte,
aus § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG ergebe sich, dass der Verjährungsbeginn in jedem
Fall - also auch in der 2. Alternative des § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG - die Fälligkeit
der Forderung voraussetze. Dem ist nicht zu folgen.
Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG spricht eindeutig für die Auffassung
des Berufungsgerichts. In dieser Bestimmung sind zwei Verjährungsfristen von drei
und von vier Jahren genannt, wobei die zweite Frist spätestens mit dem Ablauf des
vierten Jahres nach der Entstehung enden soll. In dieser Alternative ist also ein ei-
genständiger Anknüpfungspunkt für den Lauf der Verjährungsfrist genannt. Durch
den Begriff "spätestens" ist klargestellt, dass es sich insoweit um eine absolute Frist-
bestimmung handelt. Die Entstehung des Anspruchs, auf die § 20 Abs. 1 Satz 1
Halbsatz 2 VwKostG Bezug nimmt, ist in § 11 VwKostG geregelt. Danach entsteht
die Gebührenschuld, soweit ein Antrag notwendig ist, mit dessen Eingang bei der
zuständigen Behörde, im Übrigen mit der Beendigung der gebührenpflichtigen Amts-
handlung. Die Auffassung der Beklagten, § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG
beziehe sich nicht auf § 11 Abs. 1 VwKostG, ist nicht nachvollziehbar. Der Anspruch
auf Zahlung von Kosten ist das notwendige Korrelat der in § 11 Abs. 1 VwKostG an-
gesprochenen Gebührenschuld. Es bleibt also dabei, dass die 2. Alternative des § 20
Abs. 1 Satz 1 VwKostG einen eigenständigen klaren Bezugsrahmen hat.
Dieser Bezugsrahmen würde völlig verändert, wenn auch die vierjährige Verjäh-
rungsfrist nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VwKostG von der vorherigen Fälligkeit der Forde-
rung abhängig gemacht würde. Aus der nach der Formulierung erkennbaren Absicht,
eine absolute Frist zu setzen, würde auch insoweit eine bewegliche Frist. Damit wür-
de die Regelung überflüssig und gegenstandslos, denn die unzweifelhaft an die Fäl-
ligkeit anknüpfende dreijährige Verjährungsfrist des 1. Halbsatzes wäre notwendi-
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gerweise stets bereits abgelaufen, wenn die vierjährige Verjährungsfrist zu Ende
ginge. Eine derart sinnlose Regelung kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt wer-
den.
Entscheidend fällt für die Auslegung des Berufungsgerichts der Sinn und Zweck der
Regelung ins Gewicht. Verjährungsvorschriften haben die Aufgabe, dem Rechtsfrie-
den zu dienen und Rechtssicherheit herzustellen. Nach einer bestimmten Zeit soll
der Anspruchsverpflichtete die Sicherheit haben, nicht mehr in Anspruch genommen
zu werden. Mit dieser Zielrichtung ist die Auslegung der Beklagten nicht zu vereinba-
ren. Da die Fälligkeit der Kostenforderung danach vom Erlass eines Kostenbeschei-
des abhängt, wäre es in das Belieben der Behörde gestellt, wann sie ihren Kosten-
anspruch geltend macht und damit fällig stellt. Erst dann würde überhaupt eine Ver-
jährungsfrist zu laufen beginnen.
Aus diesem Grunde geht auch die dem zivilrechtlichen Denken verhaftete Argumen-
tation der Beklagten fehl, eine Forderung könne nicht vor Eintritt ihrer Fälligkeit ver-
jähren. Im öffentlichen Recht ist dies durchaus keine ungewöhnliche Gestaltung. So
kennt die Abgabenordnung in den §§ 169 bis 171 AO eine Festsetzungsfrist, bei de-
ren Verstreichen die öffentlich-rechtliche Forderung erlischt. Von dieser Festset-
zungsverjährung ist die Zahlungsverjährung zu unterscheiden, deren Gegenstand
der entstandene und festgesetzte Anspruch ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
§ 169 Vorbemerkung 20).
Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungskostengesetzes gibt keinen Anlass zu
einer von Wortlaut und Sinn und Zweck abweichenden Auslegung. Der Gesetzent-
wurf der Bundesregierung sah vor, dass der Anspruch auf Zahlung von Kosten durch
Verjährung nach drei Jahren erlischt, wobei die Frist mit dem Ablauf des Kalender-
jahres beginnen sollte, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl. BTDrucks VI/330
S. 6). Die Entwurfbegründung verwies auf entsprechende Regelungen in der Reichs-
abgabenordnung (BTDrucks VI/330 S. 17). Auf Anregung des Bundesrates erhielt die
Vorschrift die Gesetz gewordene Fassung. Zur Begründung hieß es, die vorge-
schlagene Fassung unterscheide systematisch klar zwischen dem Eintritt der Verjäh-
rung und dem Erlöschen des Anspruchs; darüber hinaus werde im Gegensatz zur
Regierungsvorlage primär auf die Fälligkeit des Kostenanspruchs abgestellt. Eindeu-
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tige Klarheit über das Verhältnis der beiden unterschiedlichen Verjährungsfristen
lässt sich hieraus allenfalls insoweit gewinnen, als der Gesetzgeber ersichtlich bei-
den Regelungen eine eigenständige Bedeutung beigemessen hat. Wenn von einem
primären Abstellen auf die Fälligkeit die Rede ist, muss die zweite Frist zumindest
sekundär auch Bedeutung haben. Dies wäre aber bei der von der Beklagten für rich-
tig gehaltenen Auslegung nicht der Fall.
Für ihre abweichende Auffassung beruft sich die Beklagte schließlich auf § 20 Abs. 3
und 6 VwKostG. Sie meint, da die dort getroffenen Bestimmungen über die Unter-
brechung der Verjährung und das Hinausschieben des Erlöschens im Falle der An-
fechtung einer Kostenentscheidung jeweils eine Kostenfestsetzung und damit die
Fälligkeit des Kostenanspruchs voraussetzen, ergebe sich ein unauflösbarer Wer-
tungswiderspruch, wenn in § 20 Abs. 1 VwKostG die Möglichkeit einer Verjährung
ohne vorgängige Kostenfestsetzung angenommen werde. Das überzeugt nicht. Es ist
schon nicht richtig, dass die in § 20 Abs. 3 VwKostG geregelten Unterbrechungs-
tatbestände sämtlich den vorherigen Erlass eines Kostenbescheides voraussetzten.
So wird die Verjährung beispielsweise unterbrochen durch Ermittlungen des Kosten-
gläubigers über Wohnsitz oder Aufenthalt des Zahlungspflichtigen. Die Notwendigkeit
zu solchen Maßnahmen kann sich auch vor Erlass des Kostenbescheides ergeben,
wenn der Adressat nicht ohne weiteres auffindbar ist. In diesem Fall führt die
notwendige Ermittlung bereits zur Unterbrechung der Festsetzungsfrist. Im Übrigen
ist aber entscheidend, dass der Eintritt der Festsetzungsverjährung wegen Nicht-
Tätigwerdens des Kostengläubigers unabhängig davon sinnvoll sein kann, ob die
gesetzlich geregelten Unterbrechungstatbestände sich auch auf den Lauf der Fest-
setzungsfrist oder nur auf den Lauf der durch den Kostenbescheid in Gang gesetzten
Zahlungsfrist beziehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Dette
Liebler Prof. Dr. Rennert
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 23 110 € fest-
gesetzt.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Dette
Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Gesundheitsverwaltungsrecht - Arzneimittelrecht -
Fachpresse: nein
Rechtsquellen:
AMG
§ 33
VwKostG §§ 11, 14, 17, 20
Stichworte:
Gebühren für Arzneimittelzulassung; Verjährung von Gebührenforderungen; Festset-
zungsverjährung; Zahlungsverjährung; Entstehung der Gebührenschuld; Fälligkeit
der Gebührenschuld.
Leitsatz:
Der Gebührenanspruch für die Zulassung oder die Nachzulassung eines Arzneimit-
tels verjährt nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG vier Jahre nach Stellung
des Zulassungsantrags ohne Rücksicht auf die Fälligkeit.
Urteil des 3. Senats vom 24. Februar 2005 - BVerwG 3 C 56.04
I. VG Darmstadt vom 13.06.2002 - Az.: VG 3 E 2546/99(1) -
II. VGH Kassel vom 06.10.2004 - Az.: VGH 11 UE 2379/02 -