Urteil des BVerwG vom 08.09.2005

Arglistige Täuschung, Auflösende Bedingung, Darlehensvertrag, Treu Und Glauben

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 50.04
OVG 1 L 113/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. September 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. D e t t e , L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
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Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-
Anhalt vom 1. April 2004 wird geändert. Die Berufung des Be-
klagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom
27. November 2003 wird zurückgewiesen, soweit dieses den
Rückforderungsbescheid des Regierungspräsidiums Halle vom
1. Dezember 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom
16. Februar 2001 hinsichtlich der angeordneten Zinszahlung
aufgehoben hat.
Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.
G r ü n d e :
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Klägerin zur Verzinsung eines inzwischen
zurückgezahlten Darlehens, das ihr als zinsloses Darlehen für die Errichtung einer
Tiefgarage in H. gewährt worden war.
Unter dem 27. März 1998 beantragte die Klägerin beim Regierungspräsidium H. die
Bewilligung eines zinslosen Darlehens von 8 Mio. DM gemäß der Richtlinie über die
Gewährung von Zuwendungen des Landes Sachsen-Anhalt zur Förderung einer
nachhaltigen Stadtentwicklung (RdERL. des MWV vom 23. Juni 1997, MBl. LSA
S. 1289). Das Darlehen war bestimmt für 330 öffentliche Stellplätze in einer Tiefga-
rage, die die Klägerin im Rahmen des Projekts "H.-haus-Karree" plante. Der beige-
fügte Finanzierungsplan sah vor, dass die Errichtungskosten von 45 000 DM je Stell-
platz durch Fremdmittel von 13 000 DM, Eigenleistungen von 7 758 DM sowie in Hö-
he von 24 242 DM durch das beantragte Darlehen gedeckt werden sollten.
Durch Bescheid vom 9. Dezember 1998 bewilligte das Regierungspräsidium H. für
den Bau der Tiefgarage mit mindestens 330 öffentlichen Stellplätzen ein Darlehen
mit zinsfreier Gewährung bis zu einer Gesamthöhe von 8 Mio. DM. In dem Bescheid
heißt es, die Darlehensgewährung sowie die Rückzahlungsbedingungen würden im
Einzelnen in einem Darlehensvertrag geregelt; die Wirksamkeit der Bewilligung sei
durch den Abschluss des Darlehensvertrages aufschiebend bedingt. Der Bescheid
legte weiter fest, dass für die Auszahlung, die Verwendung und den Nachweis der
Zuwendung die Bestimmungen der Förderrichtlinie sowie § 44 LHO und die hierzu
erlassenen Verwaltungsvorschriften nebst Anlagen gälten. Die allgemeinen Neben-
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bestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P, Anlage 2 zu VV
Nr. 5.1 zu § 44 LHO) seien Bestandteil des Bescheides. Hinsichtlich der Mitteilungs-
pflichten des Zuwendungsempfängers wurde auf Nr. 5 ANBest-P verwiesen.
Am 13. Januar 1999 schlossen das Land, vertreten durch das Regierungspräsidium
H. und die Klägerin einen Darlehensvertrag über die Gewährung eines zinslosen
Darlehens in Höhe von 8 Mio. DM als Anteilsfinanzierung für die Schaffung einer
Quartiersgarage mit 350 Tiefgaragen-Einstellplätzen, davon 330 öffentliche Stellplät-
ze. Das Darlehen war spätestens bis zum 31. Dezember 2003 zurückzuzahlen. Der
Darlehensgeber erhielt das Recht zur fristlosen Kündigung, wenn der Bewilligungs-
bescheid ganz oder teilweise aufgehoben oder aus sonstigen Gründen ganz oder
teilweise unwirksam werde. Das Darlehen war durch Bankbürgschaft zu sichern. Die
Abtretung der Rechte und Ansprüche aus dem Darlehensvertrag war nach dessen
§ 7 nur mit Zustimmung des Darlehensgebers zulässig. Als Erfüllungsort und Ge-
richtsstand wurde H. vereinbart. Das Darlehen wurde in zwei Raten am 19. März
1999 und am 25. November 1999 von dem Beklagten ausgezahlt.
Bereits am 30. Dezember 1998 hatte die Klägerin die zu errichtende Tiefgarage so-
wie einen entsprechenden Miteigentumsanteil am Grundstück zu einem Kaufpreis
von 14 512 560 DM an eine Grundstücksgesellschaft veräußert. Der Kaufpreis war
als hundertprozentige Anzahlung gegen Gestellung einer Bankbürgschaft sofort zins-
los zur Zahlung fällig. Die Klägerin trat den Anspruch auf Auszahlung des vom Land
bewilligten Darlehens in dem Vertrag an die Käuferin unter der aufschiebenden Be-
dingung ab, dass die Käuferin in den zwischen dem Land und der Klägerin abzu-
schließenden Darlehensvertrag eintreten könne; sollte dies nicht möglich sein, ver-
pflichtete sich die Klägerin, die Käuferin wirtschaftlich so zu stellen, als hätte sie in
den Darlehensvertrag eintreten können. Die Klägerin verpflichtete sich, die Tiefgara-
ge mit insgesamt 378 Stellplätzen herzustellen. Besitz, Nutzungen, Lasten und Ge-
fahr sollten nach schlüsselfertiger Herstellung der Garage auf die Käuferin überge-
hen.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 1999 teilte die Klägerin dem Regierungspräsidium
die Veräußerung der Tiefgarage mit. Daraufhin forderte das Regierungspräsidium die
Klägerin durch Bescheid vom 1. Dezember 2000 zur Rückzahlung des Darlehens in
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Höhe von 8 Mio. DM nebst 3 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Auszahlung auf
und focht zugleich den Darlehensvertrag vom 13. Januar 1999 wegen arglistiger
Täuschung an. Hilfsweise erklärte das Regierungspräsidium die fristlose Kündigung
des Darlehensvertrages wegen der eingetretenen Unwirksamkeit des Bewilligungs-
bescheides. Die Rückforderung war gestützt auf § 49a Abs. 1 VwVfG LSA. Dazu
hieß es, der Bewilligungsbescheid sei durch Eintritt einer auflösenden Bedingung
unwirksam geworden. Gemäß Nr. 2 der zum Bestandteil des Bewilligungsbescheides
gemachten ANBest-P ermäßige sich die Zuwendung durch das Hinzutreten neuer
Deckungsmittel. Vorliegend seien der Klägerin durch den Verkauf des Förderobjekts
am 30. Dezember 1998 - bezogen auf den geförderten Anteil der Tiefgarage -
12 669 694 DM als zusätzliche Mittel zugeflossen. Damit sei die Klägerin in der Lage
gewesen, das Förderobjekt auch ohne die gewährte Zuwendung zu finanzieren. Die
Zuwendung habe sich deshalb auf null ermäßigt. Dem daraus folgenden Erstat-
tungsanspruch stehe die Darlehensvereinbarung vom 13. Januar 1999 nicht entge-
gen. Bei Abschluss dieses Vertrages habe die Klägerin die Bewilligungsbehörde über
den Umstand getäuscht, dass sie bereits am 30. Dezember 1998 die Tiefgarage
veräußert gehabt habe und dass ihr der Kaufpreis bereits zugeflossen sei. Durch die
Anfechtung sei der Darlehensvertrag gemäß § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nich-
tig.
Den Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium durch Bescheid vom
16. Februar 2001 zurück.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, der Rückforderungsbescheid sei rechts-
widrig. Die allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung
(ANBest-P) seien nicht wirksam zum Bestandteil des Bewilligungsbescheides ge-
macht worden. Außerdem seien der Klägerin durch den Verkauf keine neuen De-
ckungsmittel zugeflossen. Sie habe auf den Kaufpreis keinen Zugriff gehabt. Zudem
stünde der Kaufpreis nicht im Zusammenhang mit dem Zuwendungsgegenstand. Die
Zuwendung sei gewährt worden zur Deckung der unrentierlichen Kosten der Errich-
tung der Tiefgarage. Dagegen sei der Kaufpreis gezahlt worden für die Überlassung
der fertigen Tiefgarage. Der Verkauf habe nichts daran geändert, dass die Errichtung
einer solchen Tiefgarage ohne öffentliche Zuschüsse keinesfalls wirtschaftlich ges-
taltet werden könne. Daher sei das zinslose Darlehen weiterhin zur Deckung der
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nicht rentierlichen Kosten gebraucht worden. Die Anfechtung des Darlehensvertrages
sei unberechtigt. Eine arglistige Täuschung habe nicht stattgefunden.
Der Beklagte hat die ergangenen Bescheide verteidigt.
Durch Urteil vom 27. November 2002 hat das Verwaltungsgericht H. den Rückforde-
rungsbescheid aufgehoben, weil er rechtswidrig sei. Zwar sei die Nr. 2 ANBest-P
wirksam zum Bestandteil des Bewilligungsbescheides gemacht worden. Die Be-
stimmung, dass sich die Zuwendung beim Hinzutreten neuer Deckungsmittel ermä-
ßige, enthalte auch eine auflösende Bedingung. Durch die Zahlung des Kaufpreises
seien der Klägerin bei wirtschaftlicher Betrachtung aber keine neuen Deckungsmittel
zugeflossen. Auch die vom Beklagten angeführte Zahlung von 1,2 Mio. DM durch die
Stadt Halle zur Erfüllung von deren Stellplatzverpflichtungen habe keine neuen De-
ckungsmittel erbracht, weil der Zahlung mit der Übernahme einer Baulastverpflich-
tung eine gleichwertige Belastung der Klägerin gegenübergestanden habe. Die An-
fechtung des Darlehensvertrages sei nicht wirksam, weil keine arglistige Täuschung
erfolgt sei. Die Reaktion des Regierungspräsidiums auf die Mitteilung der Veräuße-
rung belege, dass die Veräußerung als solche und damit die Frage, wer Eigentümer
der Tiefgarage sei, ohne Bedeutung gewesen sei. Das Regierungspräsidium habe
die Anfechtung auf die Zahlung des Kaufpreises und den darin liegenden Zufluss
neuer Deckungsmittel gestützt. Letzteres treffe aber nicht zu.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Im Februar 2004 hat die
Klägerin das Darlehen zurückgezahlt. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechts-
streit übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit sich die Klage gegen die Rückfor-
derung der Darlehenssumme richtete. Dagegen haben sie den Rechtsstreit wegen
der im Bescheid angeordneten Verzinsung fortgeführt.
Durch Urteil vom 1. April 2004 hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren hin-
sichtlich des erledigten Teils eingestellt. Im Übrigen hat es das erstinstanzliche Urteil
geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne
offen bleiben, ob die Rückforderung und der Zinsanspruch nach § 49a Abs. 1 und 3
VwVfG LSA deshalb berechtigt seien, weil durch die Zahlung des Kaufpreises der
Klägerin neue Deckungsmittel zugeflossen seien und damit die Wirksamkeit des
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Bewilligungsbescheides durch Eintritt einer auflösenden Bedingung geendet habe.
Jedenfalls ergebe sich die Berechtigung der Rückforderung und daraus folgend der
Verzinsung aus einer analogen Anwendung des § 49a Abs. 1 VwVfG. Der Darle-
hensvertrag sei vom Land wirksam angefochten worden. Nach Nr. 5.1.1 ANBest-P
sei der Zuwendungsempfänger verpflichtet, der Bewilligungsbehörde unverzüglich
anzuzeigen, wenn sich eine Änderung der Finanzierung um mehr als 1 000 DM er-
gebe. Die Kaufpreiszahlung durch die Käuferin habe auf dem von der Klägerin zu
stellenden Bankkonto Guthabenzinsen von jährlich etwa 100 000 DM erbracht. Au-
ßerdem habe das Regierungspräsidium nach Treu und Glauben auch Aufklärung
darüber erwarten dürfen, dass der Darlehensanspruch im Rahmen des Grund-
stückskaufvertrages bereits aufschiebend bedingt abgetreten worden sei.
Das Regierungspräsidium sei durch das Verschweigen des Kaufvertrages zum Ab-
schluss des Darlehensvertrages bestimmt worden. Es hätte den Vertrag nicht abge-
schlossen, wenn es von dem Kaufvertrag und der von ihm als neues Deckungsmittel
gewerteten Kaufpreiszahlung Kenntnis gehabt hätte. Die Klägerin habe auch arglistig
gehandelt. Aus den mit dem Förderantrag einzureichenden Unterlagen habe sie um
die Bedeutung des verbindlichen Finanzierungsplans bzw. der Wirtschaftlichkeitsbe-
rechnung gewusst.
Durch die erfolgreiche Anfechtung sei der Darlehensvertrag als von Anfang unwirk-
sam anzusehen. Damit sei der im Bewilligungsbescheid zur aufschiebenden Bedin-
gung gemachte Abschluss des Darlehensvertrages nicht erfolgt. Diese atypische
Situation habe der Gesetzgeber bei der Fassung des § 49a Abs. 1 VwVfG LSA nicht
vor Augen gehabt. Sie sei von der Interessenlage her dem Eintritt einer auflösenden
Bedingung ohne weiteres gleichzustellen, so dass die analoge Anwendung des § 49a
VwVfG LSA geboten sei.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verlet-
zung materiellen und formellen Rechts. Sie ist der Auffassung, dass eine analoge
Anwendung des § 49a Abs. 1 VwVfG LSA über die in dieser Bestimmung genannten
Unwirksamkeitsfälle hinaus nicht in Betracht komme. Darüber hinaus sei der Darle-
hensvertrag nicht wirksam angefochten. Eine arglistige Täuschung habe nicht vorge-
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legen. Nach der ganzen Anlage des Projektes sei die Veräußerung der Tiefgarage
von Anfang an zu erwarten gewesen.
Die Rückforderung könne auch nicht auf § 49a Abs. 1 VwVfG LSA gestützt werden
mit der Begründung, es sei eine auflösende Bedingung eingetreten. Weder seien die
ANBest-P wirksam Bestandteil des Bewilligungsbescheides geworden noch habe die
Klägerin durch die Kaufpreiszahlung neue Deckungsmittel erhalten. Dasselbe gelte
für die von der Stadt H. gezahlten 1,2 Mio. DM für die Übernahme von Stellplatzver-
pflichtungen.
Die Klägerin meint, auch die Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits müssten
dem Beklagten auferlegt werden. Da die Revision ohne Einschränkung zugelassen
sei, richte sie sich auch gegen die diesbezügliche Kostenentscheidung des Beru-
fungsgerichts. Dies sei zulässig, da das Berufungsgericht seine Kostenentscheidung
hinsichtlich des erledigten Teils auf dieselben Gründe gestützt habe wie die Abwei-
sung der Klage hinsichtlich des nicht erledigten Teils.
Der Beklagte hat zur Revision nicht Stellung genommen.
Durch Schreiben des Berichterstatters sind die Beteiligten darauf hingewiesen wor-
den, dass es fraglich erscheine, ob der Beklagte die Rückforderung des ausgereich-
ten Darlehensbetrages und den Zinsanspruch durch Erlass eines Verwaltungsaktes
geltend machen konnte. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
1. Die Revision ist begründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, der ange-
fochtene Rückforderungsbescheid sei hinsichtlich der noch streitigen Zinsforderung
rechtmäßig, verletzt Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat - ebenso wie die Betei-
ligten - nicht erkannt, dass der durch den angefochtenen Bescheid geltend gemachte
Rückzahlungsanspruch nicht dem öffentlichen Recht angehört und damit nicht zum
Gegenstand eines Leistungsbescheides gemacht werden durfte.
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Nach § 35 VwVfG ist ein Verwaltungsakt eine Maßnahme zur Regelung eines Einzel-
falls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Privatrechtliche Ansprüche dürfen da-
her grundsätzlich durch Verwaltungsakt nicht geregelt werden.
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf § 49a VwVfG. Dies ist ohne Zweifel eine
öffentlich-rechtliche Bestimmung. Ihr Anwendungsbereich ist vorliegend aber nicht
eröffnet. Nach § 49a Abs. 1 VwVfG sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten,
soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder
widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam
geworden ist. Obwohl der Gesetzestext dies nicht ausdrücklich sagt, setzt er voraus,
dass die zu erstattenden Leistungen auf der Grundlage eines Verwaltungsakts er-
bracht worden sind, der ihren Rechtsgrund darstellt (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs,
VwVfG, 6. Auflage 2001, § 49a Rn. 5; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005,
§ 49a Rn. 3, 4). Das bedeutet, dass Leistungen, die auf einem anderen Rechtsgrund
wie etwa einem öffentlich-rechtlichen Vertrag oder erst recht auf einem privatrechtli-
chen Vertrag beruhen, nicht nach § 49a Abs. 1 VwVfG zurückgefordert werden kön-
nen.
Die Anwendung dieses Grundsatzes ist hier nicht deshalb ausgeschlossen, weil die
Hingabe des Darlehens einen klassischen Fall der Anwendung der Zweistufentheorie
darstellt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1972 - BVerwG VIII C 179.71 -
BVerwGE 41, 127; BGH, Urteil vom 29. Mai 1969 - III ZR 172/68 - BGHZ 52, 155;
Urteil vom 25. Oktober 1973 - III ZR 108/72 - BGHZ 61, 296, Eyermann/Rennert
VwGO, 11. Auflage 2000, § 40 Rn. 50). Der Beklagte hat zunächst über das "Ob" der
Gewährung einer Zuwendung in Form eines zinslosen Darlehens durch Verwal-
tungsakt entschieden. Die konkrete Umsetzung der Darlehensgewährung ist sodann
durch einen Darlehensvertrag erfolgt, der die Modalitäten von Auszahlung und Rück-
zahlung festgelegt hat. Beide Akte sind inhaltlich verknüpft, indem einerseits der Be-
willigungsbescheid unter die aufschiebende Bedingung des Zustandekommens eines
Darlehensvertrages gestellt worden ist und andererseits dem Darlehensgeber ein
fristloses Kündigungsrecht für den Fall der Aufhebung oder sonstigen Unwirksamkeit
des Bewilligungsbescheides eingeräumt worden ist.
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Der Darlehensvertrag gehört - anders als der Bewilligungsbescheid - dem privaten
Recht an. Das folgt schon aus der Bezeichnung, die auf das entsprechende Rechts-
institut des BGB verweist. Es kommt hinzu, dass die Beteiligten eine Gerichtsstands-
klausel vereinbart haben. Dies ist nach § 38 ZPO in zivilrechtlichen Angelegenheiten
möglich, nicht aber nach § 52 VwGO bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten.
Der Darlehensvertrag bildet die unmittelbare Grundlage für die Auszahlung des Dar-
lehens. Während sich aus dem Bewilligungsbescheid nur ein Anspruch auf Ab-
schluss des Darlehensvertrages ergibt, folgt der Anspruch auf die Auszahlung der
Darlehenssumme allein aus dem Darlehensvertrag. Da die Rückforderung das Ge-
genstück ("actus contrarius") zur Auszahlung ist, teilt sie deren Rechtscharakter. Sie
ist daher ebenfalls dem bürgerlichen Recht zuzuordnen.
Für diese Einschätzung sprechen zusätzlich folgende Überlegungen: Ein Wegfall des
Bewilligungsbescheides führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Darle-
hensvertrags. Vielmehr haben die Beteiligten für diesen Fall ein Kündigungsrecht des
Darlehensgebers vereinbart. Solange davon nicht Gebrauch gemacht ist, bleibt
mithin eine Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen der Darlehenssumme gegeben.
Außerdem ermöglicht es diese Sicht, Störungen der Rechtsbeziehungen, die auf der
Ebene des Darlehensvertrages eintreten, auch auf dieser Ebene zu berücksichtigen
und darüber bestehende Streitigkeiten vor den dafür zuständigen Zivilgerichten aus-
zutragen. Aus der Sicht des Berufungsgerichts ergibt sich der Rückforderungsan-
spruch des Beklagten daraus, dass die Klägerin bei Abschluss des Darlehensvertra-
ges eine arglistige Täuschung begangen hat. Dieser Vorgang berührt die Rechtmä-
ßigkeit des Bewilligungsbescheides unmittelbar überhaupt nicht. Nur auf dem - hier
wegen des Zustandekommens des Vertrages sehr zweifelhaften - Umweg über den
Nichteintritt der aufschiebenden Bedingung, dass ein Darlehensvertrag abzuschlie-
ßen sei, kommt das Berufungsgericht zur Unwirksamkeit des Bewilligungsbeschei-
des. Damit wird aber der Streitpunkt aus dem Rechtsverhältnis, in dem er angesie-
delt ist, in die Sphäre des Bewilligungsbescheides verschoben. Das geht nicht an.
Hiernach ist die Revision begründet. Der Beklagte hätte sein Rückzahlungsbegehren
nicht durch Leistungsbescheid geltend machen dürfen, sondern hätte es im Wege
der Leistungsklage beim ordentlichen Gericht verfolgen müssen.
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2. Auf die im Vordergrund der Revision stehende Frage, ob § 49a VwVfG analog auf
den Nichteintritt einer aufschiebenden Bedingung angewendet werden kann, kommt
es folglich nicht an. Im Hinblick auf die notwendigen Überlegungen zum weiteren
Vorgehen der Beteiligten ist jedoch darauf hinzuweisen, dass auch die im angefoch-
tenen Bescheid enthaltenen Erwägungen des Beklagten, die bewilligte Darlehens-
summe habe sich durch den Verkauf der Tiefgarage wegen des Hinzutretens neuer
Deckungsmittel nach Nr. 2 ANBest-P ermäßigt, nicht tragfähig sind.
Der Beklagte hat dabei nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Klägerin im Kauf-
vertrag die Verpflichtung übernommen hat, den Darlehensanspruch gegen das Land
abzutreten und, falls dies wegen fehlender Zustimmung des Regierungspräsidiums
nicht möglich sein sollte, die Käuferin so zu stellen, als wäre das Darlehen überge-
gangen. Durch die Kaufpreiszahlung sind der Klägerin deshalb wirtschaftlich keine
Mittel zugeflossen, die das zinslose Darlehen ersetzt und praktisch überflüssig ge-
macht hätten.
Zu Recht weist die Klägerin darüber hinaus darauf hin, dass die Auslegung der Ne-
benbestimmung durch den Beklagten für die Laufzeit des Darlehensvertrages ein
Veräußerungsverbot beinhalten würde. Es ist unbestritten, dass ohne öffentliche
Zuwendung, wie sie hier in Form des zinslosen Darlehens gewährt wurde, eine Tief-
garage nicht rentabel gebaut und bewirtschaftet werden kann. Würde die Zahlung
des Kaufpreises automatisch zum Wegfall des Darlehens führen, so hätte dies zur
Folge, dass mit der Veräußerung die notwendige Finanzierung wegbrechen würde.
3. Hinsichtlich des im Revisionsverfahren noch streitigen Zinsanspruchs folgt die
Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO. Zu Recht richtet sich die Revision aber
auch gegen die Kostenentscheidung hinsichtlich des in der Vorinstanz erledigten
Teils des Rechtsstreits. § 158 VwGO steht dem nicht entgegen.
Nach § 158 Abs. 1 VwGO ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten un-
zulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel
eingelegt wird. Abs. 2 bestimmt, dass die Entscheidung über die Kosten unanfecht-
bar ist, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist. Was diese Be-
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stimmungen bedeuten, wenn sich ein Rechtsstreit teilweise erledigt hat und die Kos-
tenentscheidung auch für den erledigten Teil in dem die Instanz abschließenden Ur-
teil über den nicht erledigten Teil ausgesprochen wird, ist umstritten. So hat etwa der
8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in einem Urteil vom 29. Januar 1993
(BVerwG 8 C 32.92 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 182) entschieden, dass sich in
einem solchen Fall die Revision auch gegen die Kostenentscheidung betreffend den
erledigten Teil richten kann. Dagegen hat der 4. Senat in einem Beschluss vom
7. August 1998 (BVerwG 4 B 75.98 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 115 = NVwZ-RR
1999 S. 407) ausgesprochen, am Grundsatz der Unanfechtbarkeit von Einstellungs-
beschlüssen nach Erledigung der Hauptsache ändere sich auch dann nichts, wenn
das Gericht bei einer Teilerledigung der Hauptsache die Kostenentscheidung in dem
Urteil trifft, in dem es im Übrigen zur Sache Stellung nimmt. In der Literatur treten
Neumann (in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 158 Rn. 51) und Kopp/
Schenke (VwGO, 14. Auflage 2005 § 158 Rn. 5) für eine Unanfechtbarkeit der Kos-
tenentscheidung hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreits ein. Rennert
(Eyermann, VwGO, 11. Auflage 2000, § 158 Rn. 6) und Olbertz (bei Schoch u.a.,
VwGO, § 158 Rn. 13) sehen hingegen eine Anfechtung als zulässig an, wenn der
erledigte Teil mit der angefochtenen Hauptsache im Zusammenhang steht und damit
eine auch sachlich einheitliche Kostenentscheidung vorliegt.
Der zuletzt genannten Auffassung ist jedenfalls unter der Voraussetzung zu folgen,
dass formal und sachlich nur eine einheitliche Kostenentscheidung der Vorinstanz
vorliegt. Dies ist sowohl mit dem Wortlaut als auch mit dem Sinn des § 158 VwGO zu
vereinbaren. Abs. 1 ist von vornherein nicht einschlägig, weil gegen die Entscheidung
in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Ein "Soweit" enthält die Be-
stimmung nicht. Sachlich ist die Befassung des Rechtsmittelgerichts berechtigt, weil
es ohnehin das Verfahren zu bearbeiten hat.
Der Wortlaut des § 158 Abs. 2 VwGO ist offen. Wenn es dort heißt, dass eine Ent-
scheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist, kann dies sich sowohl auf das Ver-
fahren überhaupt oder auch auf den erledigten Teil beziehen. Der Sinn und Zweck
der Vorschrift geht dahin, das Rechtsmittelgericht von einer Befassung mit der Kos-
tenentscheidung freizustellen, wenn nicht gleichzeitig die Hauptsache angegriffen
wird. Dieser Sinn und Zweck greift aber nicht ein, wenn zum einen formal nur eine
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einzige Kostenentscheidung vorliegt und zum anderen inhaltlich die Kostenentschei-
dung wegen des erledigten und des nicht erledigten Teils auf denselben Gründen
beruht. Das ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat einheitlich über die Kosten des
Rechtsstreits entschieden. In der Begründung hinsichtlich des erledigten Teils hat es
auf die Ausführungen zum nicht erledigten Teil Bezug genommen.
Diese Entscheidung stellt keine Abweichung vom Beschluss des 4. Senats vom
7. August 1998 (a.a.O.) dar, weil der 4. Senat die hier gegebene Konstellation nicht
in den Blick genommen und damit darüber nicht entschieden hat. Eine Anrufung des
Großen Senats nach § 11 Abs. 2 VwGO ist daher nicht veranlasst.
Vorsitzender Richter am van Schewick Dr. Dette
Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Driehaus ist durch
Eintritt in den Ruhestand
an der Unterschriftsleistung
gehindert.
van Schewick
Liebler Prof. Dr. Rennert
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 1 065 252,20 €
festgesetzt.
Vorsitzender Richter am van Schewick Dr. Dette
Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Driehaus ist durch
Eintritt in den Ruhestand
an der Unterschriftsleistung
gehindert.
van Schewick
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Recht der Förderung der gewerblichen Wirtschaft
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
VwVfG
§§ 35, 49a Abs. 1 und 3
VwGO
§ 158
Stichworte:
Subvention; Gewährung eines zinslosen Darlehens; Zweistufentheorie; Rückforde-
rung eines Darlehens durch Verwaltungsakt; Kostenentscheidung bei teilweise erle-
digtem Rechtsstreit.
Leitsätze:
1. Ist ein zinsloses Darlehen von der öffentlichen Hand zur Förderung der gewerbli-
chen Wirtschaft in Anwendung der Zweistufentheorie durch Verwaltungsakt bewilligt
und sodann auf der Grundlage eines zivilrechtlichen Darlehensvertrages ausgezahlt
worden, so kann die Rückforderung und Verzinsung des Darlehensbetrages wegen
Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides nicht nach § 49a VwVfG durch Verwal-
tungsakt geltend gemacht werden.
2. Hat die Vorinstanz nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich des
erledigten und des streitig gebliebenen Teils formal und sachlich eine einheitliche
Kostenentscheidung getroffen, so kann bei Anfechtung der Hauptsacheentscheidung
die Kostenentscheidung auch hinsichtlich des erledigten Teils mit Rechtsmitteln an-
gefochten werden.
Urteil des 3. Senats vom 8. September 2005 - BVerwG 3 C 50.04
I. VG Halle vom 27.11.2002 - Az.: VG 1 A 101/01 HAL -
II. OVG Magdeburg vom 01.04.2004 - Az.: OVG 1 L 113/03 -