Urteil des BVerwG vom 15.07.2004

Schkg, Historische Auslegung, Systematische Auslegung, Katholische Kirche

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 48.03
Verkündet
OVG 11 LC 18/03
am 15. Juli 2004
Schöbel
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. D e t t e , L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
für Recht erkannt:
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
vom 30. Oktober 2003 wird aufgehoben. Die Sache wird zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens
bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger begehrt eine öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten seiner
Schwangerenberatungsstelle in B. für das Jahr 2001.
Der Kläger ist eine juristisch selbständige Ortsgruppe des Gesamtvereins "Sozial-
dienst katholischer Frauen". Seine Beratungsstelle war seit dem 1. Januar 1995 als
Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle anerkannt und wurde bis zum Jahr 2000
staatlich gefördert.
Unter dem 26. September 2000 wurden die "Bischöflichen Richtlinien für katholische
Schwangerschaftsberatungsstellen" bekannt gegeben, die auszugsweise folgenden
Inhalt haben:
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"Nach einem jahrelangen Prozess des Ringens um den kirchlichen Beratungs-
dienst im Rahmen der staatlichen Gesetze haben die deutschen Bischöfe, nicht
zuletzt auf Weisung von Papst Johannes Paul II., entschieden, die Schwanger-
schaftsberatung weiter intensiv fortzusetzen, Beratungsbescheinigungen, die
eine der Voraussetzungen für straffreie Abtreibungen sind, jedoch nicht mehr
auszustellen. (…)
Für katholische Schwangerschaftsberatungsstellen gelten folgende Richtlinien:
(…)
Es ist mit dem Schutzkonzept der Beratung nicht vereinbar,
- Ratsuchende auf Einrichtungen hinzuweisen, die Beratungsbescheinigungen
ausstellen, die eine der Voraussetzungen für eine straffreie Abtreibung sind,
- Ratsuchende auf Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen hinzuweisen, die
Schwangerschaftsabbrüche vornehmen,
- Anträge zur Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen auszulegen, aus-
zufüllen oder dabei unterstützend mitzuwirken,
- sich durch Gutachten, Stellungnahmen oder Erteilung von Auskünften an einer
ärztlichen Indikationsfeststellung oder deren Vorbereitung zu beteiligen."
In Ergänzung hierzu gab der Ständige Rat der deutschen Bischofskonferenz mit Be-
schluss vom 20. November 2000 folgende "authentische Interpretation zu § 4 erster
Spiegelstrich" der bischöflichen Richtlinien bekannt:
"- Am Beginn jeder Beratung muss der hilfesuchenden Frau ein klarer Hinweis
auf die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme des Beratungsangebotes und auch
die Tatsache gegeben werden, dass die katholische Schwangerschaftsbera-
tungsstelle keine Bescheinigung nach § 7 SchKG ausstellt. In diesem Zusam-
menhang ist eine Information über andere Beratungsstellen, die Schwanger-
schaftskonfliktberatung im Sinne von §§ 5 - 7 SchKG durchführen, nicht ausge-
schlossen.
- Innerhalb der Beratung ist eine Weiterleitung der Frau an Einrichtungen, die
Beratungsbescheinigungen ausstellen, die eine Voraussetzung für die straffreie
Abtreibung sind, nicht zulässig."
Zum 1. Januar 2001 widerrief die Beklagte die Anerkennung der Beratungsstelle des
Klägers als Konfliktberatungsstelle. Den Antrag des Klägers auf Förderung für das
Jahr 2001 lehnte sie durch Bescheid vom 5. April 2001 mit der Begründung ab, die
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geltenden Förderrichtlinien ließen nur die Förderung von Beratungsstellen zu, die als
Konfliktberatungsstellen anerkannt seien. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch
mit der Begründung, dass ein Anspruch auf Förderung von Beratungsstellen, die
zwar keine Schwangerschaftskonfliktberatung, jedoch die allgemeine Schwanger-
schaftsberatung im Sinne von § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes - SchKG -
durchführten, unmittelbar aus § 4 SchKG folge. Die Beklagte wies den Widerspruch
mit Bescheid vom 13. März 2003 zurück und führte darin aus: Für die Förderung
auch der allgemeinen Beratung sei nach der Richtlinie des Landes über die Gewäh-
rung von Zuwendungen zum Betrieb von Schwangeren- und Schwangerschaftskon-
fliktberatungsstellen vom 15. Dezember 1999 (Nds. MBl 2000, S. 113) eine Aner-
kennung als Konfliktberatungsstelle erforderlich. Der Gesetzgeber habe kein doppel-
tes Beratungsnetz schaffen wollen. Beratungsstellen seien nur dann förderungswür-
dig, wenn sie den Beratungsauftrag des Schwangerschaftskonfliktgesetzes in Gänze
erfüllten. Außerdem sei der Beratungsstelle des Klägers nicht einmal eine vollständi-
ge Beratung im Sinne von § 2 SchKG möglich, da keine Informationen darüber erteilt
würden, wo eine Beratungsbescheinigung ausgestellt werde. Die Förderung der Be-
ratungsstelle des Klägers sei auch nicht erforderlich, da mit den zehn im Land geför-
derten Beratungsstellen der katholischen Laienorganisation "Donum vitae" bereits ein
plurales Beratungsangebot sichergestellt sei.
Mit der daraufhin erhobenen Klage hat der Kläger einen Förderanspruch von min-
destens 50 % der entstandenen Personal- und Sachkosten seiner Beratungsstelle
geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er
diese Kosten mit 91 537,57 DM (= 46 802,42 €) und sein Klagebegehren mit
23 401,21 € beziffert.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. Oktober 2002 im Hauptan-
trag abgewiesen und die Beklagte auf den Hilfsantrag hin verpflichtet, über den För-
derantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut
zu entscheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe unmittelbar
nach § 4 Abs. 2 SchKG dem Grunde nach ein Förderanspruch zu. Die genaue Höhe
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des Förderanspruchs liege jedoch im Ermessen des Landes und könne daher vom
Gericht nicht näher beziffert werden.
Gegen das Urteil haben beide Beteiligten die vom Verwaltungsgericht zugelassene
Berufung eingelegt. Der Kläger hat sein Begehren auf Verpflichtung der Beklagten
zur Zahlung einer bestimmten Fördersumme weiter verfolgt und dieses auf einen Be-
trag von 37 441,95 € entsprechend 80 % der geltend gemachten Personal- und
Sachkosten erweitert. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Rechtsstreit sei auch
im Hinblick auf die geltend gemachte Fördersumme entscheidungsreif. Aus dem
Wortlaut und der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 2 SchKG folge, dass Beratungs-
stellen nach § 3 SchKG dem Grunde und der Höhe nach in gleichem Umfang zu för-
dern seien wie Konfliktberatungsstellen nach § 8 SchKG, denen nach der Recht-
sprechung ein Förderanspruch von mindestens 80 % zustehe.
Die Beklagte hat am Ziel der vollständigen Klageabweisung festgehalten und vorge-
tragen, Voraussetzung jeder Förderung von allgemeiner Schwangerschaftsberatung
nach § 4 Abs. 2 SchKG sei eine Anerkennung als Konfliktberatungsstelle. Des Wei-
teren bestehe ein Förderungsanspruch auch deshalb nicht, weil die Beratungsstelle
des Klägers nicht umfassend im Sinne von § 2 Abs. 1 SchKG berate.
Mit Urteil vom 30. Oktober 2003 hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufung
der Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage in vollem
Umfang abgewiesen sowie die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begrün-
dung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Förde-
rung. Nach § 4 Abs. 2 SchKG seien nur diejenigen Beratungsstellen zu fördern, die
sowohl eine Beratung nach § 2 SchKG als auch nach § 5 SchKG anböten. Dieses
Ergebnis lasse sich zwar nicht bereits dem Wortlaut von § 4 Abs. 2 SchKG oder den
Gesetzesmaterialien entnehmen, folge aber aus Sinn und Zweck des Gesetzes. Das
Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes beruhe auf der Schutz-
pflicht des Staates für das ungeborene Leben; es sei verfassungsrechtlich geboten
als Ausgleich für die Straffreiheit von Abtreibungen. Der Gesetzgeber dürfe sich dar-
auf zurückziehen, nur diejenigen Beratungsstellen zu fördern, die das Schutzkonzept
in seiner Gesamtheit tragen. Dies entspreche auch dem Schutzgedanken gegenüber
der Schwangeren, die bei dem Bestehen verschiedener Beratungsstellen ihr persön-
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liches Schicksal mehrfach schildern müsste, wenn sie sich nach einer allgemeinen
Schwangerschaftsberatung dazu entscheiden sollte, eine Konfliktberatung in An-
spruch zu nehmen. Die erforderliche Inanspruchnahme verschiedener Beratungs-
stellen würde auch im Hinblick auf die Frist für die Durchführung des Abbruchs in-
nerhalb von 12 Wochen nach Empfängnis zu einem nicht hinzunehmenden Zeitver-
lust führen. Für die Erforderlichkeit einheitlicher Beratungsstellen spreche weiter,
dass sich der in § 4 Abs. 1 SchKG enthaltene Versorgungsschlüssel von einer Voll-
zeitkraft pro 40 000 Einwohner auf beide Beratungsarten beziehe und das Gesetz
keine Äußerung dazu enthalte, welcher Schlüssel gelten solle, wenn eine Beratungs-
stelle nur jeweils eine Beratungsform anbiete. Schließlich sei die Förderung nur der-
jenigen Beratungsstellen, die sowohl allgemeine als auch Konfliktberatung anböten,
aus Sparsamkeitsgründen geboten, da die Bereithaltung zusätzlicher Beratungsstel-
len zusätzliche Kosten (z.B. doppelte Miete, erhöhte Personalkosten) verursache.
Jedenfalls aber stelle das vom Kläger bereitgehaltene Beratungsangebot keine all-
gemeine Schwangerenberatung im Sinne des § 3 SchKG dar. Denn die nach § 2
Abs. 1 SchKG insoweit vorgeschriebene Beratung in "allen eine Schwangerschaft
unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen" setze voraus, dass eine ratsuchende
Frau auf das Bestehen einer zusätzlichen Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle
ausdrücklich hingewiesen werde. Ein solcher Hinweis sei jedoch beim Kläger auf der
Grundlage der bischöflichen Richtlinien vom 26. September 2000 und der Ergänzung
vom 20. November 2000 nicht gesichert.
Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
Begehren weiter. Er trägt vor, die systematische Auslegung ergebe, dass auch Bera-
tungsstellen nach § 3 SchKG, die keine Konfliktberatung anböten, einen Förderan-
spruch aus § 4 Abs. 2 SchKG hätten. Die Pflicht zur Sicherstellung eines Angebots
wohnortnaher Beratungsstellen sei in § 3 SchKG eigenständig geregelt. Auch die
historische Auslegung spreche für einen eigenständigen Förderanspruch. Die Be-
nennung von konkreten Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen gehöre nicht zur
allgemeinen Beratung nach § 2 SchKG. Welche konkreten Informationen der Bera-
tungsanspruch umfasse, sei in § 2 Abs. 2 SchKG abschließend normiert. Dort sei
eine solche Hinweispflicht nicht enthalten. Im Übrigen werde in der Beratungsstelle
des Klägers auf Befragen selbstverständlich Auskunft über in Betracht kommende
Konfliktberatungsstellen erteilt.
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Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Dazu wiederholt und vertieft
sie ihr früheres Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, keinesfalls bestehe ein Förder-
anspruch in Höhe von 80 % der Personal- und Sachkosten. Der für Konfliktbera-
tungsstellen geltende Förderungsumfang sei nicht auf Beratungsstellen übertragbar,
die lediglich das Beratungsangebot im Sinne von § 2 SchKG sicherstellten. Er beruhe
auf der besonderen Bedeutung der Konfliktberatung, dem Umstand, dass diese nach
§ 6 Abs. 4 SchKG unentgeltlich stattzufinden habe sowie den umfassenden
Anforderungen des Gesetzes an die Ausstattung von Konfliktberatungsstellen. Ein
etwaiger Anspruch der allgemeinen Beratungsstellen könne daher nicht annähernd
so hoch sein wie der Förderungsanspruch von Konfliktberatungsstellen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er ist der Auffas-
sung, das Bundesrecht schreibe zwar nicht vor, dass ein Förderungsanspruch nur für
Beratungsstellen bestehe, die beide Formen der Beratung anbieten (sog. kombinier-
tes Beratungsangebot). Den Ländern sei es jedoch im Rahmen des Sicherstellungs-
auftrags gemäß § 3 Satz 1 SchKG überlassen, Regelungen über die Zulassung bzw.
Anerkennung von allgemeinen Beratungsstellen im Sinne von § 2 SchKG zu erlas-
sen. Damit seien Regelungen der Länder, welche die Förderung ausschließlich auf
ein kombiniertes Beratungsangebot beschränken, zwar nicht zwingend vom Bundes-
gesetzgeber vorgeschrieben, gleichwohl aber zulässig. Des Weiteren bestehe ein
Förderanspruch nach § 4 Abs. 2 SchKG nur, wenn die Beratungsstelle sowohl im
quantitativen Sinne (ausreichendes Angebot) als auch im qualitativen Sinne (Plurali-
tät) erforderlich sei. Das Kriterium der Pluralität in § 3 Satz 3 SchKG sei im Gegen-
satz zu der Regelung bei den Konfliktberatungsstellen (§ 8 Satz 1 SchKG) nur eine
Sollvorschrift. Daher seien die Länder zwar in der Regel verpflichtet ein plurales An-
gebot von allgemeinen Beratungsstellen sicherzustellen, könnten jedoch in Ausnah-
mefällen davon absehen. Darüber hinaus regele das Schwangerschaftskonfliktgesetz
nicht, welcher Beratungsträger welche weltanschauliche Ausrichtung zu vertreten
habe. Es sei daher auch nicht vorgegeben, dass eine bestimmte Glaubensrichtung
gerade durch die Amtskirche vertreten werden müsse. Soweit eine Glaubensprägung
bereits von einer Laienorganisation vertreten sei, könne ein Förderanspruch nicht
mehr mit dem pluralen Erfordernis begründet werden.
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II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Die Auf-
fassung, § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwanger-
schaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG) i.d.F. vom 21. August
1995 (BGBl I S. 1050) gewähre Schwangerenberatungsstellen nur dann einen An-
spruch auf öffentliche Förderung, wenn sie nach § 9 SchKG als Schwangerschafts-
konfliktberatungsstellen anerkannt seien, geht fehl. Da die tatsächlichen Feststellun-
gen des Berufungsurteils für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits
nicht ausreichen, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an
das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Grundlage des klägerischen Begehrens ist § 4 Abs. 2 SchKG. Danach haben die
zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebotes nach den §§ 3 und 8 SchKG er-
forderlichen Beratungsstellen Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung
der Personal- und Sachkosten. Diese Bestimmung gibt, wie der Senat in seinem Ur-
teil vom 3. Juli 2003 (BVerwG 3 C 26.02 - BVerwGE 117, 289, 291) festgestellt hat,
bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen einen strikten Rechtsanspruch auf öffentliche
Förderung. Diese Entscheidung betraf zwar die Förderung einer Schwangerschafts-
konfliktberatungsstelle. Der eindeutige Wortlaut der Bestimmung lässt aber keinen
Raum für die Annahme, dass sie etwa für einen Teil ihres Anwendungsbereichs die
Gewährung von Förderung in das Ermessen der Behörden stelle. Soweit die tat-
bestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist vielmehr unmittelbar durch Bundes-
recht ein Anspruch auf die Förderung begründet. Dieser Anspruch ist nicht davon
abhängig, ob das jeweilige Land von dem Vorbehalt des § 4 Abs. 3 SchKG Gebrauch
gemacht hat, Näheres durch Landesrecht zu regeln. Das Fehlen einer ent-
sprechenden Regelung im Land Niedersachsen ist daher insoweit nicht relevant.
2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, der Förderungsanspruch einer Bera-
tungsstelle nach § 4 Abs. 2 SchKG sei davon abhängig, dass es sich um eine aner-
kannte Konfliktberatungsstelle handele. Richtig ist allerdings, dass der Wortlaut der
Norm im Hinblick auf diese Frage nicht eindeutig ist. Wenn dort von einem ausrei-
chenden Angebot nach den §§ 3 und 8 SchKG die Rede ist, kann damit sowohl die
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Kumulation der in den beiden Vorschriften geregelten Beratungsarten in einer Bera-
tungsstelle als auch ihre jeweils selbständige Berücksichtigungsfähigkeit gemeint
sein.
Gegen die Auslegung des Berufungsgerichts spricht aber zunächst die Systematik
des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Dieses sieht für die allgemeine Beratung
nach § 2 SchKG und die Konfliktberatung nach § 5 SchKG jeweils Beratungsstellen
mit unterschiedlichem Profil, unterschiedlichen - wenn auch sich teilweise über-
schneidenden - Aufgaben und unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen vor.
§ 2 Abs. 1 SchKG räumt jeder Frau und jedem Mann das Recht ein, sich in Fragen
der Sexualaufklärung, der Verhütung und Familienplanung sowie in allen eine
Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen von einer hierfür
vorgesehenen Beratungsstelle informieren und beraten zu lassen. Der Kreis der Be-
rechtigten ist hiernach umfassend und unabhängig vom Vorliegen einer Schwanger-
schaft. Für die Erfüllung dieser Aufgabe ist den Ländern in § 3 Satz 1 SchKG aus-
drücklich ein Sicherstellungsauftrag erteilt. Die Schwangerschaftskonfliktberatung
nach § 5 SchKG richtet sich hingegen nur an schwangere Frauen, die die Möglichkeit
einer Abtreibung zumindest in Erwägung ziehen. Inhaltlich umfasst die Konflikt-
beratung nach § 5 Abs. 2 SchKG zwar eine Reihe von Informationen, die nach § 2
Abs. 2 SchKG auch Gegenstand der allgemeinen Beratung sind. Geprägt ist die
Konfliktberatung aber durch den akuten Entscheidungszwang der schwangeren Frau
und die sich aus den Grundrechten des im Mutterleib heranwachsenden Menschen
ergebende Verpflichtung des Staates, durch eine umfassende qualifizierte ermuti-
gende Beratung alles in seinen Kräften Stehende zum Schutz des werdenden
menschlichen Lebens zu tun. Zur Gewährleistung dieser Anforderungen verlangt § 8
Satz 2 SchKG für Beratungsstellen, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung nach
den §§ 5 und 6 SchKG durchführen, eine staatliche Anerkennung. § 9 SchKG stellt
für die Erteilung der Anerkennung bestimmte Qualitätsstandards auf. Für Inhalt und
Ablauf machen die §§ 5, 6 und 7 SchKG verbindliche Vorgaben, die eine sachge-
rechte Beratung ermöglichen sollen, ohne das Entscheidungsrecht der schwangeren
Frau zu beeinträchtigen oder gar zu hintertreiben. All diesen Bindungen unterliegt die
Beratungsstelle, die nur die allgemeine Beratung nach § 2 SchKG anbietet, nach
Bundesrecht nicht. Dementsprechend ist in § 3 Satz 1 SchKG von "Beratungsstellen
für die Beratung nach § 2" die Rede, während § 8 Satz 1 SchKG eigenständig von
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Beratungsstellen für die Beratung nach den §§ 5 und 6 SchKG spricht. Für letztere ist
in § 8 Satz 1 SchKG ein selbständiger Sicherstellungsauftrag an die Länder erteilt.
Das Konzept unterschiedlicher Beratungsarten mit jeweils dafür zuständigen Bera-
tungsstellen wird in § 4 Abs. 2 SchKG aufgenommen. Wenn dort von der Sicherstel-
lung eines ausreichenden Angebots nach den §§ 3 und 8 SchKG erforderlicher Bera-
tungsstellen die Rede ist, muss in Rechnung gestellt werden, dass in den im Bezug
genannten Vorschriften jeweils eigenständige Sicherstellungsaufträge erteilt sind. Da
die finanzielle Förderung ein zentrales Element zur Erfüllung des Sicherstellungsauf-
trages ist, kann dies nur bedeuten, dass der Gesetzgeber der jeweiligen Kategorie
von Beratungsstellen die Förderung unabhängig voneinander zukommen lassen
wollte. Dies kommt auch in § 3 Satz 2 SchKG zum Ausdruck. Dort heißt es im An-
schluss an die Sicherstellungsverpflichtung im Hinblick auf "Beratungsstellen für die
Beratung nach § 2", dass dabei auch Beratungsstellen freier Träger gefördert wer-
den. Der Gesetzgeber spricht mithin ausdrücklich von der Förderung von Beratungs-
stellen für die Beratung nach § 2. Das wäre sinnlos, wenn ohnehin nur anerkannte
Konfliktberatungsstellen einen Förderungsanspruch hätten.
Bestätigt wird diese Auslegung durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Das
Schwangeren- und Familienhilfegesetz (SFHG) vom 27. Juli 1992 (BGBl I S. 1398)
kannte in seinem § 3 noch nicht die Unterscheidung zwischen allgemeinen Bera-
tungsstellen und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. In seinem § 4 Abs. 2
räumte es den zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebotes im Sinne des § 3
Abs. 1 erforderlichen Beratungsstellen einen Anspruch auf eine angemessene öf-
fentliche Förderung der Personal- und Sachkosten ein. Die Neufassung dieser Vor-
schrift durch das Schwangerschaftskonfliktgesetz wurde sowohl in der Begründung
zum Gesetzentwurf (BTDrucks 13/285 S. 11) als auch im Bericht des zuständigen
Bundestagsausschusses (BTDrucks 13/1850 S. 20) dahin erläutert, durch eine re-
daktionelle Anpassung werde klargestellt, dass sich die bisherigen Vorschriften über
die öffentliche Förderung sowohl auf die als Schwangerschaftskonfliktberatungsstel-
len anerkannten Stellen als auch auf etwaige weitere Beratungsstellen erstrecke, die
den Beratungsanspruch des § 2 SchKG erfüllen. Der Gesetzgeber hat mithin be-
wusst die Förderung nicht auf anerkannte Konfliktberatungsstellen beschränkt, son-
dern sie auch den allgemeinen Beratungsstellen nach § 3 SchKG zugesprochen.
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Entscheidendes Gewicht kommt schließlich der Feststellung zu, dass auch Sinn und
Zweck des Gesetzes für die Einbeziehung allgemeiner Beratungsstellen, die keinen
Beratungsschein ausstellen und damit im Rechtssinne keine Schwangerschaftskon-
fliktberatung betreiben, in die öffentliche Förderung sprechen. Die Förderung von
Beratungsstellen nach § 4 Abs. 2 SchKG dient der Umsetzung der staatlichen
Schutzpflicht für das ungeborene Leben. Nach den Vorgaben des Bundesverfas-
sungsgerichts genügt der Staat seiner Schutzpflicht nur dann, wenn er sowohl Ge-
fahren für das ungeborene Leben bei einem konkreten Schwangerschaftskonflikt
entgegentritt als auch denjenigen Gefahren, die in den sozialen Lebensverhältnissen
der Frau und ihrer Familien begründet liegen und der Bereitschaft der Frau zum Aus-
tragen des Kindes entgegenstehen können (vgl. BVerfGE 88, 203 <258>, LS 9).
Letzterem Ziel dient die Beratung nach § 2 SchKG, die insbesondere Informationen
über bestehende familienfördernde Leistungen und Hilfen für Kinder und Familien,
soziale und wirtschaftliche Hilfen für Schwangere, Hilfen bei der Suche nach einem
Arbeits- und Ausbildungsplatz sowie die Nachbetreuung nach der Geburt des Kindes
umfasst (vgl. § 3 Abs. 2 Nrn. 2 und 4, Abs. 3 SchKG). Darüber hinaus macht schon
die Überschrift des Gesetzes deutlich, dass es den Schutz des ungeborenen Lebens
insbesondere auch durch Vermeidung von Schwangerschaftskonflikten bezweckt. In
diesem Rahmen spielt die Beratung in Fragen der Sexualität, der Empfängnisverhü-
tung und der Familienplanung eine ebenso wichtige Rolle wie die Information über
bestehende familienfördernde Leistungen und Hilfen für Kinder und Familien ein-
schließlich der besonderen Rechte im Arbeitsleben. Beides ist nach § 2 Abs. 2 Nrn. 1
und 2 SchKG Aufgabe der allgemeinen Beratung. Diese Beratung ist hiernach im
Schutzkonzept des Gesetzgebers von großer Bedeutung. Es kann daher nicht
bezweifelt werden, dass gerade auch die Beratung nach § 2 SchKG, wie sie der Klä-
ger durchführt, uneingeschränkt dem Lebensschutz verpflichtet ist und dazu Wesent-
liches beiträgt.
Dies wird bestätigt durch die Tatsache, dass anerkannte Schwangerschaftskonflikt-
beratungsstellen die volle Förderung auch für die Beratungstätigkeit erhalten, die sie
im Rahmen des § 2 SchKG leisten. Das zeigt, dass - auch - diese Tätigkeit dem vom
Gesetz verfolgten Zweck des Lebensschutzes dient und daher förderungswürdig ist.
Ihr Wert wird nicht dadurch gemindert, dass Beratungsstellen sich auf diese Beratung
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beschränken und keine Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten, die den Weg zur
straffreien Abtreibung eröffnet.
Gegenüber diesen Überlegungen vermögen die Gründe, die das Berufungsgericht für
seine Auslegung anführt, nicht zu überzeugen. Das gilt zunächst für den Versor-
gungsschlüssel des § 4 Abs. 1 Satz 1 SchKG. Danach tragen die Länder dafür Sor-
ge, dass den Beratungsstellen nach den §§ 3 und 8 SchKG für je 40 000 Einwohner
mindestens eine Beraterin oder ein Berater vollzeitbeschäftigt oder eine entspre-
chende Zahl von Teilzeitbeschäftigten zur Verfügung steht. Im Hinblick auf diesen
Versorgungsschlüssel bereitet die Einbeziehung von Beratungsstellen, die nur die
allgemeine Beratung nach § 2 SchKG anbieten, prinzipiell keine Schwierigkeiten.
Das Gesetz geht ohnehin davon aus, dass in einer Stadt oder einer Region Bera-
tungsstellen unterschiedlicher Träger nebeneinander bestehen. Anders ließe sich die
Möglichkeit, zwischen Beratungsstellen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrich-
tung zu wählen (§ 3 Satz 3 SchKG), bzw. ein ausreichendes plurales Angebot (§ 8
Abs. 1 Satz 1 SchKG) nicht verwirklichen. Der Versorgungsschlüssel von einer Voll-
zeitbeschäftigten auf 40 000 Einwohner bildet daher lediglich den Maßstab dafür, ob
das Land in einem bestimmten - u.a. durch das Merkmal der Wohnortnähe gepräg-
ten - Bereich seinem Sicherstellungsauftrag gerecht geworden ist. Dagegen besagt
er nicht, dass jeweils 40 000 Einwohnern eine bestimmte Beratungskraft oder eine
bestimmte Beratungsstelle zuzuordnen wäre. Die Einbeziehung der allgemeinen Be-
ratungsstellen ohne Konfliktberatung vergrößert damit das Feld der nach § 4 Abs. 1
Satz 1 SchKG zu berücksichtigenden Anbieter.
Schwierigkeiten könnten lediglich dann entstehen, wenn der tatsächliche Bestand an
Beratungskräften in einem bestimmten Bereich den Versorgungsschlüssel über-
schreitet. Von Bundesrechts wegen sind die Länder zur Förderung eines solchen
überschießenden Angebots nicht verpflichtet. Allerdings haben in einem solchen Fall
die Behörden der Länder nicht von sich aus das Recht, Auswahlkriterien aufzustellen
und einzelne Anbieter von der Förderung auszuschließen. Nach § 4 Abs. 3 SchKG ist
es vielmehr Aufgabe der Landesgesetzgeber, insoweit das Nähere zu bestimmen
und dafür zu sorgen, dass das geförderte Angebot den Prinzipien der Wohnortnähe
und der weltanschaulichen Vielfalt gerecht wird.
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Ebenso wenig überzeugt das Argument des Berufungsgerichts, angesichts des en-
gen Zeitrahmens für eine straffreie Abtreibung sei es der Schwangeren nicht zumut-
bar, nach der Beratungsstelle nach § 3 SchKG noch eine andere als Konfliktbera-
tungsstelle anerkannte Einrichtung aufzusuchen, wenn sie sich während oder nach
der allgemeinen Beratung zu einem Schwangerschaftsabbruch entschließe. Dabei
wird übersehen, dass Frauen, die ernsthaft einen Schwangerschaftsabbruch in Er-
wägung ziehen, kaum eine von der katholischen Kirche getragene Beratungsstelle
aufsuchen werden, da der Ausstieg der Kirche aus der Konfliktberatung in der Öf-
fentlichkeit allgemein bekannt ist. Außerdem wird die Schwangere zu Beginn des
Gesprächs entsprechend den Vorgaben der authentischen Interpretation zu den bi-
schöflichen Beratungsrichtlinien ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Beratungs-
stellen wie die des Klägers keinen Beratungsschein ausstellen. Wer unter diesen
Umständen die Beratung in Anspruch nimmt, weiß, worauf er sich einlässt. Zieht die
Schwangere später eine Abtreibung doch in Erwägung, so ist sie in zeitlicher Hinsicht
keinem anderen Druck ausgesetzt als jede andere Frau, die zunächst eine solche
Möglichkeit nicht ins Auge fasst und erst einige Zeit verstreichen lässt, bevor sie die
Konfliktberatung in Anspruch nimmt.
3. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Förderung auch des-
halb verneint, weil er keine Beratungsstelle nach § 3 SchKG betreibe; in der Bera-
tungsstelle des Klägers werde nicht das volle in § 2 SchKG vorgesehene Beratungs-
programm angeboten. Auch mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil
keinen Bestand haben.
Das Berufungsgericht meint, die in § 2 Abs. 1 SchKG vorgeschriebene Beratung in
"allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen" setze
voraus, dass eine ratsuchende Frau auf das Bestehen einer zusätzlichen Schwan-
gerschaftskonfliktberatungsstelle ausdrücklich hingewiesen werde. Ein derartiger
Hinweis sei bei dem Kläger nicht gesichert. Die Formulierung der authentischen In-
terpretation der bischöflichen Beratungsrichtlinien, eine entsprechende Information
vor der Beratung sei "nicht ausgeschlossen", zeige, dass nicht mit Gewissheit in allen
Beratungsstellen ein derartiger Hinweis auch erfolgen müsse. Es ist nicht ohne wei-
teres erkennbar, welches Defizit das Berufungsgericht dem Kläger damit konkret zur
Last legt. Sollte mit dem verlangten Hinweis auf das "Bestehen einer zusätzlichen
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Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle" die Information gemeint sein, dass es Be-
ratungsstellen gibt, die - anders als der Kläger - die Beratungsbescheinigung
ausstellen, so ginge das Urteil offenkundig an den Vorgaben der authentischen In-
terpretation vorbei. Wenn es dort heißt, am Beginn jeder Beratung müsse die hilfe-
suchende Frau darauf hingewiesen werden, dass die katholische Schwanger-
schaftsberatungsstelle keine Bescheinigung nach § 7 SchKG ausstelle, so beinhaltet
dies im Umkehrschluss zwingend die Aussage, dass es andere Stellen gibt, die die
für den Schwangerschaftsabbruch erforderliche Beratungsbescheinigung erteilen.
Dem Berufungsgericht kann aber auch dann nicht gefolgt werden, wenn seine Aus-
führungen dahin zu verstehen sein sollten, dass die Beratungsstelle in jedem Falle
Hinweise auf konkrete in Betracht kommende Schwangerschaftskonfliktberatungs-
stellen geben müsse. Die Forderung des Berufungsgerichts, in allen Beratungsstellen
müsse mit Gewissheit ein derartiger Hinweis erfolgen, überspannt in mehrfacher
Hinsicht die aus § 2 Abs. 1 SchKG sich ergebenden Anforderungen.
Dies liegt auf der Hand, soweit die Förderung des Klägers davon abhängen soll, dass
die Hinweispflicht in allen (katholischen) Beratungsstellen gleichermaßen erfüllt wird.
Ob der Kläger eine Beratungsstelle nach § 3 SchKG betreibt, hängt vom Beratungs-
angebot dieser Einrichtung und nicht von dem Verhalten anderer Einrichtungen in
katholischer Trägerschaft ab. Die authentische Interpretation der bischöflichen Bera-
tungsrichtlinien bietet für die generalisierende Sicht des Berufungsgerichts schon
deshalb keine Grundlage, weil sie Informationen über andere Beratungsstellen, die
Schwangerschaftskonfliktberatung durchführen, ausdrücklich zulässt.
Fehlerhaft ist aber auch die Forderung des Berufungsgerichts, die Beratungsstelle
des Klägers müsse auf Konfliktberatungsstellen "hinweisen". Ein Hinweis ist begriff-
lich eine nicht erfragte Erklärung. Der Hinweisende tut etwas kund ohne Rücksicht
darauf, ob der Adressat dies wissen will oder nicht. Demgegenüber räumt § 2 Abs. 1
SchKG Männern und Frauen das Recht ein, sich "in Fragen" der dort genannten Be-
reiche informieren und beraten zu lassen. Die Informationspflicht der Beratungsstelle
korrespondiert danach mit dem Beratungsbedarf des Hilfesuchenden, mit den sich
für ihn stellenden Fragen. Zwar ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass
auch die Frage, wo eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu finden ist, zu
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den in § 2 Abs. 1 SchKG angesprochenen eine Schwangerschaft unmittelbar oder
mittelbar berührenden Fragen gehört. Gerade unter den bereits erwähnten Beson-
derheiten von Schwangerenberatungsstellen in katholischer Trägerschaft braucht
diese Frage aber nur beantwortet zu werden, wenn sie gestellt wird. Für diejenigen,
die eine solche Beratungsstelle aufsuchen, ist die Schwangerschaftsunterbrechung
im Regelfall keine ernsthafte Option. Diesen Hilfesuchenden gleichwohl die Mitteilung
aufzudrängen, wo sie gegebenenfalls einen Beratungsschein erhalten können, würde
von vielen als Beleidigung empfunden. Nur dann, wenn eine Schwangere auf den
obligatorischen Hinweis, dass in Einrichtungen des Klägers kein Beratungsschein
ausgestellt wird, nach in Betracht kommenden Konfliktberatungsstellen fragt, ergibt
sich ein entsprechender Auskunftsbedarf. Das Berufungsurteil bietet keinen Anhalts-
punkt für die Annahme, dass in der Beratungsstelle des Klägers auf Anfrage die
entsprechenden Auskünfte nicht erteilt würden. In der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat haben die Vertreter des Klägers ebenso wie die Kläger der zugleich
verhandelten Parallelverfahren unwidersprochen erklärt, es sei selbstverständlich,
dass der Schwangeren auf Wunsch entsprechende Auskünfte erteilt würden.
Die Beklagte hat dem Kläger die Erfüllung der Beratungspflichten nach § 2 SchKG
auch deshalb abgesprochen, weil er keine Auskünfte darüber gebe, welche Ärzte
und Krankenhäuser Abtreibungen durchführten. Das ist schon deshalb ungerechtfer-
tigt, weil diese Frage unmittelbar in den Kontext des akuten Schwangerschaftskon-
flikts gehört und damit der speziell darauf bezogenen Schwangerschaftskonfliktbera-
tung zugeordnet ist. Sie gehört nicht zum Beratungsangebot nach § 2 SchKG.
4. Der Revision kann nicht deshalb der Erfolg versagt werden, weil sich das ange-
fochtene Urteil aus anderen Gründen als richtig erwiese (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die
von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden und im Rechtsstreit vorgetra-
genen weiteren Gründe für die Verneinung des klägerischen Anspruchs greifen nicht
durch.
4.1 Die Beklagte hat die Erforderlichkeit der klägerischen Beratungsstelle mit der Be-
gründung verneint, der entsprechende Beratungsbedarf sei bereits durch die vom
Land Niedersachsen geförderten Beratungsstellen des Vereins Donum Vitae gedeckt
und damit der Sicherstellungsauftrag des Landes erfüllt. Dies verletzt das Gebot des
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§ 3 Satz 3 SchKG, dass die Ratsuchenden zwischen Beratungsstellen un-
terschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung auswählen können. Im Sinne dieser
Vorschrift haben die von der katholischen Kirche getragenen Beratungsstellen und
der Verein Donum Vitae nicht dieselbe weltanschauliche Ausrichtung. Zwar ist der
Verein 1999 von Katholiken gegründet worden. Er setzt sich wie die katholische Kir-
che vorbehaltlos für den Schutz des ungeborenen Lebens ein. Im Gegensatz zur
Amtskirche sieht er aber die Teilnahme an der Schwangerschaftskonfliktberatung
einschließlich der Ausstellung des Beratungsscheins als einen wichtigen und erfolg-
versprechenden Weg des Lebensschutzes an. Er ist gegründet worden als Reaktion
auf den Ausstieg der katholischen Kirche aus der Schwangerschaftskonfliktberatung.
Zwischen der Kirche und dem Verein Donum Vitae besteht daher ein tiefgreifender
Dissens darüber, wie der Schutz des ungeborenen Lebens auf der Grundlage des
katholischen Glaubens zu verwirklichen ist. Das schließt es aus, die jeweiligen Bera-
tungsstellen im Rahmen des § 3 Satz 3 SchKG als gleichgerichtet zu behandeln und
sie gegeneinander auszuspielen.
4.2 Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Versorgungsschlüssel des § 4 Abs. 1
Satz 1 SchKG im Land Niedersachsen oder auch in der hier betroffenen Region
ausgeschöpft sein könnte und dass deshalb die Erforderlichkeit der klägerischen
Beratungsstelle nach § 4 Abs. 2 SchKG zu verneinen wäre. Im Übrigen fehlt, wie
ausgeführt, ein Landesgesetz, das für diesen Fall die Kriterien für die Auswahl
zwischen den konkurrierenden Beratungsstellen festlegen würde. Solange dieser
Zustand andauert, muss das Land gegebenenfalls auch für ein den Versorgungs-
schlüssel überschreitendes Beratungsangebot einstehen, denn § 4 Abs. 1 Satz 1
SchKG bezeichnet die Bereitstellung von einer Vollzeitkraft für 40 000 Einwohner
ausdrücklich als Mindestausstattung.
5. Das Klagebegehren erweist sich auch nicht insoweit als abweisungsreif, als der
Kläger eine Förderung in Höhe von 80 % der Personal- und Sachkosten seiner Bera-
tungsstelle begehrt. Denn § 4 Abs. 2 SchKG gewährt einen Anspruch auf eine an-
gemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten. Im Urteil vom
3. Juli 2003 (BVerwG 3 C 26.02 - a.a.O.) hat der Senat ausgesprochen, dass eine
angemessene Förderung für anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen
80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten der Beratungsstelle decken muss.
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Dieser Fördersatz muss auch für allgemeine Schwangerenberatungsstellen nach § 3
SchKG als angemessen betrachtet werden. Das ergibt sich aus folgenden Überle-
gungen:
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass anerkannte Konfliktberatungsstellen den
vollen Fördersatz auch für ihre Tätigkeit auf dem Gebiet der allgemeinen Beratung
nach § 2 SchKG erhalten. Es gibt aber keinen Grund, der es rechtfertigen könnte,
dieselbe Tätigkeit unterschiedlich im Hinblick darauf zu fördern, ob die Beratungs-
stelle zusätzlich eine weitere ihrerseits förderungsfähige Aufgabe wahrnimmt oder
nicht.
Ein solcher Grund kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass die Kon-
fliktberatung nach § 6 Abs. 4 SchKG unentgeltlich ist. Zwar gibt es für die allgemeine
Beratung eine entsprechende Vorschrift nicht. Dies gilt aber gleichermaßen für die
allgemeine Beratung durch die Konfliktberatungsstelle wie durch die allgemeine Be-
ratungsstelle. Der Hinweis, dass die allgemeine Beratungsstelle für ihre Beratung ein
Entgelt verlangen könnte, träfe mithin ebenso auf die Konfliktberatungsstelle zu.
Ebenso geht der Hinweis fehl, dass Konfliktberatungsstellen durch die strengen An-
forderungen an Ausstattung und Verfahren kostenaufwendiger seien als allgemeine
Beratungsstellen, die entsprechenden Anforderungen nicht unterliegen. Bei einer
prozentualen Bestimmung des Fördersatzes führt eine Reduzierung der Kostenlast
automatisch zu einer Verringerung der Fördersumme. Damit wird der unterschiedli-
chen Kostenbelastung von allgemeinen Beratungsstellen und Schwangerschaftskon-
fliktberatungsstellen Rechnung getragen. Für eine zusätzliche Reduzierung durch
Herabsetzung des Fördersatzes gibt es keine Rechtfertigung.
6. Gleichwohl sieht sich der Senat zu einer abschließenden Entscheidung in der Sa-
che zugunsten des Klägers nicht in der Lage. Zwar ist nicht zu erkennen, woran der
geltend gemachte Anspruch angesichts der vorstehenden Ausführungen dem Grun-
de nach scheitern könnte. Die Feststellungen des Berufungsgerichts geben aber kei-
ne Grundlage für eine Beurteilung der Höhe des geltend gemachten Anspruchs. Der
Kläger hat eine Aufstellung der entstandenen Personal- und Sachkosten in der erst-
instanzlichen mündlichen Verhandlung vorgelegt. Eine Erörterung hierzu hat weder
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zwischen den Beteiligten noch im angefochtenen Urteil stattgefunden. Damit ist die
Frage, ob die geltend gemachten Kosten tatsächlich entstanden sind, ebenso offen
wie die weitere Frage, ob es sich um notwendige Kosten der Beratungsstelle handelt.
Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um die insoweit
notwendigen Klärungen herbeizuführen.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Dette
Liebler Prof. Dr. Rennert
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 37 441,95 €
festgesetzt.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Dette
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Gesundheitsverwaltungsrecht - Förderung
Fachpresse:
ja
von Schwangerschaftsberatungsstellen -
Rechtsquellen:
SchKG §§ 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9
SFHG 1992 §§ 3, 4
Stichworte:
Schwangerschaftsberatung; Schwangerenberatung; Schwangerschaftskonfliktbera-
tung; Förderung; Förderanspruch; allgemeine Beratung; Beratung nach § 2 SchKG;
Beratungsstelle; Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle; Versorgungsschlüssel.
Leitsätze:
1. Auch Beratungsstellen, die die allgemeine Beratung nach § 2 des Schwanger-
schaftskonfliktgesetzes (SchKG) erbringen, ohne sich an der Schwangerschaftskon-
fliktberatung zu beteiligen und den Beratungsschein auszustellen, haben Anspruch
auf öffentliche Förderung nach § 4 Abs. 2 SchKG.
2. Der Fördersatz beträgt wie bei Konfliktberatungsstellen 80 % der notwendigen
Personal- und Sachkosten.
3. Geht das in den Beratungsstellen nach §§ 3 und 8 SchKG tätige Personal über
den Versorgungsschlüssel des § 4 Abs. 1 Satz 1 SchKG hinaus, so rechtfertigt dies
nur die Ablehnung der Förderung wegen fehlender Erforderlichkeit, wenn der Lan-
desgesetzgeber die Kriterien für die Auswahl unter den Beratungsstellen festgelegt
hat.
Urteil des 3. Senats vom 15. Juli 2004 - BVerwG 3 C 48.03
I. VG Braunschweig vom 29.10.2002 - Az.: VG 5 A 127/02 -
II. OVG Lüneburg vom 30.10.2003 - Az.: OVG 11 LC 18/03 -