Urteil des BVerwG vom 19.10.2006

Bemessungsgrundlage, Unternehmen, Gesellschafter, Kommanditgesellschaft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
BVerwG 3 C 35.05
am 19. Oktober 2006
VG 7 K 1727/01
Bech
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette, Liebler und
Prof. Dr. Rennert
für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25. No-
vember 2004 wird geändert.
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme
der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die
diese selbst tragen.
G r ü n d e :
I
Der Kläger beansprucht für die Erbengemeinschaft nach M. H. S. einen höhe-
ren Anteil an der Ausgleichsleistung für die Enteignung der M. H. S. KG, als ihr
bisher zuerkannt worden ist.
Die Kommanditgesellschaft betrieb eine Fabrik in C. Das Unternehmen wurde
aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 124 beschlagnahmt und durch Beschluss der
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Landeskommission vom 27. Mai 1946 enteignet. Die Enteignung wurde durch
den SMAD-Befehl Nr. 64 bestätigt.
Gesellschafter zum Zeitpunkt der Enteignung waren der Komplementär M. H. S.
sowie die Kommanditisten M. L. und Dr. W. S. mit einer Kapitaleinlage in Höhe
von jeweils 33 333 RM. Der Kläger ist Mitglied der Erbengemeinschaft nach M.
H. S.
Mit Bescheid vom 30. Juli 1976 stellte der Oberkreisdirektor des Kreises L. H.
einen Wegnahmeschaden am Betriebsvermögen der Kommanditgesellschaft in
Höhe von 238 624,31 RM fest, von dem 142 445,67 RM auf M. H. S. und
45 472,72 RM auf Dr. W. S. entfielen. Ein Schadensanteil von M. L. wurde nicht
festgestellt, weil ihre Erben wegen des Wohnsitzes der Erblasserin nicht an-
spruchsberechtigt im Lastenausgleichsverfahren waren. Der Berechnung der
Schadensanteile wurden ausgehend von der Steuerbilanz zum 31. Dezember
1944 die Kapitalkonten der Kommanditisten einschließlich der ausgewiesenen
Gewinnanteile zuzüglich eines Anteils an den aufgelösten stillen Reserven zu-
grunde gelegt. Der Anteil der Gesellschafter an den stillen Reserven wurde an-
hand ihrer Beteiligungsverhältnisse ermittelt, welche die Lastenausgleichsbe-
hörde in Höhe von 72,22 % für den Komplementär und jeweils 13,89 % für die
Kommanditisten durch Bilanzen und sonstige Urkunden als bewiesen ansah.
Nachdem die Rückübertragung des Unternehmens unter Hinweis auf § 1 Abs. 8
Buchst. a VermG abgelehnt worden war, beantragten die Erben nach M. H. S.
die Gewährung von Ausgleichsleistungen für den Verlust des Komple-
mentäranteils. Entsprechende Anträge stellten die Rechtsvorgänger der Beige-
ladenen im Hinblick auf die Kommanditanteile.
Mit Bescheid vom 21. Juni 2001 stellte das Sächsische Landesamt zur Rege-
lung offener Vermögensfragen fest, dass die Erbengemeinschaft nach M. H. S.
Berechtigte im Sinne des Ausgleichsleistungsgesetzes - AusglLeistG - hinsicht-
lich des Gesellschaftsanteils des Erblassers sei und die gekürzte Bemessungs-
grundlage dieses Anteils 40 773,85 DM betrage. Der Berechnung dieses Be-
trages legte das Landesamt nach § 2 Abs. 6 AusglLeistG i.V.m. § 4 Abs. 1
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Satz 2 des Entschädigungsgesetzes - EntschG - den von der Lastenaus-
gleichsbehörde festgestellten Ersatzeinheitswert von 238 624,31 RM zugrunde,
den es nach § 25 Abs. 2 des Reichsbewertungsgesetzes auf 238 600 RM ab-
rundete und nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EntschG mit 1,5 multiplizierte. Von dem
sich so ergebenden und auf DM umgestellten Betrag von 357 900 sprach das
Landesamt den Rechtsnachfolgern des Komplementärs einen Anteil von
61,57 % und somit 220 359,03 DM zu. Diesen Prozentsatz ermittelte es, indem
es ausgehend von der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1944 den Kapitalanteil
des Komplementärs und die Kommanditeinlagen einschließlich der Gewinnan-
teile der Kommanditisten addierte und den Bruchteil des Kapitalanteils des
Komplementärs an diesem Gesamtkapital bestimmte. Da den Erben nach M. H.
S. auch Ausgleichsleistungen für ein Privatgrundstück zugesprochen worden
waren, wobei die ungekürzte Bemessungsgrundlage 344 000 DM betrug, rech-
nete das Landesamt nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG die Berechnungsgrundla-
gen zusammen, unterwarf die Summe der Degression nach § 7 Abs. 1 EntschG
und zog anschließend die bereits festgestellte gekürzte Bemessungsgrundlage
in Höhe von 95 880 DM für das erwähnte Privatgrundstück ab. Auf diese Weise
ergab sich die gekürzte Bemessungsgrundlage für den Komplementäranteil in
Höhe von 40 773,85 DM.
Mit seiner gegen die Festsetzung der gekürzten Bemessungsgrundlage für den
Komplementäranteil gerichteten Klage hat der Kläger sich unter anderem dar-
auf berufen, dass bei der Berechnung der jeweiligen Geschäftsanteile die Ge-
winnanteile der Kommanditisten nicht hätten berücksichtigt werden dürfen, so
dass der Geschäftsanteil seines Rechtsvorgängers nicht 61,57 % sondern - wie
im Lastenausgleichsverfahren festgestellt - 72,22 % betragen habe.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage insoweit - unter Abweisung im Übrigen -
mit Urteil vom 25. November 2004 stattgegeben und den Beklagten verpflichtet,
die gekürzte Bemessungsgrundlage mit 46 491,31 DM (= 23 770,60 €) festzu-
stellen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Gesellschafts-
anteil des M. H. S. an der Kommanditgesellschaft habe, wie im Lastenaus-
gleichsverfahren bestandskräftig festgestellt worden sei, 72,22 % betragen. Die
hiervon abweichende Berechnung des Beklagten sei fehlerhaft, weil er die Ge-
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winnanteile der Kommanditisten aus nicht nachvollziehbaren Gründen „um de-
ren Kapitaleinlagen“ erhöht habe.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die vollstän-
dige Abweisung der Klage. Er stellt in Abrede, dass das Lastenausgleichsamt
einen Anteil des Komplementärs in Höhe von 72,22 % festgestellt habe. Der
Prozentsatz sei lediglich für die Auflösung stiller Reserven von Bedeutung ge-
wesen, also nur für die Verteilung von Gewinnen und Verlusten. Maßgeblich für
die Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei § 2 Abs. 6 AusglLeistG. Der Wort-
laut dieser Norm erfasse - trotz der Verwendung des Begriffs „Nennbetrag“ -
auch Anteile an Personengesellschaften, weil diese ebenfalls einen Anteil am
Kapital eines Unternehmens vermittelten. Letztlich könne die Anwendbarkeit
dieser Norm jedoch offenbleiben, weil der darin genannte Maßstab mit dem im
Lastenausgleich verwendeten Maßstab übereinstimme. Dieser beruhe auf der
Heranziehung unverändert geltender steuerrechtlicher und handelsrechtlicher
Grundsätze. Da der Gesetzgeber auf den Einheitswert Bezug nehme, seien
zudem die bewertungsrechtlichen Vorschriften heranzuziehen. Demnach sei
davon auszugehen, dass das der Ermittlung des Einheitswerts zugrunde lie-
gende Vermögen der Gesellschaft für den Bewertungsstichtag als Auflösungs-
vermögen unter die Gesellschafter zu verteilen sei. Das bedeute, dass die Ka-
pitalkonten entsprechend der nach § 155 HGB auf den gleichen Stichtag auf-
gestellten Handelsbilanz als Ausgangswerte zugrunde zu legen seien. Die Auf-
teilung des Auflösungserfolges regele sich nach der Gewinnverteilungsbestim-
mung des § 121 Abs. 3 HGB. Dies sei nunmehr auch im Bewertungsgesetz
geregelt. Nach dessen § 3 Satz 2 sei der Wert auf die Beteiligten nach dem
Verhältnis ihrer Anteile zu verteilen. Nach § 97 Abs. 1a BewG seien die Kapi-
talkonten aus der Steuerbilanz dem jeweiligen Gesellschafter vorweg zuzu-
rechnen. Der verbleibende Wert des Betriebsvermögens sei nach dem für die
Gesellschaft maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssel aufzuteilen. Zur Ermitt-
lung der Höhe der Kapitalkonten der Kommanditisten seien jeweils die Kom-
manditeinlage und der Gewinnanteil zusammenzurechnen; dies ergebe sich
aus § 120 Abs. 2 HGB. Nach § 167 Abs. 2 HGB werde der einem Kommandi-
tisten zukommende Gewinn seinem Kapitalanteil allerdings nur solange zuge-
schrieben, bis dieser den Betrag der bedungenen Einlage erreiche. Das bedeu-
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te jedoch nicht, dass hier die Kapitalanteile der Kommanditisten nur bis zu einer
Höhe von 33 333 RM Berücksichtigung finden könnten. Vielmehr sei davon
auszugehen, dass die Gesellschafter diese Vorschrift abbedungen hätten; denn
die Gewinnanteile seien in der Bilanz bei den Kapitalanteilen geführt worden.
Die Höhe der Kapitalkonten betrage somit insgesamt 280 628,89 RM, wovon M.
H. S. mit einem Kapitalkonto in Höhe von 172 781,27 RM 61,57 % gehalten
habe.
Der Kläger beantragt - nach Rücknahme einer zunächst eingelegten „An-
schlussrevision“ -, die Revision zurückzuweisen, und verteidigt das Urteil des
Verwaltungsgerichts in dem von der Revision angegriffenen Punkt. Der Ge-
schäftsanteil des Komplementärs sei - wie bereits im Lastenausgleichsverfah-
ren festgestellt - mit 72,22 % anzusetzen. Dies entspreche auch den seinerzei-
tigen tatsächlichen Beteiligungsverhältnissen. Die von den Gesellschaftern vor-
genommene Gewinnverteilung ergebe bei Rückrechnung einen deutlich höhe-
ren Geschäftsanteil des Komplementärs als der Beklagte angenommen habe.
Jedenfalls seien die Einlagen der Kommanditisten nur zum Buchwert zu be-
rücksichtigen. Im Übrigen finde die Behauptung des Beklagten, die Bestimmung
des § 167 Abs. 2 HGB sei seinerzeit abbedungen worden, in den tatrich-
terlichen Feststellungen keine Grundlage.
Die Beigeladenen machen sich die Ausführungen des Beklagten zu eigen und
verweisen darauf, dass es für die Höhe der Beteiligung der Gesellschafter auf
den Bestand ihrer Kapitalkonten unabhängig von deren Bezeichnung zum Zeit-
punkt der Enteignung ankomme.
II
Die Revision ist begründet. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattge-
geben hat, verletzt das angegriffene Urteil Bundesrecht; denn es beruht auf
einer fehlerhaften Anwendung des § 2 Abs. 6 AusglLeistG. Der Beklagte hat die
Gewinnkonten der Kommanditisten zu Recht bei der Berechnung des auf den
Komplementäranteil entfallenden Teilbetrages der nach § 4 EntschG zu
ermittelnden Bemessungsgrundlage berücksichtigt. Das Urteil des Verwal-
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tungsgerichts muss daher aufgehoben und - da weitere tatsächliche Feststel-
lungen für eine Sachentscheidung nicht erforderlich sind - die Klage in vollem
Umfang abgewiesen werden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO).
1. Rechtlicher Maßstab für die Berechnung des auf die Rechtsnachfolger des
Komplementärs entfallenden Anteils an der Ausgleichsleistung für den Verlust
des Unternehmens ist § 2 Abs. 6 AusglLeistG. Danach ist die Bemessungs-
grundlage für Rechte, die einen Anteil am Kapital eines Unternehmens vermit-
teln, der Teilbetrag der nach § 4 des Entschädigungsgesetzes zu ermittelnden
Bemessungsgrundlage, der dem Verhältnis des Nennbetrages des Anteils zum
Gesamtnennbetrag des Kapitals entspricht.
Zwar ist umstritten, ob diese Vorschrift überhaupt für die Anteile an Personen-
gesellschaften - wie die hier betroffene Kommanditgesellschaft - gilt. Die Ein-
wände gegen die Anwendbarkeit der Norm sind jedoch nicht berechtigt. Sie
knüpfen an die Verwendung des Begriffs „Nennbetrag“ an, der aus dem Aktien-
recht stammt. Es herrscht allerdings Einigkeit darüber, dass trotz des aktien-
rechtlichen Sprachgebrauchs auch Anteile an anderen Kapitalgesellschaften
erfasst werden. Insoweit wird auch von denen, welche die Anwendung des § 2
Abs. 6 AusglLeistG auf Personengesellschaften ablehnen, eingeräumt, dass die
verwendeten Begriffe „Nennbetrag“ und „Gesamtnennbetrag“ irreführend sind
(vgl. Zimmermann, in: Rechtshandbuch, B 115, Ausgleichsleistungsgesetz, § 2
Rn. 17). Weshalb dann aber das in dieser Vorschrift niedergelegte Prinzip nicht
auch bei Personengesellschaften anwendbar sein soll, ist angesichts des
übrigen Wortlauts der Norm schwer nachvollziehbar; denn auch bei einer sol-
chen Gesellschaftsform vermittelt der Gesellschaftsanteil eine anteilige Berech-
tigung am Kapital des von der Gesellschaft gehaltenen Unternehmens (so zu
Recht Meixner, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen
DDR, § 2 AusglLeistG, Rn. 77 a; Schulte, in: Motsch/Rodenbach, § 2
AusglLeistG Rn. 106; Weskamm, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 2
AusglLeistG, Rn. 46). Eine unterschiedliche Behandlung der Anteile an Kapital-
und Personengesellschaften ist daher nicht gerechtfertigt. Sie war offenbar
auch vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Nach den Gesetzgebungsmaterialien
(BRDrucks 244/93, S. 39) sollte die Bemessungsgrundlage von Ausgleichs-
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leistungen für „Anteilsrechte“ an „Unternehmen“ geregelt werden. Für eine be-
wusste Differenzierung zwischen Kapital- und Personengesellschaften gibt die
Gesetzesbegründung nichts her. Im Einklang damit gehen auch das Bundes-
ministerium der Finanzen, das Bundesamt zur Regelung offener Vermögens-
fragen und die beigetretenen Länder wie selbstverständlich davon aus, dass
auch Personengesellschaften von der Regelung des § 2 Abs. 6 AusglLeistG
erfasst werden; denn in Teil C Abschnitt IV 2. Buchst. b der von ihnen erlasse-
nen „Gemeinsamen Arbeitshilfe zum Entschädigungsgesetz und Ausgleichs-
leistungsgesetz“ wird dargelegt, wie bei Anwendung dieser Vorschrift die Betei-
ligungsverhältnisse an solchen Gesellschaften zu ermitteln sind.
2. a) Der somit einschlägige § 2 Abs. 6 AusglLeistG bestimmt als Bemes-
sungsgrundlage für den Anteil an einem geschädigten Unternehmen einen nach
einer Verhältnisberechnung festzustellenden Teilbetrag der nach § 4 EntschG
zu ermittelnden Bemessungsgrundlage. Gemäß § 4 Abs. 1 EntschG ist Bemes-
sungsgrundlage der Entschädigung für Unternehmen oder Anteile an
Unternehmen die - wie hier - bis einschließlich 31. Dezember 1952 enteignet
wurden, das 1,5-fache des im Hauptfeststellungszeitraum vor der Schädigung
zuletzt festgestellten Einheitswertes (Satz 1). Ist ein Einheitswert nicht festge-
stellt worden oder nicht mehr bekannt und ist ein Ersatzeinheitswert nach dem
Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz ermittelt worden, ist das 1,5-fache
dieses Wertes maßgebend (Satz 2). Einheitswert und Ersatzeinheitswert sind
nicht als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, wenn Wiederaufnahmegründe
im Sinne des § 580 ZPO vorliegen und deren Berücksichtigung bei einer Be-
messung des Unternehmenswertes nach § 4 Abs. 2 EntschG zu einem Wert
führt, der mehr als 1/5, mindestens aber 1 000 Mark vom Einheitswert oder Er-
satzeinheitswert abweicht (Satz 3).
Das bedeutet, dass der Beklagte seinen Berechnungen zutreffend den mit Be-
scheid des Kreises Land Hadeln vom 30. Juli 1976 festgestellten Ersatzein-
heitswert in Höhe von 238 624,31 RM zugrunde gelegt hat, weil er einen Wie-
deraufnahmegrund, der nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EntschG zur Unanwendbarkeit
dieses Wertes hätte führen können, nicht hat feststellen können. Von diesem
bindend vorgegebenen Ersatzeinheitswert entfällt nach § 2 Abs. 6 AusglLeistG
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auf den umstrittenen Komplementäranteil der Teilbetrag, der dem Wert des
Nennbetrages dieses Anteils zum Gesamtnennbetrag des Kapitals der Kom-
manditgesellschaft entspricht.
b) Eine eigenständige Feststellung der Beteiligungsverhältnisse nach den Vor-
schriften des Ausgleichsleistungsrechts erübrigt sich hier nicht deswegen, weil
die Lastenausgleichsbehörde in ihrem später zum Teilbescheid erklärten ersten
Bescheid vom 8. August 1973 als bewiesen angesehen hat, dass zum Zeit-
punkt der Enteignung der Komplementär zu 72,22 % und die Kommanditisten
zu jeweils 13,89 % Eigentümer gewesen seien. Der Hinweis des Verwaltungs-
gerichts auf die im Lastenausgleichsverfahren „bestandskräftig“ festgestellten
Beteiligungsverhältnisse ist nicht dahin zu verstehen, dass das Gericht eine
rechtliche Bindungswirkung dieser Feststellung für die Berechnung der Bemes-
sungsgrundlage für den Komplementäranteil angenommen hat. Andernfalls
wäre es nicht verständlich, warum das Gericht die vermeintliche Fehlerhaftigkeit
der vom Beklagten festgestellten Beteiligungsverhältnisse mit der Berücksichti-
gung bestimmter Konten der Kommanditisten begründet, anstatt sich mit einem
Hinweis auf die Abweichung von der bestandskräftigen Feststellung des Las-
tenausgleichsamts zu begnügen. Das mag jedoch dahingestellt bleiben, weil die
Frage einer Bindungswirkung dieser Feststellung eine vom Revisionsgericht
eigenständig zu beantwortende Rechtsfrage ist. Sie muss verneint werden, weil
es an einer gesetzlichen Bestimmung fehlt, welche die Verbindlichkeit einer
solchen Feststellung für das Verfahren nach dem Ausgleichsleistungsgesetz
vorschreibt.
Der Senat ist auch nicht deswegen an die Feststellung dieser Quote durch das
Verwaltungsgericht gebunden, weil es sich dabei um eine Tatsachenfeststellung
handelte, die nur im Wege einer begründeten Verfahrensrüge überwunden
werden könnte; denn diese Tatsachenfeststellung ist - jedenfalls soweit sie im
Streit ist - das Resultat einer Subsumtion, nämlich der rechtlichen Einordnung
der in der Bilanz für die Kommanditisten ausgewiesenen Beträge.
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c) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die „Kapitaleinlagen“ der Komman-
ditisten (gemeint sind offenbar die Gewinnkonten) seien bei der Ermittlung der
Teilbeträge nach § 2 Abs. 6 AusglLeistG nicht zu berücksichtigen, geht an der
Systematik der gesetzlichen Bestimmungen und dem konkreten Verfahrensab-
lauf vorbei.
Die Gewinnkonten der Kommanditisten mussten schon deswegen zur Ermitt-
lung der „Nennbeträge“ ihrer Anteile, also der auf sie entfallenden Eigenkapital-
quote des Unternehmens, herangezogen werden, weil diese Konten bei der
Feststellung des - im Verfahren nach dem Ausgleichsleistungsgesetz als Be-
messungsgrundlage heranzuziehenden - Ersatzeinheitswerts des Unterneh-
mens berücksichtigt worden sind. Das Lastenausgleichsamt des Kreises L. H.
hat der Feststellung des Ersatzeinheitswerts sowohl die Einlagen der Kom-
manditisten als auch ihre jeweiligen Gewinnanteile zugrunde gelegt und diese
nicht als Fremdverbindlichkeiten abgezogen. Dies lässt sich den vom Verwal-
tungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen ohne weiteres ent-
nehmen und ist auch unter den Beteiligten nicht streitig. Sind diese Posten aber
in die Berechnung des Ersatzeinheitswerts eingeflossen - also bewertungs-
rechtlich als Unternehmensbestandteil eingeordnet worden - müssen sie bei der
an die Stelle einer Unternehmensrückgabe tretenden anteiligen Ausgleichs-
leistung notwendigerweise zugunsten der Kommanditisten berücksichtigt wer-
den. Nur so lässt sich eine systemwidrige Kapitalaufteilung vermeiden. Da der
Ersatzeinheitswert die Bemessungsgrundlage für die Ausgleichsleistung bildet,
die Höhe dieser Leistung somit durch die Höhe des in der Ersatzeinheitswert-
berechnung berücksichtigten Eigenkapitals des Unternehmens bestimmt wird,
muss sich die Aufteilung der Bemessungsgrundlage nach § 2 Abs. 6
AusglLeistG folgerichtig an den in die Berechnung eingeflossenen Kapitalantei-
len und deren Zuordnung ausrichten. Nur so kann sichergestellt werden, dass
die ermittelten Quoten die Beteiligungsverhältnisse an dem den Unterneh-
menswert repräsentierenden Ersatzeinheitswert korrekt abbilden.
Ein Abweichen von dieser durch die Ersatzeinheitswertberechnung vorgegebe-
nen Systematik würde zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen. Sind die
Gewinnkonten der Kommanditisten mit der zwangsläufigen Folge einer Erhö-
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hung der Ausgleichsleistung in den Einheitswert eingeflossen, berücksichtigte
man diese Konten aber nicht bei Berechnung der Quoten, ergäbe sich für die
Inhaber der Konten eine geringere Quote an einer höheren Ausgleichsleistung
oder - aus anderem Blickwinkel - erhielten die anderen Gesellschafter eine hö-
here Quote an einer höheren Ausgleichsleistung, obwohl der höhere Unter-
nehmenswert allein auf die Einbeziehung dieser Konten zurückzuführen ist und
daher folgerichtig auch deren Inhabern zugute kommen müsste. Den Inhabern
der Gewinnkonten wäre zudem der Ausweg eines gesonderten Ausgleichsleis-
tungsbegehrens für den Verlust ihrer Forderungen aus dem Gewinnkonto ver-
sperrt, weil diese Guthaben in die Einheitswertberechnung eingeflossen sind
und damit bereits Berechnungsgrundlage der Ausgleichsleistung für das Unter-
nehmen waren, mit anderen Worten: Ebenso wie das Unternehmen und seine
Bestandteile nur einmal zurückgegeben werden können, kann auch eine ent-
sprechende Ausgleichsleistung nur einmal gewährt werden.
Im umgekehrten Fall, wenn bei der Berechnung des Ersatzeinheitswerts die
Gewinnkonten nicht werterhöhend berücksichtigt, sondern als Fremdverbind-
lichkeiten angesehen worden sind, können sie auch bei der Quotierung nicht in
Ansatz gebracht werden. Andernfalls ergäbe sich eine höhere Quote des Kon-
teninhabers an einer geringeren Ausgleichsleistung für das Unternehmen, ob-
wohl die niedrigere Ausgleichsleistung auf der Nichtberücksichtigung seines
Guthabens beruht. In einem solchen Fall muss das Guthaben bei der Quoten-
bildung für die zu gewährende Ausgleichsleistung für das Unternehmen unbe-
rücksichtigt bleiben, weil es von der bindenden Bemessungsgrundlage nicht
erfasst wird. Der Forderungsinhaber ist darauf verwiesen, eine gesonderte Aus-
gleichsleistung für den Verlust seiner Forderung gegen das geschädigte Unter-
nehmen zu beantragen.
Die konkrete Einheitswert- oder Ersatzeinheitswertberechnung kann selbstver-
ständlich nur dann Maßstab für die bei der Ermittlung der Bemessungsgrundla-
ge nach § 2 Abs. 6 AusglLeistG zu berücksichtigenden Konten sein, wenn ein
bindender Einheitswert oder Ersatzeinheitswert festgestellt ist und darüber hin-
aus feststellbar ist, welche Konten der Kommanditisten in die Einheitswertbil-
dung eingeflossen sind. In allen anderen Fällen wird zu ermitteln sein, ob es
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sich bei dem Guthaben auf dem variablen Konto des Gesellschafters bewer-
tungsrechtlich um eine Fremdverbindlichkeit oder um Eigenkapital der Gesell-
schaft handelte.
3. Soweit der Kläger „Anschlussrevision“ eingelegt und diese nach Belehrung
zurückgenommen hat, ist kein Entscheidungsausspruch veranlasst. Dem Kläger
ging es mit seinem vermeintlichen Anschlussrechtsmittel ausschließlich darum,
die Revision abzuwehren. Der Wille, ein eigenständiges Begehren zu verfolgen,
ließ sich seiner Rechtsmittelschrift nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Kley van Schewick Dr. Dette
Liebler Prof. Dr. Rennert
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Ausgleichsleistungsrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
AusglLeistG § 2 Abs. 6
EntschG
§ 4 Abs. 1
Stichworte:
Ausgleichsleistung; Ausgleichsleistung für einen Unternehmensanteil; Kom-
manditgesellschaft; Bemessungsgrundlage; Aufteilung der Bemessungsgrund-
lage; Nennbetrag; Gesamtnennbetrag; Kommanditeinlage; Gewinnkonto; Ein-
heitswert; Ersatzeinheitswert; Eigenkapital; Fremdverbindlichkeiten.
Leitsatz:
Die Regelung des § 2 Abs. 6 AusglLeistG über die Bemessung der Ausgleichs-
leistung für Rechte, die einen Anteil am Kapital eines Unternehmens vermitteln,
gilt auch für die Beteiligung an Personengesellschaften.
Bei der Ermittlung der „Nennbeträge“ nach § 2 Abs. 6 AusglLeistG sind die
Gewinnkonten von Kommanditisten jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn
sie in die Berechnung des als Bemessungsgrundlage heranzuziehenden Ein-
heitswertes oder Ersatzeinheitswertes eingeflossen sind.
Urteil des 3. Senats vom 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 35.05
I. VG Dresden vom 25.11.2004 - Az.: VG 7 K 1727/01 -