Urteil des BVerwG vom 16.09.2004

Verordnung, Fortsetzung des Pachtverhältnisses, Vertrag Von Maastricht, Verpachtung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
am 16. September 2004
Schöbel
BVerwG 3 C 35.03
Justizangestellte
VGH 9 BV 02.3024
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. D e t t e , L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 2003 wird zurückge-wie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist Eigentümer einer Grünlandfläche von 36,14 ha, für die ihm eine Milch-
Referenzmenge von 42 545 kg bescheinigt worden war. Diese Referenzmenge ver-
pachtete er für die Zeit vom 1. März 1998 bis zum 31. März 2000 "flächenlos". Nach
Ablauf der Pachtzeit verzichtete der Pächter darauf, die Referenzmenge zu über-
nehmen. Der Kläger beantragte beim Amt für Landwirtschaft und Ernährung Kitzin-
gen, ihm die Rückgewähr der Referenzmenge zu bescheinigen. Er sei kein aktiver
Milcherzeuger mehr; die Referenzmenge solle einstweilen von der abnehmenden
Molkerei verwaltet werden. Daraufhin bescheinigte das Amt unter dem 19. Septem-
ber 2000 die Rückgewähr einer Referenzmenge von 28 506 kg mit Wirkung vom
1. April 2000 und verfügte zugleich, dass die restlichen 14 039 kg (= 33 % von
42 545 kg) gemäß § 12 Abs. 2 der Zusatzabgaben-Verordnung (ZAV) zugunsten
der Landesreserve eingezogen werden. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die genannte Vorschrift sei mit eu-
ropäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht, namentlich mit
Art. 80 Abs. 1, Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG, unvereinbar und nichtig. Das Bayerische
Verwaltungsgericht Würzburg hat die Klage mit Urteil vom 24. Oktober 2002 abge-
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wiesen, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung mit Urteil vom 24. Juni
2003 zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Begründung aller-
dings Zweifel geäußert, ob die Zusatzabgabenverordnung eine gesetzliche Ermäch-
tigungsgrundlage besitze, die den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1
Satz 2 GG genüge. Er hat die Frage indes offen gelassen, da die Zusatzabgaben-
verordnung für den Vollzug zwingenden Gemeinschaftsrechts unerlässlich sei und
daher auch bei Annahme einer Nichtigkeit des sie tragenden Marktordnungsgesetzes
zumindest für eine Übergangszeit und damit auch für den vorliegenden Rechtsstreit
als fortgeltend angenommen werden müsse. Die angefochtenen Bescheide stünden
mit dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht und der Zusatzabgabenverordnung im
Einklang. Das Gemeinschaftsrecht ermächtige die Mitgliedstaaten seit dem 1. April
2000 vorzusehen, dass bei Beendigung von Pachtverträgen die übertragene Refe-
renzmenge ganz oder teilweise zugunsten der staatlichen Reserve eingezogen wer-
de. Davon habe Deutschland zurückhaltenden Gebrauch gemacht, indem bestimmt
worden sei, dass von der übertragenen Referenzmenge nur ein Drittel eingezogen
werde, und auch dies nur, wenn der Verpächter sie nicht für die eigene Milcherzeu-
gung benötige. Das sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Eigentumsgrund-
recht werde nicht berührt, da die Referenzmenge nur als Bestandteil eines Milcher-
zeugungsbetriebs geschützt sei, der Kläger die Milcherzeugung jedoch aus freien
Stücken aufgegeben habe. Auch der Gleichheitssatz sei nicht verletzt; dass der Klä-
ger nach der Aufgabe der Milcherzeugung seine bisherige Referenzmenge durch
Verpachtung noch zwei Jahre lang ungeschmälert habe nutzen dürfen, stelle bereits
eine unverdiente Subvention dar, die jederzeit beendet werden könne. Aus demsel-
ben Grunde liege auch keine unzulässige Rückwirkung vor, zumal der Kläger mit ei-
nem Auslaufen der vorherigen Regelung habe rechnen müssen. Weil für die Neure-
gelung gute Gründe des gemeinen Wohls sprächen, sei ferner keine Verletzung der
allgemeinen Handlungsfreiheit erkennbar. Der 33-prozentige Abzug sei nicht über-
mäßig, zumal der Verordnunggeber die nicht mehr selbst genutzte Milchquote auch
vollständig habe einziehen dürfen. Die Neuregelung halte sich schließlich auch im
Rahmen des Gemeinschaftsrechts. Die gemeinschaftsrechtliche Eigentumsgewähr-
leistung schütze wie die des Grundgesetzes nur die Referenzmenge in den Händen
des Milcherzeugers, nicht jedoch die Referenzmenge als solche und ihre flächenlose
Vermarktung durch Verpachtung oder Verkauf.
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Der Kläger hat die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt, zu
deren Begründung er geltend macht:
Die Zusatzabgabenverordnung sei insgesamt nichtig. Sie genüge schon nicht dem
Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG, weil sie zwar ihre nationale, nicht jedoch
auch ihre gemeinschaftsrechtliche Grundlage nenne. Die Zusatzabgabenverordnung
sei ferner deshalb nichtig, weil sie auf einer unzureichenden gesetzlichen Grundlage
beruhe, wie das Berufungsgericht erkannt habe. Entgegen seiner Ansicht könne die
Zusatzabgabenverordnung jedoch nicht für einen Übergangszeitraum als fortgeltend
angenommen werden; das komme nur im Rahmen der Leistungsverwaltung in Be-
tracht, keinesfalls aber bei belastenden Regelungen und vollends nicht für den um-
strittenen Drittelabzug, der zur Vermeidung haltloser Zustände nicht unerlässlich sei.
Der in § 12 Abs. 2 ZAV vorgesehene Drittelabzug verletze die Eigentumsgarantie
des Grundgesetzes. Das Berufungsgericht habe den Eigentumscharakter der Milch-
referenzmengen verkannt. Richtig sei, dass die flächengebundene Milchquote eigen-
tumsrechtlich nur als Annex der Fläche und des Betriebes anzusehen war. Seit 1993
dürften Milchquoten jedoch flächenlos verpachtet und verkauft werden. Dies habe zu
einer freien Handelbarkeit der Milchquoten geführt. Sie stellten seither nicht mehr nur
eine öffentliche Berechtigung, sondern zugleich ein vermögenswertes privates Recht
dar, das vom Inhaber genutzt und verwertet werden dürfe, insofern einem Patent-
oder Gebrauchsmusterrecht vergleichbar. Frei gehandelte Milchquoten müssten
seither - unabhängig vom Betrieb - auch versteuert werden. All dies habe ihren ei-
gentumsrechtlichen Charakter verändert. Der Gesetzgeber könne nicht eine Milch-
ordnung installieren, welche die private Verwertung flächenloser Milchquoten vorse-
he, dann aber diese Quoten beliebig entschädigungslos entziehen. Vielmehr stelle
der Drittelabzug eine Enteignung dar, die durch untergesetzliches Recht nicht verfügt
werden dürfe.
Der Drittelabzug sei auch abgesehen hiervon verfassungswidrig. Er verletze in mehr-
facher Hinsicht das Gleichbehandlungsgebot. Ferner werde der Grundsatz der Ver-
hältnismäßigkeit missachtet; denn ein legitimer Gemeinwohlgrund für den Drittelab-
zug sei nicht erkennbar. Die Neuregelung verstoße des weiteren gegen das Rück-
wirkungsverbot. Sie habe ohne hinreichenden Grund in den bestehenden Pachtver-
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trag eingegriffen und nachträglich dessen Bedingungen verändert, ohne dass er, der
Kläger, hätte reagieren, etwa das Pachtverhältnis durch Kündigung vorzeitig hätte
beenden können. Damit sei sein Vertrauen darin enttäuscht worden, die Pachtsache
nach Ende des Pachtvertrages ungeschmälert zurückzuerhalten.
Der Drittelabzug sei schließlich mit europäischem Gemeinschaftsrecht unvereinbar.
Es sei richtig, dass die Mitgliedstaaten beim Auslaufen von Pachtverträgen einen Ab-
zug von Quotenteilen zugunsten der staatlichen Reserve vorsehen dürften. Dies
müsse jedoch im Einklang mit den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gesche-
hen, wozu die Beachtung der Grundrechte, insbesondere der Eigentumsgarantie,
sowie des Verhältnismäßigkeitsprinzips gehöre. Auch für das Gemeinschaftsrecht
könne dem nicht entgegengehalten werden, dass Referenzmengen nur in den Hän-
den aktiver Milcherzeuger geschützt seien; denn das Gemeinschaftsrecht selbst ha-
be die Grundlage für ihre Kommerzialisierung gelegt.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen. Die Zweifel des Berufungsgerichts, ob die
Zusatzabgabenverordnung eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage habe,
teilt er nicht. Das ermächtigende Gesetz verweise auf den gemeinschaftsrechtlichen
Regelungsrahmen. Damit habe der Gesetzgeber hinlänglich erkennen lassen, dass
er sämtliche im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Regelungsvarianten als gleich
geeignet ansehe, um die gewünschten Verbesserungen auf dem Milchsektor herbei-
zuführen. Im Übrigen verteidigt der Beklagte das Berufungsurteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er hält die Revision
im Anschluss an eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft für unbegründet.
II.
Die Revision ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des
Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts mit Recht zu-
rückgewiesen.
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1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits sind diejenigen Vorschriften des Gemein-
schaftsrechts und des nationalen Rechts heranzuziehen, die sich für den 1. April
2000 Geltung beimessen. Zwar ist der umstrittene Verwaltungsakt erst am 19. Sep-
tember 2000, der Widerspruchsbescheid erst am 6. November 2000 ergangen. Je-
doch wurde der Abzug zugunsten der staatlichen Reserve für den 1. April 2000 ver-
fügt, und der Rückfall der restlichen Referenzmenge auf den Kläger wurde für den-
selben Zeitpunkt bescheinigt. Der Verwaltungsakt muss daher seine Grundlage in
Rechtsvorschriften finden, die sich für diesen Zeitpunkt Geltung beilegten. Maßge-
bend sind damit die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember
1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl Nr. L 405/1) in der
Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999
(ABl Nr. L 160/73), die seit dem 1. April 2000 galt, sowie die Verordnung zur Durch-
führung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar
2000 (BGBl I S. 27) - ZAV -, die ebenfalls seit dem 1. April 2000 gilt und die Milch-
Garantiemengen-Verordnung vom 25. Mai 1984 in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 21. März 1994 (BGBl I S. 586) - MGV -, zuletzt geändert durch die
33. Änderungsverordnung vom 25. März 1996 (BGBl I S. 535), abgelöst hat.
2. Wie die Vorinstanzen zutreffend festgestellt haben, sind die angefochtenen Be-
scheide mit den Vorschriften der Zusatzabgabenverordnung vereinbar. Sie finden
ihre Grundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV. Zwar lässt die Zusatzabgabenverordnung
die flächenungebundene Verpachtung von Anlieferungs-Referenzmengen seit dem
1. April 2000 nicht mehr zu (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZAV). Soweit derartige
Pachtverträge jedoch - wie hier - vor dem 1. April 2000 nach Maßgabe von § 7
Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 MGV geschlossen worden sind und mit Ablauf des 31. März
2000 oder später beendet werden, gehen gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV die ent-
sprechenden Referenzmengen nach den Vorschriften der Milch-Garantiemengen-
Verordnung auf den Verpächter mit der Maßgabe über, dass 33 vom Hundert der
zurückgewährten Referenzmengen zugunsten der Reserve des Landes, in dem der
Betriebssitz des Pächters liegt, eingezogen werden. Eine der in § 12 Abs. 3 und 4
ZAV vorgesehenen Ausnahmen liegt nicht vor: Weder hat der Pächter die Referenz-
menge übernommen (§ 12 Abs. 3 Satz 6 ZAV), noch benötigt der Kläger sie für die
eigene Milcherzeugung (§ 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZAV).
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3. § 12 Abs. 2 ZAV hält sich in dem Rahmen, den das europäische Gemeinschafts-
recht den Mitgliedstaaten für eigenständige Regelungen eröffnet.
Die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 verpflichtet die Mitgliedstaaten unter anderem
dazu, auf die Anlieferung von Milch eine Zusatzabgabe zu erheben und von dieser
Abgabepflicht nur im Rahmen einer Referenzmenge freizustellen. Art. 7 VO (EWG)
Nr. 3950/92 enthält die grundlegenden Bestimmungen, nach denen der Inhaber einer
Referenzmenge diese an einen anderen übertragen kann. Dem liegt als Grundsatz
zugrunde, dass Referenzmengen nur zusammen mit dem Betrieb oder einer Be-
triebsfläche, also flächengebunden, übertragen werden können. Dem trug § 7 MGV
Rechnung.
In Abweichung von diesem Grundsatz hatte es das Gemeinschaftsrecht seit 1990
und vor allem seit 1993 zugelassen, Referenzmengen in besonderen Fällen auf be-
grenzte Zeit auch flächenlos zu überlassen, namentlich zu verpachten. Dadurch soll-
te die Umstrukturierung der Milcherzeugung fortgeführt werden (vgl. den 16. Erwä-
gungsgrund zur VO Nr. 3950/92). Die Bundesrepublik Deutschland setzte
dies durch § 7a MGV und durch § 7 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 MGV um. Das führte aller-
dings dazu, dass die Zahl der Inhaber von Milchquoten, die nicht mehr selbst Milch
produzierten, sondern ihre Milchquoten verpachteten, immer größer wurde. Dies be-
lastete die aktiven Milcherzeuger mit den Kosten für die Zupacht von Milchquoten,
was über den Milchpreis nicht ausgeglichen werden konnte und daher deren Ein-
kommen schmälerte (vgl. BRDrucks 577/99, S. 24). Um dem zu begegnen, ermäch-
tigte die Änderungsverordnung (EG) Nr. 1256/1999 die Mitgliedstaaten zu Maßnah-
men mit dem Ziel, sicherzustellen, dass Referenzmengen nur aktiven Milcherzeugern
zugeteilt werden (vgl. deren 6. Erwägungsgrund). Nach Art. 8a Buchstabe a VO
(EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung des Art. 1 Ziff. 10 VO (EG) Nr. 1256/1999 können
die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck beschließen, ob und unter welchen Bedingun-
gen Referenzmengen, die aufgrund von Pachtverträgen übertragen werden, ganz
oder teilweise der einzelstaatlichen Reserve zuzuschlagen sind. Hiervon macht § 12
Abs. 2 Satz 1 ZAV Gebrauch. Dass die Maßnahme dazu dient, sicherzustellen, dass
Referenzmengen nur aktiven Milcherzeugern zugeteilt werden, liegt auf der Hand;
denn der Abzug erfolgt nur, wenn der Verpächter nicht selbst Milch erzeugt (vgl. § 12
Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZAV), und die zur staatlichen Reserve eingezogene Referenz-
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menge soll alsbald wieder an aktive Milcherzeuger ausgegeben werden. Das ist auch
das erklärte Ziel der Bestimmung (vgl. BRDrucks 577/99, S. 25).
4. Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG steht der Gültigkeit der Zusatzabgabenverordnung nicht
entgegen.
Der Senat hat im Urteil vom 20. März 2003 (BVerwG 3 C 10.02 - BVerwGE 118, 70)
bereits entschieden, dass die Zusatzabgabenverordnung nicht deshalb gegen das
Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verstößt, weil sie in ihrer Präambel lediglich
ihre bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage, nicht hingegen ihre gemeinschafts-
rechtliche Grundlage anführt. Zur Begründung hat der Senat darauf hingewiesen,
dass Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG dazu beitragen soll, dass die aus dem Prinzip der
Gewaltentrennung folgenden engen Grenzen exekutiver Rechtsetzungsmacht nicht
zu Lasten der (parlamentarischen) Legislative verschoben werden (a.a.O. <73 f.>).
Die Vorschrift steht damit im Regelungszusammenhang des Art. 80 Abs. 1 GG ins-
gesamt, der sich mit der Delegation von Rechtsetzungsmacht vom parlamentari-
schen Gesetzgeber auf den Verordnunggeber, also allein mit dem innerstaatlichen
Verhältnis zwischen Gesetz- und Verordnunggeber befasst, nicht jedoch mit dem
externen Verhältnis der nationalen Rechtssetzungsorgane zu denen der europäi-
schen Gemeinschaft.
Hieran ist festzuhalten. Der Kläger bringt neue Gesichtspunkte nicht vor. Er beruft
sich lediglich erneut auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
6. Juli 1999 - 1 BvF 3/90 - zur Hennenhaltungsverordnung (BVerfGE 101, 1 <41 ff.>)
sowie auf kritische Stimmen in der Literatur (u.a. Nierhaus, Bonner Kommentar zum
GG, Rn. 327 zu Art. 80 Abs. 1; Erbel, DÖV 1989, 338 <341 f.>; Schwarz, DÖV 2002,
852 <853>; Düsing/Kauch, AUR 2003, 69), die der Senat bei seiner Entscheidung
vom 20. März 2003 bereits berücksichtigt hat. Auch das vorgelegte Rechtsgutachten
enthält keine neuen Argumente.
5. § 12 Abs. 2 ZAV ist auch nicht deshalb nichtig, weil diese Regelung keine genü-
gende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage besäße.
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a) Wer für die innerstaatliche Umsetzung, Ausfüllung und Durchführung von europäi-
schem Gemeinschaftsrecht zuständig ist, richtet sich nach deutschem Verfassungs-
recht. Soweit die Rechtsetzungskompetenz beim Bund liegt, ist grundsätzlich der
Bundesgesetzgeber zuständig; er darf seine Rechtsetzungsmacht nur nach Maßga-
be von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG an den Verordnunggeber delegieren. Die Verord-
nungsermächtigung muss nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinlänglich bestimmt sein,
wobei das Maß der geforderten Bestimmtheit einerseits von der Eigenart der jeweili-
gen Regelungsmaterie und andererseits von der Intensität der Regelung abhängig ist
(BVerfGE 58, 257 <277 f.>). Von diesen Grundsätzen ist auch in Ansehung der Um-
setzung, Ausfüllung und Durchführung von europäischem Gemeinschaftsrecht nicht
abzugehen, zumal dieses seinerseits überwiegend exekutivisch geprägt ist. Aller-
dings entfaltet das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot hier nur in dem Um-
fang seine Wirkungen, in dem das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten eigene
Regelungsspielräume eröffnet oder belässt; denn nur insoweit besteht eine inner-
staatliche Rechtsetzungsmacht (vgl. BVerfGE 45, 142 <164, 166>).
Ob eine gesetzliche Verordnungsermächtigung diesen Anforderungen genügt, ist
durch Auslegung zu ermitteln, bei der nicht nur auf die Verordnungsermächtigung
selbst, sondern auf die Gesamtregelung des Gesetzes abzustellen ist (BVerfGE 42,
191 <200>). Verweist das Gesetz auf Normen und Begriffe des europäischen Ge-
meinschaftsrechts, so ist auch dieses einzubeziehen (BVerfGE 29, 198 <210>; 34,
348 <366>). Es bestehen auch keine prinzipiellen Bedenken gegen dynamische
Verweisungen, also gegen Ermächtigungen zur Umsetzung, Ausfüllung oder Durch-
führung von künftigem Gemeinschaftsrecht; denn der Gesetzgeber entäußert sich
damit nicht einer eigenen Gesetzgebungsmacht, sondern bezeichnet nur näher, wo-
rauf sich die erteilte Verordnungsermächtigung bezieht (vgl. Nierhaus, a.a.O.,
Rn. 320). Dabei ist allerdings zu bedenken, dass sich das Gesetz durch die Verwei-
sung von der Bestimmtheit des in Bezug genommenen Gemeinschaftsrechts abhän-
gig macht. Wird das Gemeinschaftsrecht geändert und nimmt seine Bestimmtheit
dabei ab, so verringert sich auch die Bestimmtheit der gesetzlichen Verordnungser-
mächtigung, die auf es Bezug nimmt.
b) Zur Regelung der Zusatzabgabe und der Referenzmengen im Milchsektor wird der
deutsche Verordnunggeber ermächtigt durch § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur
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Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen - Marktorganisationengesetz
(MOG) - vom 31. August 1972 (BGBl I S. 1617) i.d.F. der Bekanntmachung vom
20. September 1995 (BGBl I S. 1146), für den vorliegenden Zusammenhang zuletzt
geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 2. Mai 1996 (BGBl I S. 656). Mit Blick auf
die Milch-Garantiemengen-Verordnung hat der Senat bislang angenommen, dass § 8
Abs. 1 Satz 1 MOG den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt (Urteil
vom 24. März 1988 - BVerwG 3 C 41.87 - BVerwGE 79, 171 <174>). Er befindet sich
dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(Beschlüsse vom 5. und 6. September 1990 - 2 BvR 848/88 und 2 BvR 965/88 - juris)
und des Bundesfinanzhofs (Beschluss vom 17. Dezember 1985 - VII B 116/85 -
BFHE 145, 289 <296 ff.>; Urteil vom 22. April 1986 - VII R 184/85 - BFHE 146, 302
<306 f.>; Beschluss vom 25. September 2003 - VII B 309/02 - BFHE 203, 243
<247 ff.>). Allerdings hat diese Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die Vor-
schrift selbst nur den Gegenstand (Inhalt) der möglichen Verordnungsregelung an-
gibt, indem sie den Verordnunggeber zum Erlass von Vorschriften über das Verfah-
ren bei der Aufteilung, Zuteilung und Änderung von Referenzmengen usw. im Rah-
men von Marktordnungsmaßnahmen (Mengenregelungen) sowie über die Voraus-
setzungen und die Höhe solcher Mengenregelungen ermächtigt, während sie wegen
des Zwecks und des Ausmaßes lediglich auf die Regelungen im Sinne des § 1
Abs. 2 MOG, also namentlich auf die Rechtsakte des Rates oder der Kommission
der Europäischen Gemeinschaften zur Schaffung und Durchführung der gemeinsa-
men Organisationen der Agrarmärkte (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 MOG) verweist und die Er-
mächtigung nur insofern beschränkt, als sie auf Vorschriften begrenzt ist, die zur
Durchführung dieser EG-Regelungen "erforderlich" sind, und Vorschriften über die
Voraussetzungen und die Höhe von Mengenregelungen nur erlaubt, soweit sie nach
den EG-Regelungen bestimmt, bestimmbar oder begrenzt sind. Die Rechtsprechung
hat jedoch angenommen, dass die Ermächtigung des § 8 Abs. 1 Satz 1 MOG durch
diese Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht auch hinsichtlich ihres Zwecks und
ihres Ausmaßes hinlänglich bestimmt werde. Dem lag zugrunde, dass die maßgebli-
chen Verordnungen des Gemeinschaftsrechts - zunächst Art. 5c VO (EWG)
Nr. 804/68 i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 sowie die Verordnung (EWG)
Nr. 857/84, später dann die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 - die nötigen Regelun-
gen über die Zusatzabgabe und die Referenzmengen für die Anlieferung von Milch
sehr weitgehend selbst trafen.
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Allerdings hat schon die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 die vorherigen gemein-
schaftsrechtlichen Bestimmungen wesentlich knapper gefasst und den Mitgliedstaa-
ten Regelungsspielräume zur Verfolgung einer eigenen Marktstrukturpolitik eröffnet.
Das geschah offenbar unter dem Eindruck des Subsidiaritätsprinzips, das durch den
Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992 im primären Gemeinschaftsrecht veran-
kert worden ist (heute Art. 5 EG). Dies wirft die Frage auf, ob sich der nationale Ge-
setzgeber weiterhin damit begnügen darf, die durch Gemeinschaftsrecht eröffneten
Regelungsspielräume im Wesentlichen ohne eigene Vorgaben an den Verordnung-
geber weiterzureichen (vgl. Thiele, Das Recht der Gemeinsamen Agrarpolitik der EG,
1997, S. 108 ff.). Das wird in dem Maße problematisch, in dem das Gemeinschafts-
recht den Mitgliedstaaten nicht nur Fragen der zweckmäßigen Umsetzung vorgege-
bener Ziele im Rahmen eines vorgegebenen Regelungssystems, sondern Fragen
von weiterreichender Bedeutung oder gar die Wahl zwischen mehreren verschiede-
nen Regelungssystemen überlässt. Namentlich wenn hierbei Grundrechte betroffen
sind, muss der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (vgl.
BVerfGE 58, 257 <278>); das gilt auch bei der Umsetzung oder Konkretisierung von
Gemeinschaftsrecht.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass mit dem Erlass der Änderungsverord-
nung (EG) Nr. 1256/1999 ein kritischer Punkt erreicht, wenn nicht überschritten sei
(offen gelassen von BFH, Beschluss vom 25. September 2003 - VII B 309/02 -
BFHE 203, 243 <249>). In der Tat ermächtigt der hierdurch neu eingefügte Art. 8a
Buchstabe b VO (EWG) Nr. 3950/92 die Mitgliedstaaten, zu beschließen, die Be-
stimmungen über die Übertragung von Referenzmengen nach Art. 7 Abs. 1 der Ver-
ordnung nicht anzuwenden. Wie erwähnt, enthält Art. 7 Abs. 1 VO (EWG)
Nr. 3950/92 die grundlegenden Bestimmungen über die Übertragbarkeit von Refe-
renzmengen und schreibt namentlich den Grundsatz der nur flächengebundenen
Übertragbarkeit von Referenzmengen fest. Dieses Übertragungssystem durch ein
anderes zu ersetzen, kommt einem Paradigmenwechsel gleich, und es fragt sich, ob
der deutsche Verordnunggeber von dieser Möglichkeit ohne eine grundsätzliche Ent-
scheidung des Gesetzgebers Gebrauch machen durfte. Dem kann nicht entgegen
gehalten werden, das Übertragungssystem als solches betreffe nur eine nachrangige
Frage im Rahmen der Gesamtregelung über die Erhebung einer Zusatzabgabe im
Milchsektor. Für die Ausübung der Grundrechte, namentlich von Art. 12 und Art. 14
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GG, ist das Übertragungssystem von erheblicher Bedeutung, gerade wenn der
Milchmarkt mit Zusatzabgaben und Referenzmengen kontingentiert ist.
c) Den aufgeworfenen Fragen braucht indes nicht weiter nachgegangen zu werden.
Die beschriebenen verfassungsrechtlichen Bedenken betreffen nur die Einführung
des neuen Übertragungssystems, nicht jedoch auch diejenigen Vorschriften - wie
den hier allein streitentscheidenden § 12 ZAV -, welche Regelungen im Gefolge des
bisherigen Übertragungssystems für eine Übergangszeit aufrechterhalten; denn dies
bewegt sich auf der herkömmlichen Linie, die vom Gemeinschaftsrecht hinlänglich
vorkonturiert war und ist. Allerdings richten sich die verfassungsrechtlichen Beden-
ken aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht an die Verordnung, sondern an das ermäch-
tigende Gesetz (vgl. BVerfGE 101, 1 <30>). § 8 Abs. 1 Satz 1 MOG erscheint indes
als teilbar. Wie gezeigt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit
der Verordnunggeber zur Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen
zum Milchsektor nach dem bisherigen Regelungssystem ermächtigt wurde und wird.
Er ist und bleibt daher ermächtigt, das bisherige Übertragungssystem beizubehalten
und fortzuentwickeln. Verfassungsrechtlich bedenklich ist § 8 Abs. 1 Satz 1 MOG le-
diglich für einen Paradigmenwechsel, also hinsichtlich der Anwendung von Art. 8a
Buchstabe b VO (EWG) Nr. 3950/92. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft diesen Pa-
radigmenwechsel als solchen jedoch nicht.
§ 8 Abs. 1 Satz 1 MOG ist auch insoweit hinlänglich bestimmt, als der Verordnung-
geber auf dem Boden des bisherigen Übertragungssystems den Einzug von Teilen
einer verpachteten Referenzmenge zugunsten der staatlichen Reserve vorsieht.
Schon der Wortlaut des Gesetzes erwähnt Regelungen über die Aufteilung, Zuteilung
und Änderung von Garantiemengen, und der ergänzende Verweis auf das europäi-
sche Gemeinschaftsrecht nimmt auch Art. 8a Buchstabe a VO (EWG) Nr. 3950/92 in
Bezug, der den Abzug zu dort näher bestimmten Zwecken vorsieht.
6. Der Drittelabzug nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV verletzt den Kläger nicht in seinem
Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG).
a) Nach der Rechtsprechung des Senats nimmt die einem milcherzeugenden Betrieb
zugeteilte Referenzmenge am Eigentumsschutz des Betriebes teil (Urteile vom
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8. Dezember 1988 - BVerwG 3 C 6.87 - BVerwGE 81, 49 <54>, vom 17. Juni 1993
a.a.O. <325 ff.> und vom 11. November 1993 - BVerwG 3 C 37.91 - BVerwGE 94,
257 <263>). Daran ist festzuhalten. Der Milchbetrieb genießt den Schutz des Art. 14
GG. Die dem Betrieb zugeteilte Referenzmenge legt die wirtschaftliche Ausnutzbar-
keit der Betriebsmittel fest und bestimmt damit zugleich Inhalt und Schranken des
Eigentums am Betrieb selbst. Zwar betreffen wirtschaftslenkende Maßnahmen des
Staates in aller Regel nur die Erwerbschancen des Betriebsinhabers, und zu diesem
Zweck erlassene Erlaubnisse, Konzessionen und Kontingente rechnen deshalb im
Allgemeinen nicht zu dem als Eigentum geschützten Bestand des Betriebes. Anders
verhält es sich indes, wenn ein dem Betrieb zugeteiltes Kontingent mit einem rechtli-
chen oder faktischen Produktionsverbot jenseits des Kontingents einhergeht. So liegt
es bei den Milchquoten. Zwar ist die Referenzmenge rechtlich nur eine Abgabever-
günstigung (Urteil vom 17. Juni 1993 a.a.O. <326>; BGH, Urteil vom 26. April 1991
- V ZR 53/90 - BGHZ 114, 277 <281>); sie gleicht in ihren wirtschaftlichen Folgen a-
ber einer der Menge nach begrenzten Produktionserlaubnis. Mit ihr legt der Staat die
Grenzen der wirtschaftlichen Ausnutzbarkeit des Betriebs und namentlich der
sächlichen Betriebsmittel (insbesondere Tiere, Ställe, Maschinen, Weideland) hoheit-
lich fest. Damit bestimmt er Inhalt und Schranken des Eigentums an diesen Be-
triebsmitteln (Urteil vom 8. Dezember 1988 a.a.O. <53, 54>; vgl. Beschluss vom
7. Dezember 1995 - BVerwG 3 C 12.92 - Buchholz 451.512 Nr. 116 ).
Die Referenzmenge als solche hat der Senat hingegen nicht als möglichen Gegens-
tand des grundrechtlichen Eigentumsschutzes anerkannt. Dabei hatte er den vom
Milchquotenrecht vorgestellten Regelfall im Blick, dass Referenzmengen nur zu-
sammen mit dem Betrieb oder einer Betriebsfläche übertragbar sind. Dann nämlich
sind sie schon formal kein selbständiger Gegenstand des Rechtsverkehrs (Urteile
vom 15. November 1990 - BVerwG 3 C 42.88 - BVerwGE 87, 94 <101, vom 17. Juni
1993 a.a.O. <326> und vom 11. November 1993 a.a.O. <263>). Der Senat hat frei-
lich ausdrücklich offen gelassen, ob anderes für flächenlos übertragbare Referenz-
mengen zu gelten habe (Urteil vom 17. Juni 1993 ebd.). Der Verordnunggeber hatte
nämlich seit 1990 die befristete Übertragung - regelmäßig die Verpachtung - der Re-
ferenzmengen auch unabhängig von dem Milchbetrieb oder einer Betriebsfläche zu-
gelassen (vgl. § 7a MGVO, eingefügt durch die 16. Änderungsverordnung vom 3. Juli
1990, BGBl I S. 1334, und § 7 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 MGVO, eingefügt durch die
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29. Änderungsverordnung vom 24. September 1993, BGBl I S. 1659). Damit wurde
die Referenzmenge als solche verkehrsfähig und zu einem möglichen verselbstän-
digten Gegenstand des privaten Rechtsverkehrs.
Auch die flächenlos verpachtete Referenzmenge genießt jedoch als solche, unab-
hängig vom Milchbetrieb, keinen Eigentumsschutz. Die Abspaltung vom Betrieb ihres
Inhabers erfolgt nur für die Dauer der Verpachtung und hebt die prinzipielle Bindung
an diesen Betrieb nicht auf. Sie behält ihren Charakter als Abgabevergünstigung und
ihre wirtschaftliche Bedeutung als beschränkte Produktionserlaubnis und legt damit
unverändert die wirtschaftliche Ausnutzbarkeit des Betriebes fest, auch wenn ihr In-
haber davon vorübergehend keinen Gebrauch macht. Zwar wird sie für ihn stattdes-
sen zu einer besonderen Einnahmequelle. Die Pachteinnahmen treten jedoch nur an
die Stelle der möglichen Erlöse aus der eigenen Anlieferung von Milch, auf die ihr
Inhaber mit der Verpachtung verzichtet. Das Äquivalent einer zusätzlichen eigenen
Leistung - über die Investitionen in die eigenen sächlichen Betriebsmittel hinaus, die
regelmäßig Grundlage der dem Betrieb zugeteilten Referenzmenge sind - stellen sie
nicht dar.
b) Die Verminderung der ihrem Inhaber bislang zustehenden Referenzmenge um ein
Drittel berührt nach dem Vorstehenden dessen Eigentum an seinem landwirtschaftli-
chen Betrieb. Hierfür ist gleichgültig, ob der Abzug aus Anlass der Beendigung eines
Pachtverhältnisses oder aus anderem Anlass erfolgt. Entgegen der Ansicht des Be-
rufungsgerichts ist hierfür auch gleichgültig, ob der Inhaber die zurückerhaltene Refe-
renzmenge nunmehr selbst beliefern oder aber erneut verpachten will. Entscheidend
ist, dass die seinem Betrieb zugeteilte Referenzmenge teilweise entzogen und damit
die Nutzbarkeit seiner sächlichen Betriebsmittel zur Milcherzeugung geschmälert
wird. Dies beeinträchtigt sein grundrechtlich geschütztes Eigentum an dem Betrieb
nicht nur dann, wenn die zur Milcherzeugung geschaffenen sächlichen Betriebsmittel
aktuell zur Milcherzeugung genutzt werden, sondern auch dann, wenn sie hierzu be-
stimmt und geeignet sind und nur vorübergehend nicht oder nicht vollständig zur
Milcherzeugung genutzt werden. Es muss nämlich in Rechnung gestellt werden,
dass Inhaber von Referenzmengen, die aus Altersgründen ihre Milcherzeugung ein-
gestellt haben, die Referenzmengen im Wege der Verpachtung oft gleichwohl auf
dem Hof halten wollen, um ihren Erben die spätere Fortsetzung der Milcherzeugung
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zu ermöglichen; dann stellt sich die Verpachtung gerade als Mittel zur Wahrung des
Betriebsbestandes dar.
c) Der in § 12 Abs. 2 ZAV angeordnete Drittelabzug ist jedoch verfassungsgemäß.
Die Regelung bestimmt Inhalt und Schranken der künftigen Nutzbarkeit der sächli-
chen Betriebsmittel (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG); ihre Verfassungsmäßigkeit setzt vor-
aus, dass sie einen gerechten, namentlich einen verhältnismäßigen Ausgleich zwi-
schen der prinzipiellen Privatnützigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG)
und den berechtigten Belangen der Allgemeinheit (Art. 14 Abs. 2 GG) herstellt
(stRspr, vgl. nur BVerfGE 52, 1 <29 f.>). Diesen Anforderungen ist genügt.
Die Regelung verfolgt das Ziel, sicherzustellen, dass Referenzmengen möglichst ak-
tiven Milcherzeugern zugeordnet werden; diese sollen von der Notwendigkeit entlas-
tet werden, Referenzmengen zuzupachten (BRDrucks 577/99, S. 25; vgl. Art. 8a
Buchstabe a VO Nr. 3950/92). Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Mög-
lichkeit der Verpachtung von Referenzmengen - mit oder ohne Fläche - in steigen-
dem Ausmaß zu Dauerverpachtungen geführt hat, worin der europäische wie der
deutsche Verordnunggeber eine Fehlentwicklung sieht, welche die Kosten der akti-
ven Milcherzeuger erhöht und ihre Einkommen schmälert. Die Verpachtung zurück-
zudrängen, indem sie mit einem spürbaren Abzug zugunsten der staatlichen Reserve
belegt wird, stellt zweifellos ein geeignetes Mittel dar, die beschriebene Fehlentwick-
lung zu korrigieren. Das wird durch den Hinweis des Klägers auf gleichwohl gestie-
gene Milchpreise nicht in Frage gestellt; dem Verordnunggeber ging es nicht in erster
Linie um die Milchpreise, sondern um die Kosten der Milchbetriebe.
Die Regelung respektiert auch die Privatnützigkeit des betroffenen Eigentums. Der
Drittelabzug findet nicht statt, wenn der Verpächter für sich oder seinen Ehegatten
oder dessen Rechtsnachfolger im Wege der gesetzlichen, gewillkürten oder vorweg-
genommenen Erbfolge die zurückfallende Referenzmenge für die eigene Milcher-
zeugung benötigt (§ 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZAV). Damit wird der Abzug auf Fälle be-
schränkt, in denen der Verpächter nicht nur für seine Person die Milcherzeugung
aufgegeben, sondern auch seine Betriebsanlagen nicht länger für die Milcherzeu-
gung durch Angehörige oder Erben bereithält. Ob der Drittelabzug auch dann erfol-
gen kann, wenn der Verpächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses seinen ge-
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samten Betrieb mitsamt der Referenzmenge verkaufen will (vgl. § 7 Abs. 2 ZAV), be-
trifft eine besondere Frage und bedarf im vorliegenden Falle keiner Entscheidung.
Allerdings wird der Inhaber der verpachteten Referenzmenge genötigt, die eigene
Milcherzeugung (wieder) aufzunehmen oder auszuweiten oder aber den Betrieb im
Wege der vorweggenommenen Erbfolge alsbald zu übertragen, sofern eine Fortset-
zung des Pachtverhältnisses nicht zustande kommt. Dieser Zwang zur raschen Dis-
position aber ist ihm zumutbar, zumal bei vorweggenommener Erbfolge der Über-
nehmer seinerseits die Milcherzeugung nicht sofort selbst aufnehmen muss - was
zumal bei Minderjährigen Schwierigkeiten begegnet -, sondern den Betrieb als Gan-
zen seinerseits zwischenverpachten darf (§ 7 Abs. 5 Halbsatz 2, Abs. 2 ZAV).
Schließlich verletzt die Höhe des Abzugs mit einem Drittel auch nicht das Übermaß-
verbot. Dabei muss in Rechnung gestellt werden, dass der Abzug unter den be-
schriebenen Voraussetzungen nur denjenigen trifft, der allein noch an einer kapitalis-
tischen Nutzung oder Verwertung der Referenzmenge - sei es durch weitere Ver-
pachtung, sei es durch Verkauf - interessiert ist. Die verpachtete Referenzmenge als
solche genießt jedoch keinen Eigentumsschutz. Der landwirtschaftliche Betrieb, des-
sen wirtschaftliche Nutzbarkeit zur Milcherzeugung sie bestimmt, soll zu diesem
Zweck nicht länger betrieben werden. Sein Eigentümer wird allenfalls insofern be-
schwert, als der Drittelabzug seinen Betrieb zu einem Zeitpunkt treffen kann, bevor
sich die Investitionen in die sächlichen Betriebsmittel, welche Grundlage seiner Refe-
renzmenge waren, amortisiert haben. Die darin gelegene nachträgliche Verschlech-
terung der wirtschaftlichen Investitionsbedingungen hält sich aber in einem zumutba-
ren Rahmen, zumal die Neuregelung schon geraume Zeit zuvor diskutiert worden
war.
7. Eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) lässt sich
nicht erkennen. Der Kläger meint, durch § 12 Abs. 2 ZAV werde in seine Vertrags-
freiheit eingegriffen, indem die Bedingungen, zu denen er die strittige Referenzmen-
ge verpachtet habe, nachträglich verändert würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Die
Neuregelung hat den geschlossenen Pachtvertrag unberührt gelassen. Namentlich
wurde der Pächter nicht von seiner vertraglichen Pflicht zur Rückgewähr der Pacht-
sache (teilweise) entbunden. Es wurde lediglich dem Kläger etwa ein Drittel der ver-
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pachteten Referenzmenge aus Anlass der Rückgewähr entzogen. Dieser Entzug
knüpfte an den Ablauf des Pachtverhältnisses an, ohne dieses jedoch inhaltlich zu
verändern.
Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wird nicht verletzt. Richtig ist,
dass § 12 Abs. 2 ZAV unter anderem danach differenziert, ob der Inhaber der Refe-
renzmengen, an den diese nach Ablauf einer Verpachtung zurückfallen, selbst Milch
erzeugt oder nicht; der Abzug wird nur bei letzteren vorgenommen. Das findet jedoch
seinen sachlichen Grund in der Absicht des Verordnunggebers, die Referenzmengen
wieder stärker den aktiven Milcherzeugern zuzuordnen und ihre bloß kapitalistische
Nutzung zurückzudrängen. Dass die Bestimmung nur Pachtverträge erfasst, die mit
Ablauf des 31. März 2000 oder später beendet werden, nicht jedoch früher ablaufen-
de, ist unvermeidliche Folge einer Neuregelung, die zu einem Stichtag eingeführt
wird.
8. Schließlich ist auch eine Verletzung von Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts
nicht erkennbar, und zwar auch nicht der gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsgaran-
tie. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass das in der Rechtsordnung der
Gemeinschaft gewährleistete Eigentumsrecht nach der Rechtsprechung des Europä-
ischen Gerichtshofs nicht das Recht zur kommerziellen Verwertung eines Vorteils
wie der im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation zugeteilten Referenz-
menge umfasst, der weder aus dem Eigentum noch aus der Berufstätigkeit des Be-
troffenen herrührt, und dass die Referenzmenge als solche hiernach nicht den
Schutz der gemeinschaftlichen Eigentumsgewährleistung genießt (Urteile vom
24. März 1994 - BVerwG 3 C 5.93 - und vom 6. September 1995 - BVerwG 3 C
1.94 - Buchholz 451.512 Nr. 91 und Nr. 112 m.w.N.). Das gilt un-
verändert. Der Kläger hat nicht aufzuzeigen vermocht, inwiefern Referenzmengen,
die von ihrem Inhaber nicht zur Milcherzeugung, sondern ausschließlich kapitalistisch
- 18 -
genutzt werden, der gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsgarantie unterfallen, zumal
eine derartige kapitalistische Nutzung den Zwecken des europäischen Milchquoten-
rechts gerade zuwiderläuft.
Prof. Dr. Driehaus
van Schewick
Dr. Dette
Liebler
Prof. Dr. Rennert
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 7 235 € fest-
gesetzt.
Prof. Dr. Driehaus
van Schewick
Dr. Dette
Liebler
Prof. Dr. Rennert
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Verfassungsrecht
Fachpresse: ja
Milchquotenrecht
Rechtsquellen:
GG
Art. 14, Art. 80 Abs. 1
MOG
§ 8 Abs. 1
MGV
§ 7 Abs. 2a
ZAV
§ 12 Abs. 2
VO (EWG) Nr. 3950/92 Art. 7, Art. 8a
Stichworte:
Milch; Milchquote; Milch-Garantiemenge; Referenzmenge; staatliche Reserve; Abzug
zugunsten der staatlichen Reserve; Zusatzabgabenverordnung; Verordnungser-
mächtigung; Zitiergebot; Bestimmtheitsgebot bei Umsetzung von Gemeinschafts-
recht; Eigentum; Eigentumsschutz für Gewerbebetrieb.
Leitsätze:
1. Verweist eine gesetzliche Verordnungsermächtigung auf europäisches Gemein-
schaftsrecht in seinem jeweiligen Bestande, so macht es sich von der Bestimmtheit
des in Bezug genommenen Gemeinschaftsrechts abhängig. Wird das Gemein-
schaftsrecht geändert und nimmt seine Bestimmtheit dabei ab, so verringert sich
auch die Bestimmtheit der gesetzlichen Verordnungsermächtigung, die darauf Bezug
nimmt.
2. Die einem milcherzeugenden Betrieb zugeteilte Referenzmenge nimmt am Eigen-
tumsschutz des Betriebes teil. Die Referenzmenge als solche genießt auch dann
keinen darüber hinausgehenden Eigentumsschutz, wenn sie flächenlos verpachtet
wird.
3. Wird ein Teil der einem landwirtschaftlichen Betrieb zugeteilten Referenzmenge
entzogen, so wird das Eigentum an dem Betrieb auch dann beeinträchtigt, wenn die
zur Milcherzeugung geschaffenen sächlichen Betriebsmittel vorübergehend nicht
oder nicht vollständig zur Milcherzeugung genutzt werden.
Urteil des 3. Senats vom 16. September 2004 - BVerwG 3 C 35.03
I. VG Würzburg vom 24.10.2002 - Az.: VG W 6 K 00.1360 -
II. VGH München vom 24.06.2003 - Az.: VGH 9 BV 02.3024 -