Urteil des BVerwG vom 24.11.2011

Sonderabgabe, Indirekte Werbung, Kommission, Aeuv

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 32.10
OVG 8 A 10246/10
Verkündet
am 24. November 2011
Bech
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Langer, Dr. Wysk
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberver-
waltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. September
2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens ein-
schließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigelade-
nen.
G r ü n d e :
I
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Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einer Abgabe für den
beigeladenen Deutschen Weinfonds, eine nach §§ 37 ff. des Weingesetzes
(WeinG) errichtete Anstalt des öffentlichen Rechts, die im Wesentlichen mit der
Absatzförderung des deutschen Weins betraut ist.
Der Kläger ist Winzer und bewirtschaftet im Zuständigkeitsbereich der beklag-
ten Ortsgemeinde eine Weinbergsfläche von 113,56 Ar. Für das Jahr 2009 zog
ihn die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 2009 zu einer Abgabe für den
Deutschen Weinfonds in Höhe von 76,09 € und zu einer Abgabe zur besonde-
ren Förderung des in Rheinland-Pfalz erzeugten Weins (sog. gebietliche Ab-
satzförderung) gemäß § 46 WeinG in Höhe von 98,80 € heran.
Widerspruch und Klage gegen die Heranziehung zur Abgabe für den Weinfonds
blieben ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers
zurückgewiesen. Die Abgabe, deren einfachrechtliche Voraussetzungen nicht
streitig seien, sei mit Verfassungsrecht und mit europäischem Recht vereinbar.
Es handele sich zwar um eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion, die
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur unter engen Vo-
raussetzungen zulässig sei; diese Voraussetzungen seien aber erfüllt. Der Ge-
setzgeber wolle durch die abgabefinanzierte Tätigkeit des Weinfonds die Wein-
qualität und den Absatz von Wein fördern und verfolge damit einen über die
bloße Mittelbeschaffung hinausgehenden Sachzweck. Die abgabenbelastete
Gruppe sei hinreichend homogen und abgegrenzt. Sie stehe den Aufgaben des
Deutschen Weinfonds evident näher als jede andere Gruppe oder die Allge-
meinheit. Der Gesetzgeber habe den Abgabepflichtigen zu Recht auch eine
besondere Finanzierungsverantwortung zugewiesen. Die deutsche Weinwirt-
schaft sei erheblichen Beeinträchtigungen und spezifischen Nachteilen im
transnationalen Wettbewerb ausgesetzt. Das zeige sich in einer fortdauernd
negativen Außenhandelsbilanz und in deutlich niedrigeren Durchschnittspreisen
gegenüber qualitativ vergleichbaren Weinen aus Frankreich, Italien oder Spa-
nien. Der Beigeladene habe plausibel dargelegt, dass dies auf einem nach wie
vor schlechten Image deutscher Weine im Ausland beruhe. Die Nachteile könn-
ten von den Angehörigen der abgabepflichtigen Gruppe selbst zumindest nicht
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mit derselben Erfolgsaussicht kompensiert werden wie durch ein abgabefinan-
ziertes staatliches Gemeinschaftsmarketing.
Zur Begründung seiner Revision vertieft der Kläger seine Ansicht, die Abgabe
sei verfassungs- und europarechtswidrig. Dem Bund fehle schon die Gesetzge-
bungskompetenz, weil der Beigeladene die im Weingesetz festgelegten Aufga-
ben, Qualität und Absatz des Weines zu fördern, wegen der Einschränkungen
seiner Tätigkeit durch das europäische Beihilfenrecht nicht sinnvoll durchführen
könne. Auch habe das Berufungsgericht die Gruppe der Abgabepflichtigen zu
Unrecht als homogen angesehen. Zwar könnten die Nutzungsberechtigten ei-
ner Weinbergsfläche in die Gruppe der Erzeuger im Sinne der Weinmarktord-
nung eingeordnet werden, nicht aber solche Eigentümer, die nicht selbst Wein
erzeugten. Das mittelbare Interesse nicht produzierender Grundstückseigentü-
mer an der Absatzförderung lasse keine „in der Sozialordnung vorgegebene
Gruppe“ entstehen. An der Homogenität fehle es zudem, weil nur Erzeuger und
Abfüller deutscher Weine zur Abgabe herangezogen würden, obwohl nach dem
Weingesetz der Absatz von Wein schlechthin zu fördern sei.
Den Eigentümern von Weinbergen fehle auch die Sachnähe zu den Aufgaben
des Weinfonds. Sie stünden dem Absatz von Wein nicht näher als die Steuer-
pflichtigen. Schließlich und vor allem aber habe das Berufungsgericht keine
plausiblen Feststellungen zu einer qualifizierten Finanzierungsverantwortung
der Abgabepflichtigen getroffen sowie Vortrag und Beweisangebote dazu über-
gangen. Seine Annahme, deutscher Wein sei im transnationalen Wettbewerb
erheblich beeinträchtigt, sei schon nicht logisch. Die Maßnahmen des Beigela-
denen seien nicht geeignet, das Verhältnis zwischen Importen und Exporten zu
verändern. Eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz für deutschen Wein könne
wegen der mengenmäßig „gedeckelten“ Produktion von deutschem Wein weder
der Menge noch dem Wert nach erzielt werden. Eine Steigerung der Menge im
Import oder im Export lasse sich nur zu Lasten des jeweils anderen Segments
erzielen. Daher sei der Vergleich des Gesamtwerts der Importe mit dem Ge-
samtwert der Exporte ohne jede Aussagekraft. Die vom Berufungsgericht zu-
grunde gelegten Endverbraucherpreise im Einzelhandel ergäben kein zuverläs-
siges Bild darüber, welche Erlöse die Abgabepflichtigen erzielten.
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Für das Inland bleibe unberücksichtigt, dass der deutsche Weinmarkt zweige-
teilt sei. Gerade die höherwertigen Weine würden nicht im Lebensmitteleinzel-
handel, sondern unmittelbar durch die Winzer verkauft. Ein Preisvergleich, bei
denen die hochpreisigen deutschen Weine fehlten, ergebe ein verzerrtes Bild.
Es sei auch nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung deutscher Weine im
Ausland auszugehen. Der Durchschnittspreis je Liter für die Weine aus aller
Welt sei in den USA nur deshalb so hoch, weil die Menge der dorthin aus
Frankreich gelieferten Weine zu hoch sei. Rechne man Frankreich heraus, liege
Deutschland durchaus im Rahmen, denn die Preise für deutschen Wein beweg-
ten sich in dem Preissegment, in dem auch Weine aus anderen Importnationen
verkauft würden. Nur in Großbritannien und den Niederlanden lägen die Preise
für deutschen Wein tatsächlich niedriger als die Preise anderer ausländischer
Weine. Dies liege daran, dass in diese beiden Länder ein wesentlich höherer
Anteil an Tafelwein exportiert werde. Auch die Überlegungen zum schlechten
Image des deutschen Weines und zum Zusammenhang zwischen Imagewerten
und Verkaufspreisen seien logisch nicht nachvollziehbar. Fehlerhaft sei die An-
nahme des Berufungsgerichts, die Abgabepflichtigen könnten die angenomme-
nen Beeinträchtigungen und Nachteile nicht ebenso gut selbst kompensieren.
Der Beigeladene dürfe wegen europarechtlicher Beschränkungen ohnehin stets
nur mittelbar für Weine deutscher Herkunft werben. Das Berufungsgericht hätte
daher zunächst feststellen müssen, dass eine „indirekte“ Werbung für die Ab-
gabepflichtigen überhaupt vorteilhaft sein könne. So helfe z.B. eine Werbung für
die Rebsorte „Riesling“ allen Betrieben weltweit, die Riesling produzierten, und
nicht nur den deutschen Erzeugern oder Vermarktern.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz
vom 15. September 2010 und des Verwaltungsgerichts
Koblenz vom 16. Dezember 2009 zu ändern sowie den
Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2009, soweit dort
eine Abgabe für den Beigeladenen erhoben wird, und den
Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses bei
der Kreisverwaltung Cochem-Zell vom 29. Mai 2009 auf-
zuheben.
Daneben regt er an, das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Bundes-
verfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Abgabe sowie
dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrecht
vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung macht sie sich die Argumentation des Beigeladenen zu eigen.
Der Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er erwidert: Das europäische Recht mache zwar Vorgaben für die staatliche
Absatzförderung, lasse aber ausreichend Raum, um die Mittel aus der Sonder-
abgabe gruppennützig und effektiv für Werbung zu verwenden. Es treffe nicht
zu, dass der Beigeladene deutschen Wein mit Blick auf das europäische Beihil-
fenrecht nur indirekt bewerben dürfe. Dieses kenne vielfältige Möglichkeiten für
Werbung in der Rahmenregelung der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im
Agrar- und Forstsektor 2007 bis 2013 und den Verordnungen (EG)
Nr. 800/2008 vom 6. August 2008 und Nr. 1998/2006 vom 15. Dezember 2006.
Aus Art. 34 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union
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(AEUV) ergäben sich keine Vorgaben über die beihilfenrechtlichen Regelungen
hinaus.
Die Abgabe für den Deutschen Weinfonds erfülle auch die verfassungsrechtli-
chen Anforderungen. Die Auswahl der Abgabepflichtigen sei jedenfalls bei der
vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Auslegung des § 43 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 WeinG nicht zu beanstanden; danach sei darauf abzustellen, wer in die
Weinbaukartei gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 WeinG als Betriebsinhaber eingetra-
gen sei. Hinsichtlich der Voraussetzung der besonderen Finanzierungsverant-
wortung der Gruppe der Abgabepflichtigen gehe der Kläger von einem überzo-
genen Prüfungsmaßstab aus. Erhebliche Beeinträchtigungen oder spezielle
Nachteile müssten nicht festgestellt oder nachgewiesen werden; es reiche aus,
wenn dieses Erfordernis - wie in den Vorinstanzen geschehen - plausibel be-
gründet werde. Die vom Kläger erhobenen Einwände gegen die vom Beru-
fungsgericht herangezogenen statistischen Angaben zur Weinwirtschaft und
deren Aussagekraft träfen nicht zu.
In den Vorinstanzen seien Beschreibungen des Tätigkeitsspektrums des Deut-
schen Weinfonds vorgelegt worden, aus denen sich die Effektivität und Grup-
pennützigkeit der Mittelverwendung ergäben. Der Deutsche Weinfonds dürfe für
alle deutschen Weine mit Hinweis auf die Herkunft werben, die europarechtlich
anerkannte Herkunftsbezeichnungen trügen. Dies seien derzeit mehr als
90 v.H. der abgabepflichtigen Erzeugnisse mit steigender Tendenz. Auch eine
Rebsortenkampagne für den Riesling als der deutschen Leitrebsorte komme
jedenfalls weit überwiegend der deutschen Weinwirtschaft zugute, auch wenn
möglicherweise als unvermeidbare Reflexwirkung auch positive Wirkungen für
Rieslingproduzenten aus anderen Ländern auftreten könnten; dies zeige sich
schon daran, dass auf Deutschland nur etwa 3,5 v.H. der weltweiten Weinpro-
duktion entfielen, aber mehr als 60 v.H. der weltweiten Produktion von Riesling.
Der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG beruhe auf sachgerechten und
vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls, weil die strengeren, gerade auch
unter Berücksichtigung von Art. 12 GG entwickelten Anforderungen an die
Rechtfertigung einer Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion erfüllt seien. Die
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Bemessung der Abgabe nach der Größe der Weinbergsfläche und nicht z.B.,
wie klägerseitig gefordert, nach dem Ertrag der Fläche, sei von der Befugnis
des Gesetzgebers gedeckt, bei der Festsetzung des Verteilungsmaßstabs zu
generalisieren und zu typisieren.
Der Vertreter des Bundesinteresses hält in Übereinstimmung mit dem Bundes-
ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz das angegrif-
fene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verlet-
zung von Bundes- oder Unionsrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Im Revisionsverfahren sind nur die Europarechtskonformität und die Verfas-
sungsmäßigkeit der Abgabe für den Deutschen Weinfonds zu klären. Dass die
Abgabe nach den einfachrechtlichen Vorgaben fehlerfrei festgesetzt worden ist,
hat das Berufungsgericht festgestellt und wird von den Beteiligten nicht in Zwei-
fel gezogen.
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Abgabe für den
Deutschen Weinfonds mit Unionsrecht vereinbar (A.) und verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden ist (B.). Rechtsgrundlage für ihre Erhebung ist § 43 Abs. 1
WeinG in der bei Bescheiderlass geltenden Fassung der Bekanntmachung des
Weingesetzes vom 16. Mai 2001 (BGBl I S. 985). Danach ist die Abgabe zur
Beschaffung der für die Durchführung der Aufgaben des Deutschen Weinfonds
erforderlichen Mittel zu entrichten. Abgabepflichtig sind die Eigentümer oder
Nutzungsberechtigten von mehr als fünf Ar umfassenden Weinbergsflächen
(Satz 1 Nr. 1) sowie Abfüllbetriebe („Kellereien“; Satz 1 Nr. 2). Die erforderli-
chen Vorschriften über die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabe nach § 43
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WeinG sowie über das Verfahren bei ihrer Erhebung und
sonstige Vorschriften haben gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WeinG die Landesregie-
rungen durch Rechtsverordnung zu erlassen. Von dieser Ermächtigung hat das
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Land Rheinland-Pfalz in § 14 bis § 17 der Landesverordnung zur Durchführung
des Weinrechts (WeinRDVO) vom 18. Juli 1995 (GVBl S. 275) Gebrauch ge-
macht.
A. Mit dem Unionsrecht stand die Erhebung der Abgabe im Jahr 2009 in Ein-
klang. Zur Klärung dieser Frage ist keine Vorlage an den Europäischen Ge-
richtshof nach Art. 267 AEUV erforderlich, denn die Europarechtskonformität
lässt sich klar und eindeutig feststellen („acte clair“, vgl. EuGH, Urteil vom
6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, Cilfit u.a. - Slg. 1982, S. 3415 ).
Das europäische Beihilfenrecht hinderte nicht an der Erhebung der Abgabe.
Der Beurteilung zugrunde zu legen sind noch die Art. 87 ff. EG. Der Vertrag
über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der das Beihilfenrecht
in Art. 107 ff. regelt, ist erst am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten und damit
nach Erlass des Widerspruchsbescheides und am Ende des Zeitraums, für den
die Abgabe erhoben wurde.
1. Es kann dahinstehen, ob die Abgabe selbst oder die mit ihr finanzierte Tätig-
keit des Weinfonds als staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe
im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG anzusehen ist und daher ohne Genehmigung
der Kommission dem Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG (nun-
mehr Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) unterlag (vgl. dazu Urteil vom 16. Dezem-
ber 2010 - BVerwG 3 C 44.09 - BVerwGE 138, 322 = EuZW 2011,
269 m.w.N.). Ein solches Durchführungsverbot ist jedenfalls im Verfahren nach
Art. 88 Abs. 3 EG beseitigt worden. Die Bundesrepublik Deutschland hat die
vom beigeladenen Weinfonds betriebene Absatzförderung als Beihilfe gewertet
und sie der Europäischen Kommission 1986 angezeigt. Die Kommission hat die
Maßnahme genehmigt (Entscheidung vom 9. September 1986 zu Beihilfe Nr.
N 133/86). Anlässlich ihrer Änderungsnotifizierung vom 14. August 2007 hat die
Bundesrepublik zugesichert, dass die aus dem europäischen Recht folgenden
Einschränkungen der Absatzförderung (wie Werbemaßnahmen ohne Hinweis
auf den nationalen Ursprung der Erzeugnisse) beachtet und Maßnahmen unter-
lassen werden, die geeignet sind, den Verkauf von Erzeugnissen aus anderen
Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen oder deren Erzeugnisse schlechtzumachen.
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Die Kommission hat unter dieser Maßgabe am 19. Dezember 2007 erneut ent-
schieden, keine Einwände gegen diese Form der Absatzförderung zu erheben
(Entscheidung der Kommission K<2007> 6782 vom 19. Dezember 2007 zu
Beihilfe Nr. N 477/2007; Mitteilung der Genehmigung in ABl 2008 Nr. C 48 S. 1
<4>).
2. Gleiches gilt mit Blick auf das Verbot von mengenmäßigen Ein- und Ausfuhr-
beschränkungen und von Maßnahmen gleicher Wirkung nach Art. 28 ff. EG
(nunmehr Art. 34 ff. AEUV). Zwar ist der Beigeladene - als eine durch inner-
staatliches Gesetz eines Mitgliedstaates geschaffene und durch einen von den
Erzeugern zu entrichtenden „Beitrag“ finanzierte Einrichtung - verpflichtet, die
Grundregeln des Vertrags über den freien Warenverkehr zu beachten, und er
genießt auch hinsichtlich der Förderung der inländischen Erzeugung nicht die-
selbe Freiheit wie die Erzeuger selbst oder wie freiwillige Erzeugergemeinschaf-
-
= NJW 2002, 3609 zur Vergabe von nationalen Gütezeichen durch die Centrale
Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft ). Die
Einschränkungen und Maßgaben, unter denen die Kommission die Marketingtä-
tigkeit des Weinfonds gebilligt hat, stellen jedoch sicher, dass von dieser keine
unionsrechtswidrige Beschränkung des freien Warenverkehrs zwischen den
Mitgliedstaaten ausgeht. Soweit einzelne Werbemaßnahmen zu beanstanden
sein sollten - wofür im Revisionsverfahren keine Anhaltspunkte erkennbar ge-
worden sind -, würde ein Verstoß gegen Unionsrecht lediglich die jeweilige
Maßnahme betreffen, nicht jedoch die Einrichtung und Aufgabenerfüllung des
Weinfonds als solche.
B. Die Abgabe für den Deutschen Weinfonds ist auch verfassungsmäßig.
1. Dem Bund fehlte nicht die Gesetzgebungskompetenz für die Errichtung des
Deutschen Weinfonds. Die Abgabe ist, wie noch näher darzulegen ist, keine
Steuer, sondern eine Sonderabgabe, zu deren Einführung der Gesetzgeber
Sachzuständigkeiten außerhalb der Finanzverfassung in Anspruch nehmen
muss. Das Weingesetz, das mit der Abgabe für den Weinfonds insbesondere
die Qualität des Weines sowie den Absatz des Weines fördern will (§ 37 Abs. 1
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WeinG), kommt in erster Linie dem Weinbau zugute und dient insoweit der „För-
derung der landwirtschaftlichen Erzeugung“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 17
GG in dessen bei Erlass des Weingesetzes geltenden Fassung. Soweit einzel-
ne Bestimmungen den Weinhandel sowie andere Gruppen der Weinwirtschaft
und ihr nahestehende Geschäftszweige berühren, ergibt sich die Gesetzge-
bungskompetenz des Bundes jedenfalls aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht
der Wirtschaft“), wie es das Bundesverfassungsgericht für entsprechende Re-
gelungen des früheren Weinwirtschaftsgesetzes entschieden hat (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 5. März 1974 - 1 BvL 27/72 - BVerfGE 37, 1 <17>). Die Gesetz-
gebungskompetenz wäre nicht dadurch infrage gestellt, wenn der Weinfonds
- wie der Kläger meint - infolge von unionsrechtlich auferlegten Tätigkeitsbe-
schränkungen seine Zwecke nicht oder nicht effektiv genug erfüllen könnte. Ab-
gesehen davon, dass dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht
der Fall ist (dazu unten 2 d bb), wendet sich dieser Einwand allein gegen die
materielle Verfassungsmäßigkeit der einzelnen Regelungen, aber nicht da-
gegen, dass sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Normen auf die ge-
nannten Kompetenztitel stützen konnte.
2. Die Abgabe nach § 43 WeinG ist auch materiell verfassungsgemäß. Sie ist
eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion (a), die strengen verfassungs-
rechtlichen Zulässigkeitsanforderungen unterliegt (b). Diese Anforderungen sind
hier erfüllt (c und d).
a) Die Abgabe ist keine Steuer, die zur Deckung des allgemeinen Finanzbe-
darfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben wird. Sie dient speziell zur Fi-
nanzierung der Aufgaben des Deutschen Weinfonds, ist also einem besonderen
Finanzbedarf gewidmet, und unterliegt nach § 44 Abs. 2 WeinG der Verwaltung
durch den als rechtsfähige Anstalt des Bundes ausgestalteten Beigeladenen,
fließt mithin nicht in den allgemeinen Haushalt. Damit wird den Abgabepflichti-
gen als einer bestimmten Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern wegen ihrer be-
sonderen Nähe zu der zu finanzierenden Aufgabe eine spezielle Finanzie-
rungsverantwortung zugewiesen.
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Mit einer derartigen Sonderabgabe im engeren Sinn nimmt der Gesetzgeber
Kompetenzen außerhalb der Finanzverfassung in Anspruch, obwohl weder ein
Gegenleistungsverhältnis noch ähnlich unterscheidungskräftige besondere Be-
lastungsgründe eine Konkurrenz der Abgabe zur Steuer ausschließen. Sonder-
abgaben schaffen trotz ihrer Ähnlichkeit mit den Steuern neben diesen und au-
ßerhalb der Grundsätze steuergerechter Verteilung der Gemeinlasten zusätzli-
che Sonderlasten und gefährden bei organisatorischer Ausgliederung des Ab-
gabenaufkommens und seiner Verwendung aus dem Kreislauf staatlicher Ein-
nahmen und Ausgaben, wie es hier der Fall ist, zugleich das Budgetrecht des
Parlaments. Deswegen unterliegen sie engen Grenzen und müssen gegenüber
den Steuern seltene Ausnahmen bleiben (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom
24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - „Wertpapierhandel Sonderabgabe“ -
BVerfGE 124, 348 <365 f.> m.w.N.). Dass es sich bei der Abgabe nach § 43
WeinG um eine solche Sonderabgabe handelt, hat das Berufungsgericht unter
Auswertung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu ähnlichen
Abgaben (vgl. BVerfG, Urteile vom 3. Februar 2009 - 2 BvL 54/06 -
„CMA-Pflichtabgabe“ - BVerfGE 122, 316 <334> und vom 6. Juli 2005 - 2 BvR
2335/95 u.a. - „Solidarfonds Abfallrückführung“ - BVerfGE 113, 128 <149 f.>)
überzeugend ausgeführt. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht
bereits die Abgabe nach dem früheren Weinwirtschaftsgesetz ohne Weiteres
als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion eingeordnet (Urteil vom 27. April
1995 - BVerwG 3 C 9.95 - Buchholz 451.49 WWiG Nr. 3 ).
b) Für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion, die ähnlich wie Steuern „vo-
raussetzungslos“ erhoben werden, hat das Bundesverfassungsgericht die fi-
nanzverfassungsrechtlichen Begrenzungen für nichtsteuerliche Abgaben in be-
sonders strenger Form präzisiert. Der Gesetzgeber darf sich ihrer nur im Rah-
men der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbe-
schaffung hinausgeht. Zu der Abgabe darf nur eine homogene Gruppe heran-
gezogen werden, die in einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Abgaben-
erhebung verfolgten Zweck und deshalb in einer besonderen Finanzierungsver-
antwortung steht. Das Abgabenaufkommen muss gruppennützig verwendet
werden. Zusätzlich muss der Gesetzgeber die erhobenen Sonderabgaben
haushaltsrechtlich vollständig dokumentieren und ihre sachliche Rechtfertigung
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in angemessenen Zeitabständen überprüfen (stRspr, BVerfG, Urteil vom
3. Februar 2009 a.a.O. S. 334 f.; Beschlüsse vom 12. Mai 2009 - 2 BvR
743/01 - „Holzabsatzfonds“ - BVerfGE 123, 132 <142> und vom 16. September
2009 - 2 BvR 852/07 - „BaFin-Umlage“ - BVerfGE 124, 235 <243 f.>).
c) Auf der Grundlage der den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen
des Berufungsgerichts (dazu unten 4) sind diese verfassungsrechtlichen Vor-
gaben hier erfüllt.
aa) Die Abgabe dient einem Sachzweck, der über die bloße Mittelbeschaffung
hinausgeht. Nach § 43 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 WeinG ist ihr Aufkommen dazu
bestimmt, die wesentlichen Mittel für die Durchführung der dem Deutschen
Weinfonds in § 37 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WeinG zugewiesenen Aufgaben zu be-
schaffen, Qualität und Absatz des Weines zu fördern und auf den damit zu-
sammenhängenden Markenschutz hinzuwirken.
bb) Im Hinblick auf diesen Zweck handelt es sich bei den Abgabepflichtigen um
eine homogene Gruppe. Die deutsche Land- und Forstwirtschaft ist eine in der
europäischen Rechtsordnung vorstrukturierte Gruppe (vgl. BVerfG, Urteil vom
3. Februar 2009 a.a.O. S. 335). Innerhalb dieser Gruppe bildet die Weinwirt-
schaft - auch nach der Integration der Weinmarktordnung in die einheitliche
gemeinsame Organisation der Agrarmärkte - einen sozial wie rechtlich geson-
derten Sektor (vgl. nur die Art. 55 Abs. 2a, 85a ff., 103i ff., 113c f., 118a ff.,
120a ff., 158a, 185a ff., 190a und 203b der Verordnung Nr. 1234/2007
des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der
Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Er-
zeugnisse, ABl Nr. L 299 S. 1). In diesem Sektor sind Erzeuger und Abfüller
durch gleichgerichtete Interessen an der erfolgreichen Vermarktung von Wein
und Weinerzeugnissen mit dem Normzweck und über diesen mit den Aufgaben
des Weinfonds verbunden. An der Gleichgerichtetheit ihrer Interessen nach „au-
ßen“, also gegenüber den Abnehmern, ändert sich nichts dadurch, dass sie un-
tereinander im Wettbewerb um Marktanteile stehen.
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Die Homogenität wird nicht dadurch infrage gestellt, dass in § 43 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 WeinG neben den Nutzungsberechtigten auch Eigentümer von Wein-
bergsflächen als Abgabepflichtige genannt sind, die - worauf der Kläger hin-
weist - als Verpächter ein lediglich mittelbares Interesse an der Absatzförderung
haben; denn das Gesetz geht davon aus, dass Eigentümer nur dann zu der Ab-
gabe veranlagt werden, wenn sie ihre Weinbergsflächen selbst zur Produktion
von Wein nutzen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 43 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 WeinG, wonach die Nutzungsberechtigten von Weinbergsflächen
(wie Pächter) alternativ zu den Eigentümern heranzuziehen sind. Diese Rege-
lung soll sicherstellen, dass die Abgabe in jedem Fall von denjenigen entrichtet
wird, die zum Weinanbau bestimmte Flächen bewirtschaften und Erzeugnisse
herstellen, an deren Absatz sie ein durch den Beigeladenen förderungsfähiges
Interesse haben. Dieses Verständnis kommt auch in § 44 Abs. 1 Satz 1 WeinG
in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des
Weingesetzes vom 16. Mai 2007 (BGBl I S. 753) zum Ausdruck. Danach ist
Berechnungsgrundlage für die Erhebung der Abgabe die zur Weinbaukartei
gemeldete Fläche. Damit wurde seinerzeit die Verordnung (EWG) Nr. 2392/86
des Rates vom 24. Juli 1986 zur Einführung der gemeinschaftlichen Weinbau-
kartei (ABl Nr. L 208 S. 1) umgesetzt, die in Art. 2 verlangte, in der Kartei nicht
die Flächen, sondern sämtliche Weinbaubetriebe der Mitgliedstaaten zu erfas-
sen, also die Winzer und sonstigen Produzenten. Dies konkretisierend verpflich-
tet Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 436/2009 der Kommission vom 26. Mai 2009
(ABl Nr. L 128 S. 15), in die Weinbaukartei als „Betriebsinhaber“ solche natürli-
chen oder juristischen Personen aufzunehmen, die eine mit Reben bepflanzte
Fläche „bewirtschaften“ (vgl. Art. 2 Buchst. a). Ein Eigentümer, der seine
Grundstücke nicht selbst „als“ Weinbergsflächen nutzt, ist demgemäß nicht in
Anspruch zu nehmen.
Die Gruppenhomogenität lässt sich auch nicht deswegen bezweifeln, weil der
Beigeladene, wie der Kläger annimmt, Wein jeglicher Herkunft zu fördern hätte.
Die Tätigkeit des Beigeladenen ist auf die Förderung von „inländischen“, also
von Abgabepflichtigen erzeugten Weinprodukten beschränkt, was § 37 Abs. 1
Nr. 2 WeinG deutlich erkennen lässt. Entsprechend wird in der Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
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zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes hervor-
gehoben, dass die Aufgaben des Deutschen Weinfonds darauf ausgerichtet
sind, „die Qualität und den Absatz der Erzeugnisse aus den deutschen Anbau-
gebieten zu fördern“ (vgl. BTDrucks 16/4209 S. 9).
Die Einwände gegen die Zusammensetzung des Verwaltungsrats des Beigela-
denen (vgl. § 37 Abs. 3 Nr. 3 WeinG) betreffen nicht die Gruppe der Abgabe-
pflichtigen. Schon deswegen kann deren Homogenität nicht dadurch beein-
trächtigt sein, dass dem Verwaltungsrat nach § 40 WeinG auch Vertreter von
Wirtschaftszweigen angehören, die nicht zum Kreis der Abgabepflichtigen ge-
hören. Davon abgesehen hat das Bundesverfassungsgericht eine ähnliche Zu-
sammensetzung des Verwaltungsrats des Stabilisierungsfonds nach dem
Weinwirtschaftsgesetz verfassungsrechtlich gebilligt (BVerfG, Beschluss vom
5. März 1974 a.a.O. S. 26 ff.). Diese Überlegungen sind auf den Weinfonds
unmittelbar übertragbar.
cc) Die Gruppe der Abgabepflichtigen steht auch zu den abgabefinanzierten
Aufgaben in einer Beziehung, die die Auferlegung dieser Sonderlast rechtfertigt
(vgl. BVerfG, Urteil vom 3. Februar 2009 a.a.O. S. 334). Den Zwecken des
Weinfonds, den Absatz von Wein und den Markenschutz zu fördern, stehen die
Gruppenmitglieder näher als jede andere Gruppe und die Gesamtheit aller
Steuerzahler. Der Kläger bezweifelt zu Unrecht, dass dies „evident“ ist. Mit dem
Erfordernis einer „evidenten“, „besonderen“ oder „spezifischen“ Sachnähe be-
zieht sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Sonder-
abgaben auf den Vergleich zwischen der abgabepflichtigen Gruppe und ande-
ren, nicht abgabepflichtigen Gruppen sowie vor allem auf den Vergleich zwi-
schen der abgabepflichtigen Gruppe und der Allgemeinheit der Steuerzahler.
Die besondere Nähe zu einer Sachaufgabe, die zu einer Finanzierungsverant-
wortung führen kann, meint danach ein Entweder-Oder zulässiger oder unzu-
lässiger Sonderbelastung außerhalb der Regeln der Finanzverfassung (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 a.a.O. S. 372 f.).
dd) Die rechtlich vorstrukturierte Abgrenzbarkeit als Gruppe und deren beson-
dere Sachnähe sind für sich genommen noch nicht geeignet, eine staatlich or-
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ganisierte Absatzförderung zu rechtfertigen, die kraft hoheitlicher Entscheidung
an die Stelle des individuellen unternehmerischen Handelns tritt. Die Auferle-
gung einer Sonderlast bedarf hier einer besonderen Rechtfertigung; denn die
finanzielle Inanspruchnahme entspringt keiner Verantwortlichkeit der Abgabe-
pflichtigen für die Folgen gruppenspezifischer Zustände oder Verhaltensweisen.
Die Weinerzeuger und Abfüller verursachen keinen Bedarf, für dessen Befriedi-
gung sie verantwortlich gemacht werden sollen. Vielmehr geht es um eine wirt-
schaftspolitisch begründete Fördermaßnahme, zu deren Finanzierung die
Gruppe der Abgabepflichtigen nur aus Gründen eines Nutzens herangezogen
wird, den der Gesetzgeber ihnen als Gruppe zugedacht hat. In einem solchen
Fall sind an die gruppennützige Verwendung, die nicht jedem einzelnen Abga-
bepflichtigen in gleicher Weise zugute kommen muss (BVerfG, Beschluss vom
31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u.a. - BVerfGE 82, 159 <179>), erhöhte Anforde-
rungen zu stellen. Der durch die Abgabe zu finanzierende und die Abgabe
rechtfertigende Gruppennutzen muss evident sein; das ist der Fall, wenn er sich
plausibel begründen lässt.
ee) Bei staatlichen Fördermaßnahmen kann sich der erforderliche greifbare
Gruppennutzen vor allem aus einem - dementsprechend plausibel zu begrün-
denden - Erfordernis ergeben, erheblichen Beeinträchtigungen entgegenzuwir-
ken oder spezielle Nachteile auszugleichen, die die Gruppenangehörigen be-
sonders betreffen und die von diesen selbst voraussichtlich nicht oder jedenfalls
nicht mit gleicher Erfolgsaussicht kompensiert werden könnten (BVerfG, Urteil
vom 3. Februar 2009 a.a.O. S. 338; Beschluss vom 12. Mai 2009 a.a.O.
S. 143). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts besteht ein so gearte-
ter rechtfertigender Zusammenhang zwischen den Aufgaben des Weinfonds
und einer spezifischen Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen.
Das Berufungsgericht folgert aus im Einzelnen bezeichneten Tatsachen, dass
die deutsche Weinwirtschaft erheblichen Beeinträchtigungen - namentlich im
transnationalen Wettbewerb - ausgesetzt ist und dass diese durch die Gruppe
der Abgabepflichtigen selbst nicht gleich effektiv kompensiert werden können
wie durch die Aktivitäten des Beigeladenen. Diese Schlussfolgerungen leitet es
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aus tatsächlichen Feststellungen ab, die den Senat binden (§ 137 Abs. 2
VwGO, dazu unten 4) und die gezogenen Schlüsse tragen.
Das Berufungsgericht sieht erhebliche Beeinträchtigungen und spezifische
Nachteile der deutschen Weinwirtschaft im transnationalen Wettbewerb durch
eine vergleichsweise geringe Marktstärke sowohl auf dem Inlandsmarkt als
auch auf den wichtigen Exportmärkten (insbesondere Frankreich, Italien, Spa-
nien, Österreich, Großbritannien, die Niederlande, USA und Australien) und
daraus folgend in einer geringen Wertschöpfung pro Mengeneinheit im Verhält-
nis zu vergleichbaren ausländischen Produkten „großer“ konkurrierender Wein-
länder. Als Indiz, das diesen Schluss erlaubt, stützt sich das Berufungsgericht
auf eine fortdauernd stark negative Außenhandelsbilanz, als Ursache sieht es
ein schlechtes Image des deutschen Weins im In- und Ausland.
Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat ihrer
Art nach taugliche Indiztatsachen herangezogen, um seinen Schluss auf einen
Gruppennutzen der Tätigkeit des Beigeladenen zu belegen. Die dazu im Revi-
sionsverfahren geäußerte Kritik greift nicht durch. Der Kläger verkennt zu-
nächst, dass das Berufungsgericht seine maßgebliche Wertung aus den ermit-
telten Tatsachen in ihrer Gesamtheit gefolgert hat, nicht aber aus jeder einzel-
nen für sich. Daher kommt es nicht darauf an, dass den einzelnen Umständen
ein unterschiedliches Gewicht für die Rechtfertigung der angenommenen Be-
einträchtigungen zukommt. Es reicht - wie gesagt - aus, dass sich die Einschät-
zung des Gesetzgebers, die Abgabe und ihre Verwendung bringe einen Grup-
pennutzen, plausibel begründen lässt.
Einen derart plausiblen Begründungsweg hat das Berufungsgericht aufgezeigt.
Die festgestellten Tatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den gezoge-
nen Schluss zu, erweisen sich aber auch einzeln keineswegs als unplausibel.
Das gilt zunächst für die festgestellte „fortdauernd stark negative Außenhan-
delsbilanz“ für Wein. Dass ein Defizit in der Handelsbilanz auf eine Markt-
schwäche des deutschen Produkts hindeuten kann, hat das Bundesverfas-
sungsgericht wiederholt angenommen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009
a.a.O. S. 144; Urteil vom 3. Februar 2009 a.a.O. S. 338 ff.). So liegen die Dinge
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auch hier. Das Defizit belegt eine dauerhafte und relativ starke Bevorzugung
ausländischer Weine im internationalen Vergleich wie auch auf dem nationalen
Markt; denn auch in Deutschland wird der Weinbedarf zum weit überwiegenden
Teil mit ausländischen Weinen gedeckt. Diese Indizwirkung büßt das Handels-
bilanzdefizit nicht deshalb ein, weil die Menge des in Deutschland produzierten
Weins über einen höchstzulässigen Hektarertrag begrenzt ist (vgl. §§ 9 f.
WeinG), sodass sich eine Erhöhung eines Marktanteils nur zulasten eines an-
deren in gleicher Größenordnung erzielen ließe. Das Berufungsgericht misst
nicht der Menge, sondern der Wertschöpfung pro Mengeneinheit Aussagekraft
bei. Das trifft zu: Da die Handelsbilanz die in ihr erfassten Waren wertmäßig
abbildet, nämlich die Warenausfuhr als Zahlungseingang und die Wareneinfuhr
als Zahlungsausgang (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Handelsbilanz,
online im Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/2428/handelsbilanz-
v9.html), belegt ein langfristiges Defizit gerade bei einer fixen Warenmenge das
- relativ zu importierten Produkten gleicher Art und Qualität - unterdurchschnitt-
liche Preisniveau und das Ausbleiben einer angemessenen Preisentwicklung
über die Zeit. Auf den Umfang der Warenmengen, die (unterpreislich) ausge-
tauscht werden, kommt es demgegenüber nicht unmittelbar an.
Plausibel ist ebenso, dass sich das Gericht zum Beleg erheblicher Nachteile der
deutschen Weinwirtschaft auch im Übrigen an der Wertschöpfung pro Mengen-
einheit orientiert und dabei insbesondere dem Vergleich von Durchschnittsver-
kaufspreisen deutscher und ausländischer Weine in entsprechender Qualität
Bedeutung beigelegt hat. Die deutlich niedrigeren Preise, die deutsche Quali-
tätsweine im Inland und auf wichtigen Exportmärkten erzielen, haben ihre Ursa-
che offenkundig in einer im Verhältnis zu entsprechenden Weinen ausländi-
scher Herkunft geringeren Wertschätzung der Konsumenten. Es ist überzeu-
gend, diesen Umstand für das Inland anhand der Preise des Einzelhandels für
Wein herauszuarbeiten. Das gilt nicht nur, weil über ihn der Großteil, nämlich
etwa Dreiviertel des gesamten Weins in Deutschland vertrieben wird. Vor allem
kann der Absatz über den Lebensmitteleinzelhandel viel unmittelbarer als der
Direkt- und Genossenschaftsverkauf durch ein Marketing des Beigeladenen sti-
muliert werden. Daher kann gegen die Indizwirkung der Einzelhandelspreise
nicht eingewandt werden, dass im Direkt- und Genossenschaftsverkauf ein pro-
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zentual größerer Teil der Wertschöpfung erzielt wird. Genau dieser Umstand
bestätigt die Einschätzung, dass die Wettbewerbsnachteile des deutschen
Weins im Einzelhandel beurteilt und durch die Tätigkeit des Beigeladenen ver-
ringert werden müssen. Schon deswegen verfängt auch die Kritik nicht, richti-
gerweise müsse die Wertschöpfung im Verhältnis von Winzern und Abfüllern
und nicht zwischen Einzelhandel und Endverbraucher verglichen werden. Es
liegt auf der Hand, dass eine Erhöhung der Einzelhandelspreise, die einen gut
nachvollziehbaren Anknüpfungspunkt für die Wertentwicklung des größten Teils
des Weins bieten, tendenziell auf davor liegende Glieder der Wertschöpfungs-
kette (Erzeuger und Abfüller) zurückwirkt. Zwar wird ihnen nicht jede Erhöhung
der Endverbrauchspreise zugute kommen; ohne Preissteigerungen auf der letz-
ten Stufe werden sich aber höhere Abgabepreise auf vorgelagerten Produk-
tionsstufen schwerlich durchsetzen lassen.
Nicht zu beanstanden ist weiter, dass das Berufungsgericht von einem - im Ver-
hältnis zu staatlicher Absatzförderung - geringeren Potenzial der abgabe-
belasteten Gruppe ausgeht, die aufgezeigten Nachteile aus eigener Kraft zu
kompensieren. Nach seinen Feststellungen, die im Revisionsverfahren nicht
durchgreifend beanstandet worden sind, weisen die deutschen Weinbaubetrie-
be durchschnittlich nur eine geringe Betriebsgröße auf und müssen unter un-
günstigen Bedingungen und Inkaufnahme von Standortnachteilen produzieren
(z.B. unter klimatisch ungünstigen Verhältnissen, in Steillagen und mit einem
hohen Lohnkostenniveau). Diese Verhältnisse lassen es ohne Weiteres als
nachvollziehbar erscheinen, dass sich die Wertschöpfung nicht durch eine Ver-
änderung der Produktionsbedingungen wesentlich steigern lässt. Ebenso wenig
ist es unplausibel, aus diesen Umständen zu folgern, eine auf privatwirtschaftli-
cher Basis organisierte zentrale Absatzförderung wäre nicht in gleichem Maße
effektiv. Kleinteilige Strukturen mit nur geringer Personal- und Finanzkraft sind
kaum in der Lage, sich ebenso schlagkräftig wie starke ausländische Konkur-
renten zu organisieren und diesen gleichgewichtige Marketingstrategien ent-
gegenzusetzen. Diese Annahmen können sich auf naheliegende Wirkungs-
zusammenhänge stützen, die sich aus den konkreten Verhältnissen des be-
trachteten Wirtschaftszweiges ergeben, nicht aber auf der vom Bundesverfas-
sungsgericht abgelehnten Vermutung eines automatischen Mehrwerts staatlich
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organisierter Werbung beruhen (BVerfG, Urteil vom 3. Februar 2009 a.a.O.
S. 338).
Schließlich hat das Berufungsgericht die Existenz vergleichbarer staatlich ge-
stützter Fördereinrichtungen in anderen weinproduzierenden EU-Ländern zu
Recht als Hinweis darauf betrachtet, dass diese Länder ein zentrales oder so-
gar staatlich organisiertes Marketing ungeachtet des größeren wirtschaftlichen
Erfolgs ihrer Weinwirtschaft für sinnvoll und hinreichend effektiv erachten, um
das für den Verkaufserfolg von Qualitätsweinen wesentliche Image herzustel-
len.
d) Es ist nicht durchgreifend infrage gestellt worden, dass die Tätigkeit des Bei-
geladenen hinreichend effektiv ist, um eine Finanzierung durch die Abgabe-
pflichtigen zu rechtfertigen.
aa) Das Berufungsgericht hat zum einen die besondere Eignung des Beigela-
denen festgestellt, einen Imagegewinn des deutschen Weins zu bewirken, der
sich langfristig in einer Qualitäts- und Absatzförderung und verbesserten Wert-
schöpfung niederschlägt. Auch der Kläger bezweifelt nicht, dass der Beigelade-
ne in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit erhebliches Erfahrungswissen ange-
sammelt hat, um die Kräfte der Weinerzeuger und -vermarkter zu bündeln, ihre
Interessen auszugleichen und die Position des deutschen Weins auf den Ex-
portmärkten gegenüber Konkurrenten zu verbessern. Zudem hat das Beru-
fungsgericht tragfähige Hinweise dafür aufgezeigt, dass die Tätigkeit des Beige-
ladenen zu einer Imageverbesserung des deutschen Weins beigetragen hat.
Dem steht wegen der Notwendigkeit der Plausibilisierung nicht entgegen, dass
der Umfang dieser Verbesserung wegen der komplexen Wirkungszusammen-
hänge nicht genau quantifizierbar ist. Ebenso ist es unschädlich, dass es dem
Beigeladenen verwehrt ist, Werbung für bestimmte Produkte oder Produzenten
zu machen. Dies ist der Verpflichtung zu staatlicher Neutralität gegenüber der
wirtschaftlichen Tätigkeit der untereinander in Konkurrenz stehenden Abgabe-
pflichtigen geschuldet. Eine effektive Absatzförderung ist aber auch dann mög-
lich, wenn der Beigeladene so genannte generische Werbung oder Werbung für
einzelne Rebsorten macht (wie für den vom Gericht als „Vorzeigerebsorte“ be-
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zeichneten Riesling), die von zahlreichen Winzern angebaut werden, im Aus-
land besondere Beachtung finden und dort für deutschen Wein als solchen ste-
hen.
bb) Der Beigeladene ist in seiner Tätigkeit durch Unionsrecht keinen Beschrän-
kungen ausgesetzt, die eine sinnvolle Werbung für deutschen Wein im Ausland
unmöglich machen würden. Auch dies hat das Berufungsgericht in revisions-
rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen. Bei Beachtung der
Vorgaben aus Art. 28 ff. EG (nunmehr Art. 34 ff. AEUV) ist neben so genannter
generischer Werbung für deutschen Wein auch Werbung zulässig, die auf die
Herkunft des Weins aus traditionellen Weinanbaugebieten oder auf bestimmte
Rebsorten und andere Besonderheiten hinweist. Diese Möglichkeiten sind auch
etwa in den Verordnungen der Europäischen Union Nr. 800/2008 und
Nr. 1998/2006 aufgeführt.
3. Was die weiteren verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit
einer Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion angeht, hat das Berufungsge-
richt ebenfalls das Notwendige festgestellt. Es hat insbesondere dargelegt,
dass die Abgabe haushaltsrechtlich ausreichend dokumentiert ist und ihre Er-
forderlichkeit regelmäßig überprüft wird. Die Feststellungen und Bewertungen
dazu sind mit der Revision entweder nicht aufgegriffen oder nicht in einer Weise
angezweifelt worden, die revisionsrechtlich erheblich wäre.
4. An die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil ist der Senat
gebunden, weil in Bezug auf sie keine zulässigen und begründeten Revisions-
gründe vorgebracht worden sind (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Zu den bindenden
Feststellungen gehören Tatsachenurteile und Bewertungen, soweit sie nicht
von normativen Vorgaben abhängen, sowie tatsächliche Schlussfolgerungen
und Indizien (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 47;
Prütting, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung
ZPO>, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 284 Rn. 41 f.). Derartige Feststellungen können
nur damit infrage gestellt werden, dass ein Verstoß gegen die Beweiswürdi-
gungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze geltend ge-
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macht wird und vorliegt (vgl. Urteil vom 23. September 2010 - BVerwG 3 C
32.09 - ZfSch 2011, 52 = DAR 2011, 39 ).
Durchgreifende Rügen hat der Kläger nicht erhoben. Er meint, einen Verfah-
rensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO darin sehen zu können,
dass das Berufungsgericht seinen vier (hilfsweise gestellten) Beweisanträgen
nicht nachgegangen ist. Darin liegt schon deshalb kein Mangel, weil die - im
Urteil ordnungsgemäß beschiedenen - Beweisanträge durchweg unsubstan-
ziiert waren. Mit ihnen sollten negative Tatsachen unter Beweis gestellt werden,
d.h. Behauptungen, dass die jeweils bezeichneten Umstände nicht vorliegen
(hier: es gebe „keine preisliche Benachteiligung“, deutscher Wein sei „nicht be-
nachteiligt“, Werbemaßnahmen des Beigeladenen seien „gar nicht geeignet“
und große Weinmarken aus dem Ausland spielten in Deutschland „keine be-
deutende Rolle“).
Zwar ist anerkannt, dass auch negative Tatsachenurteile beweisfähig sind;
denn es handelt sich um wertende Verkürzungen positiver Tatsachen oder um
Schlussfolgerungen. An die Substanziierung eines auf sie gerichteten Beweis-
antrags sind aber besondere Anforderungen gestellt (vgl. Prütting, a.a.O. § 284
Rn. 41). Ein Beteiligter, der das Nichtvorhandensein von Tatumständen be-
hauptet - ihr Vorliegen also bestreitet -, ist von der Darlegungslast nicht befreit.
Er muss Tatsachen angeben, aus denen die negative Folgerung abgeleitet
werden kann. Wie umfänglich diese Angaben ausfallen müssen, hängt von den
Darlegungen und dem Material ab, aus dem sich die bestrittenen Tatsachen
ergeben sollen (vgl. BGH, Urteile vom 8. Oktober 1992 - I ZR 220/90 -
MDR 1993, 751 und vom 12. November 2010 - V ZR 181/09 - BGHZ 188, 43
; Greger, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 284 Rn. 24 m.w.N.).
Sind diese Tatsachen, wie hier, aus einer Vielzahl von Unterlagen hergeleitet
worden, muss der Beteiligte detailliert darlegen, inwiefern die daraus zu seinen
Lasten gezogenen Schlüsse ungerechtfertigt sind und woraus sich dies ergibt.
Das lassen die Beweisanträge mit den dazu gegebenen Begründungen vermis-
sen. Angesichts des vom Gericht ausgewerteten Materials hätte sich der Klä-
gervortrag nicht auf die Bezeichnung von Umständen beschränken dürfen, die
lediglich das vom Gericht festgestellte Ergebnis verneinen.
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Die Beweisanträge sind auch nicht „übergangen“ worden. Das Berufungsgericht
hat sie im Urteil beschieden, wie es bei „hilfsweise“, also vorsorglich gestellten
Beweisanträgen zulässig ist (Beschluss vom 30. Oktober 2009 - BVerwG 9 A
24.09 - juris Rn. 4; Bamberger, in: Wysk, VwGO, Kommentar 2011, § 86
Rn. 28). Der Kläger legt nicht dar, dass die Ablehnung der Beweisanträge ver-
fahrensfehlerhaft war. Die Angriffe richten sich gegen das Zahlenmaterial, das
das Berufungsgericht zu den durchschnittlichen Weinpreisen und zum Han-
delsbilanzdefizit herangezogen hat. Der Kläger hält diese Zahlen allerdings
nicht für unrichtig, sondern will sie nur anders interpretiert wissen. Damit setzt
er den vom Tatsachengericht getroffenen Tatsachenbewertungen abweichende
eigene entgegen, ohne aufzuzeigen, dass die Bewertung des Berufungsge-
richts gegen Beweiswürdigungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder
Denkgesetze verstößt. Entsprechendes gilt, soweit er bemängelt, dass das Be-
rufungsgericht seinen Beweisanträgen nicht nachgegangen ist, die auf das
Nichtbestehen von Lagenachteilen und die mangelnde Eignung der Werbe-
maßnahmen des Beigeladenen zielten. Das Berufungsgericht hat die Anträge
zu Recht auch deshalb abgelehnt, weil sie entweder auf eine Ausforschung ge-
richtet waren oder nach der - insoweit maßgeblichen - Rechtsauffassung des
Berufungsgerichts nicht entscheidungserhebliche Umstände betrafen.
5. Der Kläger ist auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ver-
letzt. Freilich greift die Sonderabgabe nach § 43 Abs. 1 WeinG in den Schutz-
bereich dieses Grundrechts ein. Das ist bei öffentlichen Abgaben der Fall, wenn
sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objek-
tiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom
24. November 2009 a.a.O. S. 363 m.w.N.). Aus der Sicht der Abgabepflichtigen
stellt sich die Sonderabgabe (auch) als eine Verkürzung ihrer durch Art. 12
Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit dar und bedarf auch daher
besonderer Rechtfertigung. Für die im Schwerpunkt in Rede stehenden Wer-
bemaßnahmen des Beigeladenen wird diese freiheitsbeschränkende Qualität
der Abgabe besonders augenfällig, weil die finanzielle Inanspruchnahme der
Unternehmen der Weinwirtschaft als Schmälerung ihrer eigenen unternehmeri-
schen Werbeetats angesehen werden kann (stRspr, vgl. BVerfG, Urteile vom
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3. Februar 2009 a.a.O. S. 337 m.w.N. und vom 6. Juli 2005 a.a.O. S. 145; Be-
schluss vom 12. Mai 2009 a.a.O. S. 139 f.; anders noch Beschluss vom 5. März
1974 a.a.O. S. 17 f.). Die Erhebung einer solchen Abgabe ist nur aufgrund ei-
nes Gesetzes zulässig, das auch im Übrigen mit der Verfassung in Einklang
steht (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2005 a.a.O. S. 145; Beschluss vom 12. Mai
2009 a.a.O. S. 140). Gesetzliche Regelungen der Berufsausübung sind nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, wenn sie
durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, wenn das
gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erfor-
derlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des
Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zu-
mutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Dezember 2000
- 1 BvR 335/97 - BVerfGE 103, 1 <10> m.w.N.). Für Sonderabgaben ist dies
regelmäßig bereits dann der Fall, wenn sie den kompetenz- und finanzverfas-
sungsrechtlichen Anforderungen standhalten (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom
24. November 2009 a.a.O. S. 363 ff.). Damit steht zugleich fest, dass sich die
Auferlegung der Abgabe auf vernünftige Gründe des Gemeinwohls stützen
kann, und zwar hier deshalb, weil die Gruppe der Abgabepflichtigen in geeigne-
ter Weise von Beeinträchtigungen entlastet wird, die sie selbst nicht hinreichend
ausgleichen könnte. Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen ist
die Zumutbarkeit der Sonderabgabe zu bejahen, weil den Winzern mit weniger
als einem Cent pro Liter Wein eine nur geringfügige Abgabenlast auferlegt ist,
die zum Gruppennutzen schon deswegen nicht in einem unangemessenen
Verhältnis steht. Dem tritt der Kläger ebenso wenig entgegen wie der Feststel-
lung, dass die Abgabe ihrer Höhe nach verfassungsgemäß bemessen, d.h.
nicht übermäßig und auf die Gruppenangehörigen gleichheitsgerecht verteilt ist.
Weitergehende Anforderungen sind unter dem Gesichtspunkt der Berufsaus-
übungsfreiheit nicht zu beachten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Kley
Liebler
RiBVerwG Dr. Langer
ist wegen Krankheit gehindert
zu unterschreiben.
Kley
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Recht der Förderungsmaßnahmen
Fachpresse: ja
zugunsten der gewerblichen Wirtschaft
Rechtsquellen:
EG
Art. 28 ff.; Art. 87 ff.
GG
Art. 12 Abs. 1; Art. 74 Abs. 1 Nr. 11; Art. 74 Abs. 1 Nr. 17
WeinG
§ 37; § 40; § 43; § 44
VwGO
§ 137 Abs. 2
Stichworte:
Abgabe für den Deutschen Weinfonds; Aufgaben des Weinfonds; Marketing;
Absatzförderung des deutschen Weins; Winzer; Abfüller; Kellereien; Europa-
rechtskonformität; europäisches Beihilfenrecht; Beihilfe; Durchführungsverbot;
Notifizierung; Ein- und Ausfuhrbeschränkungen; Beschränkung des freien Wa-
renverkehrs; Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion; Gesetzgebungskompe-
tenz; nichtsteuerliche Abgaben; verfassungsrechtliche Zulässigkeitsanforderun-
gen; Verwaltungsrat des Weinfonds; Sachzweck; Homogenität der Abgabe-
pflichtigen; Sachnähe; Finanzierungsverantwortung; Gruppennutzen; gruppen-
nützige Verwendung; geringe Marktstärke; internationale Wettbewerbsnachtei-
le; negative Außenhandelsbilanz; Wertschöpfung; Exportmärkte; Durchschnitts-
verkaufspreise; Lebensmitteleinzelhandel; Direktverkauf; Kompensationsfähig-
keit; Betriebsgröße; Effektivität der Werbemaßnahmen; Beschränkungen durch
Unionsrecht; Bindung an Tatsachenfeststellungen; Beweis; Beweisanträge; ne-
gative Tatsachen.
Leitsatz:
Die von Weinerzeugern und Abfüllbetrieben erhobene Abgabe für den Deut-
schen Weinfonds nach §§ 37 ff. WeinG ist eine Sonderabgabe mit Finanzie-
rungsfunktion im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
die mit der Verfassung und mit Unionsrecht vereinbar ist.
Urteil des 3. Senats vom 24. November 2011 - BVerwG 3 C 32.10
I. VG Koblenz vom 16.12.2009 - Az.: VG 5 K 639/09.KO -
II. OVG Koblenz vom 15.09.2010 - Az.: OVG 8 A 10246/10 -