Urteil des BVerwG vom 26.02.2015

Europa, Gebot der Transparenz, Ungarn, Berufliche Tätigkeit

BVerwGE: ja
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Gesundheitsverwaltungsrecht einschl. des Rechts der Heil- und
Heilhilfsberufe und des Krankenhausfinanzierungsrechts sowie
des Seuchenrechts
Sachgebietsergänzung:
Apothekenrecht
Rechtsquelle/n:
GG Art. 12 Abs. 1
AMG § 52a Abs. 7, § 69 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ApoG § 7 Satz 1, § 8 Satz 2
ApBetrO § 1a Abs. 3 Nr. 3, § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
Buchst. a, § 17 Abs. 6c
Stichworte:
Apotheke; inländische Apotheke; ausländische Apotheke; EU-Apotheke;
Apothekeninhaber; Abgabe von Arzneimitteln an Endverbraucher; Abgabe von
Arzneimitteln zwischen Apotheken; Arzneimittelabgabe gegen fremde Rechnung;
Bestell- und Abholservice; Dienstleistungsservice; Medikamentenbestellung;
Vertriebsweg; Vertriebskonzept; Kooperation zwischen Apotheken;
Einkaufsgemeinschaft; Verbringungsverbot; Bezugsverbot;
grenzüberschreitender Arzneimittelvertrieb; Apothekenleitung; persönliche und
eigenverantwortliche Leitung der Apotheke; pharmazeutische Verantwortung;
rechtliche Verantwortung; wirtschaftliche Verantwortung; wirtschaftliche
Unabhängigkeit; Ansprechpartner des Apothekenkunden; Transparenz;
apothekenfremdes Geschäft; üblicher Apothekenbetrieb; Großhandel;
Berufsausübung; Berufsausübungsfreiheit; Warenverkehrsfreiheit.
Leitsatz:
Eine inländische Apotheke darf auf Bestellung ihrer Kunden Arzneimittel von
einer Apotheke im EU-Ausland beziehen und mit Rechnung der ausländischen
Apotheke an sie abgeben.
Urteil des 3. Senats vom 26. Februar 2015 - BVerwG 3 C 30.13
I. VG München vom 16. Dezember 2009
Az: VG M 18 K 09.3290
II. VGH München vom 11. November 2013
Az: VGH 9 BV 10.706
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 30.13
VGH 9 BV 10.706
Verkündet
am 26. Februar 2015
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayeri-
schen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. November 2013
wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin ist selbstständige Apothekerin. Ab Frühjahr/Sommer 2008 bot sie
in ihrer Apotheke in F. (A. Apotheke) einen Dienstleistungsservice an, mit dem
Arzneimittel zu günstigeren Preisen bei einer Apotheke in Budapest (Europa
Apotheke) bestellt und in der Apotheke der Klägerin abgeholt werden konnten.
Die Klägerin leitete die Bestellungen an die Europa Apotheke weiter, beschaffte
über Großhändler in Deutschland die gewünschten Arzneimittel und ließ sie an
die Europa Apotheke liefern. Von dort wurden sie, jeweils versehen mit dem
zugehörigen Bestellschein und einer auf die Europa Apotheke ausgestellten
Rechnung, an die A. Apotheke zurückgeliefert. Vor der Aushändigung der Arz-
neimittel an die Kunden kontrollierte die Klägerin, ob Bestellschein, Präparat
und Rechnung übereinstimmten. Des Weiteren überprüfte sie die Medikamente
auf Unversehrtheit ihrer Verpackung, Verfallsdatum sowie mögliche Wechsel-
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wirkungen. Die Klägerin war am Verkaufserlös nicht beteiligt. Ihr Serviceange-
bot war für die Kunden kostenlos (zum Geschäftsmodell der Klägerin auch:
BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 211/10 - MedR 2012, 800; OLG Mün-
chen, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 6 U 2657/09 - juris).
Das zuständige Landratsamt untersagte der Klägerin mit Ordnungsverfügung
vom 17. Juli 2009 verschiedene Modalitäten ihres Bestell- und Abholservices.
Unter anderem wurde ihr verboten, verschreibungspflichtige Arzneimittel abwei-
chend von den Preisvorgaben nach der Arzneimittelpreisverordnung in den
Verkehr zu bringen (Nr. 1 des Bescheids). Darüber hinaus wurde ihr untersagt,
die aus Ungarn bezogenen Medikamente in ihrer Apotheke mit Rechnung der
Europa Apotheke abzugeben (Nr. 2). Der Bescheid enthielt außerdem eine
Zwangsgeldandrohung (Nr. 6), eine Kostenlastentscheidung (Nr. 7) sowie die
Festsetzung von Gebühren und Auslagen (Nr. 8). Zur Begründung der unter
Nr. 2 getroffenen Anordnung heißt es in dem Bescheid, dass die Klägerin nach
den Vorschriften des Apothekengesetzes (ApoG) und der Apothekenbetriebs-
ordnung (ApBetrO) zur persönlichen und eigenverantwortlichen Leitung ihrer
Apotheke verpflichtet sei. Ihre Verantwortung für den Vertrieb der Arzneimittel
müsse für den Kunden klar erkennbar sein und auch in der ausgestellten Rech-
nung zum Ausdruck kommen.
Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid aufgehoben, soweit sich die Unter-
sagung in Nr. 2 auch auf nicht apothekenpflichtige Arzneimittel bezieht, und die
Klage im Übrigen abgewiesen. Im Interesse der Arzneimittelsicherheit solle der
Inhaber der Apothekenbetriebserlaubnis alleiniger Vertrags- und Ansprechpart-
ner des Kunden sein. Dem widerspreche der von der Klägerin angebotene
Dienstleistungsservice, weil für den Kunden außer zu der Apotheke der Kläge-
rin auch vertragliche Beziehungen zu der Europa Apotheke bestünden. Infolge
der Aufgabenteilung zwischen beiden Apotheken sei völlig unklar, wer An-
sprechpartner des Kunden bei Mängeln, Reklamationen und Leistungsstörun-
gen sei. Das erschwere die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten und
widerspreche dem Gebot der Transparenz. Für die Abgabe nicht apotheken-
pflichtiger Arzneimittel gelte allerdings anderes. Insoweit sei eine Einschrän-
kung der Geschäftstätigkeit auf ein Handeln im eigenen Namen und auf eigene
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Rechnung nicht gerechtfertigt. Die Apotheke stehe hier in Wettbewerb mit dem
allgemeinen Einzelhandel, der dieser Beschränkung auch nicht unterliege.
Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung der Klägerin die Regelung in
Nr. 2 insgesamt und - soweit hierauf bezüglich - in Nr. 6 bis 8 des Bescheids
aufgehoben. Die weitergehende Berufung der Klägerin sowie die Berufung des
Beklagten hat er zurückgewiesen. Zur Begründung - soweit für das Revisions-
verfahren von Belang - heißt es im Wesentlichen: Die Untersagungsanordnung
in Nr. 2 des Bescheids sei rechtswidrig. Die Abgabe der aus Ungarn bezogenen
Arzneimittel mit Rechnung der ungarischen Apotheke verstoße nicht gegen
Vorschriften des Arzneimittel- oder Apothekenrechts. Nach § 7 ApoG und § 2
Abs. 2 ApBetrO müssten die Rechtsverhältnisse der Apotheke so gestaltet sein,
dass der Inhaber der Betriebserlaubnis an der Wahrnehmung seiner Leitungs-
funktionen nicht behindert werde. Er dürfe keine vertraglichen oder faktischen
Bindungen eingehen, die ihn darin beeinträchtigten, die Apotheke selbstständig
und unabhängig zu führen. Diesen Anforderungen werde das streitige Ge-
schäftsmodell der Klägerin gerecht. Bei dem Bezug der Arzneimittel über die
ungarische Apotheke handele es sich um eine bloße Beschaffungsmodalität,
die die volle und alleinige Verantwortung der Klägerin für die Medikamentenab-
gabe unberührt lasse. Sie übernehme die pharmazeutische Verantwortung, weil
die aus Ungarn beschafften Medikamente in der A. Apotheke überprüft würden
und der Kunde bei Bedarf die nötige Information und Beratung erhalte. Damit
trage sie zugleich die rechtliche Verantwortung für die Arzneimittelabgabe.
Schließlich lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie durch die Ko-
operation mit der Europa Apotheke in ihrer wirtschaftlichen und unternehmeri-
schen Unabhängigkeit beschnitten wäre. Des Weiteren verstoße die Klägerin
mit ihrem Dienstleistungsservice weder gegen das Verbringungsverbot des § 73
AMG, noch handele es sich um ein apothekenfremdes Geschäft im Sinne von
§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a ApBetrO. Auch auf § 17 Abs. 6c ApBetrO
könne die Untersagungsanordnung nicht gestützt werden. Das Verbot in Satz 1
der Vorschrift, Arzneimittel von einer anderen Apotheke zu beziehen, gelte nach
der Ausnahmeregelung in Satz 2 Nr. 1 nicht für Medikamente, die gemäß § 52a
Abs. 7 AMG im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs bei einer anderen
Apotheke beschafft würden. Die Voraussetzung sei hier erfüllt, weil das Be-
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zugsmodell der Klägerin nicht als apothekenunüblicher Großhandel im Sinne
von § 52a AMG einzustufen sei.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der vollständigen Klageabwei-
sung weiter. Er macht im Wesentlichen geltend: Aus der Pflicht des Apothekers
zur persönlichen und eigenverantwortlichen Leitung seiner Apotheke folge,
dass er alle wesentlichen Betriebsvorgänge selbst bestimmen, steuern und
überwachen müsse. Vertragliche oder faktische Bindungen, die die Wahrneh-
mung seiner Leitungsfunktionen beeinträchtigten, seien mit § 7 und § 8 ApoG
sowie § 2 Abs. 2 ApBetrO nicht vereinbar. Das Geschäftsmodell der Klägerin
werde diesen Anforderungen wegen der mehrpoligen Rechtsverhältnisse nicht
gerecht. Der Kunde schließe den Kaufvertrag mit der ungarischen Apotheke ab,
während die Arzneimittelabgabe mit den entsprechenden pharmazeutischen
Kontroll- und Beratungsaufgaben durch die Apotheke der Klägerin vorgenom-
men werde, die zudem im Auftrag des Kunden für die Abholung und den Rück-
transport der bestellten Medikamente sorge. Die Klägerin sei weder am Ver-
kaufserlös beteiligt, noch erhalte sie für ihre Dienstleistung ein Entgelt von dem
Kunden. Die wirtschaftliche und die pharmazeutische Verantwortung fielen da-
her auseinander. Wegen der Aufspaltung der Rechtsverhältnisse drohten er-
hebliche Konfliktsituationen und Interessenkollisionen, die die Arzneimittelsi-
cherheit beeinträchtigten. Es könne zu Wertungswidersprüchen zwischen zivil-
rechtlichen Ansprüchen des Kunden und den pharmazeutischen Pflichten der
Klägerin kommen. Zudem befänden sich sowohl der Kunde als auch die Kläge-
rin vielfach im Interessenwiderstreit, ob zugunsten einer preisgünstigeren Be-
stellung in Ungarn die verzögerte Versorgung mit dem Medikament vertretbar
sei. Hinzu komme, dass die jeweiligen Verantwortlichkeiten der beteiligten Apo-
theken für den Kunden intransparent seien. Überdies werde einer Umgehung
des Verbringungsverbots Vorschub geleistet, weil die Voraussetzungen des
Arzneimittelversands nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG unterlaufen würden.
Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 17 Abs. 6c ApBetrO vor. Der Aus-
nahmetatbestand des § 17 Abs. 6c Satz 2 Nr. 1 ApBetrO sei eng auszulegen.
Eine Belieferung mit Arzneimitteln zum Zweck der Abgabe auf fremde Rech-
nung sei nicht apothekenüblich.
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Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht ist in
Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit der Auffassung,
dass das Geschäftsmodell der Klägerin ausgehend von den Tatsachenfeststel-
lungen des Berufungsgerichts mit § 7 ApoG und § 2 Abs. 2 ApBetrO (noch)
vereinbar sei; offen bleibe allerdings, wie die Klägerin mit eventuellen Interes-
senkollisionen umgehe, die mit der Pflicht zur eigenverantwortlichen Leitung
des Apothekenbetriebs gerade ausgeschlossen werden sollten. § 17 Abs. 6c
Satz 2 Nr. 1 ApBetrO sei hier nicht anwendbar. Das Geschäftsmodell der Klä-
gerin gehe über den normalen Apothekenbetrieb hinaus, weil der Bezug von
Arzneimitteln über eine ausländische Apotheke und die Abgabe auf fremde
Rechnung - anders als der eigenständige Import von Arzneimitteln - derzeit in
Deutschland nicht üblich seien.
II
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat
ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) angenommen, dass die
Untersagungsanordnung in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids rechtswidrig ist
und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) treffen die zuständi-
gen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhü-
tung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die Ermächtigung erstreckt
sich auch auf die Überwachung des ordnungsgemäßen Betriebs von Apotheken
und auf ordnungsrechtliche Maßnahmen bei Verstößen gegen das Apotheken-
recht (stRspr; vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 19. September 2013 - 3 C 15.12 -
BVerwGE 148, 28 Rn. 8 m.w.N.). Die streitige Anordnung kann hierauf jedoch
nicht gestützt werden, weil die Abgabe von Arzneimitteln auf Rechnung der Eu-
ropa Apotheke keinen derartigen Verstoß darstellt. Die beanstandete Koopera-
tion der Klägerin mit der ungarischen Apotheke verletzt weder § 7 ApoG, § 2
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Abs. 2 ApBetrO (1.) oder § 8 ApoG (2.) noch § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG (3.), § 4
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a ApBetrO (4.) oder § 17 Abs. 6c ApBetrO (5.).
1. a) Das Gesetz über das Apothekenwesen (Apothekengesetz - ApoG - i.d.F.
der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 , zuletzt geän-
dert durch Gesetz vom 15. Juli 2013 ) knüpft die Befugnis
zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke an eine personengebundene Erlaubnis
(§ 1 Abs. 2 und 3, § 2 ApoG). Nach § 7 Satz 1 ApoG ist der Erlaubnisinhaber
zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung verpflichtet.
Die Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung
- ApBetrO - i.d.F. der Bekanntmachung vom 26. September 1995
S. 1195>, zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Dezember 2014
S. 2371>) wiederholt diese Anforderungen. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 (i.V.m.
Abs. 1 Nr. 1) ApBetrO hat der Erlaubnisinhaber die Apotheke persönlich zu lei-
ten. Er ist dafür verantwortlich, dass die Apotheke unter Beachtung der gelten-
den Vorschriften betrieben wird (Satz 2). Danach hat der Erlaubnisinhaber die
Verantwortung für den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke nicht nur recht-
lich zu tragen, sondern er muss sie auch tatsächlich wahrnehmen (BVerwG,
Urteil vom 24. Juni 2010 - 3 C 30.09 - BVerwGE 137, 213 Rn. 26 ff.; vgl. auch
BVerfG, Urteil vom 13. Februar 1964 - 1 BvL 17/61 u.a. - BVerfGE 17, 232
<240> <"allseitige Verantwortung für den Betrieb der Apotheke in einer
Hand">). Das verlangt, dass der Erlaubnisinhaber alle wesentlichen Betriebs-
vorgänge selbst bestimmen, steuern und überwachen muss (Cyran/Rotta,
Kommentar zur ApBetrO, 5. Aufl., Stand: September 2012, § 2 Rn. 26). Er darf
weder die pharmazeutische Tätigkeit (§ 1a Abs. 3 ApBetrO) aus der Hand ge-
ben oder die Verantwortung für die Betriebsorganisation und den Personalein-
satz anderen überlassen noch darf er Verpflichtungen oder Bindungen einge-
hen, die seine wirtschaftliche Verantwortlichkeit und Unabhängigkeit beschrän-
ken (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 - 3 C 30.09 - BVerwGE 137, 213
Rn. 26 f.; OVG Bautzen, Urteil vom 8. Juni 2004 - 2 B 468/03 - juris Rn. 57 ff.;
LG Kiel, Urteil vom 15. Januar 2008 - 16 O 28/07 - juris Rn. 36 f.; Cyran/Rotta,
a.a.O. § 2 Rn. 27).
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b) Das Geschäftsmodell der Klägerin hält sich in diesem Rahmen. In der Aus-
händigung der aus Ungarn bezogenen Medikamente an die Kunden in den
Räumlichkeiten der A. Apotheke liegt ein Inverkehrbringen für den Endver-
brauch nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 17 AMG, § 17 Abs. 1a ApBetrO.
Es handelt sich um die Abgabe von Arzneimitteln im Sinne von § 1a Abs. 3
Nr. 3 ApBetrO (BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 27.07 - BVerwGE 131,
1 Rn. 16), für die die Klägerin als Inhaberin der Betriebserlaubnis und Apothe-
kenleiterin (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ApBetrO) die Verantwortung trägt. Nach den für das
Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137
Abs. 2 VwGO) nimmt die Klägerin ihre pharmazeutische Verantwortung auch
tatsächlich wahr. Vor der Ausgabe an die Kunden werden die Arzneimittel auf
Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit geprüft. Die Klägerin oder ihr Personal
kontrollieren, ob das bereitgestellte Präparat mit der Bestellung übereinstimmt
und - im Fall einer Verschreibung - ob es dieser entspricht. Des Weiteren wird
überprüft, ob das Ablaufdatum eine Abgabe erlaubt und ob eventuelle Wech-
selwirkungen zu beachten sind. Gegebenenfalls veranlasst die Klägerin die
Rücksendung falscher oder unbrauchbarer Arzneimittel an die Europa Apo-
theke und bestellt sie neu. Außerdem stellt sie sicher, dass die Kunden hinrei-
chend informiert und beraten werden (§ 20 ApBetrO).
Der Verwaltungsgerichtshof hat keine vertraglichen Bindungen feststellen kön-
nen, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin von der Europa Apothe-
ke begründen würden oder die Wahrnehmung der Apothekenleitung sonst in
Frage stellen könnten. Danach unterliegt es allein der unternehmerischen Ent-
scheidung der Klägerin, ob sie den in Rede stehenden Bestell- und Abholser-
vice anbietet. Dasselbe gilt für den Abschluss des Dienstleistungsvertrages in
jedem Einzelfall sowie für Inhalt und Umfang der vertraglichen Verpflichtungen,
die sie dabei gegenüber den Kunden eingeht. Die Klägerin bestimmt und steu-
ert auch die mit ihrem Geschäftsmodell verbundenen betrieblichen Abläufe ihrer
Apotheke. Daran ändert nichts, dass die Arzneimittel von der Apotheke in Un-
garn bezogen werden und der Kaufvertrag über das jeweils bestellte Präparat
zwischen dem Kunden und der Europa Apotheke zustande kommt. Das Beru-
fungsgericht hat angenommen, dass es sich lediglich um eine Beschaffungs-
modalität handelt, die die alleinige Verantwortung der Klägerin für die Abgabe
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der Arzneimittel in ihrer Apotheke unberührt lässt. Das ist revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden. Die Klägerin trägt für die Medikamentenabgabe nicht nur
öffentlich-rechtlich die Verantwortung (§ 2 Abs. 2 Satz 2 ApBetrO), sondern sie
hat im Rahmen des mit dem Kunden abgeschlossenen Dienstleistungsvertra-
ges auch zivilrechtlich für eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung einzu-
stehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 211/10 - MedR 2012, 800
Rn. 14).
Der Einwand des Beklagten, wegen der Einbeziehung einer zweiten Apotheke
sei für den Kunden unklar, wer sein Vertrags- und Ansprechpartner sei, greift
nicht durch. Das Geschäftsmodell der Klägerin ist ausreichend transparent. Aus
dem "Auftrags- und Bestellschein", der im Falle einer Inanspruchnahme der
Serviceleistung auszufüllen ist, kann der Kunde eindeutig entnehmen, dass der
Kaufvertrag mit der Apotheke in Budapest zustande kommt, jedoch für die Ab-
wicklung im Übrigen - Übermittlung der Bestellung an die Europa Apotheke,
Abholung, Überprüfung und Aushändigung der Arzneimittel - die A. Apotheke
zuständig ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen entspricht dem auch
die tatsächliche Abwicklung. Danach ist nicht erkennbar, dass bei den Kunden
Zweifel über die apothekenrechtliche Verantwortung der Klägerin aufkommen
könnten. Sie können die A. Apotheke ohne weiteres als primären und umfas-
senden Ansprechpartner bei der Abwicklung des Arzneimittelbesorgungsvertra-
ges ausmachen. Das öffentliche Interesse an der Arzneimittelsicherheit (§ 1
AMG, § 1 Abs. 1 ApoG) ist auch sonst nicht beeinträchtigt. Für die von dem Be-
klagten befürchteten Konfliktsituationen und Interessenkollisionen bestehen
keine Anhaltspunkte. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder festgestellt, dass
die Klägerin durch die Gewährung oder das Inaussichtstellen eines finanziellen
Vorteils veranlasst sein könnte, dem Kunden den Bezugsweg über die ungari-
sche Apotheke anzuraten (anders z.B. das Geschäftsmodell "Vorteil 24", bei
dem Provisionszahlungen gewährt wurden: OLG München, Urteil vom 26. Juni
2014 - 29 U 800/13 - juris Rn. 62 ff.), noch hat er angenommen, dass die Kläge-
rin sich aus anderen Gründen verpflichtet fühlen könnte, das gewünschte Arz-
neimittel über die ungarische Apotheke zu beschaffen (zu einer solchen Fall-
konstellation KG, Urteil vom 11. September 2012 - 5 U 57/11 - PharmR 2013,
33 <36 f.>). Überdies ist zu berücksichtigen, dass zu den Informations- und Be-
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ratungspflichten der Klägerin nach § 20 ApBetrO auch die Aufklärung des Kun-
den gehört, ob die mit einer Bestellung bei der Europa Apotheke verbundene
verzögerte Bereitstellung des gewünschten Arzneimittels unbedenklich oder mit
gesundheitlichen Risiken behaftet ist. Es ist daher davon auszugehen, dass die
Abwägung, ob der verlängerte Bezugsweg vertretbar ist, von der Klägerin und
dem Kunden sachgerecht vorgenommen werden kann.
2. Die Kooperation der Klägerin mit der Europa Apotheke verstößt auch nicht
gegen § 8 Satz 2 ApoG. Hiernach sind Beteiligungen an einer Apotheke in
Form einer Stillen Gesellschaft und Vereinbarungen, bei denen die Vergütung
für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermö-
genswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, unzuläs-
sig. Damit sollen sog. partiarische Rechtsverhältnisse, in denen sich der Gläu-
biger die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten des Apothekeninhabers
zu Nutze macht und an den Erlösen der Apotheke partizipiert, ausgeschlossen
werden. Die berufliche Verantwortung und Entscheidungsfreiheit des Apothe-
kers sollen nicht durch unangemessene vertragliche Bedingungen, die ihn in
wirtschaftliche Abhängigkeit von Dritten bringen, beeinträchtigt werden (BGH,
Urteil vom 6. Juni 1997 - V ZR 322/95 - NJW 1997, 3091 f.; VG Berlin, Be-
schluss vom 10. Oktober 2006 - 14 A 28.06 - MedR 2007, 56 <57>). Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts besteht zwischen der Klägerin und der
ungarischen Apotheke kein Vertragsverhältnis dieser Art.
3. Die Beförderung der Arzneimittel nach Ungarn und von dort zurück nach
Deutschland verstößt auch nicht gegen das Verbringungsverbot des § 73
Abs. 1 Satz 1 AMG, da die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß § 73
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG erfüllt sind.
a) Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulas-
sung, Genehmigung oder Registrierung unterliegen, in den Geltungsbereich
des Arzneimittelgesetzes nur verbracht werden, wenn sie zum dortigen Verkehr
zugelassen, genehmigt oder registriert oder von der Zulassung oder Registrie-
rung freigestellt sind. Im Fall des Verbringens aus einem Mitgliedstaat der Eu-
ropäischen Union verlangt § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG zusätzlich, dass der
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Empfänger pharmazeutischer Unternehmer, Großhändler oder Tierarzt ist, eine
Apotheke betreibt oder als Träger eines Krankenhauses nach dem Apotheken-
gesetz von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder
eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirt-
schaftsraum mit Arzneimitteln versorgt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier
vor. Die Klägerin betreibt eine Apotheke und gehört damit zum Kreis der zuläs-
sigen Empfangspersonen. Des Weiteren handelt es sich bei den von ihr aus
Ungarn bezogenen Medikamenten um in Deutschland zugelassene Fertigarz-
neimittel. Schließlich ist die Apotheke der Klägerin auch institutionell als Emp-
fänger anzusehen. Sie tritt nicht lediglich als Transportmittler und reine Abhol-
station in Erscheinung (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C
27.07 - BVerwGE 131, 1 Rn. 25), sondern sie fungiert - wie gezeigt - als phar-
mazeutische Abgabestelle. Die aus Ungarn gelieferten Arzneimittel werden
(erst) durch die Apotheke der Klägerin für den Endverbrauch bereitgestellt und
an die Kunden abgegeben (ebenso BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR
211/10 - MedR 2012, 800 Rn. 12 ff.; OLG München, Urteil vom 28. Oktober
2010 - 6 U 2657/09 - juris Rn. 98 f., 112 f.).
Dem steht nicht entgegen, dass es sich um zuvor aus Deutschland nach Un-
garn verbrachte Medikamente handelt; denn § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG
schließt den Fall, dass das fragliche Arzneimittel aus dem Geltungsbereich des
Arzneimittelgesetzes in einen anderen Mitgliedstaat ausgeführt und anschlie-
ßend von dort wieder in das Bundesgebiet eingeführt wird, nicht aus seinem
Anwendungsbereich aus.
b) Die von der Klägerin praktizierte Aus- und Wiedereinfuhr unterliegt auch un-
ter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit keinen Bedenken. Durch die
Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarz-
neimittel (ABl. L 311 S. 67) sind die Bedingungen für das Vertriebsnetz im Arz-
neimittelbereich von der Herstellung bis zur Arzneimittelabgabe harmonisiert
worden (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 29, 35, 36 sowie Art. 76 ff. der
Richtlinie 2001/83/EG). Auf dieser Grundlage bestimmt § 73 Abs. 1 AMG die
Anforderungen für die Verbringung von Arzneimitteln, die in Deutschland für
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den Verkehr zugelassen sind. Dabei wird unterschieden zwischen der Abgabe
an (andere) abgabeberechtigte Stellen nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG und
der Abgabe an Endverbraucher im Wege des Versands nach § 73 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1a AMG. § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG gewährleistet die Arzneimit-
telsicherheit mittels des privilegierten Empfängerkreises. Vergleichbar garantiert
§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG die Einhaltung der deutschen Sicherheitsstan-
dards dadurch, dass die ausländische Versandhandelsapotheke entweder im
Besitz einer Versanderlaubnis nach § 11a ApoG sein muss oder nach ihrem
nationalen Recht zum Versandhandel berechtigt ist und die ausländischen Si-
cherheitsstandards den deutschen Standards gleichwertig sind (vgl. BVerwG,
Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 27.07 - BVerwGE 131, 1 Rn. 28 ff.). Danach
lässt sich gegen das Geschäftsmodell der Klägerin nicht einwenden, es stelle
sich als eine "Umgehung" von § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG dar. Weil die Klä-
gerin bei der Kooperation mit der ungarischen Apotheke die Anforderungen des
§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG erfüllt, kann dieser Vertriebsweg gegenüber dem
Direktbezug von einer ausländischen Versandhandelsapotheke nicht als weni-
ger sicher angesehen werden.
4. Ebenso wenig lässt sich die angefochtene Untersagungsanordnung auf einen
Verstoß gegen die Vorschriften zur Beschaffenheit und Einrichtung der Apothe-
kenbetriebsräume stützen.
a) Nach § 4 Abs. 5 ApBetrO in der bis zum 11. Juni 2012 geltenden Fassung
mussten die Betriebsräume von anderweitig gewerblich oder freiberuflich ge-
nutzten Räumen durch Wände oder Türen abgetrennt sein. § 4 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 Buchst. a ApBetrO in der Fassung der Vierten Verordnung zur Änderung
der Apothekenbetriebsordnung vom 5. Juni 2012 (BGBl. I S. 1254) bestimmt
inhaltlich gleichlautend, dass die Betriebsräume von anderweitig gewerblich
oder beruflich genutzten Räumen, auch in Zusammenhang mit Tätigkeiten, für
die der Apothekenleiter über eine Erlaubnis nach § 52a AMG verfügt, durch
Wände oder Türen abgetrennt sein müssen. Nach der Übergangsvorschrift des
§ 37 Abs. 1 ApBetrO ist die Neuregelung auf Apotheken, für die vor dem
11. Juni 2012 eine Betriebserlaubnis erteilt worden ist, ab dem 1. Juni 2014 an-
zuwenden. Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist somit die Neufassung zu-
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grunde zu legen (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 3 C 25.11 - BVerwGE
144, 355 Rn. 10 m.w.N.).
b) Die Klägerin muss den Bestell- und Abholservice nicht räumlich getrennt von
ihrem übrigen Apothekenbetrieb abwickeln. Es handelt sich nicht um eine an-
derweitige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 Buchst. a ApBetrO. Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend darauf ab-
gestellt, dass die Arzneimittelabgabe an Endverbraucher den Kernbereich der
Tätigkeit des Apothekers darstellt und hier deshalb kein apothekenfremdes Ge-
schäft vorliegt (ebenso BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 211/10 - MedR
2012, 800 Rn. 20; OLG München, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 6 U 2657/09 -
juris Rn. 117).
Für dieses Verständnis spricht zudem die Regelung des § 2 Abs. 4 ApBetrO.
Danach darf der Apothekenleiter apothekenübliche Dienstleistungen nur in ei-
nem Umfang anbieten, der den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke und
den Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrages nicht beeinträchtigt. Apo-
thekenübliche Dienstleistungen sind nach der Legaldefinition in § 1a Abs. 11
ApBetrO Dienstleistungen, die der Gesundheit von Menschen oder Tieren die-
nen oder diese fördern. Kern der von der Klägerin angebotenen Serviceleistung
ist die Beschaffung und Abgabe von Arzneimitteln. Das rechtfertigt, darin kein
Nebengeschäft im Sinne von § 2 Abs. 4 i.V.m. § 1a Abs. 11 ApBetrO zu sehen,
sondern eine zum Hauptgeschäft des Apothekers zählende Tätigkeit. Aber auch
wenn man in der Kooperation mit der ungarischen Apotheke nicht lediglich eine
Beschaffungsmodalität der Apotheke der Klägerin sehen wollte und die Vermitt-
lung von Arzneimittelbestellungen für die Europa Apotheke als Nebengeschäft
der Klägerin einstufte, handelt es sich nicht um eine unzulässige Tätigkeit. Die
durch § 2 Abs. 4 ApBetrO gezogene Grenze wäre nicht überschritten. Der Be-
stell- und Abholservice der Klägerin kann nach § 1a Abs. 11 ApBetrO als apo-
thekenüblich qualifiziert werden, weil er der Arzneimittelversorgung der Bevöl-
kerung und damit der Gesundheit von Menschen dient und weil eine Beein-
trächtigung des ordnungsgemäßen Betriebs der A. Apotheke oder des Vorrangs
des Arzneimittelversorgungsauftrages nicht erkennbar ist.
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c) Überdies könnte ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a Ap-
BetrO wegen des Verhältnismäßigkeitsgebots nicht die gänzliche Untersagung
der betroffenen Tätigkeit rechtfertigen. Zur Ausräumung des Verstoßes würde
es genügen, der Klägerin eine entsprechende Abtrennung der Räumlichkeiten
aufzugeben.
5. Schließlich verstößt das Geschäftsmodell der Klägerin auch nicht gegen das
Verbot in § 17 Abs. 6c Satz 1 ApBetrO, Arzneimittel von einer anderen Apothe-
ke zu beziehen.
a) § 17 Abs. 6c ApBetrO ist hier Prüfungsmaßstab, obwohl die Regelung erst
mit Wirkung vom 12. Juni 2012 in die Apothekenbetriebsordnung eingefügt
worden ist (vgl. Art. 1 Nr. 21 Buchst. j und Art. 3 der Vierten Änderungsverord-
nung vom 5. Juni 2012, BGBl. I S. 1254) und der angegriffene Bescheid nicht
auf einen Verstoß gegen diese Vorschrift abstellt. Maßgeblich ist auch insoweit
die Rechtslage im Zeitpunkt der revisionsgerichtlichen Entscheidung (BVerwG,
Urteile vom 22. Januar 1998 - 3 C 6.97 - BVerwGE 106, 141 <143 f.> und vom
18. Oktober 2012 - 3 C 25.11 - BVerwGE 144, 355 Rn. 10).
b) Nach § 17 Abs. 1 ApBetrO dürfen Arzneimittel nur von zur Abgabe von Arz-
neimitteln berechtigten Betrieben erworben werden. Dazu gehören neben
pharmazeutischen Unternehmern und Großhändlern (vgl. § 47 Abs. 1 AMG)
auch Apotheken (§ 43 Abs. 1 AMG). Der Arzneimittelbezug zwischen Apothe-
ken wird allerdings durch § 17 Abs. 6c ApBetrO beschränkt. Nach Satz 1 ist es
Apotheken grundsätzlich verboten, von anderen Apotheken Arzneimittel zu be-
ziehen. Satz 2 macht hiervon verschiedene Ausnahmen. Nach dessen Nr. 1 gilt
das Bezugsverbot nicht für Arzneimittel, die gemäß § 52a Abs. 7 AMG im Rah-
men des üblichen Apothekenbetriebs von Apotheken bezogen werden. Das
Bezugsmodell der Klägerin fällt unter diesen Ausnahmetatbestand.
aa) § 52a AMG regelt die Erlaubnispflicht für den Großhandel mit Arzneimitteln.
Großhandel mit Arzneimitteln ist nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 22 AMG
(vgl. auch Art. 1 Nr. 17 der Richtlinie 2001/83/EG) jede berufs- oder gewerbs-
mäßige zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der Be-
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schaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht,
mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an andere Verbraucher als Ärzte,
Zahnärzte, Tierärzte oder Krankenhäuser. Nach seinem Wortlaut erfasst § 4
Abs. 22 AMG einen Großteil der Tätigkeit von Apotheken. Der Gesetzgeber hat
allerdings keine Notwendigkeit gesehen, für den üblichen Apothekenbetrieb
neben der Erlaubnis nach dem Apothekengesetz zusätzlich die Erlaubnis nach
§ 52a Abs. 1 bis 5 AMG zu verlangen. Deshalb hat er diese Apothekentätigkeit
gemäß § 52a Abs. 7 AMG ausdrücklich von der Erlaubnispflicht ausgenommen
(vgl. die amtliche Begründung zum Zwölften Gesetz zur Änderung des Arznei-
mittelgesetzes vom 30. Juli 2004 , BT-Drs. 15/2109 S. 34;
Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/2360
S. 10).
bb) Der Begriff des üblichen Apothekenbetriebs im Sinne von § 17 Abs. 6c
Satz 2 Nr. 1 ApBetrO i.V.m. § 52a Abs. 7 AMG umfasst insbesondere alle Auf-
gaben und Tätigkeiten, die nach dem Arzneimittelgesetz, dem Apothekengesetz
und der Apothekenbetriebsordnung erlaubt sind, also durch die Betriebserlaub-
nis nach § 1 Abs. 2 ApoG abgedeckt sind (vgl. BT-Drs. 15/2109 S. 34; OVG
Lüneburg, Urteil vom 16. Mai 2006 - 11 LC 265/05 - GesR 2006, 461 <463>
; BGH, Urteil vom 14. April 2011 - I ZR 129/09 -
NJW 2011, 3363 Rn. 30). Dazu zählt auch jede Tätigkeit, die funktional mit der
Abgabe von Arzneimitteln an Endverbraucher verbunden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 1
AMG; § 1a Abs. 3 Nr. 3 ApBetrO; Cyran/Rotta, Kommentar zur ApBetrO,
5. Aufl., Stand: September 2012, § 17 Rn. 837).
cc) Ausgehend davon hält sich das Geschäftsmodell der Klägerin im Rahmen
des üblichen Apothekenbetriebs. Der Arzneimittelbezug von der Europa Apo-
theke dient dazu, die so beschafften Medikamente an Endverbraucher abzuge-
ben. Dabei liegt jeder einzelnen Beschaffung und damit auch jedem Bezugs-
vorgang eine konkrete Kundenbestellung zugrunde, wodurch der Umfang der
Geschäftstätigkeit und die Menge der bezogenen Arzneimittel von vornherein
begrenzt werden. Hiernach spricht auch der Belang der Arzneimittelsicherheit
nicht gegen die Einstufung als apothekenübliches Geschäft. Das ergibt der
Vergleich mit einem anderen Bezugsmodell, das in den Materialien zu § 52a
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AMG und § 17 Abs. 6c ApBetrO beispielhaft als Tätigkeit benannt wird, die zum
üblichen Apothekenbetrieb gehört. Nach der amtlichen Begründung bezweckt
§ 52a Abs. 7 AMG unter anderem, die Weitergabe von Arzneimitteln im Rah-
men sog. Einkaufsgemeinschaften - also die Abgabe von zentral eingekauften
Arzneimitteln an andere Apotheken innerhalb eines Einkaufsverbundes - von
der Erlaubnispflicht für den Großhandel freizustellen (BT-Drs. 15/2109 S. 34).
Entsprechend weist die amtliche Begründung zu § 17 Abs. 6c Satz 2 Nr. 1 Ap-
BetrO darauf hin, dass mit der Ausnahmeregelung den Einkaufsgemeinschaften
Rechnung getragen werde (BR-Drs. 61/12 S. 55). Aus der gesonderten Aus-
nahme für Apotheken innerhalb eines Filialverbundes (§ 17 Abs. 6c Satz 2 Nr. 2
ApBetrO) ist abzuleiten, dass die Freistellung von dem Bezugsverbot auch für
Einkaufsgemeinschaften jenseits solcher Filialverbünde gilt. Gemessen daran
ist es nicht gerechtfertigt, das Bezugsmodell der Klägerin nicht als apotheken-
übliche Tätigkeit anzusehen; denn es erscheint vergleichbar sicher wie die Wei-
tergabe von Arzneimitteln im Rahmen von Einkaufsgemeinschaften. Dass die
Arzneimittel von einer ausländischen Apotheke bezogen werden, führt zu keiner
anderen rechtlichen Bewertung. Nachdem gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a
AMG ein strukturell ähnlicher grenzüberschreitender Vertriebsweg als unbe-
denklich gilt, besteht kein Grund, für die Weitergabe der Arzneimittel zwischen
der Europa Apotheke und der Apotheke der Klägerin Gegenteiliges anzuneh-
men; denn in beiden Fällen wird die Abgabe an den Endverbraucher von einer
Apotheke verantwortet, die über eine Betriebserlaubnis nach dem Apotheken-
gesetz verfügt (vgl. § 2 bzw.§ 11a ApoG
Versandhandelserlaubnis>).
Der Einordnung als apothekenübliche Tätigkeit steht auch nicht entgegen, dass
es sich um ein neuartiges Geschäftsmodell handeln mag. Der Begriff des übli-
chen Apothekenbetriebs nach § 52a Abs. 7 AMG ist neuen Versorgungsformen
gegenüber offen (BT-Drs. 15/2109 S. 34; BGH, Urteil vom 14. April 2011 - I ZR
129/09 - NJW 2011, 3363 Rn. 11). Ebenso wenig verfängt der Einwand des
Beklagten, die in § 17 Abs. 6c Satz 2 ApBetrO bestimmten Ausnahmen seien
eng zu verstehen. Die Auslegung dieser Bestimmung muss in Einklang mit
Art. 12 Abs. 1 GG stehen. Das Verbot, Arzneimittel von anderen Apotheken zu
beziehen, greift in die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit der
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Apotheker ein und ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn und soweit es aus Grün-
den der Arzneimittelsicherheit und zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen
Arzneimittelversorgung erforderlich ist. Das Vertriebskonzept der Klägerin lässt
jedoch - wie gezeigt - keine Gefahren erkennen, zu deren Abwendung das Be-
zugsverbot notwendig wäre und die eine Anwendung des § 17 Abs. 6c Satz 2
Nr. 1 ApBetrO ausschließen könnten. Bei einer anderen Auslegung ergeben
sich zudem unionsrechtliche Bedenken. Das an inländische Apotheken gerich-
tete Verbot, Arzneimittel über eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelas-
sene Apotheke zu beziehen, beschränkt die Warenverkehrsfreiheit und unter-
liegt daher den besonderen Anforderungen der Art. 34 und Art. 36 AEUV (vgl.
EuGH, Urteile vom 11. Dezember 2003 - C-322/01 [ECLI:EU:C:2003:664] -
Rn. 104 ff., vom 11. September 2008 - C-141/07 [ECLI:EU:C:2008:492] -
Rn. 27 ff. und vom 19. Mai 2009 - C-171/07 u.a. [ECLI:EU:C:2009:316] - Rn. 25
ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
VRiBVerwG Kley ist
Liebler
Dr. Wysk
wegen Krankheit an der
Unterschrift gehindert.
Liebler
Dr. Kuhlmann
Rothfuß
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