Urteil des BVerwG vom 24.06.2010

Apotheker, Arzneimittelabgabe, Verschreibung, Versandhandel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 30.09
OVG 6 A 11397/08
Verkündet
am 24. Juni 2010
Bech
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
Buchheister und Dr. Wysk
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberver-
waltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Juli 2009 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger ist selbständiger Apotheker. Seit April 2007 betreibt er an einer Filia-
le seiner Apotheke in Osthofen einen Apothekenkommissionierungsautomaten
der Firma Rowa mit einem Beratungs- und Abgabeterminal der Marke Visavia.
Der Kunde kann mit Hilfe des Terminals Zugriff auf das frei verkäufliche Sorti-
ment nehmen, das in dem angeschlossenen Kommissionierungsautomaten
vorgehalten wird. Wählt er ein apothekenpflichtiges Produkt, wird er über Moni-
tor und Lautsprecher mit einem Apotheker verbunden, der ihn beraten und das
gewünschte Produkt mit Hilfe des Automaten freigeben kann. Wenn der Kunde
ein Arzneimittel auf Verschreibung verlangt, wird zuvor das Rezept eingescannt
und von dem Apotheker anhand des eingescannten Bildes überprüft. Das Re-
zept verbleibt in dem Terminal. Über den Abgabevorgang werden verschiedene
Daten im Terminal gespeichert.
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Ergänzend hat der Kläger einen Servicevertrag mit der Visavia Services GmbH
abgeschlossen, deren Geschäftsführer er selbst ist. Die Gesellschaft bietet das
System MediTerminal24 an; Leistungsgegenstand ist die Übernahme der
pharmazeutischen Beratung einschließlich der Arzneimittelabgabe über das
Visavia-Terminal. Sie soll nach dem Vertrag entweder durch Personal der Ge-
sellschaft oder durch von der Gesellschaft vermittelte andere Apotheker mit
einem Visavia-Terminal erfolgen. Der Vertrag sieht bestimmte Weisungsrechte
des Klägers gegenüber den von der Gesellschaft eingesetzten oder vermittelten
Personen vor. Für die Inanspruchnahme der Serviceleistungen der Gesellschaft
zahlt der Kläger umsatzabhängig Gebühren; soweit er selbst auf Vermittlung
der Gesellschaft Leistungen für Dritte erbringt, erhält er Gebühren. Der Vertrag
ist mit einer Frist von einem Monat zum Quartalsende kündbar.
Das Terminal wird vom Kläger außer an Sonn- und Feiertagen von 6.00 Uhr bis
22.00 Uhr betrieben. Während der normalen Öffnungszeiten der Apotheke wird
der Kunde mit dem in der Apotheke anwesenden Apotheker verbunden, außer-
halb der Öffnungszeiten übernimmt die Gesellschaft mit von ihr vermittelten
oder bei ihr angestellten Apothekern in einem Servicecenter die Bedienung des
Terminals.
Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2008 mit, dass er
den weiteren Betrieb des Systems wegen verschiedener Verstöße vor allem
gegen das Apotheken- und das Arzneimittelrecht zu unterbinden gedenke. Ein
Einsatz von Warenautomaten zum Zweck der Arzneimittelversorgung der Be-
völkerung sei nicht zulässig. Das Apothekenbetriebsrecht erlaube, abgesehen
vom Versandhandel, derartige kundendistanzierte Absatzformen von Arzneimit-
teln nicht. Leitbild sei weiterhin der Apotheker in seiner Apotheke. Mit Hilfe der
vom Kläger eingesetzten Technik ließen sich die Leistungen, namentlich die
Beratung und die Aushändigung der Arzneimittel, ebenso wenig erfüllen wie die
Dokumentationspflichten.
Nachdem die angekündigte Untersagungsverfügung ausblieb, der Beklagte
aber andererseits auch die Aufforderung des Klägers unbeachtet ließ, die Vor-
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haltungen zurückzunehmen, hat der Kläger Klage auf Feststellung erhoben,
dass die Abgabe von Arzneimitteln über das Terminal Visavia nicht gegen apo-
thekenrechtliche oder arzneimittelrechtliche Vorschriften verstoße. Hilfsweise
begehrt er die Feststellung, dass diese Form der Arzneimittelabgabe dann
rechtlich zulässig sei, wenn das Terminal mit einem Drucker ausgestattet wer-
de, mit dem auf einer Originalverschreibung die nach § 17 der Apothekenbe-
triebsordnung (ApBetrO) erforderlichen Angaben aufgebracht würden. Zur Be-
gründung hat er ausgeführt: Die Klage sei zulässig, weil ihm nicht zugemutet
werden könne, auf unabsehbare Zeit darüber im Unklaren gelassen zu werden,
ob der Betrieb des Abgabeterminals den rechtlichen Vorgaben genüge. Die
Klage müsse auch in der Sache Erfolg haben. Ein gesetzliches Leitbild, wonach
die Arzneimittelabgabe den unmittelbaren persönlichen Kontakt zwischen dem
Apotheker und dem Kunden voraussetze, existiere nicht mehr. Das Apotheken-
terminal sei kein Selbstbedienungsautomat, sondern eine technische Vorrich-
tung, die eine vom Apotheker umfassend kontrollierte Arzneimittelabgabe er-
mögliche. Sie stehe der vom Gesetzgeber zugelassenen Produktabgabe im
Versandhandel in nichts nach. Die Legalisierung des Apothekenversandhandels
bringe grundlegend veränderte Wertvorstellungen zum Ausdruck, denen der
Beklagte sich nicht verschließen dürfe, indem er die Arzneimittelversorgung
durch das Apothekenterminal undifferenziert an den Maßstäben messe, die für
das traditionelle Apothekengeschäft aufgestellt worden seien. Aufgrund der
Funktionsweise des Abgabeterminals sei die Qualität der Beratung nicht gerin-
ger als der normale Service in den Geschäftsräumen einer Apotheke. Die tech-
nische Ausstattung des Abgabeterminals erlaube es, alle von § 17 Abs. 6 der
Apothekenbetriebsordnung verlangten Dokumentationsleistungen auf einer Ko-
pie der Verschreibung aufzubringen. Die Übertragung dieser Daten könne am
folgenden Tag ohne Risiko für die Arzneimittelsicherheit auf dem Originalrezept
nachgeholt werden. Gleiches gelte für eventuell notwendige Änderungen auf
der Verschreibung. Im Übrigen werde in absehbarer Zeit ein terminalinterner
Drucker zur Verfügung stehen, der es ermöglichen werde, die zu dokumentie-
renden Daten auf dem Rezept selbst zeitgleich mit der Warenausgabe festzu-
halten. Bei alledem müsse berücksichtigt werden, dass dem Kunden mit dem
Apothekenterminal lediglich ein Zusatzangebot unterbreitet werde. Auch die
Ausgestaltung des Servicevertrages mit der Gesellschaft entspreche den An-
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forderungen an eine persönliche und eigenverantwortliche Leitung der Apothe-
ke.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und erwidert: Die Klage sei
mangels eines Feststellungsinteresses unzulässig, jedenfalls aber unbegründet;
denn die dem Kläger vorgehaltenen Rechtsverstöße seien zu Recht gerügt
worden. Eine sichere Arzneimittelversorgung erfordere den direkten persönli-
chen Kontakt zwischen dem Apotheker und seinen Kunden sowie die Möglich-
keit einer unmittelbaren Inaugenscheinnahme des vorgelegten Originalrezep-
tes. An diesem Leitbild halte der Normgeber fest. Dies gelte sowohl für das Ge-
bot der Aushändigung der Arzneimittel als auch für die Präsenzpflicht des
pharmazeutischen Personals in den Apothekenbetriebsräumen. Letztere
schließe es zugleich aus, die Beratung telefonisch oder über Bildtelefon durch
eine Person in einem Servicecenter wahrnehmen zu lassen. Seinen abwei-
chenden Standpunkt könne der Kläger nicht mit der Zulassung des Apotheken-
versandhandels rechtfertigen, denn dieser weise im Vergleich zu einem Wa-
renautomaten verschiedene Besonderheiten auf. So liege beim Versandhandel
das Originalrezept vor, das demgemäß auf seine Echtheit überprüft werden
könne. Außerdem stehe dort das gesamte Warensortiment zur Verfügung.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 21. November 2008 dem Hilfsantrag
unter Abweisung der Klage im Übrigen stattgegeben. Der Hauptantrag scheite-
re daran, dass die in § 17 Abs. 6 ApBetrO vorgeschriebenen Angaben auf dem
Originalrezept im Zeitpunkt der Arzneimittelausgabe nicht möglich seien. Die
nachträgliche Dokumentation genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht; für
eine Auslegung gegen den Wortlaut der Vorschrift sei kein Raum. Der Hilfs-
antrag habe hingegen Erfolg. Mit dem Einbau eines Druckers entfielen alle
Vorbehalte im Hinblick auf § 17 Abs. 6 ApBetrO. Das erforderliche Namenszei-
chen des Apothekers könne auf die Verschreibung gedruckt werden; Hand-
schriftlichkeit sei nicht erforderlich. Durch technische Aufrüstung zum Zweck der
Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur ließe sich auch die in
den Fällen des § 17 Abs. 5 ApBetrO erforderliche Unterschrift des Apothekers
ersetzen. Die anderen vom Beklagten aufgezeigten apothekenbetriebs-
rechtlichen und arzneimittelrechtlichen Bestimmungen hinderten die Inbetrieb-
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nahme des Apothekenterminals entweder schon nach ihrem jeweiligen Sinn
und Zweck nicht oder seien mit Rücksicht darauf, dass der Kläger seinen Kun-
den mit dem Apothekenterminal lediglich ein Zusatzangebot unterbreite, ver-
fassungskonform so auszulegen, dass die Beanstandungen des Beklagten ge-
genstandslos würden.
Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt er-
klärt, soweit es die Feststellung betrifft, dass der Betrieb des Terminals mit den
Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes im Einklang stehe. Mit Urteil vom
7. Juli 2009 hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückge-
wiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es die Klage insgesamt abgewie-
sen. Den Hauptantrag habe das Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen. Das
Apothekenterminal lasse sich nicht in völliger Übereinstimmung mit den apo-
theken- und arzneimittelrechtlichen Vorgaben betreiben. Der Terminalbetrieb
beeinträchtige die im Interesse der Arzneimittelsicherheit bestehende Pflicht
aus § 17 Abs. 6 ApBetrO zur Angabe der relevanten Daten im Zeitpunkt der
Abgabe der Arzneimittel und der Pflicht zur Dokumentation auf der Urkunde
selbst. Eine bloße Speicherung und nachträgliche Übertragung der Daten sei
unzureichend. Zudem werde der Schutzzweck weiterer Vorschriften relativiert.
Zwar unterfalle der Betrieb nicht dem Anwendungsbereich des Automaten- und
Selbstbedienungsverbotes nach § 17 Abs. 3 ApBetrO und § 52 Abs. 1 des Arz-
neimittelgesetzes (AMG). Auch verstoße der Kläger nicht gegen seine Ver-
pflichtung aus § 7 Satz 1 des Apothekengesetzes (ApoG), die Apotheke per-
sönlich zu leiten, indem er die Bedienung des Systems vertraglich auf eine Ge-
sellschaft übertragen habe; denn es sei sichergestellt, dass das Terminal stets
von fachkundigem und weisungsgebundenem Personal bedient werde. Ange-
sichts des geringfügigen Umfangs des pauschalen Leistungsentgeltes sei auch
keine Verschiebung des wirtschaftlichen Betriebsrisikos zu Lasten des Klägers
zu besorgen, die gegen § 8 ApoG verstoßen könnte. Allerdings werde durch
den Einsatz des Terminals der Sicherheitsstandard verschiedentlich abgesenkt.
So lasse das System die nach § 17 Abs. 1 ApBetrO vorgeschriebene persönli-
che Übergabe der Arzneimittel an den Kunden nicht zu. Das wirke sich auf die
Rezeptvorlagepflicht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AMG, die Dokumentationspflich-
ten nach § 17 Abs. 5 und Abs. 6 ApBetrO und die Beratungspflicht nach § 20
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Abs. 1 Satz 1 ApBetrO aus. Außerdem werde in Abweichung von § 23 Abs. 1
ApBetrO nur ein eingeschränktes Warenangebot unterbreitet. Zwar sei das
System der Arzneimittelabgabe durch die Einführung des Versandhandels ge-
lockert worden. Damit habe der Gesetzgeber aber lediglich die Bindung des
Kunden an die Apothekenbetriebsräume aufgegeben, nicht hingegen die Bin-
dung an die Institution Apotheke und an deren pharmazeutisches Personal.
Insoweit herrsche nach wie vor das Leitbild vom Apotheker in seiner Apotheke,
mit dem sich der Einsatz des Abgabeterminals nicht vereinbaren lasse. Der
Widerspruch könne durch eine verfassungskonforme Auslegung nicht ausge-
räumt werden. Auch nach Zulassung des Arzneimittelversandhandels sei es
jedenfalls nicht sachwidrig, wenn die der Arzneimittelabgabe vorausliegenden
Betriebsvorgänge an das pharmazeutische Personal gebunden seien, das in
den Apothekenbetriebsräumen anwesend sein müsse. Die Berufung des Be-
klagten habe hingegen Erfolg. Der Hilfsantrag des Klägers sei mangels eines
feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses schon nicht zulässig. Ob der Betrieb
des Systems bei Einbau eines Druckers gesetzeskonform sei, sei rein hypothe-
tischer Natur und einer gerichtlichen Feststellung nicht zugänglich.
Mit der Revision verfolgt der Kläger Haupt- und Hilfsantrag weiter. Das Beru-
fungsgericht gehe zu Unrecht von einem Leitbild des Apothekers in seiner Apo-
theke aus. Durch die Zulassung des Versandhandels habe sich das überkom-
mene Bild gewandelt. Es bestehe keine Verpflichtung des Kunden mehr, die
Apotheke zu betreten, um ein Arzneimittel entgegenzunehmen. Ebenso wenig
bestehe die Notwendigkeit eines persönlichen Kontaktes. Allerdings lege der
Gesetzgeber weiterhin Wert auf die Bindung der Arzneimittelabgabe an die In-
stitution Apotheke und deren Personal. Dem werde aber durch das mit der
Apotheke verbundene Terminal genügt. Da im Versandhandel sogar ohne je-
den Kontakt zum Kunden Arzneimittel abgegeben werden dürften, müsse dies
erst recht bei Inanspruchnahme der Kontaktmöglichkeiten des Terminals gelten.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts liege kein Verstoß gegen § 23
Abs. 1 ApBetrO wegen eines nur eingeschränkten Warenangebots vor, da über
das Terminal 98 % des gesamten Angebots ausgegeben werden könnten. Das
System biete lediglich eine zusätzliche Versorgung zu den Zeiten, in denen die
Apotheke ansonsten geschlossen sei. Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 1 ApBetrO
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scheide ebenfalls aus. Eine höchstpersönliche Aushändigung der Ware könne
angesichts der Zulassung des Versandhandels nicht mehr verlangt werden.
Das Berufungsgericht habe auch die Dokumentationspflichten nach § 17 Abs. 5
und 6 ApBetrO unzutreffend ausgelegt. Lediglich bei Änderungen der
Verordnung sei eine eigenhändige Unterschrift des Apothekers erforderlich,
während das im Normalfall nur geforderte Namenszeichen auch gestempelt
oder eben aufgedruckt werden könne. Das Terminal könne allerdings auch oh-
ne Einbau eines Druckers rechtskonform betrieben werden. Durch das Ein-
scannen des Rezeptes und die Speicherung aller Daten, die später auf das
Original übertragen würden, sei eine eindeutige Zuordnung gewährleistet.
Ebenso sei es ausreichend, die in den seltenen Fällen des § 17 Abs. 5 ApBetrO
erforderliche Unterschrift nachzuholen.
Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das Beru-
fungsurteil.
II
Die Revision ist unbegründet (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsurteil ver-
stößt nicht gegen Bundesrecht.
Die begehrte Feststellung kann weder nach dem Haupt- noch nach dem Hilfs-
antrag getroffen werden, weil der Betrieb des Terminals in der von dem Kläger
praktizierten Weise unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen Rechtsvor-
schriften verstößt; daran würde auch die Installation eines Druckers nichts än-
dern.
1. Allerdings ist die Abgabe von Arzneimitteln über ein Apothekenterminal ent-
gegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht schlechterdings unzulässig.
Es trifft zwar zu, dass das Arzneimittelgesetz eine Abgabe von Arzneimitteln
grundsätzlich nur in Apotheken vorsieht (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG). Demgemäß
bestimmt die Apothekenbetriebsordnung, dass Arzneimittel außer im Falle des
Versandhandels nur in den Apothekenräumen in den Verkehr gebracht und nur
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durch pharmazeutisches Personal ausgehändigt werden (§ 17 Abs. 1 ApBetrO).
Diese Vorgabe wird durch Anforderungen an die Beschaffenheit der
Betriebsräume flankiert. Sie müssen so beschaffen sein, dass sie eine ord-
nungsgemäße Abgabe von Arzneimitteln gewährleisten (§ 4 Abs. 1 ApBetrO);
der Verkaufsraum muss so eingerichtet sein, dass die Vertraulichkeit der Bera-
tung gewahrt werden kann (§ 4 Abs. 2 Satz 2 ApBetrO); schließlich müssen die
Betriebsräume von öffentlichen Verkehrsflächen und Ladenstraßen durch
Wände oder Türen abgetrennt sein (§ 4 Abs. 5 ApBetrO).
Gleichwohl ist eine Arzneimittelabgabe über ein an der Außenwand der Apo-
theke angebrachtes Terminal nicht deshalb unzulässig, weil sie nicht in der
Apotheke erfolgt. Der Senat hat in der sog. Autoschalter-Entscheidung bereits
darauf hingewiesen, dass die Einführung des Versandhandels (§ 47 Abs. 1
Satz 1 AMG, § 11a ApoG, § 17 Abs. 2a ApBetrO) den systematischen Zusam-
menhang, in den § 17 Abs. 1 ApBetrO gestellt ist, geändert hat (Urteil vom
14. April 2005 - BVerwG 3 C 9.04 - Buchholz 418.21 ApBO Nr. 16 Rn. 14 ff.).
Mit dem Versandhandel hat der Gesetzgeber eine Form der Medikamentenab-
gabe zugelassen, bei der das Arzneimittel zwar aus einer Apotheke heraus ab-
gegeben werden muss, der Kunde aber nicht gehalten ist, die Apotheke zu be-
treten. Er kann seine Bestellung schriftlich oder, soweit die Verschreibungs-
pflichtigkeit des Arzneimittels nicht die Vorlage eines Rezeptes notwendig
macht, telefonisch oder über das Internet aufgeben und sich die bestellte Ware
an einen beliebigen Ort zustellen lassen. Auch auf Verschreibung müssen Arz-
neimittel nicht mehr in Apotheken, sondern lediglich von Apotheken abgegeben
werden (vgl. § 43 Abs. 3 AMG). Als Begründung hat der Gesetzgeber unter an-
derem das Anliegen genannt, Erschwernisse der Arzneimittelbeschaffung ab-
zubauen (BTDrucks 15/1525 S. 165). Damit sind Vertriebswege eröffnet, die es
dem Kunden freistellen, ob er sich auf den Weg zur Apotheke macht oder Be-
stellung und Entgegennahme der Arzneimittel an irgendeinem anderen Ort
stattfinden lässt. Er braucht die Apotheke nicht zu betreten, wenn er es nicht
will. Vor diesem Hintergrund ist für die Annahme, die Aushändigung des Arz-
neimittels müsse stets in der Apotheke stattfinden, kein Raum mehr. Es reicht
aus, dass das Arzneimittel von der Apotheke mittels des Terminals nach außen
an den Kunden abgegeben wird.
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2. Das Berufungsgericht ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass über das
Terminal keine Arzneimittel auf Verschreibung abgegeben werden dürfen, weil
die Dokumentationspflichten des § 17 Abs. 5 und Abs. 6 ApBetrO nicht ein-
gehalten werden können.
Der Apotheker ist gemäß § 17 Abs. 5 ApBetrO verpflichtet, bei Unklarheiten die
Verschreibung vor der Abgabe des Arzneimittels zu ändern, dies auf der Ver-
schreibung zu vermerken und - abgesehen von der hier nicht relevanten Ver-
schreibung in elektronischer Form - zu unterschreiben. Eine solche Unterschrift
ist vor der Abgabe eines Medikaments durch das Terminal nicht möglich. Viel-
mehr werden nach Angaben des Klägers alle relevanten Daten gespeichert,
möglicherweise auch auf einem gesonderten Bon ausgedruckt, und erst später,
üblicherweise am nächsten Werktag, von dem Apothekenpersonal auf das vom
Terminal einbehaltene Rezept übertragen. Das genügt der Apothekenbetriebs-
ordnung schon deshalb nicht, weil die Beseitigung der Unklarheit durch Ände-
rung des Rezeptes und Abzeichnung der Änderung vor der Abgabe des Medi-
kaments erfolgen muss. Diese Verpflichtung dient der Arzneimittelsicherheit. Im
Zeitpunkt der Herausgabe des Arzneimittels soll eine Verschreibung vorliegen,
die die Abgabe deckt und eine jederzeitige Rückverfolgung zulässt. Das System
des Klägers bietet diese Sicherheit nicht, weil es anders als die gesetzliche
Regelung Zuordnungsprobleme infolge einer erst nachträglichen Zusammen-
führung der zunächst anderweitig vermerkten Änderungen mit der entspre-
chenden Verordnung nicht in gleicher Weise ausschließen kann und selbst bei
nachträglich richtiger Zuordnung eine zeitliche Lücke entstehen lässt, während
der ein Arzneimittel in den Verkehr gegeben ist, ohne dass eine entsprechende
Verschreibung zugrunde liegt.
Durch das vom Kläger eingesetzte System ist außerdem nicht gewährleistet,
dass die Änderung der Verschreibung stets von demjenigen unterschrieben
wird, der die Änderung veranlasst hat. Das Terminal wird nach dem abge-
schlossenen Servicevertrag von Apothekern bedient, die die Gesellschaft ver-
mittelt hat oder die bei ihr angestellt sind. Die Zusammenführung der gespei-
cherten Daten mit den Verschreibungen erfolgt in diesen Fällen am nächsten
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Werktag in der Apotheke des Klägers durch ihn oder sein Personal. Dadurch
wird der Sinn der von § 17 Abs. 5 ApBetrO verlangten Unterschrift des Apothe-
kers unter die von ihm vorgenommenen Änderungen aufgelöst. Die nachträglich
beigefügte Unterschrift dokumentiert entgegen § 17 Abs. 5 ApBetrO nicht den
Verantwortlichen für die Rezeptänderung, sondern allein den Verantwortlichen
für die Übertragung der gespeicherten Daten auf das Rezept.
Die normalen Dokumentationspflichten bei der Abgabe von verschreibungs-
pflichtigen und verschriebenen Arzneimitteln werden durch das Terminal eben-
falls nicht erfüllt. Gemäß § 17 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 ApBetrO müssen jeder Ver-
schreibung neben bestimmten Angaben das Namenszeichen des Apothekers
oder des sonstigen dort genannten pharmazeutischen Personals oder des Apo-
thekers, der die Abgabe beaufsichtigt hat, hinzugefügt werden. Damit ist ein
handschriftliches Zeichen im Sinne eines Abzeichnens gemeint und nicht ledig-
lich ein aufgedruckter oder gestempelter Namenszug. Das folgt zum einen aus
§ 17 Abs. 6 Satz 2 ApBetrO, der in Bezug auf § 17 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 ApBetrO
das Delegieren des „Abzeichnens“ der Verschreibung regelt. Der Verordnungs-
geber hat diese Ausnahmeregelung gerade deshalb geschaffen, um dem Apo-
thekenleiter ein kurzzeitiges Verlassen der Apotheke zu ermöglichen (vgl. dazu
BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 1971 - 1 BvR 40/69 u.a. - BVerfGE 32, 1 <32>).
Es folgt ferner aus dem Umstand, dass an die Stelle des Handzeichens im Falle
einer elektronischen Verschreibung die digitale Signatur tritt (§ 17 Abs. 6 Satz 1
Nr. 2 ApBetrO), die gemäß § 126a BGB die Unterschrift ersetzt. Auch dieser
Regelung hätte es nicht bedurft, wenn das Handzeichen keine Eigenhändigkeit
verlangte. Dem wird das System des Klägers selbst bei Ausstattung des
Terminals mit einem Drucker nicht gerecht. Das Abzeichnen des Rezepts
erfolgt weder bei der Abgabe des Arzneimittels noch notwendigerweise durch
denjenigen, der das Arzneimittel abgegeben hat.
3. Ferner ist die Abgabe von freiverkäuflichen Arzneimitteln über das Terminal
unzulässig; sie verstößt gegen das Verbot, Arzneimittel durch Automaten in den
Verkehr zu bringen (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AMG). Anders als bei apothe-
kenpflichtigen Arzneimitteln und der Einlösung von Rezepten wird der Kunde,
der am Terminal ein freiverkäufliches Produkt wählt, nicht mit einem Apotheker
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verbunden; vielmehr wird das Produkt nach Bezahlung automatisch ausgege-
ben. Dies ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsge-
richts („wie in einem Selbstbedienungsautomaten“), deren Richtigkeit die Betei-
ligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben, und aus
der Eigendarstellung des Herstellers zur Funktionsweise des Geräts (wiederge-
geben unter anderem bei VG Karlsruhe, Urteil vom 2. September 2008 - 11 K
4331/07). An die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, jede Arzneimit-
telabgabe durch das Terminal erfolge unter der ständigen Kontrolle des Apo-
thekers, ist der Senat nicht gebunden; sie ist aktenwidrig und offensichtlich un-
zutreffend. Eine Abgabe von Arzneimitteln, auch soweit sie gemäß §§ 44 ff.
AMG für den Verkehr außerhalb von Apotheken freigegeben sind, darf gemäß
§ 52 Abs. 1 Nr. 1 AMG nicht durch Automaten erfolgen; ausgenommen hiervon
sind lediglich bestimmte Fertigarzneimittel (vgl. § 52 Abs. 2 AMG). Daran ändert
nichts, dass freiverkäufliche Arzneimittel durch andere Formen der Selbstbe-
dienung in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn eine Person mit Sach-
kenntnis zur Verfügung steht (§ 52 Abs. 3 AMG). Zum einen gilt diese Ausnah-
me nicht für die Abgabe durch Automaten, zum anderen ist bei der Abgabe
freiverkäuflicher Arzneimittel durch das Terminal gerade nicht sichergestellt,
dass eine sachkundige Person zur Verfügung steht.
4. Die Abgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln über das Terminal ver-
stößt zudem gegen die Verpflichtung des Apothekers zur Information und Bera-
tung nach § 20 Abs. 1 ApBetrO, soweit das Terminal außerhalb der normalen
Öffnungszeiten der Apotheke eingesetzt wird.
Zwar zeigt die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, Arzneimittel im Wege
des Versandhandels zu beziehen, dass die Pflicht zur persönlichen Beratung
keine zwingende Voraussetzung jeder Arzneiabgabe ist. Wenn Arzneimittel per
Post, Telefon oder Internet bestellt werden können, kann der Apothekenbe-
triebsordnung nicht mehr die Absicht entnommen werden, sie wolle den Kunden
stets zu einem persönlichen und zudem direkten Kontakt mit dem Apotheker
zwingen, um ihm die Besonderheit der Ware Arzneimittel deutlich zu machen
und ihn persönlich mit dem Beratungsangebot zu konfrontieren (Urteil vom 14.
April 2005 a.a.O. Rn. 19). Mit der Einführung des Versandhandels hat der
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Gesetzgeber deshalb bewusst die Inanspruchnahme der Beratung durch den
Apotheker in die freie Entscheidung des Patienten gestellt (Urteil vom 13. März
2008 a.a.O. Rn. 22).
Diese freie Entscheidung bleibt gewährleistet, wenn der Kunde während der
normalen Öffnungszeiten der Apotheke die Wahl hat, entweder das Terminal zu
benutzen oder den persönlichen Kontakt mit dem Apotheker zu suchen. Au-
ßerhalb der normalen Öffnungszeiten der Apotheke besteht diese Wahlmög-
lichkeit aber nicht. Insoweit hilft auch der Umstand nicht weiter, dass die Abga-
be über das Terminal mit der akustischen und visuellen Verbindung mit einem
Apotheker via Internet immer noch eine bessere Beratungsmöglichkeit bietet als
der Bezug von Arzneimitteln im Versandhandel, bei dem lediglich eine Bera-
tungsoption über Telefon gefordert ist (§ 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 7 ApBetrO);
denn zwischen der Bestellung von Arzneimitteln im Versandhandel und der Ab-
gabe von Arzneimitteln über ein außerhalb der normalen Öffnungszeiten einer
Apotheke zugängliches Terminal bestehen rechtlich relevante Unterschiede.
Der Versandhandel wird typischerweise für den Bezug von Arzneimitteln ge-
nutzt, bei denen der Kunde keinen Beratungsbedarf sieht, weil ihm das Medi-
kament bereits vertraut ist oder er jedenfalls nicht darauf angewiesen ist, es
sofort verwenden zu müssen. Ein außerhalb der normalen Öffnungszeiten der
Apotheke betriebenes Terminal wird vom Kunden hingegen - nicht notwendig,
aber doch typischerweise - eher als ein Ersatz für den Notfallschalter der Apo-
theke angesehen. Wenn ein Kunde sich spätabends oder zur Nachtzeit zu dem
Abgabeterminal einer Apotheke begibt, geschieht dies häufig in akuten oder
vom Kunden jedenfalls als dringlich empfundenen Situationen. Er sucht dann
gerade deshalb eine Apotheke auf, weil er einen Erwerb über den Bezugsweg
des Versandhandels nicht abwarten kann oder will. In diesen Fällen verzichtet
der Kunde nicht von sich aus auf eine Beratung und Information durch den
Apotheker, sondern fordert sie durch das Aufsuchen der Apotheke gerade ein.
Er darf deshalb erwarten, dass ihm an der in dieser Weise „dienstbereiten“
Apotheke dieselben Beratungs- und Informationsleistungen zuteilwerden wie an
einem Notfallschalter oder einer Apotheke während der normalen Öffnungszei-
ten. Das ist jedoch durch das Terminal nicht gewährleistet. Die Kontaktaufnah-
me mit einem Apotheker über Bildtelefon via Internet bietet keinen gleichwerti-
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gen Ersatz für eine persönliche Beratung; dies gilt erst recht in den Fällen, in
denen die Anwendungsweise des Arzneimittels demonstriert werden muss oder
es für den Apotheker von Bedeutung ist, den körperlichen oder seelischen Zu-
stand des Kunden richtig zu erfassen.
5. Der Einsatz des Terminals verstößt schließlich gegen die Pflicht zur persönli-
chen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung (§ 7 Satz 1 ApoG), soweit
das Gerät außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Apotheke durch einen
Dritten betrieben wird.
Der Kläger hat für den Betrieb des Terminals einen Servicevertrag mit einer
Kapitalgesellschaft geschlossen, dessen Vertragsgegenstand die Übernahme
der Beratung und Arzneimittelabgabe durch die Gesellschaft ist, soweit es um
den Einsatz des Terminals außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Apo-
theke geht. Dies umfasst die Gestellung des Personals für die Fernbedienung
des Geräts. Zum Einsatz kommen sollen Apotheker der Gesellschaft oder an-
dere Apothekenleiter, die wie der Kläger einen solchen Servicevertrag abge-
schlossen und sich bereit erklärt haben, zu bestimmten Zeiten die Steuerung
der Arzneimittelabgabe über die angeschlossenen Terminals zu übernehmen.
Die mit dem Vertrag herbeigeführte Verlagerung der Arzneimittelabgabe auf
einen gewerblichen Dienstleister ist unzulässig. Das Apothekengesetz knüpft
die Befugnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke an eine personengebun-
dene Erlaubnis (§ 1 Abs. 3, § 2 ApoG). Der Erlaubnisinhaber ist zur persönli-
chen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung verpflichtet (§ 7 ApoG).
Diese Verpflichtung wird insbesondere durch die Vorschriften über die nur in
engen Grenzen zulässige Vertretung (§ 2 Abs. 5 und 6 ApBetrO) und über das
Apothekenpersonal (§ 3 ApBetrO) abgesichert. Es arbeitet unter der Verantwor-
tung des Apothekenleiters und darf nur entsprechend seinen Kenntnissen und
Fähigkeiten eingesetzt werden. Hinzu tritt eine je nach Qualifizierung des Per-
sonals gestufte Aufsichtspflicht des Apothekenleiters, die bei dem Einsatz von
angestellten Apothekern anders als bei dem übrigen pharmazeutischen Perso-
nal (§ 3 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO) zwar gelockert ist, aber infolge der Pflicht zur
persönlichen Leitung nicht gänzlich entfällt. Die Wahrnehmung dieser Pflichten
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erfordert notwendigerweise eine gewisse Betriebsbezogenheit des pharmazeu-
tischen Personals; es muss sich - mit den Worten des Verordnungsgebers - um
„Apothekenpersonal“ handeln, also um Personal der Apotheke, dessen Leiter
der Inhaber der Erlaubnis nach § 1 ApoG ist. Daran hat die Einführung des
Versandhandels nichts geändert. Der Versandhandel darf nur von einer öffent-
lichen Apotheke aus erfolgen, deren Leiter eine Erlaubnis nach § 2 ApoG be-
sitzt (§ 11a ApoG). Die Bindung der Arzneimittelabgabe an eine Apotheke und
deren Personal bleibt dadurch unberührt.
Mit dem Servicevertrag wird hingegen die Beratung und Arzneimittelabgabe von
dem Kläger und seinem Personal auf die Gesellschaft verlagert. Sie übernimmt
die Beratung und führt die notwendigen Handlungen durch, um gegebenenfalls
Arzneimittel abzugeben (so ausdrücklich § 1 des Servicevertrages). Sie
übernimmt außerdem die Verpflichtung, die pharmazeutische Beratungsleistung
nach den gesetzlichen Vorschriften durchzuführen (§ 3 Abs. 3 des Ser-
vicevertrages). Der Kläger gibt auf diese Weise die ihm als Apothekenleiter ob-
liegende pharmazeutische Tätigkeit aus der Hand. Zwar kann er sich dadurch
nicht seiner durch das Apothekengesetz begründeten Verantwortung entledi-
gen. Die Verantwortung für den Betrieb der Apotheke korrespondiert aber mit
der Pflicht zur persönlichen Leitung (vgl. § 7 ApoG). Der Gesetzgeber bringt
damit zum Ausdruck, dass der Apothekenleiter die Verantwortung nicht nur
rechtlich trägt, also einzustehen hat für die Einhaltung der gesetzlichen Vor-
schriften, sondern diese Verantwortung auch tatsächlich wahrnehmen muss.
Damit lässt sich nicht vereinbaren, den Apothekenbetrieb zeitweise einer Ge-
sellschaft und deren Personal oder von der Gesellschaft vermittelten anderen
Apothekenleitern zu überlassen. Diese Personen, erst recht die Gesellschaft als
Vertragspartner des Klägers, sind kein Personal der Apotheke und sollen
erklärtermaßen auch nicht als Stellvertreter des Klägers im Sinne des § 2
Abs. 5 ApBetrO fungieren.
Daran können die in den Vertrag aufgenommenen Weisungsbefugnisse des
Klägers gegenüber dem von der Gesellschaft eingesetzten oder vermittelten
Personal nichts ändern. § 3a des Servicevertrages räumt dem Kläger ein unbe-
schränktes und jederzeitiges Weisungsrecht ein, gewährleistet eine jederzeitige
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Kontaktaufnahme per Telefon und Telefax, eine schriftliche Information über die
von der Gesellschaft eingesetzten Personen (Lebenslauf, Lichtbild, Approbati-
onsurkunde) sowie den Einsatzplan und gewährt dem Kläger das Recht, den
weiteren Einsatz einer Person ohne Angabe von Gründen zu untersagen. Diese
vertraglich geregelten Einwirkungsmöglichkeiten sind indes kein gleichwertiger
Ersatz für die im Apothekengesetz vorgesehene persönliche Leitung der
Apotheke. Sie kranken zum einen daran, dass sie nicht auf einer unmittelbaren
rechtlichen Beziehung des Klägers zu den Personen beruhen, die für ihn und
seine Apotheke das Terminal bedienen sollen. Das Personal wird lediglich
durch die zwischengeschaltete Gesellschaft vermittelt, die mit Dritten Verträge
abschließt, welche zur Befolgung der Weisungen des Klägers anhalten mögen,
auf die der Kläger aber keinen Einfluss hat. Mit arbeitsrechtlichen Mitteln durch-
setzen kann der Kläger ein Direktionsrecht gegenüber dem Personal der Ge-
sellschaft nicht; ihm bleibt nur die Möglichkeit, gegebenenfalls dem weiteren
Einsatz einer Person zu widersprechen. Zum anderen ist die Ausgestaltung des
Weisungsrechts in tatsächlicher Hinsicht ungeeignet, um eine persönliche Lei-
tung durch den Kläger sicherzustellen. Die vertraglichen Regelungen lassen
sich nicht mit Leben füllen; sie erzeugen nur den Schein einer Kontrolle des
Klägers über die von seiner Apotheke aus betriebene Arzneimittelabgabe durch
die Gesellschaft; denn sie können nicht darüber hinweghelfen, dass die Arz-
neimittelabgabe durch Personen möglich ist, die der Kläger noch niemals per-
sönlich getroffen hat, von deren Arbeitsweise und Zuverlässigkeit er sich kein
eigenes Bild machen kann, deren Einsatz ihm die Gesellschaft in einem
Einsatzplan vorgibt und mit denen er lediglich telefonisch oder per Telefax
kommunizieren kann. Verglichen mit dem Einsatz von betriebsangehörigem
Personal kann unter derartigen Bedingungen, die auf den zeitweisen Fremdbe-
trieb der Apotheke durch einen gewerblichen Dienstleister hinauslaufen, von
einer persönlichen Leitung in eigener Verantwortung keine Rede mehr sein.
6. Die aufgezeigten Beschränkungen des Einsatzes des Apothekenterminals
stehen im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG. Betroffen ist die Berufsausübung des
Klägers. Es geht nicht um den Beruf selbst, sondern um Modalitäten seiner
Ausübung. Derartige Beschränkungen sind gerechtfertigt, soweit der Eingriff
durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls getragen wird.
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Die Zwischenschaltung der Apotheken bei der Abgabe der Arzneimittel dient
einer sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölke-
rung und damit einem Gemeinschaftsgut von hohem Rang, das selbst empfind-
liche Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen kann (BVerfG, Beschluss vom
11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 u.a. - BVerfGE 107, 186 <196>). Durch die
Bindung der pharmazeutischen Tätigkeit an die Verantwortlichkeit des beson-
ders ausgebildeten Apothekenleiters soll ein hohes fachliches Niveau gewähr-
leistet und einer Kommerzialisierung des Arzneimittelvertriebs entgegengewirkt
werden. Der Gesetzgeber hat den Beruf des selbständigen Apothekers nach
einer bestimmten Vorstellung von dem Berufsbild gestaltet. Danach vereinigt
der selbständige Apotheker in seiner Person die Verantwortung für die Erfüllung
einer öffentlichen Aufgabe aufgrund besonderer beruflicher Befähigung mit der
privatwirtschaftlichen Funktion des Inhabers des Apothekenbetriebes. Arz-
neimittel sind keine gewöhnliche Ware, sondern eines der wichtigsten Hilfsmittel
der ärztlichen Kunst, um Krankheiten zu erkennen, zu heilen und ihnen vor-
zubeugen; zudem können von ihnen nicht unerhebliche Gefahren ausgehen.
Die geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ist die erste Auf-
gabe des besonders ausgebildeten Apothekers; ihm ist der Vertrieb von Arz-
neimitteln im Einzelhandel im Wesentlichen vorbehalten. Die Erfüllung dieser
Aufgabe hält der Gesetzgeber am besten dann für gewährleistet, wenn die all-
seitige Verantwortung für den Betrieb der Apotheke in einer Hand liegt. Aus
dieser Grundanschauung hat er dem selbständigen Apotheker die Verpflichtung
zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung auferlegt
(BVerfG, Urteil vom 13. Februar 1964 - 1 BvL 17/61 u.a. - BVerfGE 17, 232
<238 ff.>) und unter verschiedenen Aspekten abgesichert; dazu zählen die Do-
kumentationspflichten bei der Abgabe von Arzneimitteln auf Verschreibung
ebenso wie die Pflicht zur Beratung und Information der Kunden und nicht zu-
letzt das Verbot einer Arzneimittelabgabe durch Automaten.
Im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG ist der Gesetzgeber befugt, Berufsbilder zu
fixieren und dabei den Umfang der beruflichen Tätigkeit in bestimmter Weise
festzuschreiben (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 3 C 4.08 - Buchholz
418.1 Heilberufe Nr. 8 Rn. 16; ferner BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988
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- 1 BvR 482/84 u.a. - BVerfGE 78, 179 <193>). Die Frage ist deshalb nicht, ob
auch eine andere Lösung möglich wäre, ob etwa die Eröffnung von Delegati-
onsmöglichkeiten auf gewerbliche Dienstleister im Hinblick auf die sichere Arz-
neimittelversorgung der Bevölkerung noch vertretbar wäre. Die Bewertung der
Gefahren und die Bestimmung der probaten Mittel, ihnen zu begegnen, oblie-
gen dem Gesetzgeber, solange seine Anschauungen nicht offensichtlich fehl-
sam oder mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind. Je enger
dabei der Bezug der beschränkenden Vorschriften zu dem Schutzgut ist, desto
eher lassen sich Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen (BVerfG,
Beschluss vom 11. Februar 2003 a.a.O. <197>; Urteil vom 16. Januar 2002
- 1 BvR 1236/99 - BVerfGE 104, 357 <364>).
Die Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwor-
tung steht ebenso wie die aufgezeigten weiteren Regelungen nicht in einem nur
entfernteren Zusammenhang mit dem verfolgten Gemeinwohlbelang, sondern
berührt unmittelbar die Stellung des selbständigen Apothekers im System der
Arzneimittelabgabe. Die zeitweise Übertragung der pharmazeutischen Aufga-
ben einer Apotheke auf einen gewerblichen Dienstleister löst die vom Gesetz
vorgesehene Bindung der Arzneimittelabgabe an eine eigenverantwortlich und
persönlich von einem selbständigen Apotheker geleitete Apotheke weitgehend
auf. Nicht mehr der Apothekenleiter, sondern wechselnde dritte Personen einer
Servicegesellschaft, die der Apothekenleiter nicht effektiv beaufsichtigen kann,
treffen die Entscheidungen. Dieses Auseinanderfallen der rechtlichen Verant-
wortung und der tatsächlichen Entscheidungsgewalt kann die Qualität und Si-
cherheit der Arzneimittelabgabe beeinträchtigen. Die durch § 7 ApoG begrün-
dete Beschränkung der Berufsausübung ist geeignet und erforderlich, dem ent-
gegenzuwirken. Gleiches gilt für die aufgezeigten weiteren Regelungen, die
eine Bindung der pharmazeutischen Tätigkeit an die Verantwortlichkeit des
selbständigen Apothekers zu gewährleisten suchen.
Die Beschränkung der Berufsausübung steht nicht außer Verhältnis zu dem mit
den gesetzlichen Regelungen verfolgten Zweck. Die gewichtigen Interessen des
Apothekers, im Wettbewerb mit anderen Verkaufsstellen seine Kundenori-
entierung herauszustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Januar 2002 a.a.O.
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S. 369) und seinen Umsatz zu erhöhen, wiegen nicht schwerer als die be-
zweckte Sicherheit und Qualität der Arzneimittelabgabe. Der Einsatz des Ter-
minals stellt nach den eigenen Angaben des Klägers nur ein zusätzliches An-
gebot und damit eine ergänzende Umsatzmöglichkeit dar. Der Einsatz als sol-
cher ist zudem nicht generell unzulässig. Apothekenpflichtige Mittel, ebenso
- bei einer Umstellung der Betriebsweise des Geräts - freiverkäufliche Arznei-
mittel, können unter Beachtung der dargestellten Einschränkungen über das
Terminal vertrieben werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Kley
Liebler
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Buchheister
Dr. Wysk
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat
hält das wirtschaftliche Interesse des Klägers unter Berücksichtigung der beab-
sichtigten Betriebszeiten des Abgabeterminals mit dem festgesetzten Betrag für
angemessen bewertet.
Kley
Liebler
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Buchheister
Dr. Wysk
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1
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Recht der Heilberufe (Apotheker)
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 12 Abs. 1
AMG
§ 43 Abs. 1, §§ 44, 52 Abs. 1 Nr. 1
ApoG
§ 1 Abs. 2 und 3, §§ 2, 7 Satz 1, § 11a
ApBetrO § 2 Abs. 5, §§ 3, 4 Abs. 1, 2 und 5, § 17 Abs. 1, 5 und 6, § 20 Abs. 1,
§ 23 Abs. 1
Stichworte:
Apothekenterminal, Apotheker, Arzneimittelabgabe, Aushändigung in der Apo-
theke, Versandhandel, verschreibungspflichtige Arzneimittel, apothekenpflichti-
ge Arzneimittel, freiverkäufliche Arzneimittel, Dokumentationspflichten, Bera-
tungspflichten, Automatenverbot, persönliche Leitung der Apotheke, Übertra-
gung der pharmazeutischen Tätigkeit auf einen gewerblichen Dienstleister, Be-
rufsausübungsfreiheit, Beschränkung, Rechtfertigung.
Leitsatz:
Die Abgabe von Arzneimitteln auf Verschreibung über ein Apothekenterminal
genügt nicht den Dokumentationspflichten nach § 17 Abs. 5 und 6 der Apothe-
kenbetriebsordnung.
Die Bedienung des Apothekenterminals durch das Personal eines gewerblichen
Dienstleisters verstößt gegen die Pflicht des Apothekers aus § 7 des Apothe-
kengesetzes zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung.
Urteil des 3. Senats vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 30.09
I. VG Mainz vom 21.11.2008 - Az.: VG 4 K 375/08.MZ -
II. OVG Koblenz vom 07.07.2009 - Az.: OVG 6 A 11397/08 -