Urteil des BVerwG vom 19.08.2003

Liegenschaft, Grundstück, Eigentumsübergang, Gemischte Nutzung

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 30.02
VG 3 A 1712.96
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. B o r g s - M a c i e j e w s k i , Dr. B r u n n
und L i e b l e r
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungs-
gerichts Berlin vom 1. Februar 2002 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbe-
halten.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Zuordnung des Grundstücks Vossstraße 33 - 35/
Wilhelmstraße 96/Leipziger Straße 125 (Grundbuch von Berlin-Mitte, Bl. 193 N
Flur 41 721, Flurstück 9) mit einer Fläche von 11 376 m
2
an die Beigeladene. Als Ei-
gentümer dieses 1958 aus mehreren Vorläufergrundstücken gebildeten Grundstücks
war am 3. Oktober 1990 das Deutsche Reich, Reichseisenbahnvermögen, eingetra-
gen. Das Anwesen war seit 1990 Sitz der im März jenes Jahres gebildeten General-
direktion der Deutschen Reichsbahn der DDR und ihr nachgeordneter Dienststellen.
Im Juni 1994 unterzeichneten das Bundeseisenbahnvermögen und das Bundesmi-
nisterium für Verkehr ein Übernahme-/Übergabeprotokoll, wonach die Liegenschaft
mit den Aufbauten zum 1. August 1994 vom Bundeseisenbahnvermögen an die Bei-
geladene, vertreten durch das Ministerium, übergeben werde, soweit sie nicht schon
übergeben sei; die Umschreibung im Grundbuch werde das Ministerium beantragen.
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Mit Bescheid vom 23. September 1996 stellte die Beklagte auf Antrag der Beigela-
denen deren Eigentum an dem streitbefangenen Grundstück fest und begründete
dies mit überwiegender Nutzung des Grundstücks für Verwaltungszwecke des Bun-
des und dem zwischen der Klägerin und der Beigeladenen im Hinblick auf die Zuord-
nung erzielten Einvernehmen.
Mit ihrer am 23. Oktober 1996 erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, die Zu-
ordnung sei fehlerhaft, weil sie ihr nicht zugestimmt habe und das Grundstück im
Zeitpunkt der Gründung der Klägerin (Anfang 1994) von dieser ausschließlich und
unmittelbar bahnnotwendig genutzt worden sei, weshalb das Grundstück kraft Ge-
setzes auf sie übergegangen sei.
Mit Urteil vom 1. Februar 2002 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit im Wesent-
lichen folgender Begründung abgewiesen: Ungeachtet der rechtlichen Bedeutung
des Übernahme-/Übergabeprotokolls aus dem Jahre 1994 könne die Klage keinen
Erfolg haben, da der angegriffene Bescheid - seine Rechtswidrigkeit vorausgesetzt -
die Klägerin nur dann in eigenen Rechten verletze, wenn er im Widerspruch zu ei-
nem Eigentumsrecht der Klägerin an dem im Streit befindlichen Grundstück stehe.
Das wiederum setze dessen Übergang am 3. Oktober 1990 nach Art. 26 Abs. 1
Satz 1 EV in das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn und aus diesem nach In-
Kraft-Treten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes unmittelbar - d.h. kraft Gesetzes -
auf die Klägerin voraus. Ob erstere Voraussetzung erfüllt sei, könne offen bleiben, da
es jedenfalls an einem gesetzlichen Eigentumsübergang vom Bundeseisenbahnver-
mögen auf die Klägerin mangele. Nach § 21 des Bundeseisenbahnneugliederungs-
gesetzes - BENeuglG - seien die Liegenschaften des Bundeseisenbahnvermögens,
die unmittelbar und ausschließlich bahnnotwendig gewesen seien, mit dem Tag der
Eintragung der Klägerin in das Handelsregister (im Januar 1994) auf diese überge-
gangen. Es könne dahinstehen, ob das fragliche Grundstück für die Klägerin unmit-
telbar bahnnotwendig gewesen sei; jedenfalls sei es von ihr nicht ausschließlich ge-
nutzt worden. Unter ausschließlicher Nutzung sei eine vollständige Nutzung zu ver-
stehen. Soweit eine teilweise bahnnotwendige Nutzung durch die Klägerin - ver-
bunden mit einer teilweisen Fremd- oder Nicht-Nutzung (Leerstand) - vorgelegen ha-
be (so genannte gemischte Nutzung), könne die Klägerin vom Bundeseisenbahn-
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vermögen nur eine Übertragung der betroffenen Liegenschaften und diese nur inso-
weit beanspruchen, als die Bahnnotwendigkeit nachgewiesen sei. Ein Eigentums-
übergang kraft Gesetzes komme für solche Grundstücke nicht in Betracht.
Eine vollständige Nutzung des in Rede stehenden Grundstücks durch die Klägerin
Anfang 1994 sei nicht festzustellen. Wie die Klägerin vorgetragen habe, sei das
Grundstück zwar zum maßgeblichen Stichtag nur untergeordnet, in einem die An-
wendung des § 21 BENeuglG nicht hindernden Umfang durch Dritte genutzt worden.
Aus den Darlegungen der Klägerin ergebe sich aber auch, dass 22,9 % der Nettoge-
schossfläche (2 115 m
2
von insgesamt 9 240 m
2
) ungenutzt gewesen seien und dass
auf die insgesamt 7 388 m
2
unbebaute Fläche 2 205 m
2
Grünflächen (30 %) entfie-
len. Der hohe Anteil an Freiflächen sei entgegen der von der Klägerin geäußerten
Auffassung nicht durch die Beschaffenheit der Bebauung - etwa als geschlossener
Komplex mit großzügigen Frei- und Verkehrsflächen - bedingt gewesen, sondern sei
durch teilweise Zerstörung der dort früher vorhanden gewesenen geschlossenen Be-
bauung im Krieg entstanden; vor allem die Grünfläche im Bereich Vossstraße/
Wilhelmstraße sei in die 1994 vorhandene Nutzung nicht einbezogen gewesen und
habe ohne weiteres zur anderweitigen Verwertung von dem Grundstück abgetrennt
werden können.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision greift die Klägerin insbesondere die Aus-
legung des § 21 BENeuglG hinsichtlich des Merkmals der Ausschließlichkeit an. Sie
führt aus, das streitbefangene Grundstück sei am 3. Oktober 1990 gemäß Art. 26
Abs. 1 Satz 1 EV auf das Sondervermögen Reichsbahn übergegangen, von dort Be-
standteil des Bundeseisenbahnvermögens geworden und unterliege der bahninter-
nen Vermögensaufteilung nach §§ 20 ff. BENeuglG, in deren Rahmen es nach § 21
BENeuglG auf sie kraft Gesetzes übergegangen sei. Sie beantragt die Aufhebung
des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie des Vermögenszuordnungsbescheides
der Beklagten vom 23. September 1996.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil vor allem unter Hinweis auf die par-
tielle Fremdnutzung des streitbefangenen Anwesens. Diese stünde der Annahme
einer "ausschließlichen Bahnnotwendigkeit" im Sinne des § 21 BENeuglG entgegen,
so dass ein gesetzlicher Eigentumsübergang nach dieser Vorschrift nicht habe erfol-
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gen können. Die Beigeladene verteidigt ebenfalls das Urteil des Verwaltungsgerichts
und bestreitet die Bahnnotwendigkeit des Grundstücks.
II.
Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht
(§ 137 Abs. 1 VwGO). Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Er-
gebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Andererseits reichen die tatsächlichen Feststel-
lungen des Verwaltungsgerichts nicht aus, um im Sinne der Klägerin auf eine Aufhe-
bung des streitbefangenen Vermögenszuordnungsbescheides zu erkennen. Deshalb
ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Verwaltungsge-
richt zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), das die weiteren erfor-
derlichen Feststellungen zu treffen haben wird.
1. Mit Bundesrecht vereinbar ist weder die Annahme des Verwaltungsgerichts, die
Klägerin könne im Hinblick auf die Zuordnung des streitbefangenen Grundstücks an
einen bahnfremden Zuordnungsprätendenten nur dann in ihren Rechten verletzt
sein, wenn diese im Widerspruch zu einem Eigentumsrecht der Klägerin stehe, noch
die Auffassung, eine unbedeutende Nutzung der Liegenschaft durch Dritte hindere
die Anwendung des § 21 BENeuglG nicht.
a) Richtig ist, dass der angefochtene Bescheid die Klägerin jedenfalls dann in eige-
nen Rechten verletzt, wenn er ihrem Eigentumsrecht widersprechen sollte. Dies wäre
der Fall, wenn das Grundstück am 3. Oktober 1990 nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 des
Einigungsvertrages - EV - in das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn und aus
diesem im Wege des gesetzlichen Eigentumsübergangs nach § 21 BENeuglG auf
die Klägerin übergegangen wäre. Die Zuordnung an einen anderen Zuordnungs-
prätendenten würde ihr Eigentumsrecht verletzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn
- wie hier - die Klägerin am Vermögenszuordnungsverfahren beteiligt und der Ver-
mögenszuordnungsbescheid deshalb auch für sie verbindlich ist (§ 2 Abs. 3 VZOG)
und keinen Vorbehalt zu Gunsten der Klägerin als eine "im einzelnen bezeichnete
Beteiligte" enthält (vgl. hierzu Urteil vom 12. Juni 2003 - BVerwG 3 C 2.03 - S. 4 UA).
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Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist hingegen die weitere Annahme des Verwal-
tungsgerichts, die Klägerin könne nur in der vorbezeichneten Fallgestaltung durch
den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt sein. Diese Verengung ver-
kennt die gesetzliche Regelungssystematik und die aus ihr abzuleitende Rechtsposi-
tion der Klägerin.
Wem letztlich ein bestimmter Vermögensgegenstand zuzuordnen ist, ergibt sich aus
dem Zusammenspiel der vermögenszuordnungsrechtlichen Bestimmungen des Eini-
gungsvertrages einschließlich des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG - mit den
§§ 20 ff. BENeuglG. Während der erste Normenkomplex die vorrangige Frage regelt,
ob überhaupt eine Vermögenszuordnung an den (untechnisch gesprochen) Bahnbe-
reich erfolgen kann und hierfür mit den Sätzen 1 und 2 des Art. 26 Abs. 1 EV zwei
Möglichkeiten eröffnet, betrifft der zweite Normenkomplex die daran anknüpfende
bahninterne Aufteilung von Vermögensgegenständen zwischen dem Bundeseisen-
bahnvermögen und der Klägerin. Zentrales, die bahninterne Aufteilung steuerndes
Tatbestandsmerkmal ist das der "Bahnnotwendigkeit" von Vermögenswerten. An-
knüpfend an die Grundnorm des § 20 Abs. 1 Satz 1 BENeuglG, derzufolge bahnnot-
wendige Liegenschaften oder sonstiges bahnnotwendiges Vermögen auf die Kläge-
rin zu übertragen sind, differenzieren diese Regelungen in dreifacher Weise: Unmit-
telbar und ausschließlich bahnnotwendige Liegenschaften gehen kraft Gesetzes auf
die Klägerin mit dem Tag ihrer Eintragung in das Handelsregister über (§ 21
BENeuglG); nicht bahnnotwendige Liegenschaften verbleiben beim Bundeseisen-
bahnvermögen (§ 20 Abs. 3 BENeuglG); nicht unmittelbar und ausschließlich bahn-
notwendige Liegenschaften sind auf die Klägerin insoweit zu übertragen, als ihre
Bahnnotwendigkeit nachgewiesen ist (§ 20 Abs. 2 BENeuglG). Im Rahmen der Sät-
ze 1 und 2 des Art. 26 Abs. 1 EV und der §§ 20 ff. BENeuglG sind demnach insge-
samt sechs unterschiedliche Fallgestaltungen denkbar. Von diesen können im vorlie-
genden Zusammenhang die der nicht bahnnotwendigen Liegenschaften von der wei-
teren Betrachtung ausgenommen werden. Da insoweit kein Anspruch der Klägerin
auf diese Liegenschaften bestehen kann, scheidet eine Verletzung in eigenen Rech-
ten durch die Zuordnung derartiger Liegenschaften an einen anderen Zuordnungs-
prätendenten aus. Von den verbleibenden vier Fallgestaltungen hat das Verwal-
tungsgericht sich nur mit der Kombination von Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV und § 21
BENeuglG befasst. Nicht bedacht hat es hingegen das mögliche Zusammenspiel von
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Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV und § 21 BENeuglG bzw. § 20 Abs. 2 BENeuglG sowie von
Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV und § 20 Abs. 2 BENeuglG mit der sich hieraus ergebenden
Konsequenz, dass die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid auch dann in
ihren Rechten insoweit verletzt wird, als sie "nur" einen Eigentumsverschaffungsan-
spruch nach § 20 Abs. 2 BENeuglG für sich in Anspruch nehmen kann.
aa) Die Klägerin kann durch die Zuordnung einer von ihr beanspruchten Liegenschaft
an einen anderen Zuordnungsprätendenten auch dann in ihren Rechten verletzt sein,
wenn ein Fall des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV vorliegen sollte. Für diesen Fall schreibt
§ 23 Abs. 1 Satz 4 BENeuglG die Entscheidung durch Zuordnungsbescheid nach
dem Vermögenszuordnungsgesetz vor und weicht damit von dem in § 23 Abs. 1
Satz 1 BENeuglG vorgesehenen Verfahren der bahninternen Aufteilung von Vermö-
gensgegenständen durch einen vom Bundeseisenbahnvermögen zu erlassenden
Übergabebescheid ab, weil dieses Verfahren auf die bloße Umverteilung des Bun-
deseisenbahnvermögens begrenzt sein soll und die Fälle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2
EV diesen Rahmen sprengen würden (BTDrucks 12/4609 S. 73). In dem so-
mit nach dem Vermögenszuordnungsgesetz durchzuführenden Verfahren kann nach
§ 18 Abs. 1 Satz 1 VZOG eine Zuordnung unmittelbar an die Klägerin erfolgen. Um-
gekehrt bedeutet dies, dass die Klägerin - rechtzeitige Antragstellung nach § 18
Abs. 1 Satz 3 VZOG sowie das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen unterstellt -
einen Anspruch auf Zuordnung eines bestimmten Vermögensgegenstandes gegen
die Zuordnungsbehörde hat. Dabei hat die Zuordnungsbehörde auch die Regelungen
der §§ 20 ff. BENeuglG zu berücksichtigen, da sie anderenfalls gar nicht entscheiden
könnte, ob eine Zuordnung im Falle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV etwa an das Bun-
deseisenbahnvermögen oder die Klägerin zu erfolgen hat. Der Gesetzgeber hat sich
mit der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 4 BENeuglG sowie § 18 Abs. 1 Satz 1 VZOG
für die Fälle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV ganz offenkundig dafür entschieden, die
Vermögenszuordnung einschließlich der bahninternen Aufteilung der in Betracht
kommenden Vermögensgegenstände abschließend durch die nach dem Vermö-
genszuordnungsgesetz zuständige Behörde vornehmen zu lassen. Ordnet diese eine
von der Klägerin beanspruchte Liegenschaft einem anderen Zuordnungsprätenden-
ten zu und vereitelt damit den von der Klägerin reklamierten Zuordnungsanspruch,
so wird diese - sofern sich der von ihr erhobene Anspruch im Ergebnis bestätigen
sollte - in ihren Rechten verletzt. Diese Rechtsverletzung besteht zum einen, wenn
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es sich um eine unmittelbar und ausschließlich bahnnotwendige Liegenschaft im
Sinne des § 21 BENeuglG handelt, sie besteht zum anderen aber auch, wenn und
soweit der Klägerin ein Eigentumsverschaffungsanspruch nach § 20 Abs. 2 BE-
NeuglG zusteht.
bb) Entsprechendes gilt im Falle des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m. § 20 Abs. 2
BENeuglG. In diesem Falle entscheidet das Bundeseisenbahnvermögen über die
bahninterne Zuordnung und erlässt nach Maßgabe des § 23 BENeuglG einen Über-
gabebescheid, der bei gemischt genutzten Grundstücken zu einer teilweisen Zuord-
nung an die Klägerin führen müsste. Eine Abschrift des Übergabebescheides ist an
den zuständigen Präsidenten der Oberfinanzdirektion zu übersenden (§ 23 Abs. 2
Satz 3 BENeuglG), der das Grundbuchamt um Eintragung einer Vormerkung zu
Gunsten eines anderen Zuordnungsprätendenten ersuchen kann (§ 23 Abs. 4 Satz 2
BENeuglG). Ordnet dieser das Grundstück sodann einem anderen Zuordnungs-
prätendenten etwa in der Annahme zu, es liege ein Fall des Art. 21 Abs. 1 EV vor,
kann die Klägerin deshalb in ihren Rechten verletzt sein, weil sich ihr Eigentumsver-
schaffungsanspruch durch die Entscheidung des Bundeseisenbahnvermögens schon
weiter verdichtet hat.
Im Ergebnis nichts anderes gilt, wenn das Bundeseisenbahnvermögen - aus welchen
Gründen auch immer - noch keine Entscheidung über die bahninterne Zuordnung
getroffen hat. Unproblematisch ist es, wenn im Rahmen des Zuordnungsverfahrens
schon die Zuordnungsbehörde zu dem Ergebnis gelangt, es liege ein Fall des Art. 26
Abs. 1 Satz 1 EV vor: In Ermangelung einer dem § 18 Abs. 1 Satz 1 VZOG ver-
gleichbaren Vorschrift kann sie zwar keine direkte Zuordnung an die Klägerin vor-
nehmen; vielmehr wird die Zuordnung an das Bundeseisenbahnvermögen erfolgen,
das sodann nach Maßgabe der §§ 20 ff. BENeuglG die bahninterne Verteilung vor-
zunehmen hat.
Erfolgt die Zuordnung hingegen - wie etwa im vorliegenden Fall nach Art. 21 Abs. 1
EV - an einen anderen Zuordnungsprätendenten, kann die Klägerin in ihrem sich aus
Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m. § 20 Abs. 2 BENeuglG ergebenden Eigentumsver-
schaffungsanspruch verletzt sein. Die Klägerin kann zwar auf dieser Grundlage von
der Zuordnungsbehörde nicht die direkte Zuordnung des fraglichen Grundstücks an
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sich selbst verlangen, da § 18 Abs. 1 Satz 1 VZOG nur die Fälle des Art. 26 Abs. 1
Satz 2 EV betrifft, jedoch kann die Klägerin aus den bereits dargelegten Gründen
ihren Eigentumsverschaffungsanspruch der anderweitigen Zuordnung entgegenset-
zen. Damit stellt sie der Zuordnungsentscheidung letztlich eine noch stärkere
Rechtsposition entgegen, als sie durch Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV vermittelt wird. Wäh-
rend im Anwendungsbereich dieser Vorschrift der Eigentumsübergang gemäß § 18
Abs. 1 Satz 1 VZOG durch einen Vermögenszuordnungsbescheid zu erfolgen hat,
sieht Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV bereits einen gesetzlichen - also unbedingten - Eigen-
tumsübergang vor. Darüber hinaus sind die §§ 20 ff. BENeuglG von dem Gedanken
geprägt, der Klägerin diejenigen Liegenschaften zukommen zu lassen, die sie zur
Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. Das sind sämtliche bahnnotwendigen Liegenschaf-
ten. Sähe man die Klägerin durch die Zuordnung an einen bahnfremden Zuord-
nungsprätendenten und die hierdurch eintretende Vereitelung ihres Eigentumsver-
schaffungsanspruchs nicht als in ihren Rechten verletzt an, könnte sie eine solche
Zuordnung nicht mit Aussicht auf Erfolg abwehren. Dies hätte zur Folge, dass eine
bahnnotwendige Liegenschaft dauerhaft der Klägerin entzogen wäre, was dem
Zweck der §§ 20 ff. BENeuglG erkennbar zuwider laufen würde.
b) Ebenfalls mit Bundesrecht nicht in Einklang steht die Auffassung des Verwal-
tungsgerichts, eine untergeordnete Nutzung der Liegenschaft durch Dritte schließe
die Anwendung des § 21 BENeuglG nicht aus. Das in dieser Vorschrift verwandte
Merkmal der "Ausschließlichkeit" lässt schon nach seinem eindeutigen Wortlaut kei-
nen Raum für eine einschränkende Auslegung. Vielmehr steht jede Fremdnutzung,
sei sie auch noch so geringfügig, der Annahme der Ausschließlichkeit entgegen.
Dies ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Stünden ge-
ringfügige Fremdnutzungen der Subsumtion unter den Begriff der Ausschließlichkeit
nicht entgegen, wäre eine nicht mehr zu handhabende Kasuistik in Bezug auf die zu
tolerierende Geringfügigkeit die Folge. Die dadurch resultierende Unsicherheit wider-
spräche dem vom Gesetz gewollten gesetzlichen Eigentumsübergang in den eindeu-
tigen Fällen. Ein enger, keine Ausnahmen zulassender Maßstab entspricht überdies
der vom erkennenden Senat entwickelten Abgrenzung zwischen Art. 26 Abs. 1
Satz 1 und Satz 2 EV, die maßgeblich auf der Erkenntnis beruht, dass die einem ge-
setzlichen Eigentumsübergang unterliegenden Vermögensgegenstände eindeutig
und ohne weiteres zu identifizieren sein müssen (Urteile vom 26. Mai 1999 - BVerwG
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3 C 27.98 - BVerwGE 109, 128, 130 und vom 24. Oktober 2002 - BVerwG 3 C
42.01 - BVerwGE 117, 125, 128). Schließlich entsteht der Klägerin bei Anlegung die-
ses Maßstabs vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung, ihr die zur Erfüllung
ihrer Aufgaben notwendigen Liegenschaften zukommen zu lassen, kein ins Gewicht
fallender Nachteil, denn soweit diese Bahnnotwendigkeit nachgewiesen ist, erhält sie
die Liegenschaft auch bei nicht-ausschließlicher Bahnnotwendigkeit, wenn auch nicht
kraft Gesetzes, sondern durch konstitutiv wirkenden Übergabe- oder (im Falle des
Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV) Zuordnungsbescheid.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts fand zum maßgeblichen Zeitpunkt
eine Nutzung der Liegenschaft auch durch Dritte statt. Einer Anwendung des § 21
BENeuglG steht im Lichte der vorstehenden Ausführungen bereits dieser Umstand
entgegen, während dies - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - für
eine partielle Nicht-Nutzung des Anwesens (z.B. durch Leerstand oder Freiflächen)
nicht gilt. Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 12. Juni 2003 (BVerwG 3 C
19.02) entschieden hat, ist nämlich eine partielle Nicht-Nutzung gewissermaßen das
Gegenteil einer Nutzung, sodass für sie grundsätzlich andere Maßstäbe gelten müs-
sen als diejenigen, die für die vom erkennenden Senat mehrfach behandelten und
entschiedenen Fälle der gemischten Nutzung gelten.
2. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Er-
gebnis richtig im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO. Da das Verwaltungsgericht aus-
drücklich davon abgesehen hat, abschließende Feststellungen zum Vorliegen der
Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV zu treffen, und es ausgehend von sei-
nem Rechtsstandpunkt die Vorschriften der Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV und § 20 Abs. 2
BENeuglG nicht in den Blick genommen und folglich hierzu gleichfalls keine
Feststellungen getroffen hat, kann der Senat derzeit weder die objektive Rechtmä-
ßigkeit des Bescheides beurteilen noch auf dieser Grundlage eine Verletzung der
Klägerin in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten abschließend verneinen.
Aus dem gleichen Grunde ist der Senat auch nicht im Stande, den angefochtenen
Bescheid aufzuheben. Vielmehr ist der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zu-
rückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), weshalb sich auch Ausführun-
gen zu den von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen erübrigen.
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Bei seiner erneuten Befassung mit der Sache wird das Verwaltungsgericht zunächst
festzustellen haben, ob das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn oder nachfol-
gend das Bundeseisenbahnvermögen und die Beigeladene sich noch vor Eintragung
der Klägerin in das Handelsregister wirksam im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG
über die Zuordnung des streitbefangenen Grundstücks geeinigt haben, wozu auch
ein Verzicht auf die Geltendmachung eigener Zuordnungsansprüche ausreichend
wäre (vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. Juli 2002 - BVerwG 3 C 30.01 - Buchholz
428.2 § 2 VZOG Nr. 13 = VIZ 2002, 678). Eine derartige Einigung wäre nicht wegen
eines etwaigen Verstoßes gegen § 63 Abs. 3 Satz 1 der Bundeshaushaltsordnung
- BHO - gemäß § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Diese haushaltsrechtli-
che Bestimmung kann als Verbotsgesetz deshalb nicht angesehen werden, weil § 61
Abs. 3 Satz 3 BHO unter bestimmten Voraussetzungen von der in Satz 1 normierten
Verpflichtung zur Werterstattung abweichende Verwaltungsvereinbarungen erlaubt
und es deshalb an der für ein Verbotsgesetz erforderlichen Voraussetzung fehlt,
dass der mit dem Verstoß erreichte Rechtserfolg durch die verletzte Rechtsnorm un-
bedingt ausgeschlossen, d.h. strikt und ausnahmslos untersagt ist (vgl. Bonk in
Stelkens/ Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 59 Rz. 52 ff.).
Da die Einigung nach § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG Vorrang vor der ansonsten anzuwen-
denden Verfahrensweise hat, wäre in diesem Fall für weitere Überlegungen, wem
das Grundstück ansonsten hätte zugeordnet werden müssen, kein Raum mehr.
Lässt sich eine solche Einigung nicht feststellen, kommt es darauf an, ob das streit-
befangene Grundstück am maßgeblichen Stichtag nach Art. 26 Abs. 1 EV in das
Sondervermögen Deutsche Reichsbahn gefallen ist. Nur wenn dies der Fall ist, kann
die Klägerin dem angefochtenen Bescheid eigene Rechte entgegensetzen. Sollte
das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass ein Fall von Art. 26 Abs. 1
EV nicht vorliegt, wäre die Klage abzuweisen.
Dabei wird das Verwaltungsgericht zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des
Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV oder des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV vorliegen. Denn die Klä-
gerin kann in dem einen wie dem anderen Fall einen Eigentumsverschaffungsan-
spruch nach § 20 Abs. 2 BENeuglG haben, den sie dem Zuordnungsbescheid ent-
gegensetzen kann. Feststellungen und Überlegungen zum Vorliegen der Vorausset-
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zungen des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV erübrigen sich, falls das Verwaltungsgericht
feststellen sollte, dass ein Vermögenszuordnungsantrag nicht innerhalb der Frist des
§ 18 Abs. 1 Satz 3 VZOG (30. Juni 1994) gestellt worden ist (vgl. zur Antragsfrist den
Beschluss vom 2. Oktober 2002 - BVerwG 3 B 76.02 - Buchholz 111 Art. 26 EV
Nr. 9).
Die Klägerin wird durch den angefochtenen Zuordnungsbescheid aber dann nicht in
ihren Rechten verletzt, wenn sie selbst sich mit der Beigeladenen wirksam im Sinne
des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG über die Vermögenszuordnung geeinigt haben sollte,
wovon jedenfalls der Vermögenszuordnungsbescheid der Beklagten ausgeht. Sollte
das Verwaltungsgericht eine solche Einigung nicht feststellen können, wird es der
Frage nachzugehen haben, ob das Bundeseisenbahnvermögen nach Eintragung der
Klägerin in das Handelsregister eine entsprechende Übereinkunft mit der Beigelade-
nen wirksam und mit Wirkung gegen die Klägerin getroffen hat. Das wäre allenfalls
unter der Voraussetzung möglich, dass ein Fall des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m.
§ 20 Abs. 2 BENeuglG vorliegen sollte. Hingegen scheidet eine zu Lasten der Kläge-
rin wirkende Einigung aus, wenn diese die Zuordnung des Grundstücks nach Art. 26
Abs. 1 Satz 2 EV beanspruchen kann. In diesem Fall hat sie einen eigenen gegen
die Vermögenszuordnungsbehörde gerichteten Zuordnungsanspruch, über den das
Bundeseisenbahnvermögen nicht zu Lasten der Klägerin hätte verfügen können.
Darüber hinaus müsste die Klägerin eine nach ihrer Eintragung in das Handelsregis-
ter zwischen dem Bundeseisenbahnvermögen und einem anderen Zuordnungsprä-
tendenten erzielte Einigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG auch im Falle des
Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m. § 21 BENeuglG nicht gegen sich gelten lassen, weil
sie dann mit ihrer Eintragung in das Handelsregister Eigentümerin der betreffenden
Liegenschaft geworden wäre.
Prof. Dr. Driehaus
van Schewick Dr. Borgs-Maciejewski
Richter am Bundesverwaltungs-
Liebler
gericht Dr. Brunn ist wegen Ab-
ordnung an das Bundesministerium
für Justiz an der Unterzeichnung
verhindert.
Prof. Dr. Driehaus
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € fest-
gesetzt (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG).
Prof. Dr. Driehaus
van Schewick Dr. Borgs-Maciejewski
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Vermögenszuordnungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
ENeuOG
Art. 1
BENeuglG §§ 1, 2, 20 Abs. 1 bis 3, §§ 21, 23 Abs. 1 Satz 4
EV
Art. 26 Abs. 1 Sätze 1 und 2
VwGO
§ 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1
VZOG
§ 2 Abs. 1 Satz 6
Stichworte:
Sondervermögen Reichsbahn; Reichsbahn, Sondervermögen; Bundeseisenbahn-
vermögen; Eigentumsübergang kraft Gesetzes; gesetzlicher Eigentumsübergang;
bahnnotwendige Nutzung; ausschließlich bahnnotwendige Nutzung; unmittelbar
bahnnotwendige Nutzung; Übertragungsverpflichtung des Bundeseisenbahnvermö-
gens; Nicht-Nutzung (Leerstand); partielle anderweitige Nutzung; Nutzung, partielle
anderweitige bzw. Nicht-Nutzung; Einigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG;
Rechtsverletzung (im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); Klagebefugnis wegen
Vereitelung eines gesetzlichen Übertragungsanspruchs.
Leitsätze:
Durch die Zuordnung einer Liegenschaft an einen anderen Zuordnungsprätendenten
wird die Deutsche Bahn AG in ihren Rechten nicht nur dann verletzt, wenn das Ei-
gentum an der Liegenschaft gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV in Verbindung mit § 21
BENeuglG kraft Gesetzes auf sie übergegangen ist, sondern auch dann, wenn sie im
Falle des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EV im Vermögenszuordnungsverfahren die Zuord-
nung der Liegenschaft nach den §§ 20 ff. BENeuglG beanspruchen kann oder sie
einen Eigentumsverschaffungsanspruch gegen das Bundeseisenbahnvermögen hat
(Fall des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV in Verbindung mit § 20 Abs. 2 BENeuglG).
Der "ausschließlichen Bahnnotwendigkeit" im Sinne des § 21 BENeuglG steht auch
eine geringfügige Fremdnutzung der Liegenschaft durch Dritte entgegen.
Urteil des 3. Senats vom 19. August 2003 - BVerwG 3 C 30.02
I. VG Berlin vom 01.02.2002 - Az.: VG 3 A 1712.96 -