Urteil des BVerwG vom 21.06.2007

Eigentum, Gemeinde, Grundsteuer, Sicherheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet
BVerwG 3 C 29.06
am 21. Juni 2007
VG 15 A 277.01
Zweigler
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette,
Liebler und Prof. Dr. Rennert
für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. De-
zember 2005 wird geändert. Der Bescheid des Oberfi-
nanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Berlin vom
30. Juli 2001 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Aus-
nahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst
trägt.
G r ü n d e :
I
Die klagende Gemeinde und die beigeladene Bodenverwertungs- und -ver-
waltungsgesellschaft streiten um die Zuordnung ehemaliger Wege- und Gra-
bengrundstücke. Die Flurstücke waren 1913 in die Grundsteuer-Mutterrolle ein-
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getragen und dort als öffentliche Wege bzw. Gräben bezeichnet worden; ein
Eigentümer war nicht vermerkt. 1962 wurden sie in das Eigentum des Volkes
überführt, Rechtsträger wurde der Rat der Gemeinde. Wie die umliegenden
Grundstücke wurden sie von einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossen-
schaft genutzt; dabei wurden die Wege und Gräben untergepflügt.
Mit Bescheid vom 4. März 1994 wurden die Grundstücke auf der Grundlage
einer dahingehenden Einigung der Klägerin zugeordnet. An diesem Verfahren
war die Beigeladene nicht beteiligt. Auf deren Antrag vom 25. Juli 2000 hin hob
die Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2001 den Bescheid vom 4. März 1994
auf, lehnte den Restitutionsantrag der Klägerin ab und ordnete die Grundstücke
der Beigeladenen zu.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die gegen diesen Änderungsbescheid ge-
richtete Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 4. März 1994 sei rechtswidrig.
Das ergebe sich bereits daraus, dass die Beigeladene an der zugrunde liegen-
den Einigung nicht beteiligt gewesen sei. Der Restitutionsantrag der Klägerin
sei auch zu Recht abgelehnt worden, da diese ihr Alteigentum an den
Grundstücken nicht nachgewiesen habe. Weder deren Buchungsfreiheit noch
der Vermerk „Öffentliche Wege und Gräben“ in der Grundsteuer-Mutterrolle
begründe die Vermutung, dass allein die Gemeinde Eigentum an den Flurstü-
cken gehabt haben könne; vielmehr sei auch Privateigentum Dritter möglich.
Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das Verwaltungsge-
richt habe die Anforderungen an den Nachweis ihres Alteigentums überspannt.
Weil die Grundstücke buchungsfrei gewesen seien, befinde sie sich heute in
Beweisnot. Dem müsse Rechnung getragen werden, indem den Eintragungen
in der Grundsteuer-Mutterrolle Indizwirkung zuerkannt werde.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Die Beigeladene verteidigt das angefochtene Urteil. Sie trägt vor, dass die Ein-
tragung in die Grundsteuer-Mutterrolle keine Vermutung für kommunales Altei-
gentum ergebe. Vielmehr seien verschiedene Eigentümer denkbar, so dass die
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Klägerin für ihren Restitutionsanspruch beweisfällig geblieben sei. Im Übrigen
diene Art. 21 Abs. 3 EV nicht dazu, den Kommunen heute ein Wege- und Ge-
wässernetz zu verschaffen, welches ohnehin nicht mehr existiere. Außerdem
seien die Wege, wie sich den Flurkarten entnehmen lasse, ihrerseits nicht an
öffentliche Wege angebunden, so dass für deren Erschließung Notwegerechte
erforderlich würden. Diese Tatsachen führten jedoch zu einem Ausschluss der
Rückübertragung entsprechend § 4 VermG.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt
sich am Verfahren. Er hält die Revision für begründet. Das Verwaltungsgericht
habe nicht beachtet, dass der „Gemeinsamen Anweisung” der Minister der Fi-
nanzen und des Innern der DDR vom 11. Oktober 1961, auf deren Grundlage
die Übertragung in Eigentum des Volkes erfolgt sei, Indizwirkung für das Altei-
gentum der Belegenheitskommunen zukomme.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Kla-
ge stattgeben müssen.
1. Vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin in der Hauptsache die Aufhe-
bung des Änderungsbescheides der Beklagten vom 30. Juli 2001 und hilfsweise
deren Verpflichtung beantragt, die strittigen Grundstücke ihr zuzuordnen. Im
Revisionsverfahren hat sie sich mit Recht auf den Hauptantrag beschränkt. Er-
weist sich der Änderungsbescheid als rechtswidrig und wird er infolgedessen
aufgehoben, so tritt der Zuordnungsbescheid vom 4. März 1994 wieder in Gel-
tung, der zugunsten der Klägerin lautete.
Dem steht auch nicht der „Sammelzuordnungsbescheid“ vom 18. Juni 1996
entgegen, durch den zahlreiche Flurstücke, darunter auch die hier strittigen, auf
die Beigeladene übertragen wurden. Dieser Bescheid stellt keine Vermögens-
zuordnung im Sinne der Art. 21, 22 EV und des Vermögenszuordnungsgeset-
zes dar. Ihm kommt vielmehr lediglich verwaltungstechnische Bedeutung zu.
Die Beigeladene hatte zuvor die landwirtschaftlichen Liegenschaften aus dem
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Beitrittsgebiet lediglich im Namen und für Rechnung der Treuhandanstalt ver-
waltet und verwertet; aufgrund eines Vertrages vom 5. Juni 1996 sollte sie sie
nunmehr im eigenen Namen und für eigene Rechnung verwalten und verwer-
ten. Zu diesem Zweck wurden ihr in den Folgetagen durch eine große Zahl von
Sammelzuordnungsbescheiden sämtliche landwirtschaftlichen Liegenschaften
aus dem bisherigen Vermögen der Treuhandanstalt übertragen. Das diente
lediglich dem Rechtsträgerwechsel, nicht aber einer Zuordnung unter Prüfung
der äußeren Zuordnungsrechtslage. Der Sammelzuordnungsbescheid erfasste
mithin nur diejenigen Grundstücke, die sich tatsächlich im Vermögen der Treu-
handanstalt befunden hatten; führte er weitere Grundstücke auf, so handelt es
sich um eine bloße Falschbezeichnung ohne rechtliche Wirkung.
2. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass der Bescheid vom 4. März
1994 nicht auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG hätte ergehen dür-
fen. Das trifft zu. Nach dieser Vorschrift ergeht bei vorheriger Einigung der Be-
teiligten ein dieser Absprache entsprechender Bescheid. Die Vorschrift lässt die
Einigung der formell am Verfahren Beteiligten noch nicht genügen, sondern
setzt eine Einigung der materiell Beteiligten voraus, also eine Einigung aller
möglicherweise Zuordnungsberechtigten. Wird ein möglicher Berechtigter nicht
formell am Zuordnungsverfahren beteiligt, so stellt eine Einigung unter den tat-
sächlich formell am Verfahren Beteiligten keine Einigung im Sinne von § 2
Abs. 1 Satz 6 VZOG dar. So lag der Fall hier: Der Bund als möglicher Zuord-
nungsberechtigter hat sich durch die Bundesvermögensverwaltung (Bundes-
vermögensamt) vertreten lassen, nicht hingegen durch die Treuhandanstalt.
Das war falsch; weil es sich im Jahre 1990 um volkseigene landwirtschaftliche
Nutzflächen handelte, die sich im Besitz einer Landwirtschaftlichen Produkti-
onsgenossenschaft befanden, sind sie nach § 3 3. DVO-TreuhG in die treu-
händerische Verwaltung der Treuhandanstalt und nicht etwa in die unmittelbare
Liegenschaftsverwaltung des Bundes übergegangen.
3. Die Beklagte durfte den Bescheid vom 4. März 1994 gleichwohl nicht aufhe-
ben, weil er - auch ungeachtet der Einigung unter den seinerzeitigen Verfah-
rensbeteiligten - der materiellen Zuordnungsrechtslage entsprach. Der Klägerin
stand ein Anspruch auf Rückübertragung der Grundstücke nach Art. 22 Abs. 1
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Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 EV zu, weil sie bis zu ihrer Überführung in Volksei-
gentum im Jahre 1962 im Eigentum der Gemeinde gestanden hatten. Das hat
das Verwaltungsgericht verkannt.
a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass nicht geklärt sei und sich
auch nicht weiter aufklären lasse, ob die fraglichen Grundstücke im Alteigentum
der Gemeinde gestanden hätten. Alte Grundbücher hätten nicht vorgelegen.
Aus der Nutzung der Grundstücke als Wege und Gräben ließen sich indes
ebenso wenig hinreichend sichere Schlüsse auf kommunales Eigentum ziehen
wie aus den Eintragungen in die Grundsteuer-Mutterrolle.
Damit hat das Verwaltungsgericht die Anforderungen an den Nachweis des
Alteigentums überspannt. Es hat nicht genügend bedacht, dass gerade bei bu-
chungsfreien Liegenschaften - zu denen praktisch sämtliche öffentlichen Stra-
ßen und Wege, auch sämtliche Wasserläufe gehörten - ein direkter Nachweis
der alten Eigentumsverhältnisse in aller Regel heute nicht mehr möglich ist.
Jeder, der sich heute auf sein Alteigentum an solchen Liegenschaften beruft,
befindet sich deshalb in Beweisnot. Als Beweismittel kommen praktisch nur
Indizien sowie Rückschlüsse aus allgemeinen Feststellungen in Betracht. Die-
sem Umstand muss durch eine angemessene Einschätzung des zu fordernden
Beweismaßes Rechnung getragen werden.
b) Dies führt im vorliegenden Fall zu der Annahme, dass die fraglichen
Grundstücke bei ihrer Überführung in Volkseigentum im Jahre 1962 im Eigen-
tum der Gemeinde standen. Zwar begründet die Buchungsfreiheit für sich ge-
nommen noch keine hinreichende tatsächliche Vermutung für kommunales Ei-
gentum. Vielmehr kommt alternativ sonstiges Privateigentum in Betracht. Die
dabei möglichen Alternativen sind hier jedoch mit hinlänglicher Sicherheit aus-
zuschließen. Die hierzu nötigen Feststellungen betreffen allgemeinkundige Tat-
sachen, so dass das Revisionsgericht sie selbst treffen kann (vgl. Urteil vom 28.
Februar 2007 - BVerwG 3 C 38.05 - m.w.N.).
aa) Unter welchen Voraussetzungen Grundstücke buchungsfrei bleiben konn-
ten, war bei Kriegsende durch § 3 Abs. 2 Buchst. a der Grundbuchordnung
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(GBO) geregelt. Diese Bestimmung ist bei der Neufassung der Grundbuchord-
nung durch das Gesetz vom 5. August 1935 (RGBl I S. 1073) eingefügt worden.
Bis dahin war die Buchungsfreiheit auf Grund des Vorbehalts in § 90 GBO a.F.
landesrechtlich geregelt. Dabei hat § 3 Abs. 2 Buchst. a GBO im Wesentlichen
die vorherige preußische Rechtslage übernommen, die sich aus Art. 1 der
königlichen Verordnung vom 13. November 1899 (GS. S. 519) i.d.F. des § 13, §
399 Ziff. 15 des Wassergesetzes vom 7. April 1913 (GS. S. 53) ergab. Bu-
chungsfreiheit von Grundstücken bestand danach entweder wegen der Rechts-
stellung ihres Eigentümers oder wegen ihrer Zweckbestimmung.
Wegen der Rechtsstellung ihres Eigentümers buchungsfrei waren Grundstücke
des Reichs, der Länder, der Gemeinden und anderer Kommunalverbände, der
Kirchen, Klöster und Schulen (d.h. rechtsfähigen Schulverbände). Diese Tatbe-
standsgruppe der Vorschrift verweist hier praktisch nur auf die Gemeinden als
mögliche Eigentümer. Das Reich und das Land (Preußen) waren regelmäßig
nicht Eigentümer von Feldwegen oder Entwässerungsgräben. Eigentum einer
öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft oder eines Klosters kann ohne zu-
sätzliche Anhaltspunkte ebenfalls nicht angenommen werden. Aus demselben
Grund scheiden rechtsfähige Schulverbände hier aus. Denkbar ist allerdings,
dass ein öffentlicher Weg oder ein Graben im Eigentum eines selbständigen
Gutsbezirks oder einer Separationsinteressentengemeinschaft (bzw. Realge-
meinde) stand. Diese genossen jedoch nicht wegen ihrer Rechtsstellung Bu-
chungsfreiheit. Weder Gutsbezirke (vgl. hierzu Stengel, Wörterbuch des Deut-
schen Verwaltungsrechts, Band 1, 1889, Artikel „Gutsbezirk, Gutsvorsteher“)
noch Interessentengemeinschaften wurden als „Gemeinden“ oder als „andere
Kommunalverbände“ im Sinne des § 3 Abs. 2 Buchst. a GBO oder der preußi-
schen Vorläuferbestimmung angesehen (Fuchs/Arnheim, Grundbuchrecht,
Band II, 1908, Anm. 16 zu § 90 GBO; Predari, Grundbuchordnung, 2. Aufl.
1913, Anm. 8 b zu § 3 GBO; Güthes/Triebel, Grundbuchordnung, 5. Aufl. 1929,
Rn. 5, 6 zu § 90 GBO; Meikel/Imhof, Kommentar zur Grundbuchordnung,
4. Aufl. 1940, Rn. 230a zu § 3 GBO).
Wegen ihrer Zweckbestimmung - ohne Rücksicht auf die Rechtsstellung des
Eigentümers - buchungsfrei waren Wasserläufe, öffentliche Wege sowie Bahn-
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grundstücke. Die in Rede stehenden Gräben kommen als „Wasserläufe“ in Be-
tracht. Das - für die Auslegung maßgebliche - preußische Wassergesetz von
1913 hatte einen Graben zwar nur ausnahmsweise dann als Wasserlauf ange-
sehen, wenn er der Vorflut der Grundstücke verschiedener Eigentümer diente
(Güthes/Triebel a.a.O., Rn. 11 zu § 90 GBO; Meikel/Imhof a.a.O., Rn. 234 zu
§ 3 GBO), doch mag das hier erfüllt sein. Und die Grundsteuer-Mutterrolle be-
zeichnet die strittigen Wegegrundstücke ausdrücklich als „öffentliche Wege“,
also als zum öffentlichen Verkehr gewidmete Grundflächen.
Als Eigentümer öffentlicher Wege und Wasserläufe kamen neben der politi-
schen Gemeinde praktisch nur selbständige Gutsbezirke sowie Interessenten-
gemeinschaften (bzw. Realgemeinden) in Betracht. Interessentengemeinschaf-
ten dürften zwar praktisch nirgends Eigentümer „öffentlicher Wege“ gewesen
sein, weil die im Gemeinheitsgut stehenden Feldwege in aller Regel nicht zum
allgemeinen, d.h. öffentlichen Verkehr gewidmet waren, und Wirtschaftswege
waren nicht buchungsfrei (Güthes/Triebel a.a.O., Rn. 10 zu § 90 GBO; Meikel/
Imhof a.a.O., Rn. 235 zu § 3 GBO; jeweils m.w.N.); aber als Eigentümer von
Wasserläufen (Vorflut-Gräben) waren sie denkbar. Und die selbständigen
Gutsbezirke sind zwar in der Folge des preußischen Gesetzes über die Rege-
lung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts vom 27. Dezem-
ber 1927 (GS. S. 211) aufgelöst worden. Doch ist damit nur ihre öffentlich-
rechtliche Wegeunterhaltungslast auf die Gemeinden übergegangen, das Pri-
vateigentum der Gutsherren an den Wegegrundstücken blieb unberührt (vgl.
§ 12 Abs. 2 des Gesetzes sowie Delius, Die Landgemeinde 1928, S. 53 f.), so
dass auch gutsherrliches Privateigentum weiterhin in Betracht zu ziehen ist.
Sonstiges Privateigentum war zwar rechtlich nicht ausgeschlossen, praktisch
aber derart selten, dass es vernachlässigt werden kann.
bb) Die beiden aufgezeigten Alternativen zu kommunalem Eigentum sind hier
mit hinlänglicher Sicherheit auszuschließen.
Gegen die Annahme, die Wege und Gräben könnten im privaten Eigentum ei-
nes Gutsherren gestanden haben, spricht, dass Naunhof nach der unwider-
sprochenen Darlegung der Klägerin zu keinem selbständigen Gutsbezirk gehört
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hatte, sondern im 19. Jahrhundert amtsangehörige Landgemeinde in der preu-
ßischen Provinz Sachsen war. Dagegen spricht ferner, dass die umstrittenen
Grundstücke nach dem Zweiten Weltkrieg nicht von Maßnahmen der Bodenre-
form betroffen waren. Hätten sie unverändert im Eigentum eines privaten Guts-
herrn gestanden, so wären sie wahrscheinlich im Zuge der Bodenreform ent-
eignet worden. Stattdessen wurden sie erst 1962 in Volkseigentum überführt,
und zwar auf der Grundlage der „Gemeinsamen Anweisung über die Berichti-
gung der Grundbücher und Liegenschaftskataster für Grundstücke des ehema-
ligen Reichs-, Preußen-, Wehrmachts-, Landes-, Kreis- und Gemeindevermö-
gens“ vom 11. Oktober 1961 (Schriftenreihe des BARoV, Heft 7, Dok. 24). Die-
sem Umstand kommt zusätzliche indizielle Bedeutung für kommunales Altei-
gentum zu; denn er verdeutlicht die Auffassung der DDR, dass es sich bei dem
hiervon betroffenen Grundbesitz um Eigentum der öffentlichen Hand handelte,
für das grundsätzlich Eigentum des Volkes eingetragen werden sollte (vgl.
BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - III ZR 121/02 - BGHZ 153, 258).
Auch Voreigentum von Interessentengemeinschaften ist auszuschließen. Das
Gebiet der Klägerin gehörte nach Kriegsende zum Land Brandenburg. Dort
wurden die Gemeinschaften der Separationsinteressenten durch Gesetz vom
11. Mai 1951 (GVBl S. 8) aufgelöst, ihr Vermögen wurde in das Eigentum der
politischen Gemeinden überführt. Ehemaliges Gemeinheitseigentum solcher
altrechtlicher Gemeinschaften stand damit seit 1952 im Eigentum der politi-
schen Gemeinde. Sollten im vorliegenden Falle buchungsfreie Gräben und
Wege also im Eigentum von Separationsinteressenten gestanden haben, so
wären sie 1952 ins Eigentum der Rechtsvorgängerin der Klägerin gelangt. Die
Klägerin ist - entgegen der Ansicht der Beigeladenen - auch nicht gehindert,
sich auf dieses Eigentum zu berufen (Urteil vom 14. Juni 2006 - BVerwG 3 C
18.05 - BVerwGE 126, 114).
4. Die Beigeladene hält die Restitution an die Gemeinde aufgrund einer ent-
sprechenden Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG für ausgeschlossen,
weil die Wege - wie sich den Flurkarten entnehmen lasse - ihrerseits nicht an
öffentliche Wege angebunden seien, so dass für deren Erschließung Notwege-
rechte erforderlich würden. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört
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werden. Die diesbezüglichen Tatsachen hätte sie schon bei Einleitung des Ver-
waltungsverfahrens im Jahre 2000, spätestens aber beim Verwaltungsgericht
vorbringen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Kley van Schewick Dr. Dette
Liebler Prof. Dr. Rennert
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Vermögenszuordnungsrecht
Fachpresse: nein
Rechtsquellen:
EV
Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 7
VZOG
§ 2 Abs. 1 Satz 6
Stichworte:
Vermögenszuordnung; öffentliche Restitution; Rückübertragung; Alteigentum;
Buchungsfreiheit von Grundstücken; Wegegrundstück; Grabengrundstück;
Gemeinde; Interessentengemeinschaft; Gutsbezirk; Bodenreform; Beweisnot;
Beweismaß.
Leitsatz:
Eine Gemeinde, die ihr früheres Eigentum an ehemaligen Wege- und Graben-
grundstücken wegen deren Buchungsfreiheit nicht nachweisen kann, ist als
Restitutionsberechtigte anzusehen, wenn mit hinlänglicher Sicherheit auszu-
schließen ist, dass die Grundstücke bei deren Überführung in Volkseigentum im
Eigentum eines anderen gestanden haben.
Urteil des 3. Senats vom 21. Juni 2007 - BVerwG 3 C 29.06
I. VG Berlin vom 15.12.2005 - Az.: VG 15 A 277.01 -