Urteil des BVerwG vom 30.08.2012

Apotheker, Arzneimittel, Genehmigung, Notfall

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 24.11
OVG 13 A 123/09
Verkündet
am 30. August 2012
Harnisch
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß
für Recht erkannt:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 19. Mai 2011 wird geändert.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichts Münster vom 9. Dezember 2008 wird zu-
rückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Re-
visionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die apothekenrechtliche Genehmigung
für einen Arzneimittel-Versorgungsvertrag mit einem Krankenhaus in Bremen.
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Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und Inhaberin der Erlaubnis zum
Betrieb einer Krankenhausapotheke. Die Apotheke hat ihren Sitz in Ahlen bei
Münster. Die Klägerin beabsichtigt, auch ein Krankenhaus in Bremen über ihre
Krankenhausapotheke mit Arzneimitteln zu versorgen. Zu diesem Zweck
schloss sie mit der Trägerin des Bremer Krankenhauses im Februar 2006 einen
Versorgungsvertrag. Hiernach war die Krankenhausapotheke (u.a.) verpflichtet,
das Krankenhaus mit Arzneimitteln zu beliefern und Aufgaben der pharmazeuti-
schen Beratung wahrzunehmen. Vorgesehen war eine Belieferung dreimal pro
Woche; applikationsfertige Zytostatika-Zubereitungen sollten werktäglich mit
einer eigenen Versorgungstour nach Bremen gefahren werden. Des Weiteren
bestimmte der Vertrag, dass besonders dringlich benötigte Arzneimittel unver-
züglich, gegebenenfalls mit einer gesondert organisierten Taxifahrt zu liefern
seien. Vereinbart war außerdem die Einrichtung eines verbrauchsstellenunab-
hängigen Notdepots auf der Intensivstation, das mit selten gebrauchten le-
benswichtigen Arzneimitteln beliefert werden sollte. Zudem sah der Versor-
gungsvertrag vor, dass der Leiter der Krankenhausapotheke oder ein von ihm
beauftragter Apotheker das Krankenhauspersonal bedarfsgerecht und im Not-
fall unverzüglich beraten würden.
Der Landrat des Kreises Warendorf lehnte die Genehmigung des Versorgungs-
vertrags mit Bescheid vom 10. Mai 2006 ab. Wegen der Entfernung zwischen
der Apotheke in Ahlen und dem zu versorgenden Krankenhaus in Bremen sei
nicht gewährleistet, dass Arzneimittel- und Beratungsleistungen im Notfall un-
verzüglich zur Verfügung gestellt würden. Den Widerspruch der Klägerin wies
die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2007
zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Genehmigung des Versorgungsver-
trags mit Urteil vom 9. Dezember 2008 abgewiesen, weil nicht sichergestellt sei,
dass eine persönliche Beratung durch den Leiter der versorgenden Apotheke
oder den von ihm beauftragten Apotheker im Notfall unverzüglich erfolge. Per-
sönliche Beratung im Sinne von § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 des Apothekengeset-
zes (ApoG) verlange die Anwesenheit des Apothekers im Krankenhaus. Dieser
Genehmigungsvoraussetzung genüge der Versorgungsvertrag nicht; denn er
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qualifiziere die persönliche Beratung durch einen Apotheker als Extraleistung
und lasse nicht erkennen, wie die Klägerin Beratungsleistungen ihrer Apotheker
im Rahmen der normalen Beratungsverpflichtung erbringen werde.
Nach Einlegung der Berufung schloss die Klägerin mit dem Krankenhaus im
September 2009 einen neuen, leicht modifizierten Versorgungsvertrag. Danach
steht ein Apotheker der Krankenhausapotheke einmal wöchentlich vor Ort im
Krankenhaus zur pharmazeutischen Beratung zur Verfügung; im Notfall hat der
Apotheker das Krankenhaus auf dessen Anforderung unverzüglich aufzusu-
chen. Des Weiteren ist nunmehr die Einrichtung eines „umfassenden“ ver-
brauchsstellenunabhängigen Notdepots für selten gebrauchte lebenswichtige
Arzneimittel vorgesehen, dessen Inhalt mit dem ärztlichen Direktor des zu ver-
sorgenden Krankenhauses abgestimmt und von ihm beauftragt wird. Mit Be-
scheid vom 18. Dezember 2009, den die Klägerin zum Gegenstand des Beru-
fungsverfahrens gemacht hat, lehnte der Beklagte auch die Genehmigung des
geänderten Versorgungsvertrags ab. Eine unverzügliche Akutversorgung und
persönliche Beratung sei bei einer Entfernung von 216 km zwischen Apotheke
und Krankenhaus und einer reinen Fahrzeit von 2:24 h nach wie vor nicht ge-
währleistet.
Das Oberverwaltungsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil
vom 19. Mai 2011 geändert und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide
vom 10. Mai 2006, 5. Januar 2007 und 18. Dezember 2009 verpflichtet, der
Klägerin die Genehmigung des Versorgungsvertrags zu erteilen. Die Genehmi-
gungsfähigkeit eines Versorgungsvertrags zwischen einer Apotheke und dem
zu versorgenden Krankenhaus könne nicht davon abhängen, ob die Apotheke
in der Nähe des Krankenhauses liege; denn ein solches Kriterium sei in § 14
Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 und 4 ApoG nicht vorgesehen. Wegen der Aufgabe des Re-
gionalprinzips durch die Gesetzesnovelle zum Apothekengesetz im Jahr 2005
sei kein Raum für die Annahme, § 14 Abs. 5 ApoG setze weiterhin eine gewisse
räumliche Nähe zwischen Apotheke und Krankenhaus voraus. Ob der zur Ge-
nehmigung gestellte Versorgungsvertrag eine hinreichende Arzneimittelversor-
gung und pharmazeutische Beratung gewährleiste, beurteile sich unter Berück-
sichtigung des konkreten Versorgungsauftrags und -bedarfs des Krankenhau-
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ses und der konkreten Vertragsmodalitäten. Danach stehe § 14 Abs. 5 Satz 2
Nr. 3 ApoG der Genehmigung des von der Klägerin mit dem Krankenhaus in
Bremen geschlossenen Versorgungsvertrags nicht entgegen. Mit der Einrich-
tung des Notdepots zusätzlich zu den Arzneimittelvorräten auf den Stationen
des Krankenhauses werde eine optimale Arzneimittelversorgung bewirkt und
den Anforderungen der Norm bereits weitestgehend Rechnung getragen. Selbst
bei einer verantwortungsbewussten vorausschauenden Planung könnten nicht
alle denkbaren Katastrophen- und Großschadensereignisse abgedeckt werden.
Für die medizinischen Leistungen, die das zu versorgende Krankenhaus anbie-
te, erscheine unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte aus der Praxis eine
patientengerechte Arzneimittelbevorratung und -belieferung durch die Kranken-
hausapotheke planbar. Zwar könne sich auch bei sorgsamer Planung eine Not-
fallsituation ergeben, in der ein lebensnotwendiges Arzneimittel im Kranken-
haus nicht zur Verfügung stehe und deshalb nicht kurzfristig einsetzbar sei.
Diese regelmäßig nicht vorhersehbaren Situationen träten aber erfahrungsge-
mäß nur sehr selten auf; ihnen müsse dann mit adäquaten ärztlichen Mitteln
begegnet werden. Der Versorgungsvertrag erfülle auch die Voraussetzungen
des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG. Eine persönliche Beratung im Sinne der
Vorschrift erfordere nicht die Anwesenheit des Apothekers vor Ort im Kranken-
haus. Die Arzneimitteltherapie bei einem Patienten bestimme und verantworte
letztlich allein der Arzt im Krankenhaus. Sollte sich aus ärztlicher Sicht die Not-
wendigkeit einer pharmazeutischen Beratung ergeben, könne sie telefonisch
oder elektronisch erfolgen. Eine telefonische oder elektronische Beratung dürfte
auch der gängigen Praxis im Krankenhaus entsprechen. Aus dem Tatbe-
standsmerkmal einer im Notfall unverzüglichen Beratung lasse sich ebenfalls
nicht ableiten, dass der Apotheker im Krankenhaus anwesend sein müsse;
denn dem Begriff der Unverzüglichkeit wohne ausschließlich ein zeitliches Mo-
ment inne.
Zur Begründung seiner Revision macht der Beklagte geltend: Mit der Aufgabe
der früheren Kreisgrenzenregelung durch die Änderung des Apothekengeset-
zes im Jahr 2005 habe der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, für die Akutversor-
gung mit Arzneimitteln auf das Erfordernis einer räumlichen Nähe zwischen
Apotheke und zu versorgendem Krankenhaus zu verzichten. Schon bei der No-
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vellierung des Apothekengesetzes im Jahr 1980 habe der Gesetzgeber festge-
stellt, dass eine nicht ortsnahe Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern zu
Risiken für die Arzneimittelsicherheit führen könne. An dieser Einschätzung ha-
be sich nichts geändert. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung
werde der nach § 1 Abs. 1 ApoG gebotenen Sicherstellung einer ordnungsge-
mäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung nicht gerecht. Eine unverzügli-
che und bedarfsgerechte Versorgung mit Arzneimitteln sei jedenfalls dann nicht
mehr gewährleistet, wenn wie hier ein Zeitrahmen von mindestens drei Stunden
von der Bestellung des Arzneimittels bis zur Anlieferung im Krankenhaus anzu-
nehmen sei. Das könne auch nicht dadurch ausgeglichen werden, dass der
Versorgungsvertrag die Einrichtung eines verbrauchsstellenunabhängigen Not-
falldepots vorsehe; denn ein solches Depot sei unzulässig. Ein zentrales Arz-
neimittellager im Krankenhaus unter nicht-pharmazeutischer Leitung, auf das
andere Stationen zugreifen könnten, sei nach § 14 Abs. 7 Satz 2 ApoG nicht
gestattet. Aber selbst wenn das Notfalldepot zulässig wäre, erfülle der Versor-
gungsvertrag die Voraussetzungen des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG nicht.
Die gesetzliche Regelung bezwecke, gerade im Falle eines unvorhergesehenen
Bedarfs eine zeitnahe Medikamentenbereitstellung sicherzustellen. Dem werde
das Notdepot nicht gerecht, weil hiermit nur dem vorhersehbaren Notfall vorge-
beugt werden könne. Fehlerhaft sei zudem die Annahme des Berufungsge-
richts, die Beratung nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG könne auf telefoni-
schem oder elektronischem Wege erfolgen. Mit der persönlichen Beratung
durch den Apotheker sei eine Beratung vor Ort gemeint.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält die
Revision für begründet. Die versorgende Apotheke müsse sich in einer Entfer-
nung zum Krankenhaus befinden, die es erlaube, das Krankenhaus in einem
angemessenen Zeitraum unabhängig von der Verkehrssituation mit den zur
akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigten Arzneimitteln
zu beliefern. Im Notfall müsse eine Versorgung ohne nennenswerte Verzöge-
rungen möglich sein. Das sei im Fall der Klägerin wegen der Entfernung von
216 km zwischen Apotheke und Krankenhaus nicht gewährleistet, zumal auf-
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grund des Versorgungswegs über eine stauanfällige Autobahn mit zusätzlichen
Verzögerungen zu rechnen sei. Ein verbrauchsstellenunabhängiges Notdepot
sei keine zulässige Alternative.
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf
einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die mit der Kla-
ge angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig. Der von der Klägerin mit dem
Krankenhaus in Bremen geschlossene Arzneimittel-Versorgungsvertrag ist nicht
genehmigungsfähig. Daher ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zu än-
dern und die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des Verwaltungs-
gerichts zurückzuweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
Wer wie die Klägerin als Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer Kranken-
hausapotheke beabsichtigt, ein weiteres, nicht von ihm selbst getragenes Kran-
kenhaus mit Arzneimitteln zu versorgen, hat dazu mit dem Träger dieses Kran-
kenhauses einen schriftlichen Vertrag zu schließen (§ 14 Abs. 3 ApoG). Der
Vertrag bedarf zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung der zuständigen
Behörde (§ 14 Abs. 5 Satz 1 ApoG). Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn si-
chergestellt ist, dass der Versorgungsvertrag die in § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis
Nr. 6 genannten Voraussetzungen erfüllt. Zutreffend hat das Oberverwal-
tungsgericht angenommen, dass die Entscheidung über die Genehmigung des
Versorgungsvertrags der Verwaltungszuständigkeit des Landes Nordrhein-
Westfalen unterliegt (1.). Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf die begehr-
te Genehmigung, weil der Vertrag weder eine unverzügliche Arzneimittelversor-
gung im Sinne von § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG gewährleistet (2.) noch das
Beratungserfordernis nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG erfüllt (3.).
1. Der Verwaltungszuständigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen steht nicht
entgegen, dass das zu versorgende Krankenhaus in Bremen liegt. Die Bestim-
mung der zuständigen Behörden für Maßnahmen nach dem Apothekengesetz
obliegt den Ländern (Art. 83, Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG). Eine spezielle, zwi-
schen den Bundesländern abgestimmte Regelung darüber, welchem Land im
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Falle eines länderübergreifenden Sachverhalts die Verbandskompetenz zur
Entscheidung nach § 14 Abs. 5 ApoG zukommt, besteht nicht. Die Zuständig-
keit ist daher hilfsweise durch eine entsprechende Anwendung der inhaltlich mit
§ 3 VwVfG übereinstimmenden Landesvorschriften über die örtliche Zuständig-
keit im Verwaltungsverfahren zu bestimmen (vgl. Urteil vom 22. März 2012 -
BVerwG 1 C 5.11 - juris Rn. 18 f.). Hiernach folgt aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG
NRW, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BremVwVfG, dass die Behörden des Landes Nordrhein-
Westfalen berufen sind, über die Genehmigung des Versorgungsvertrags der
Klägerin zu entscheiden; denn die Apotheke, deren Betrieb im Rahmen von
§ 14 Abs. 5 ApoG zur Überprüfung steht, hat ihren Sitz in Ahlen, also im Zu-
ständigkeitsbereich des Beklagten. Dahinstehen kann, ob im Hinblick auf den
Betriebssitz des zu versorgenden Krankenhauses auch eine Zuständigkeit des
Landes Bremen in Betracht kommen kann. Die vom Land Nordrhein-Westfalen
wahrgenommene Verwaltungskompetenz unterliegt auch in diesem Fall keinen
rechtlichen Bedenken, weil die beiden Bundesländer - wie den Verwaltungsvor-
gängen des Beklagten zu entnehmen ist - sich hierauf verständigt haben (vgl.
§ 3 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW, § 3 Abs. 2 Satz 4 BremVwVfG).
2. Gemäß § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG setzt die Genehmigung eines Versor-
gungsvertrags voraus, dass die Apotheke Arzneimittel, die das Krankenhaus
zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigt, unverzüg-
lich und bedarfsgerecht zur Verfügung stellt. Dem wird der Versorgungsvertrag
der Klägerin nicht gerecht; wegen der Entfernung zwischen der Apotheke in
Ahlen und dem Krankenhaus in Bremen ist eine hinreichend schnelle Verfüg-
barkeit der angeforderten Medikamente nicht sichergestellt.
a) Unverzüglichkeit im Sinne der Vorschrift verlangt, dass die benötigten Medi-
kamente im Eilfall zeitnah und ohne vermeidbare Verzögerungen im Kranken-
haus bereitstehen müssen. Im Hinblick auf den Normzweck, eine ordnungsge-
mäße Arzneimittelversorgung der Patienten auch in dringlichen Bedarfssituatio-
nen zu gewährleisten, kommt es nicht darauf an, dass das Medikament von der
Apotheke im Sinne von § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“ zur Anlieferung
bereit gestellt und auf den Weg gebracht wird. Erforderlich ist vielmehr, dass
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das benötigte Arzneimittel in möglichst kurzer Frist im Krankenhaus zur Verfü-
gung steht.
b) Das bedingt entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die
Apotheke in räumlicher Nähe zum Krankenhaus liegen muss. Es liegt auf der
Hand, dass die Länge des Transportweges einen unmittelbaren und bestim-
menden Einfluss auf die Transportdauer hat, unabhängig davon, welches Ver-
kehrsmittel benutzt wird. Neben die Entfernung treten weitere Faktoren wie die
Verkehrsanbindung und die Beschaffenheit der Verkehrswege einschließlich
der Stauanfälligkeit. Wegen dieser Zusammenhänge ist der Begriff der Unver-
züglichkeit in § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG eng verknüpft mit einer räumlichen
Komponente und setzt voraus, dass sich die Apotheke in angemessener Nähe
zum Krankenhaus befindet.
c) Dieses Normverständnis wird gestützt durch gesetzessystematische Ge-
sichtspunkte. Nach § 14 ApoG kann ein Krankenhausträger wählen, ob er die
Arzneimittelversorgung des Krankenhauses über eine eigene, in das Kranken-
haus eingegliederte Apotheke sicherstellen lässt (vgl. § 14 Abs. 1 ApoG) oder
ob er damit eine externe Apotheke betraut. Bei der externen Versorgung steht
es dem Krankenhausträger frei, entweder die Krankenhausapotheke eines an-
deren Krankenhauses zu beauftragen (§ 14 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 3 ApoG)
oder die Arzneimittelversorgung von einer öffentlichen Apotheke übernehmen
zu lassen (§ 14 Abs. 4 ApoG, § 1a Abs. 1 der Apothekenbetriebsordnung
- ApBetrO - i.d.F. der Änderungsverordnung vom 5. Juni 2012, BGBl I S. 1254).
Unabhängig vom gewählten Versorgungsmodell unterliegt die Arzneimittelver-
sorgung der Krankenhäuser aber denselben Qualitätsanforderungen. In jedem
Fall ist eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Patienten im Kran-
kenhaus zu gewährleisten (§ 1 Abs. 1 ApoG; vgl. auch z.B. § 15 Abs. 3, § 23
Abs. 6, § 26 Abs. 1 ApBetrO). Die dem Krankenhausträger nach § 14 ApoG
eingeräumte Möglichkeit, auf den Betrieb einer eigenen Apotheke zu verzichten
und das Krankenhaus statt dessen von einer externen Apotheke versorgen zu
lassen, lässt zwar erkennen, dass der Gesetzgeber eine gewisse räumliche
Entfernung von Apotheke und Krankenhaus für vertretbar hält. Gleichwohl hat
die externe Apotheke nicht anders als die interne Krankenhausapotheke insbe-
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sondere dafür zu sorgen, dass die bestellten Arzneimittel bedarfsgerecht be-
reitgestellt und besonders dringlich benötigte Medikamente unverzüglich zur
Verfügung gestellt werden (§ 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ApBetrO). Dementspre-
chend darf sich die externe Apothekenversorgung eines Krankenhauses (auch)
in Bezug auf die Schnelligkeit der Arzneimittelversorgung nicht wesentlich von
der Versorgung durch eine krankenhauseigene Apotheke unterscheiden. Das
ist aber nur sichergestellt, wenn die externe Apotheke in räumlicher Nähe zum
Krankenhaus liegt.
d) Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm dafür, dass
§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG auf ein räumliches Näheverhältnis zwischen
Apotheke und Krankenhaus abstellt. § 14 ApoG in der bis zum 20. Juni 2005
gültigen Fassung bestimmte für das externe Versorgungsmodell, dass die Apo-
theke und das zu versorgende Krankenhaus innerhalb desselben Kreises oder
derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreis-
freien Städten liegen müssen (vgl. zuletzt § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, Abs. 5
Satz 3 Nr. 1 ApoG i.d.F. der Änderungsverordnung vom 25. November 2003,
BGBl I S. 2304). Der Gesetzgeber hatte mit diesem 1980 eingeführten Regio-
nalprinzip bezweckt, eine schnelle und stets zuverlässige Arzneimittelversor-
gung sicherzustellen (amtliche Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung
des Gesetzes über das Apothekenwesen, BTDrucks 8/1812 S. 8; Beschluss-
empfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit,
BTDrucks 8/3554 S. 16 f.). Damit verbunden war der Hinweis in den Gesetzes-
materialien, dass die Genehmigungsbehörde auch prüfen sollte, ob die Apothe-
ke in Ansehung der Verkehrsverhältnisse, der Entfernung zum Krankenhaus
und der zur Verfügung stehenden Fahrzeuge tatsächlich in der Lage sein wür-
de, das Krankenhaus umfassend, unverzüglich und kontinuierlich zu versorgen
(BTDrucks 8/3554 S. 17).
Mit der Neufassung der Genehmigungsvoraussetzungen in § 14 Abs. 5 ApoG
durch die Gesetzesnovelle von 2005 ist die vormalige Beschränkung auf einen
abgegrenzten räumlichen Bereich entfallen und an deren Stelle (u.a.) das Er-
fordernis der unverzüglichen Arzneimittelverfügbarkeit nach § 14 Abs. 5 Satz 2
Nr. 3 ApoG getreten. Damit beabsichtigte der Gesetzgeber indes nicht, von
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dem Prinzip der räumlichen Nähe zwischen Apotheke und Krankenhaus abzu-
rücken. Ziel der Neufassung war, die Regelung über die externe Versorgung
eines Krankenhauses mit Arzneimitteln mit den gemeinschaftsrechtlichen Vor-
gaben der Warenverkehrsfreiheit in Einklang zu bringen und ein Vertragsverlet-
zungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof abzuwenden. Es sollten
daher die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Arzneimit-
telversorgung eines Krankenhauses auch von einer Apotheke mit Sitz innerhalb
eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Vertrags-
staates des Europäischen Wirtschaftsraumes übernommen werden kann (vgl.
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Apothekengesetzes,
BTDrucks 15/4293 S. 1, S. 7 f.; Stellungnahme des Bundesrates und Gegen-
äußerung der Bundesregierung, BTDrucks 15/4643 S. 1 f.). Die Aufhebung der
Landkreisregelung in § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 ApoG a.F.
und die Erweiterung des Kreises potentieller Vertragspartner (vgl. § 14 Abs. 4
ApoG) sollten aber nicht zu Lasten der Schnelligkeit der Arzneimittelversorgung
gehen (vgl. insbesondere die Begründung zum ursprünglichen Gesetzentwurf -
BTDrucks 15/4293 S. 8 re.Sp. - mit dem Hinweis, der Krankenhausträger könne
im Hinblick auf das Erfordernis besonders eiliger Lieferungen einen Vertrag mit
einem weiteren - - Anbieter schließen). Es war
vielmehr bezweckt, die hohe Qualität der Arzneimittelversorgung beizubehalten
und gerade auch eine zeitnahe Verfügbarkeit dringlich benötigter Medikamente
sicherzustellen (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ge-
sundheit und Soziale Sicherung, BTDrucks 15/4749 S. 3 f.; Zustimmungsversa-
gung des Bundesrates, BTDrucks 15/4916; Beschlussempfehlung des Vermitt-
lungsausschusses, BTDrucks 15/5345; siehe ferner EuGH, Urteil vom
11. September 2008 - Rs. C-141/07, Kommission/Deutschland - Slg. 2008,
I-6935 = NVwZ 2008, 1225 Rn. 19 f., 34, 47, 49).
e) Hiernach erfüllt der Versorgungsvertrag der Klägerin ausgehend von den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen (§ 137 Abs. 2 VwGO) nicht die
Voraussetzung einer im Eilfall unverzüglichen Medikamentenbereitstellung im
Sinne von § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG. Die gebotene zeitnahe Arzneimittel-
versorgung ist bei einer Entfernung von 216 km und einer Fahrstrecke über ei-
ne stauanfällige Verkehrsanbindung (Autobahn A 1) nicht mehr gewährleistet.
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Für die Bestimmung des Zeitraums, den die Arzneimittellieferung im Höchstfall
in Anspruch nehmen darf, um noch als unverzüglich gelten zu können, bieten
die Einschätzungen von Fachkreisen einen praktikablen Anhaltspunkt. Nach
Empfehlungen etwa der Bundesapothekerkammer und verschiedener Fachver-
bände (u.a. Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker, Bundesverband
der klinik- und heimversorgenden Apotheker) soll die Apotheke in einer räumli-
chen Nähe zum Krankenhaus liegen, die es ermöglicht, die angeforderten Arz-
neimittel innerhalb einer Stunde zur Verfügung zu stellen (vgl. Empfehlungen
der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung: Versorgung der Kranken-
hauspatienten durch Apotheken, Stand: 24. November 2010, S. 6 unter III-2.1;
„BAK pocht auf Nähe
bei Klinikversorgung“ vom 17. Januar 2011). Selbst wenn davon auszugehen
wäre, dass ein Versorgungsvertrag gegebenenfalls auch bei einer etwas länge-
ren Lieferzeit als einer Stunde den Anforderungen des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3
ApoG noch genügen kann, ist der Rahmen des Zulässigen im Streitfall jeden-
falls deutlich überschritten. Bei einer Lieferzeit, die schon bei günstigen Ver-
kehrsverhältnissen mehr als zwei Stunden beträgt, ist der Orientierungswert
von einer Stunde auch nicht mehr annäherungsweise eingehalten.
f) Die beabsichtigte Einrichtung eines umfassenden verbrauchsstellenunabhän-
gigen Notdepots für selten gebrauchte lebenswichtige Arzneimittel auf der In-
tensivstation des Krankenhauses rechtfertigt keine abweichende Bewertung.
Anders als das Berufungsgericht meint, kann dadurch die fehlende räumliche
Nähe zwischen Apotheke und Krankenhaus nicht kompensiert werden.
Gemäß § 14 Abs. 7 Satz 2 ApoG dürfen Arzneimittel von der Apotheke nur an
die Stationen und Teileinheiten des Krankenhauses abgegeben werden. Die
Verpflichtung zur unmittelbaren Belieferung der Verbrauchsstellen bezweckt,
die Vorratshaltung in einem zentralen Lager des Krankenhauses ohne pharma-
zeutische Betreuung zu unterbinden und die Gefahr einer unsachgemäßen La-
gerung oder einer Verwechslung bei der Zwischenlagerung nach Möglichkeit
auszuschließen (vgl. amtliche Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung
des Gesetzes über das Apothekenwesen, BTDrucks 8/1812 S. 8 zu § 14 Abs. 4
Satz 2 ApoG a.F.). Dementsprechend untersagt § 4 Abs. 4 Satz 3 ApBetrO
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ausdrücklich die Nutzung von Räumlichkeiten innerhalb des zu versorgenden
Krankenhauses als Lagerraum für Arzneimittel. Diese Regelungen stehen im
Zusammenhang mit dem 1980 eingeführten Verbot der so genannten Dispen-
sieranstalten (Arzneiabgabestellen, die nicht unter der Leitung eines Apothe-
kers stehen). Es soll verhindert werden, dass über den Weg einer zentralen
Lagerhaltung faktisch wieder Dispensieranstalten errichtet werden (Cyran/
Rotta, Kommentar zur ApBetrO, Stand: April 2010, § 4 Rn. 127). Davon zu un-
terscheiden ist die Arzneimittelbevorratung auf einer Krankenhausstation. Sol-
che Stationsvorräte werden in § 14 Abs. 6 ApoG, § 32 ApBetrO ausdrücklich
vorausgesetzt und entsprechen der üblichen Praxis im Krankenhaus (vgl.
Cyran/Rotta, a.a.O., § 33 Rn. 10). In diesem Rahmen dürfte auch ein Notfallde-
pot, das stationsübergreifend - verbrauchsstellenunabhängig - zur notfallmäßi-
gen Versorgung von Patienten mit selten gebrauchten lebenswichtigen Arznei-
mitteln angelegt ist, zulässig sein. Voraussetzung ist allerdings, dass das Not-
depot einer Station oder anderen Teileinheit des Krankenhauses zugeordnet ist
und dass die Entnahme und Abgabe der Arzneimittel aus dem Depot klar gere-
gelt sind und einer hinreichenden Kontrolle unterliegen. Unzulässig ist dem-
gegenüber ein verbrauchsstellenunabhängiges Notfalldepot, dessen Bevorra-
tung sich nicht auf eine überschaubare Menge von Arzneimitteln beschränkt,
sondern dem Umfang nach einer zentralen Lagerhaltung gleichkommt.
Selbst wenn sich das nach dem Versorgungsvertrag der Klägerin vorgesehene
Notdepot im Rahmen des rechtlich Zulässigen bewegen sollte, würde das
gleichwohl nicht dazu führen, dass das Genehmigungserfordernis des § 14
Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG erfüllt ist. Der Schutzzweck der Vorschrift geht über
die mit einem Notfalldepot erreichbare Gefahren- und Risikovorsorge hinaus.
§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG zielt darauf ab, jederzeit und für jede Art von
Notfall die Verfügbarkeit der erforderlichen Medikamente im Krankenhaus zu
gewährleisten. Die gebotene zeitnahe Bereitstellung besonders dringlich benö-
tigter Arzneimittel soll gerade auch in Fällen eines plötzlich auftretenden, nicht
absehbaren Bedarfs sichergestellt sein. Das kann ein Notfalldepot nicht ver-
gleichbar leisten, weil damit - wie auch das Berufungsgericht einräumt - nicht
allen denkbaren Situationen eines dringlichen Arzneimittelbedarfs Rechnung
getragen werden kann. Hierbei macht es keinen Unterschied, wenn wegen der
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Art des zu versorgenden Krankenhauses die Notwendigkeit eiliger Arzneimittel-
lieferungen, wie sie § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG im Blick hat, eher unwahr-
scheinlich ist. Ein unvorhergesehener, im Rahmen der üblichen Bevorratung
nicht kalkulierbarer Arzneimittelbedarf lässt sich dennoch niemals von vornhe-
rein ausschließen, beispielsweise wegen eines unerwarteten Mehrbedarfs oder
eines versehentlichen Fehlbestands bei den Stationsvorräten oder weil das be-
nötigte Medikament nur eingeschränkt lagerungsfähig ist. Die gesetzgeberische
Zielsetzung, auch solchen Risiken zu begegnen, ist nicht zu beanstanden. Sie
dient dem Gemeinwohlbelang des Gesundheitsschutzes und basiert auf einer
schlüssigen Gefahreneinschätzung, die den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1
GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 u.a. -
BVerfGE 107, 186 <196 f. >) Stand hält.
3. Darüber hinaus erfüllt der Versorgungsvertrag auch nicht die Genehmi-
gungsvoraussetzungen des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG. Hiernach muss si-
chergestellt sein, dass eine persönliche Beratung des Personals des Kranken-
hauses durch den Leiter der externen Apotheke oder den von ihm beauftragten
Apotheker der versorgenden Apotheke bedarfsgerecht und im Notfall unverzüg-
lich erfolgt.
a) Persönliche Beratung im Sinne von § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG meint eine
pharmazeutische Information und Beratung durch den Apothekenleiter selbst
(oder den beauftragten Apotheker); eine Beratung durch andere Personen des
pharmazeutischen Personals (vgl. § 1a Abs. 2 ApBetrO) genügt nicht (siehe
auch § 20 Abs. 4, § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a ApBetrO). Eine vergleich-
bare Regelung trifft § 7 ApoG, wonach die Leitung einer Apotheke dem Apothe-
ker persönlich obliegt.
Ob der Begriff der persönlichen Beratung darüber hinaus im Sinne einer per-
sönlichen Anwesenheit zu verstehen ist, das heißt der Apotheker die Bera-
tungsleistung vor Ort im Krankenhaus erbringen muss, ist zweifelhaft. Die Ent-
stehungsgeschichte der Norm gibt darüber keinen eindeutigen Aufschluss. Der
Gesetzentwurf der Bundesregierung sah in § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG-E als
Genehmigungserfordernis vor, dass jederzeit ein Apotheker das Personal des
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Krankenhauses, auch auf telefonischem oder elektronischem Weg, im Hinblick
auf eine zweckmäßige und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie beraten kann.
Nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 ApoG-E musste sichergestellt sein, dass eine
persönliche Beratung des Krankenhauspersonals durch einen Apotheker re-
gelmäßig mindestens einmal monatlich und in Eilfällen innerhalb von 24 Stun-
den erfolgen kann (BTDrucks 15/4293 S. 5 und S. 8). Diese Unterscheidung
legt nahe, dass mit persönlicher Beratung nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5
ApoG-E eine Beratung vor Ort gemeint war. Ob dieser Rückschluss indes auch
für § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG zu ziehen ist, erscheint mit Rücksicht auf die
im Vergleich zum Entwurf geänderte Fassung der Genehmigungstatbestände in
§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 und 5 ApoG fraglich.
b) Ungeachtet dessen verlangt § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG jedoch im Inte-
resse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung, dass der Apotheker für
eine Beratung vor Ort im Krankenhaus zur Verfügung steht, wenn das nach den
Notwendigkeiten im Krankenhaus geboten ist. Das leitet sich aus dem Begriff
der bedarfsgerechten Beratung ab. § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG zielt darauf
ab, dass der Apotheker das Krankenhauspersonal im Hinblick auf eine sichere
Arzneimitteltherapie und Anwendung der Medikamente berät. Es spricht zwar
nichts dagegen, dass sich der Apotheker zur Wahrnehmung seiner Beratungs-
aufgabe auch technischer Kommunikationsmittel bedienen kann. Eine Beratung
auf telefonischem oder elektronischem Weg erfüllt die Anforderungen an eine
bedarfsgerechte Beratung aber nur dann, wenn die Situation keine Beratung
unmittelbar vor Ort erfordert. Indes ist - wie nicht zuletzt die von der Klägerin in
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschilderten Beispiele zeigen -
nicht auszuschließen, dass sich ein pharmazeutischer Beratungsbedarf im
Krankenhaus ergibt, der die Anwesenheit des Apothekers erforderlich macht.
c) Daraus folgt für die nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG vorausgesetzte un-
verzügliche Beratung im Notfall, dass der Apotheker im Bedarfsfall zeitnah für
eine pharmazeutische Beratung im Krankenhaus zur Verfügung stehen muss.
Der Begriff der Unverzüglichkeit kann nicht anders verstanden werden als in
§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG. Der Apotheker muss das Krankenhaus schnell,
das heißt innerhalb eines Zeitrahmens von etwa einer Stunde erreichen kön-
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nen. Das gewährleistet der Versorgungsvertrag der Klägerin wie ausgeführt
wegen der Entfernung zwischen Apotheke und zu versorgendem Krankenhaus
nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
Kley
Liebler
Buchheister
Dr. Kuhlmann
Rothfuß
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Recht der Heilberufe (Apotheker)
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
ApoG
§ 14 Abs. 3, Abs. 5, Abs. 7 Satz 2
Stichworte:
Apotheke; Krankenhausapotheke; Arzneimittelversorgung; Arzneimittel-
Versorgungsvertrag; unverzügliche Bereitstellung dringlich benötigter Arzneimit-
tel; Entfernung zwischen Apotheke und Krankenhaus; Genehmigung eines Ver-
sorgungsvertrags; Genehmigungsvoraussetzung; Krankenhaus; Lieferzeit;
Transportweg; Verkehrsanbindung; Notfall; Notfalldepot; verbrauchsstellen-
unabhängiges Notdepot; Arzneimittelbevorratung; Stationsvorrat; persönliche
Beratung durch den Apotheker; bedarfsgerechte Beratung; unverzügliche Bera-
tung.
Leitsatz:
Die Genehmigung des nach § 14 Abs. 3 ApoG geschlossenen Vertrags eines
Krankenhauses mit einer Apotheke über die Arzneimittelversorgung des Kran-
kenhauses setzt voraus, dass die Apotheke in angemessener Nähe zum Kran-
kenhaus liegt.
Urteil des 3. Senats vom 30. August 2012 - BVerwG 3 C 24.11
I. VG Münster
vom 09.12.2008 - Az.: VG 5 K 169/07 -
II. OVG Münster
vom 19.05.2011 - Az.: OVG 13 A 123/09 -