Urteil des BVerwG vom 24.07.2014

Anbau, Rücknahme, Europäisches Recht, Juristische Person

Sachgebiet:
Recht der Land- und Forstwirtschaft einschließlich
Förderungsmaßnahmen sowie des Tierzucht- und
Tierseuchenrechts
Rechtsquelle/n:
VO (EWG) Nr. 1766/92 Art. 8 Abs. 2
VO (EG) Nr. 97/95 Art. 1 Buchst. d, Art. 4 Abs. 1
MOG § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3
VwVfG § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Kartoffelstärkeprämienverordnung § 4a
BGB §§ 133, 157, 164 Abs. 2, § 166 Abs. 1
BVerwGE: nein
Fachpresse: ja
Stichwort/e:
Gemeinsame Agrarpolitik; Beihilfe; Ausgleichszahlung; Stärkekartoffeln;
Erzeuger; Kartoffelerzeuger; Erzeugervereinigung; Stärkehersteller;
Anbauvertrag; Falschbezeichnung; falsa demonstratio; Verwaltungsakt;
Bewilligung; Auslegung; Adressat; Regelungsadressat; Bekanntgabeadressat;
Vertretungsbefugnis; Vollmacht; schriftliche Vollmacht; Nachweis;
Nachweiserfordernis; Rückforderung; Rücknahme; Vertrauensschutz; unrichtige
Angaben.
Leitsatz/-sätze:
1. Die Regelung des § 4a Abs. 1 Satz 5 Kartoffelstärkeprämienverordnung, nach
der die Vertretungsbefugnis des Stärkeherstellers durch schriftliche Vollmacht
nachzuweisen war, begründete keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die erteilte
Vertretungsmacht, sondern beschränkt sich auf eine Nachweisregelung.
2. Eine Ausnahme vom Ausschluss schutzwürdigen Vertrauens wegen
unrichtiger Angaben (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG) kommt nicht schon
deshalb in Betracht, weil das Vorgehen mit der Behörde abgestimmt wurde.
Urteil des 3. Senats vom 24. Juli 2014 - BVerwG 3 C 23.13
I. VG Oldenburg vom 11. September 2007
Az: VG 12 A 4819/06
II. OVG Lüneburg vom 27. Juni 2012
Az: OVG 10 LB 33/10
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 23.13
OVG 10 LB 33/10
Verkündet
am 24. Juli 2014
Bech
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Nieder-
sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2012
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin, eine Landhandelsgesellschaft, wendet sich gegen die Rückforde-
rung von Ausgleichszahlungen für Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimm-
ten Kartoffeln im Wirtschaftsjahr 1995/96.
Die Klägerin schloss für die Wirtschaftsjahre 1995/96,1996/97 und 1997/98 An-
bau- und Lieferverträge für Stärkekartoffeln mit der Kyritzer Stärke GmbH oder
deren Muttergesellschaft, der Emsland Stärke GmbH. Diese Verträge verpflich-
teten die Klägerin als Erzeugerin jeweils zum Anbau von Stärkekartoffeln auf
einer der Größe nach bestimmten Fläche und zu deren Lieferung. Im Gegenzug
verpflichtete sich der Stärkehersteller zur Abnahme und zur Zahlung des Er-
zeugermindestpreises. Daneben schloss die Klägerin mit mehreren Landwirten
ebenfalls Anbau- und Lieferverträge für Stärkekartoffeln. In diesen Verträgen
verpflichteten sich die Landwirte, auf gleichfalls der Größe nach bestimmten
Flächen für die Klägerin Stärkekartoffeln anzubauen und sie an die Klägerin zu
liefern. Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin, die Kartoffeln abzunehmen,
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an die Kyritzer Stärke GmbH zu liefern und den Erzeugermindestpreis zu zah-
len.
Entsprechend den für das Wirtschaftsjahr 1995/96 von der Kyritzer Stärke
GmbH gestellten Anträgen bewilligte das Ministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten des Landes Brandenburg in mehreren an die Kyritzer Stärke
GmbH adressierten Bescheiden Ausgleichszahlungen für die Stärkekartoffel-
erzeuger. Die ihr ausgezahlten Ausgleichsbeträge leitete die Kyritzer Stärke
GmbH anteilig an die Klägerin weiter.
Bei Vor-Ort-Kontrollen wurde festgestellt, dass die Klägerin im Wirtschaftsjahr
1995/96 die gesamte gelieferte Stärkekartoffelmenge nicht selbst erzeugt hatte,
sondern durch Inhaber von Unterverträgen hatte erzeugen und liefern lassen. In
einem Prüfbericht wird darüber hinaus ausgeführt, nach Inkrafttreten der Ver-
ordnung (EG) Nr. 97/95 habe der zuständige Prüfer veranlasst, dass zwischen
den Händlern und den tatsächlichen Erzeugern Unterverträge abgeschlossen
worden seien, um so eine Erzeugervereinigung zu schaffen. Bis zur Kenntnis
von der gegenteiligen Auffassung der Europäischen Union im Sommer 1998 sei
die Konstruktion Stärkefabrik - Händler - Erzeuger in Verbindung mit einer Be-
stätigung des Händlers, die Erzeuger ausbezahlt zu haben, als subventionsun-
schädlich angesehen worden.
Mit Bescheid vom 4. September 2000 nahm die Bezirksregierung Weser-Ems
die Bewilligungsbescheide für das Wirtschaftsjahr 1995/96 gegenüber der Klä-
gerin zurück, soweit damit Ausgleichszahlungen für die von der Klägerin bezo-
genen, von ihr aber nicht erzeugten Stärkekartoffeln bewilligt worden waren,
und forderte 16 894,54 DM (= 8 638,04 €) zurück. Mit einem weiteren Bescheid
forderte die Bezirksregierung in gleicher Weise die Ausgleichszahlungen für die
beiden folgenden Wirtschaftsjahre zurück.
Mit ihren Widersprüchen machte die Klägerin unter anderem geltend, sie sei
nicht Adressatin der Bewilligungsbescheide, weshalb die Rückforderungsbe-
scheide nicht ihr gegenüber hätten ergehen dürfen. Sie sei zu keinem Zeitpunkt
als Erzeugerin von Stärkekartoffeln aufgetreten und habe lediglich Anbauver-
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träge zwischen den Landwirten und den Stärkeunternehmen vermittelt. Nicht
sie, sondern die einzelnen Landwirte, an die sie die Ausgleichszahlungen wei-
tergeleitet habe, seien die richtigen Rückforderungsadressaten. Da das Verfah-
ren der Beantragung und Weiterleitung der Ausgleichszahlungen mit den zu-
ständigen brandenburgischen Behörden abgestimmt gewesen sei, genieße sie
Vertrauensschutz.
Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin zurück. Die hiergegen erho-
bene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 11. September 2007 ab-
gewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des
Verwaltungsgerichts teilweise geändert. Soweit es das Wirtschaftsjahr 1995/96
betrifft, hat es den Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 4. Septem-
ber 2000 und den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid vom 22. September
2006 hinsichtlich der darin dem Grunde nach für das Jahr 1995 festgesetzten
Zinsen aufgehoben, im Übrigen aber die Berufung zurückgewiesen. Zur Be-
gründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei Regelungsadressatin der Bewilli-
gungsbescheide; denn sie sei durch die Kyritzer Stärke GmbH wirksam vertre-
ten worden. Die Klägerin habe zwar deren wirksame Bevollmächtigung zuletzt
bestritten. Das sei jedoch nicht glaubhaft. Sie habe die Vertretungsbefugnis erst
in Abrede gestellt, nachdem sie von der Rechtsauffassung des Berufungsge-
richts Kenntnis gehabt habe, dass gemäß § 4a Abs. 1 Satz 5 der Kartoffelstär-
keprämienverordnung eine schriftliche Vollmacht erforderlich sei. Zuvor habe
sie sich selbst darauf berufen, von der Kyritzer Stärke GmbH vertreten worden
zu sein. Daran müsse sie sich festhalten lassen. Den ihr gegenüber ausgespro-
chenen Rücknahmeentscheidungen stehe auch nicht entgegen, dass die Bewil-
ligungsbescheide nicht erkennen ließen, mit wem das Rechtsverhältnis seiner-
zeit begründet worden sei. Nach Inhalt und Begleitumständen der Bewilligun-
gen sei die Klägerin Adressatin der Ausgleichszahlungen, deren Höhe ebenfalls
jeweils bestimmt sei. Die Bewilligungen seien rechtswidrig, weil die Ausgleichs-
zahlungen einen Anbauvertrag mit einem Erzeuger voraussetzten. Die Klägerin
sei jedoch keine Erzeugerin, weil sie selbst keine Kartoffeln angebaut und die
Voraussetzungen einer Erzeugervereinigung nicht erfüllt habe. Sie könne sich
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gegenüber der Rücknahme auch nicht auf Vertrauensschutz berufen; denn sie
habe die Bewilligungen durch unrichtige Angaben erwirkt. Sie habe sich in dem
zugrundeliegenden Anbauvertrag mit der Kyritzer Stärke GmbH unzutreffend
als Erzeugerin bezeichnet. Das sei jedenfalls mitursächlich für die rechtswidri-
gen Bewilligungen gewesen und der Klägerin zuzurechnen, weil sie bei der An-
tragstellung von der Kyritzer Stärke GmbH wirksam vertreten worden sei. Vor
diesem Hintergrund könne sie sich nicht darauf berufen, dass die Art und Weise
der Antragstellung mit der Bewilligungsbehörde abgestimmt gewesen sei. Auch
die Rückforderung der Ausgleichszahlungen sei danach rechtmäßig. Die Kläge-
rin könne nicht den Wegfall der Bereicherung geltend machen, denn sie habe
die Umstände gekannt, nach denen sie nicht Erzeugerin im Sinne der einschlä-
gigen Vorschriften gewesen sei.
Auf die Beschwerde der Klägerin hat der Senat die Revision zugelassen, soweit
mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts die Klage gegen den das Wirt-
schaftsjahr 1995/96 betreffenden Bescheid vom 4. September 2000 abgewie-
sen worden ist.
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, sie sei nicht Adressatin
der Bewilligungsbescheide und könne damit auch nicht Adressatin der Rück-
nahme sein, weil sich die Bewilligungen ihr nicht zuordnen ließen. Das Ober-
verwaltungsgericht sei verfahrensfehlerhaft über ihr Vorbringen hinweggegan-
gen, dass sie die Kyritzer Stärke GmbH nicht schriftlich bevollmächtigt habe.
Die Anträge seien nicht wirksam für sie gestellt worden; denn die nach der Kar-
toffelstärkeprämienverordnung erforderliche schriftliche Vollmacht habe nicht
vorgelegen. Selbst wenn eine formlose Vollmacht genüge, sei sie nicht Begüns-
tigte der Bewilligungen, weil sie lediglich für die Erzeuger der Kartoffeln als
Vermittlerin gehandelt habe. Das habe die Kyritzer Stärke GmbH gewusst.
Auch die Bewilligungsbehörde habe die Erzeuger der Kartoffeln gekannt; die
Vertragsverhältnisse seien mit ihr abgestimmt gewesen. Der Behörde sei daher
bewusst gewesen, dass die Kyritzer Stärke GmbH die tatsächlichen Kartoffel-
erzeuger vertrete. Dementsprechend sei sie, die Klägerin, nicht in das Bewilli-
gungsverfahren einbezogen worden. Das formale Vertragsverhältnis zwischen
ihr und der Kyritzer Stärke GmbH rechtfertige es nicht, sie gleichwohl als Be-
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günstigte der Bewilligungsbescheide zu betrachten. Der Anbau- und Lieferver-
trag mit der Kyritzer Stärke GmbH ergänze einen Vertrag aus dem Jahr 1992
und stelle klar, dass er die beigefügten Einzelverträge mit den Erzeugern zu-
sammenfasse. Dass sie, die Klägerin, in diesem als Erzeugerin bezeichnet
werde, sei eine unschädliche Falschbezeichnung. Da von einem einheitlichen
Vertrag auszugehen sei, seien die beteiligten Erzeuger als Erzeugervereinigung
zu betrachten. Diese Konstruktion sei unionsrechtlich zulässig gewesen; denn
es sei nicht vorgeschrieben, den Anbauvertrag in einem einzigen Dokument zu
verkörpern. Vor diesem Hintergrund seien die Bewilligungen rechtmäßig und
eine Rücknahme schon deshalb ausgeschlossen. Die erforderlichen Anbauver-
träge hätten vorgelegen und die Ausgleichszahlungen seien unstreitig vollstän-
dig an die Erzeuger ausgekehrt worden. Darüber hinaus könne sie sich auf Ver-
trauensschutz berufen, da sie keine falschen oder unrichtigen Angaben ge-
macht habe; der Bewilligungsbehörde seien die tatsächlichen Verhältnisse be-
kannt gewesen. Wenn sie im Antragsverfahren als Erzeugerin bezeichnet wor-
den sei, sei ihr dies mangels formwirksamer Vollmacht nicht zuzurechnen. Ab-
gesehen davon hätten die Ausgleichszahlungen auch bei Kenntnis der richtigen
Angaben bewilligt werden müssen. Schließlich habe sei keinen Vorteil erlangt.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Entgegen dem Revisionsvor-
bringen sei die Klägerin nicht lediglich als Gehilfin der Kartoffelerzeuger tätig
geworden. Vielmehr habe eine eigenständige Vertragsbeziehung zwischen ihr
und der Kyritzer Stärke GmbH bestanden. Unzutreffend sei auch die Annahme,
es habe sich um eine zulässige Erzeugervereinigung gehandelt. Im Übrigen sei
mehrfach bestritten worden, dass die Klägerin unentgeltlich vermittelt habe. Es
sei davon auszugehen, dass sie ihre Dienstleistung nicht selbstlos erbracht ha-
be.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zwar verletzt das Beru-
fungsurteil revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO; es stellt sich je-
doch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
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Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Rücknahme-
und Rückforderungsbescheid vom 4. September 2000 seine Rechtsgrundlage
in § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Gesetzes zur Durchführung der gemein-
samen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG) findet, das hier in
der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBI I S. 1847), geän-
dert durch Gesetz vom 13. April 2006 (BGBI I S. 855), anzuwenden ist. Diese
Bestimmungen tragen der Verpflichtung der Mitgliedstaaten Rechnung, rechts-
widrig gewährte Beihilfen der Europäischen Union in der Regel und - erforderli-
chenfalls - aufgrund nationaler Rechtsvorschriften zurückzufordern (Art. 4
Abs. 1 VO Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995
über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften
und - für den Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik - Art. 9 Abs. 1 Buchst. a
VO Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung
der Gemeinsamen Agrarpolitik; vgl. auch EuGH, Urteil vom 12. Mai 1998
- Rs. C-366/95, Steff-Houlberg - Slg. I-2661, Rn. 15 m.w.N.).
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Beschei-
de in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 und
§ 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)
sind anzuwenden.
a) Bei den Ausgleichszahlungen, deren Bewilligungen zurückgenommen wur-
den, handelt es sich um unionsrechtlich im Sinne von § 1 Abs. 2 MOG geregel-
te Fälle einer produktbezogenen Beihilfe für Marktordnungswaren gemäß § 6
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g MOG (vgl. Teilurteil vom 9. Dezember 2004 - BVerwG
3 C 37.03 - Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 198 S. 61). Sie
beruhen auf Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 des Rates vom
30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABI Nr. L
181 S. 21 - im Folgenden: VO Nr. 1766/92), der für das Wirtschaftsjahr
1995/96 in seiner zuletzt mit Verordnung (EG) Nr. 1863/95 des Rates vom
17. Juli 1995 (ABI Nr. L 179 S. 1) geänderten Fassung maßgeblich war.
b) Im Ergebnis ist das Berufungsgericht auch zu Recht davon ausgegangen,
dass die Bescheide für das Wirtschaftsjahr 1995/96, soweit damit Ausgleichs-
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zahlungen für die von der Klägerin bezogenen, von ihr aber nicht erzeugten
Stärkekartoffeln gewährt worden waren, gegenüber der Klägerin zurückzuneh-
men waren. Dabei hat es zutreffend zugrunde gelegt, dass ein rechtswidriger
Verwaltungsakt gegenüber demjenigen zurückzunehmen ist, mit dem das durch
den Verwaltungsakt begründete Rechtsverhältnis besteht, also gegenüber dem
Regelungsadressaten oder dessen Rechtsnachfolger (Teilurteil vom 9. Dezem-
ber 2004 a.a.O. S. 62 m.w.N.). Das setzt zugleich voraus, dass der Verwal-
tungsakt gegenüber seinem Regelungsadressaten wirksam geworden ist. Bei-
des ist in Bezug auf die Klägerin der Fall.
aa) Das Berufungsgericht hat die Bewilligungsbescheide dahin ausgelegt, dass
die Klägerin Regelungsadressatin der auch der Höhe nach bestimmten Aus-
gleichszahlungen gewesen sei. Diese Auslegung ist wegen der Bindungswir-
kung der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2
VwGO) nicht in vollem Umfang revisibel. Was den tatrichterlich ermittelten Er-
klärungsinhalt der Bewilligungsbescheide betrifft, bedarf es grundsätzlich einer
Verfahrensrüge, um die vorinstanzliche Auslegung einer revisionsgerichtlichen
Kontrolle zu unterwerfen. Der Revision unterliegt allerdings die Frage, ob die
Auslegung des Tatsachengerichts die Auslegungsregeln beachtet und im Ein-
klang mit allgemeinen Erfahrungssätzen und Denkgesetzen steht. Dabei darf
aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Auslegung einer Willenserklä-
rung ebenso wie die eines Verwaltungsakts kein ausschließlicher Akt der Tat-
sachenfeststellung, sondern ein Ineinander von tatsächlichen Feststellungen
und Rechtsanwendungen ist (Urteil vom 31. Mai 2012 - BVerwG 3 C 12.11 -
Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 113 Rn. 15, vgl. Neumann, in: Sodan/
Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 164 ff.).
Für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB
der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung
verstehen konnte. Abzustellen ist auf den Inhalt des Bescheides, aber auch auf
die bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Begleitumstände. Dazu gehö-
ren insbesondere die einer Bewilligung vorausgehenden Anträge und die zu-
grundeliegenden Rechtsnormen. Der Bekanntgabeadressat ist nicht notwendig
auch Regelungsadressat (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 C
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2.00 - BVerwGE 115, 274 <279> und Teilurteil vom 9. Dezember 2004 a.a.O.
S. 62).
Das Berufungsgericht ist ersichtlich von diesem materiell-rechtlichen Verständ-
nis ausgegangen. Vor dem Hintergrund des in § 4a der Kartoffelstärkeprämien-
verordnung geregelten Verfahrens der Beantragung und Bewilligung von Aus-
gleichszahlungen über einen Stärkehersteller hat es festgestellt, dass die
Kyritzer Stärke GmbH hinsichtlich der Ausgleichszahlungen lediglich Bekannt-
gabeadressatin der Bescheide war, während Regelungsadressaten die als Er-
zeuger von Stärkekartoffeln in den Blick genommenen Personen gewesen sei-
en. Es hat diese Annahme zudem darauf gestützt, dass die Ausgleichszahlun-
gen „zur Auszahlung an die anspruchsbeteiligten Stärkekartoffelerzeuger“ ge-
währt wurden. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (Teilurteil vom
9. Dezember 2004 a.a.O. S. 62 f.).
Hinsichtlich der mit den Bewilligungsbescheiden begünstigten Personen und
der Höhe der ihnen zuzuordnenden Ausgleichszahlungen hat das Berufungsge-
richt auf die in den Bewilligungsbescheiden jeweils in Bezug genommenen Ab-
rechnungsläufe und die Antragsunterlagen abgestellt. Aus den nach Unions-
recht vorzulegenden Unterlagen und den in den vorgelegten Behördenakten do-
kumentierten Vorgängen ergebe sich, dass die zurückgeforderten Ausgleichs-
zahlungen zum Anbau- und Liefervertrag zwischen der Kyritzer Stärke GmbH
und der Klägerin und damit zu Gunsten der Klägerin erbracht worden seien.
Die Klägerin hat gegen diese tatsächlichen Feststellungen keine Verfahrensrü-
gen erhoben. Auch rechtlich ist die Auslegung nicht zu beanstanden. Zwar wur-
den die Ausgleichszahlungen damit entgegen den Vorgaben des materiellen
Rechts jemandem bewilligt, der selbst keine Stärkekartoffeln angebaut hat. Die
Auslegung ist aber deshalb folgerichtig, weil die Klägerin in dem für die Bewilli-
gung erforderlichen Anbauvertrag (Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 1766/92) zwi-
schen ihr und dem Stärkeunternehmen Kyritzer Stärke GmbH als Erzeugerin
benannt wurde und sich die Bewilligungen nach den tatsächlichen Feststellun-
gen des Berufungsgerichts auf diesen Vertrag beziehen. Der Einwand der Klä-
gerin, sie habe den Vertrag mit der Kyritzer Stärke GmbH als Vertreterin der
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Stärkekartoffelerzeuger geschlossen, ist angesichts des Vertragsinhalts nicht
berechtigt. Ein Anbauvertrag, wie er in Art. 1 Buchst. e der Verordnung (EG)
Nr. 97/95 der Kommission vom 17. Januar 1995 (ABl Nr. L 16 S. 3) definiert war
und dessen Mindestangaben Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 97/95 regelte, musste
unter anderem den Namen und die Anschrift des Erzeugers oder der Erzeuger-
vereinigung und die Größe der Anbaufläche enthalten. Der Vertrag, auf den die
Bewilligungen bezogen wurden, benennt als Erzeugerin ausdrücklich die Kläge-
rin und enthält die Aussage, sie baue auf einer Fläche von 30 ha Stärkekartof-
feln an. Er enthält keinen Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis. Etwas anderes
ergibt sich auch nicht aus dem Vertrag vom 15. Dezember 1992, der als Grund-
lage des Anbauvertrages genannt wird. Mit ihm erwarb die Klägerin von der
Kyritzer Stärke GmbH entgeltlich ein „Lieferrecht“ für Stärkekartoffeln „aus
eigenem Anbau“. Die Benennung der Klägerin als Erzeugerin ist auch keine
unschädliche Falschbezeichnung. Die Klägerin knüpft mit dieser Überlegung an
den zivilrechtlichen Grundsatz an, dass für den Vertragsinhalt ungeachtet des
objektiven Erklärungsinhalts der Willenserklärungen der subjektive Wille der
Parteien maßgeblich ist, wenn dieser übereinstimmt (falsa demonstratio non
nocet). Auf den Anbauvertrag als Bewilligungsvoraussetzung der Ausgleichs-
zahlung ist dieser Grundsatz jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht
anwendbar; denn mit dem Vertrag sollte gegenüber der Bewilligungsbehörde
der Nachweis der Bewilligungsvoraussetzungen geführt und deren Kontrolle
ermöglicht werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1985 - KZR 4/85 - NJW-
RR 1986, 724 <726> m.w.N.). Dementsprechend lassen sich die Verträge zwi-
schen der Klägerin und der Kyritzer Stärke GmbH sowie zwischen der Klägerin
und den einzelnen Stärkekartoffelherstellern auch nicht als einheitliches Ver-
tragsverhältnis deuten, in dem die Klägerin nicht Vertragspartei sondern ledig-
lich Vermittlerin gewesen wäre.
bb) Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Klä-
gerin im Antragsverfahren wirksam durch die Kyritzer Stärke GmbH vertreten
worden ist und sich deshalb deren Wissen um die Umstände, die vom Beru-
fungsgericht bei seiner Auslegung berücksichtigt worden sind, zurechnen las-
sen muss (§ 166 Abs. 1 BGB analog).
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Anders als das Berufungsgericht an anderer Stelle des Urteils entscheidungs-
tragend darlegt (so seine Ausführungen zu dem Wirtschaftsjahr 1996/97 - UA
S. 19 f.) und damit denknotwendig auch für das hier betroffene Wirtschaftsjahr
voraussetzt, war dafür allerdings eine schriftliche Vollmacht nicht erforderlich.
Deshalb greift die der Sache nach berechtigte Verfahrensrüge der Klägerin, sie
habe niemals behauptet, der Kyritzer Stärke GmbH eine schriftliche Vollmacht
erteilt zu haben, so dass ihr das Berufungsgericht nicht vorhalten dürfe, sich mit
dem Bestreiten einer wirksamen Bevollmächtigung in Widerspruch zu ihrem
bisherigen Vortrag zu setzen, im Ergebnis nicht durch.
Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Kartof-
felstärkeprämienverordnung vom 25. August 1976 (BGBl I S. 2585) in der für
das Wirtschaftsjahr 1995/96 geltenden Fassung vom 8. Dezember 1993 (BGBl I
S. 2005) konnte sich ein Kartoffelerzeuger bei dem Antrag auf Gewährung der
Ausgleichszahlung durch den Stärkehersteller, mit dem er einen Anbau- und
Liefervertrag über zur Stärkeherstellung bestimmte Kartoffeln geschlossen hat-
te, vertreten lassen. Diese einseitig in der Rechtsmacht des Erzeugers stehen-
de Möglichkeit verpflichtete den Stärkehersteller, den Antrag auf Gewährung
von Ausgleichszahlungen im Namen des Erzeugers gleichzeitig mit seinem ei-
genen Prämienantrag nach § 4 der Verordnung schriftlich zu stellen, wobei sei-
ne Vertretungsbefugnis „durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen“ war (§ 4a
Abs. 1 Satz 4 und 5 der Kartoffelstärkeprämienverordnung).
Das Berufungsgericht hat aus dem Wortlaut gefolgert, eine Vollmacht bedürfe
„nicht nur“ schriftlicher Form, sondern sei „zudem“ in dieser Form nachzuwei-
sen. Es hat damit im Ansatz zutreffend zwischen der Schriftform als Wirksam-
keitsvoraussetzung und als (bloßes) Nachweiserfordernis unterschieden. Der
Wortlaut der Vorschrift beschränkt sich jedoch auf die Aussage, dass ein Nach-
weis zu führen und dieser durch eine schriftliche Vollmacht zu erbringen ist.
Die aus Anlass der Einführung der Ausgleichszahlungen mit Eilverordnung vom
23. August 1993 (BGBl I S. 1512) eingefügte, nachfolgend mit Zustimmung des
Bundesrates durch Änderungsverordnung vom 8. Dezember 1993 (BGBl I
S. 2005) entfristete Regelung sollte das neben die Prämien für die Hersteller
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von Kartoffelstärke hinzutretende Bewilligungsverfahren für Ausgleichszahlun-
gen vereinfachen und den zusätzlichen Verwaltungsaufwand gering halten
(BRDrucks 747/93 S. 3). Mit dem schriftlichen Antrag und dem Nachweis in
Schriftform gemäß § 4a Abs. 1 Satz 4 und 5 der Kartoffelstärkeprämienverord-
nung hat der Gesetzgeber das in § 4 der Kartoffelstärkeprämienverordnung für
die Herstellerprämie enthaltene Prinzip des schriftlichen Verfahrens übernom-
men. Das diente einem möglichst einfachen und zugleich effektiven Verwal-
tungsverfahren, lässt aber nicht erkennen, dass die Erzeuger von Stärkekartof-
feln durch ein Schriftformerfordernis hätten geschützt werden sollen. Dies be-
stätigt auch § 14 VwVfG. Ließ sich ein Kartoffelerzeuger nicht vom Stärkeher-
steller vertreten - was praktisch fern liegen mochte, aber möglich war - so war
ihm nicht verwehrt, seinen Antrag von einem bevollmächtigten Dritten stellen zu
lassen. Für die auf diesen Fall anwendbare allgemeine Regelung des § 14
VwVfG ist aber anerkannt, dass mit ihr eine bestimmte Form für die Erteilung
einer Vollmacht nicht vorgegeben, sondern nur eine Nachweisregelung getrof-
fen ist (vgl. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 14
Rn. 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 14 Rn. 17). Die Vorschriften
unterscheiden sich lediglich darin, dass der Nachweis im Falle der Kartoffelstär-
keprämienverordnung stets, im Falle des Verwaltungsverfahrensgesetzes nur
auf Verlangen zu erbringen war. Schließlich führt auch der Gedanke des Beru-
fungsgerichts nicht weiter, dass im Falle eines fehlenden Nachweises gemäß
§ 4a Abs. 1 Satz 5 der Kartoffelstärkeprämienverordnung nach den Grundsät-
zen einer Duldungsvollmacht ein schutzwürdiges Vertrauen der Bewilligungs-
behörde in den Bestand einer Vollmacht nicht bestehe. Für die Frage, ob eine
Vollmacht wirksam nur schriftlich oder aber auch formlos erteilt werden konnte,
ist das nicht weiter bedeutsam. Entscheidend ist insoweit allenfalls die Schutz-
bedürftigkeit des Vertretenen, gegen den sich die Wirkungen der Vollmacht
richten.
Vor diesem Hintergrund erweist sich das Urteil trotz des zu Recht gerügten Ver-
fahrensmangels als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil die Klägerin im Bewilli-
gungsverfahren ungeachtet einer fehlenden schriftlichen Vollmacht wirksam von
der Kyritzer Stärke GmbH vertreten wurde. Die Klägerin hat im Revisionsverfah-
ren übereinstimmend mit ihrem früheren Vorbringen geltend gemacht, sie habe
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im Berufungsverfahren eine schriftliche Bevollmächtigung der Kyritzer Stärke
GmbH bestritten, wobei die Betonung auf dem Fehlen der Schriftform gelegen
habe. Hingegen habe sie nicht in Abkehr von ihrem bisherigen Vorbringen be-
hauptet, die Kyritzer Stärke GmbH habe nicht als ihre Vertreterin gehandelt. Die
Aktivität der Kyritzer Stärke GmbH im Rahmen des Antragsverfahrens auf Aus-
gleichszahlungen sei mit ihrem Wissen und ihrem Einverständnis erfolgt; die
Handlungen seien abgestimmt gewesen. Dies geht über eine bloße Duldung
hinaus und schließt die Annahme aus, die Kyritzer Stärke GmbH könnte als
vollmachtlose Vertreterin gehandelt haben.
Der Annahme eines mit der Klägerin begründeten Rechtsverhältnisses lässt
sich auch nicht entgegenhalten, dass sie ihrerseits als Vertreterin der Kartoffel-
erzeuger gehandelt habe. Die Klägerin stützt sich dazu auf die von ihr mit den
Erzeugern geschlossenen Verträge, die den Auftrag und die Vollmacht enthal-
ten hätten, die Ausgleichszahlungen für die Erzeuger zu vermitteln. Das trifft so
jedoch nicht zu. Die diesbezüglichen Anbau- und Lieferverträge des Wirt-
schaftsjahres 1995/96, die sich allein in einer vom 8. März 1995 datierenden
Fassung in den Behördenakten finden, verweisen zunächst auf eine Vertrags-
menge, über die die Klägerin verfüge (§ 1). Sämtliche Verpflichtungen sind so
gefasst, dass sie zwischen der Klägerin und den Kartoffelerzeugern bestehen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin enthält § 6 dieser Verträge keine Bevoll-
mächtigung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin im
gerichtlichen Verfahren vorgelegten Vertrag vom 4. April 1995. Nach dessen
§ 6 „verfügte“ der Erzeuger lediglich, dass die Ausgleichszahlungen an die Klä-
gerin ausgezahlt werden sollten. Dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass die
Klägerin die Kyritzer Stärke GmbH nicht selbst, sondern im Namen der Erzeu-
ger bevollmächtigt hat. Dies bestätigt im Übrigen auch die Praxis der Folgejah-
re. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bevollmächtigte die Kläge-
rin die Kyritzer Stärke GmbH in den zwischen ihnen für die Wirtschaftsjahre
1996/97 und 1997/98 geschlossenen Anbau- und Lieferverträgen. Ist damit
aber der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervorgetreten,
so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Be-
tracht (§ 164 Abs. 2 BGB analog).
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cc) War danach die Kyritzer Stärke GmbH von der Klägerin bevollmächtigt, sie
im Verfahren der Bewilligung der Ausgleichszahlungen zu vertreten, so wurden
die an die Klägerin gerichteten Bewilligungsbescheide mit ihrer Bekanntgabe
gegenüber der Kyritzer Stärke GmbH wirksam (§ 1 Abs. 1 NVwVfG, § 43 Abs. 1
Satz 1 VwVfG) und war das damit gegenüber der Klägerin begründete Rechts-
verhältnis auch ihr gegenüber zurückzunehmen.
c) Mit der Beschränkung der Rücknahme der Bewilligungsbescheide auf Aus-
gleichszahlungen für von der Klägerin bezogene, von ihr aber nicht erzeugte
Stärkekartoffeln, ist zugleich der Grund ihrer Rechtswidrigkeit aufgezeigt; denn
gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. a VO (EWG) Nr. 1766/92 konnten nur Erzeuger
von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln Ausgleichszahlungen erhalten.
Erzeuger in diesem Sinne war nach der Begriffsdefinition des Art. 1 Buchst. d
VO (EG) Nr. 97/95 jede natürliche oder juristische Person oder Vereinigung
dieser Personen, die selbst oder von ihren Mitgliedern erzeugte Kartoffeln in
ihrem Namen und für ihre Rechnung im Rahmen eines von ihr oder in ihrem
Namen geschlossenen Anbauvertrags an ein Stärkeunternehmen lieferte. Dass
die Klägerin damals keine Stärkekartoffeln erzeugt hat und damit nicht als Er-
zeugerin angesehen werden kann, ist unstreitig und bindend festgestellt. Sie
war auch keine Erzeugervereinigung, wie das Berufungsgericht zutreffend aus-
geführt hat.
d) Der Rücknahme der Bewilligungsbescheide steht Vertrauensschutz nicht
entgegen. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG bestimmt sich dieser nach § 48
Abs. 2 bis 4 VwVfG. Die Bewilligung darf nicht zurückgenommen werden, so-
weit der Begünstigte auf ihren Bestand vertraut hat und sein Vertrauen unter
Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist
(§ 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Darauf kann sich allerdings von vornherein nicht
berufen, wer die Bewilligung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Be-
ziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG).
Diese Bestimmungen sind hier mangels spezieller unionsrechtlicher Vertrau-
ensschutzregelungen maßgeblich. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausge-
führt, dass insbesondere die Vertrauensschutzregelungen des Integrierten Ver-
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waltungs- und Kontrollsystems keine Anwendung finden. Dem danach anzu-
wendenden nationalen Recht sind allerdings durch das Unionsrecht (auch) bei
der Rückforderung von unionsrechtlichen Beihilfen Grenzen gezogen; den Inte-
ressen der Europäischen Union ist bei der Abwägung der widerstreitenden Inte-
ressen in vollem Umfang Rechnung zu tragen (EuGH, Urteile vom 21. Septem-
ber 1983 - Rs. C-205 bis 215/82, Deutsche Milchkontor - Slg. 2633 Rn. 30 ff.,
vom 12. Mai 1998 - Rs. C-366/95, Steff-Houlberg - Slg. I-2661 Rn. 15 und vom
16. Juli 1998 - Rs. C-298/96, Oehlmühle - Slg. I-4767 Rn. 24).
Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Bewilligun-
gen durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig waren, in-
dem sie in dem Vertrag mit der Kyritzer Stärke GmbH unzutreffend den Ein-
druck erweckt habe, dass sie als Erzeugerin Stärkekartoffeln auf einer Fläche
von 30 ha anbaue. Diese von der Klägerin mit Verfahrensrügen nicht angegrif-
fene Feststellung ist für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Das Beru-
fungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Ausschlusstat-
bestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG nicht bereits dann unanwendbar
ist, wenn die Bewilligungsbehörde eine Mitverantwortung trifft (Urteil vom
14. August 1986 - BVerwG 3 C 9.85 - BVerwGE 74, 357 <363 f.>; vgl. auch Ur-
teil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 255.86 - BVerwGE 78, 139 <142 f.>).
Allerdings hat der Senat eine Ausnahme in Erwägung gezogen, wenn ein Be-
günstigter bei seinen objektiv unrichtigen Angaben ein Höchstmaß an Sorgfalt
habe walten lassen, beispielsweise durch eine Erkundigung bei der zuständigen
Behörde, sodass der Fehler nicht mehr seiner Verantwortungssphäre zuge-
rechnet werden könne (Urteil vom 13. November 1997 - BVerwG 3 C 33.96 -
RdL 1998, 102 <104> insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 105, 354). Ver-
gleichbar hat auch der Europäische Gerichtshof einem Unternehmen Vertrau-
ensschutz gewährt, das sich auf Angaben eines Dritten verlassen hatte, die es
nur mit unverhältnismäßigem Aufwand hätte kontrollieren können und auf die es
berechtigt vertraut hat (EuGH, Urteile vom 12. Mai 1998 a.a.O. Rn. 21 ff. und
vom 16. Juli 1998 a.a.O. Rn. 29 f.). In eine ähnliche Richtung weist - im hier
nicht gegebenen Anwendungsbereich des Integrierten Verwaltungs- und Kon-
trollsystems - Art. 73 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April
2004 (ABl Nr. L 141 S.18), wonach eine Rückzahlungsverpflichtung dann nicht
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besteht, wenn die Zahlung auf einen Fehler im Verantwortungsbereich der Be-
hörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt
werden konnte (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 3 B 20.12 -
Buchholz 451.505 Einzelne Stützungsregelungen Nr. 6 Rn. 10 f.). Hier verhält
es sich jedoch so, dass die Vertragsangaben der Klägerin ersichtlich falsch wa-
ren. Ihrer Verantwortung dafür ist die Klägerin nicht schon wegen der Abstim-
mung mit der Bewilligungsbehörde und deren unzutreffender Auslegung des
Unionsrechts enthoben. Der Europäische Gerichtshof hat in dem gleich gela-
gerten Verfahren der Emsland Stärke GmbH entschieden, dass der Grundsatz
des Vertrauensschutzes nicht gegen eine klare gemeinschaftsrechtliche Rege-
lung - die Regelungen zur Erzeugereigenschaft und zum Anbauvertrag - ange-
führt werden kann und dass das rechtswidrige Verhalten der zuständigen natio-
nalen Behörde kein berechtigtes Vertrauen begründet (EuGH, Urteil vom
16. März 2006 - Rs. C-94/05, Emsland Stärke GmbH - Slg. I-2622 Rn. 30-32).
Darüber hinaus hat der Gerichtshof deutlich gemacht, dass es unerheblich ist,
ob das materielle Ziel, dessen Erreichen durch Bewilligungsvoraussetzungen
gewährleistet werden soll, tatsächlich erreicht wurde. Ausreichend sei, dass das
Erreichen des Ziels - die Auszahlung des Mindestpreises an den tatsächlichen
Erzeuger - gefährdet werde (EuGH, Urteil vom 16. März 2006 a.a.O.
Rn. 36-38). Schließlich hat der Gerichtshof betont, dass bereits die Bewilligung
von Prämien für Kartoffellieferungen, die nicht ordnungsgemäß durch einen An-
bauvertrag mit einem Erzeuger gebunden sind, einen Schaden für den Haushalt
der Union bewirke (EuGH, Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 52). Nichts an-
deres gilt für die Ausgleichszahlungen, weshalb unerheblich bleibt, ob die der
Klägerin bewilligten Ausgleichszahlungen die Erzeuger der von ihr bezogenen
Kartoffeln tatsächlich ungeschmälert erreicht haben. Für Vertrauensschutz der
Klägerin bleibt danach kein Raum.
2. Vor diesem Hintergrund ist die Rückforderung der Ausgleichszahlungen ge-
mäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG und § 49a Abs. 1 VwVfG zwingende Rechtsfolge
der Rücknahme der Bewilligungen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausge-
führt, dass sich die Klägerin nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen
kann, da sie die tatsächlichen Umstände kannte, die die Rechtswidrigkeit be-
wirkt haben (§ 49a Abs. 2 VwVfG).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Kley
Liebler
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
Rothfuß
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