Urteil des BVerwG vom 19.05.2005

Körperliche Unversehrtheit, Cannabis, Multiple Sklerose, Verkehr mit Betäubungsmitteln

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 17.04
VG 7 K 1979/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Mai 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. D e t t e , L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. Februar 2004
wird geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Be-
scheides vom 4. August 2000 und des undatierten Wider-
spruchsbescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf
Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu medizinischen Zwe-
cken erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Revision zu-
rückgewiesen.
Die Beklagte trägt drei Viertel, der Kläger ein Viertel der Kosten
des Rechtsstreits.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger, ein 56-jähriger Rechtsanwalt, leidet unter Multipler Sklerose. Nach eige-
nen Angaben lebt er inzwischen in einem Heim für schwer Körperbehinderte.
Unter dem 19. Februar 2000 beantragte der Kläger, ihm eine Erlaubnis nach § 3
Betäubungsmittelgesetz - BtMG - zum Besitz und zur Anwendung von Cannabis "zur
versuchsweisen Therapie" seiner Erkrankung zu erteilen. Er wies darauf hin, dass
seine Krankheit sich hauptsächlich in Muskelspasmen äußere, die ihn an den Roll-
stuhl fesselten, sowie in Beeinträchtigungen der Seh- und Sprachnerven. Außerdem
betonte er, dass es ihm um die Anwendung von Cannabis gehe und er die Anwen-
dung des Ersatzstoffs Dronabinol ablehne, weil der Hauptwirkstoff des Cannabis,
Tetrahydrocannabinol (THC), nach vielfältiger Erfahrung nur im Zusammenhang mit
anderen Bestandteilen der Pflanze seine heilende und lindernde Wirkung bei Multip-
ler Sklerose entfalte.
Mit Bescheid vom 3. August 2000 lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Me-
dizinprodukte (BfArM) den Antrag mit der Begründung ab, Cannabis gehöre nach § 1
Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I dieses Gesetzes zu den nicht verkehrsfähigen Betäu-
bungsmitteln. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach
§ 3 Abs. 2 BtMB lägen nicht vor. Die erstrebte Behandlung eines einzelnen Patien-
ten sei kein wissenschaftlicher Zweck im Sinne dieser Vorschrift. Auch ein anderer im
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öffentlichen Interesse liegender Zweck sei nicht gegeben. Zwar könne auch die not-
wendige medizinische Versorgung eines einzelnen Patienten einen öffentlichen
Zweck darstellen; die Anwendung von Cannabis sei aber nicht notwendig, da THC in
der Form des Dronabinol nach den vorliegenden medizinischen Erkenntnissen bei
der Behandlung von Multipler Sklerose keine geringeren Wirkungen zeige als Can-
nabis. Außerdem liege der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 5 BtMG vor, da die
Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs in diesem Fall nicht gewähr-
leistet sei. Durch die Einschaltung eines Arztes könne die erforderliche Sicherheit
und Kontrolle nicht gewährleistet werden, da § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMG die Verschrei-
bung der in Anlage I des Gesetzes aufgeführten Betäubungsmittel verbiete. Eine
Abgabe ohne ärztliche Verschreibung stünde im Widerspruch zu Art. 30 Abs. 2
Buchst. b des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (BGBl II vom
11. Februar 1977 S. 111), wonach die Vertragsstaaten für die Lieferung oder Abgabe
von Suchtstoffen (darunter Cannabis) an Einzelpersonen ärztliche Verordnungen
vorzuschreiben hätten. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger auch mit
einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG Cannabis nicht erwerben könne, da dieser
Stoff auf dem deutschen Markt legal nicht zu erwerben sei. Den Widerspruch des
Klägers wies das Bundesinstitut durch undatierten Bescheid, beim Kläger eingegan-
gen am 14. Februar 2001, zurück.
Mit seiner Klage auf Erteilung der Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu medizini-
schen Zwecken hat der Kläger vorgetragen, das Selbstbestimmungsrecht und die
personale Würde des Patienten geböten es, seine Entscheidung für eine bestimmte
Therapie und Selbstmedikation zu akzeptieren. Einem Erkrankten müsse die Mög-
lichkeit verbleiben, auch eine Außenseitermethode anzuwenden, um eine Linderung
seiner Leiden zu erreichen. Dies solle hier in einem ärztlich überwachten Versuch
geschehen. Der Verweis auf den Ersatzstoff Dronabinol trage schon deshalb nicht,
weil keine Vergleichsergebnisse zwischen dem synthetisch hergestellten Ersatzstoff
und dem natürlichen Produkt Cannabis vorlägen. Der Kläger selbst lehne die An-
wendung von Dronabinol ab, nachdem er es eine Zeitlang ausprobiert habe. Das
Mittel sei extrem teuer, mindere aber weder die Spastik in nötiger Weise noch ergä-
ben sich sonstige positive Effekte. Dagegen ergebe sich aus den vorgelegten Berich-
ten über die Anwendung von Cannabis, dass die Schmerzen positiv beeinflusst wür-
den und bei fast allen auch eine Spastizitätslinderung auftrete.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, die Versorgung ei-
nes einzelnen Patienten mit Betäubungsmitteln sei kein im öffentlichen Interesse
liegender Zweck im Sinne des § 3 Abs. 2 BtMG. Der Antrag einer Privatperson sei
daher von vornherein nicht erlaubnisfähig. Im Übrigen sei die erfolgte Ablehnung
auch ermessensgerecht, weil aus medizinischer Sicht nicht davon ausgegangen wer-
den könne, dass THC (Dronabinol) bei Multipler Sklerose weniger Effekte zeige als
Cannabis.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. Februar 2004 abgewie-
sen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versagung der begehrten Erlaubnis sei
rechtmäßig, weil die Ausnahmevoraussetzungen des § 3 Abs. 2 BtMG nicht vorlä-
gen. Die erstrebte Verwendung von Cannabis diene weder wissenschaftlichen noch
anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken. Die Anwendung von Cannabis
bei einem einzelnen Patienten sei wissenschaftlich unergiebig. Sie diene auch nicht
der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Die Therapie einer
einzelnen Person diene allein der Gesundheit des jeweiligen Antragstellers und damit
einem individuellen, keinem öffentlichen Anliegen. Bestätigt werde dies durch § 13
Abs. 1 BtMG, der die ärztliche Behandlung eines einzelnen Patienten mit Be-
täubungsmitteln regele. Eine andere Sicht würde die Konzeption des Betäubungsmit-
telgesetzes unterlaufen, das in den Anlagen I bis III eine Abstufung nach der Gefähr-
lichkeit der Suchtstoffe vornehme. Die Auffassung des Klägers hätte zur Folge, dass
er aufgrund einer Erlaubnis des BfArM ohne ärztliche Kontrolle und Begleitung Zu-
gang zu Cannabis erhalten würde, während für die Stoffe der Anlage III diese Beglei-
tung vorgeschrieben sei.
Das Grundrecht des Klägers auf Leben und körperliche Unversehrtheit stehe der
Entscheidung nicht entgegen. Der Kläger habe bereits nicht dargelegt und auch nicht
durch ärztliche Gutachten nachgewiesen, dass seine Erkrankung nur durch Cannabis
geheilt oder gelindert werde, eine Versagung dieses Mittels ihn also in seinen Grund-
rechten verletze. Die Frage der Wirksamkeit von Cannabis könne indessen offen
bleiben, da dem Kläger zumindest mit dem verschreibungsfähigen Wirkstoff Drona-
binol eine gleich wirksame Therapiealternative für die Behandlung von Ataxie und
Spastik zur Verfügung stehe, wohingegen für die übrigen Symptome der Multiplen
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Sklerose auch andere Medikamente der Schulmedizin gegeben seien. Die Kammer
gehe davon aus, dass die vom Kläger erwünschte und der Cannabispflanze zu-
geschriebene günstige Wirkung auf seine Krankheit ebenso mit Dronabinol erzielt
werden könne. Die vorliegenden Untersuchungen belegten die Gleichwertigkeit der
Mittel. Der Kläger habe nicht dargelegt und durch ein ärztliches Gutachten nachge-
wiesen, dass ein ernsthafter, ärztlich angeleiteter und überwachter Therapieversuch
über einen angemessenen Zeitraum mit Dronabinol bei ihm unternommen worden
sei.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Zustimmung der Beklagten die vom Verwal-
tungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. Dazu trägt er vor, ein Betroffener
müsse bei Krankheiten unklarer Genese- und Verlaufsform "experimentieren"
können. Dies gelte vor allem, wenn keine Folgelasten für die Allgemeinheit entstün-
den, dafür aber Kostenersparnisse in großem Umfang möglich seien. Das Medika-
ment Dronabinol sei keinesfalls ein geeignetes Ersatzmittel. Es sei extrem teuer, wir-
ke aber weder hinsichtlich der Schmerzzustände noch, was besonders belastend sei,
hinsichtlich der Spastizität.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie wiederholt und vertieft
ihr früheres Vorbringen. Insbesondere hält sie daran fest, dass die Behandlung einer
Einzelperson mit einem Betäubungsmittel kein im öffentlichen Interesse liegender
Zweck im Sinne des § 3 Abs. 2 BtMG sei. Die Gleichwertigkeit von Cannabis und
Dronabinol bei der Behandlung von Multipler Sklerose sei durch das Verwaltungsge-
richt nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt. Im Übrigen werde diese Gleich-
wertigkeit durch die inzwischen vorliegenden medizinischen Untersuchungen bestä-
tigt.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am
Verfahren. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit und
soziale Sicherung hält er die Revision für unbegründet. Er teilt insbesondere die Auf-
fassung des Verwaltungsgerichts, dass die Nutzung von Cannabis zum Zweck der
Selbsttherapie keinen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck im Sinne des § 3
Abs. 2 BtMG erfülle, sondern ausschließlich dem individuellen Interesse des Klägers
diene; die Möglichkeiten der Behandlung eines einzelnen Patienten mit Betäu-
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bungsmitteln seien abschließend in § 13 Abs. 1 BtMG geregelt. Außerdem legt er
eine Übersicht über die Studien zur Wirksamkeit von Dronabinol und natürlichem
Cannabis bei verschiedenen Erkrankungen sowie die Antwort der Bundesregierung
betreffend den Einsatz von Cannabis-Wirkstoffen in Arzneimitteln (BTDrucks
15/2331) vor.
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts,
die Beklagte habe den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis
zu medizinischen Zwecken zu Recht abgelehnt, verletzt § 3 Abs. 2 des Gesetzes
über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG) in der
Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl I S. 358). Das führt zur Än-
derung des angefochtenen Urteils und zur Verpflichtung der Beklagten, über den
Antrag des Klägers erneut zu entscheiden. Das weitergehende Verpflichtungsbegeh-
ren bleibt dagegen ohne Erfolg.
Nach § 3 Abs. 2 BtMG kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
eine Erlaubnis zum Erwerb der in Anlage I des Gesetzes bezeichneten Betäu-
bungsmittel nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen
Interesse liegenden Zwecken erteilen. Diese Bestimmung ist einschlägig, weil Can-
nabis ebenso wie Cannabisharz ausweislich der 15. Betäubungsmittelrechts-
Änderungsverordnung - 15. BtMÄndV - vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1180) in Anla-
ge I des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen worden ist, die die nicht verkehrs-
fähigen Betäubungsmittel enthält.
1. Das Verwaltungsgericht hat die Erlaubnisfähigkeit des Cannabiserwerbs durch den
Kläger verneint, weil der Erwerb weder zu wissenschaftlichen noch zu anderen im
öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erfolgen solle. Das ist im Hinblick auf das
Fehlen wissenschaftlicher Zwecke nicht zu beanstanden. Wissenschaftliche Tätigkeit
ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur
Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Als Forschung ist sie geistige Tätigkeit mit
dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkennt-
nisse zu gewinnen (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71 und
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325/72 - BVerfGE 35, 79, 113). Zwar hat der Kläger die Erlaubnis zur "versuchswei-
sen medizinischen Anwendung" von Cannabis beantragt. Der Versuch soll jedoch
lediglich der Feststellung dienen, ob die Anwendung von Cannabis in seinem Fall
positive therapeutische Auswirkungen auf sein Krankheitsbild hat; eine systemati-
sche Versuchsanlage, die zu einer verallgemeinerungsfähigen Aussage über die
Wirksamkeit von Cannabis bei Multipler Sklerose führen könnte, ist nicht beabsich-
tigt.
Fehl geht aber die Ansicht, die Erlaubnis werde auch nicht zu anderen im öffentlichen
Interesse liegenden Zwecken begehrt. Das Verwaltungsgericht meint, dies folge
schon daraus, dass die Therapie einer einzelnen Person allein der Gesundheit des
jeweiligen Antragstellers und damit einem individuellen, keinem öffentlichen Anliegen
diene. Mit dieser begrifflichen Argumentation schließt es generell die Erteilung einer
Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zur Behandlung einzelner Patienten mit Cannabis
aus.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts wird vom Vertreter des Bundesinteresses
beim Bundesverwaltungsgericht geteilt. Sie steht aber im Widerspruch zu einer
Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das durch Beschluss vom
20. Januar 2000 - 2 BvR 2382/99 - NJW 2000, 3126 die Verfassungsbeschwerden
mehrerer Multiple-Sklerose-Kranker und Hepatitis-Patienten gegen das Betäu-
bungsmittelgesetz nicht zur Entscheidung angenommen hat, weil die Betroffenen
zunächst versuchen müssten, eine Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 BtMG zu erlangen.
Dazu verweist die Kammer auf den in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ausgesprochenen Ge-
setzeszweck, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzu-
stellen. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung sei danach auch ein öffentli-
cher Zweck, der im Einzelfall die Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 BtMG
rechtfertigen könne.
Die Literatur ist dem Bundesverfassungsgericht einhellig gefolgt. Körner (BtMG,
5. Auflage 2001, § 3 Rn. 56) bezeichnet die Ablehnungspraxis des BfArM gegenüber
den 70 Antragstellern, die im Gefolge der Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts einen Erlaubnisantrag gestellt hatten, als bedenklich, da keine ausgewogene
Abwägung der Behandlungsinteressen der schwerkranken Antragsteller mit dem
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Schutzinteresse der Bevölkerung stattfinde. Weber (BtMG, 2. Auflage 2003, § 3
Rn. 112) meint, ein Erlaubnisantrag dürfte in Fällen wie dem vorliegenden überwie-
gend auf Sympathie stoßen, doch werde nach dem derzeitigen Befund eine Ermes-
senreduzierung auf null kaum in Betracht kommen. Der Verweis auf Ermessensge-
sichtspunkte beinhalte, dass das Gesetz nicht zwingend zur Ablehnung derartiger
Anträge führt. Auch Lander (bei Hügel/Junge, Deutsches Betäubungsmittelrecht,
8. Auflage 2002, § 3 BtMG Rn. 17) und Joachimski/Haumer (BtMG, 7. Auflage 2002,
§ 3 Rn. 45) sehen ein öffentliches Interesse bei einer therapeutischen Zielrichtung als
gegeben an.
Der Senat folgt dieser Auffassung. Er hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2000
- BVerwG 3 C 20.00 - (BVerwGE 112, 314, 315), in dem es um die Erteilung einer
Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zum Zwecke der Religionsausübung ging, ausge-
sprochen, ein öffentliches Interesse sei gegeben, wenn das Vorhaben zumindest
auch einem gegenwärtigen Anliegen der Allgemeinheit entspreche. Daran ist festzu-
halten. Zu Unrecht verbindet das Verwaltungsgericht diesen Satz aber mit der Be-
hauptung, die Therapie einer einzelnen Person diene allein der Gesundheit des je-
weiligen Antragstellers und damit einem individuellen, keinem öffentlichen Anliegen.
Diese Bewertung entspricht weder dem Betäubungsmittelgesetz noch dem Grund-
gesetz.
§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG nennt die notwendige medizinische Versorgung der Bevölke-
rung neben der Verhinderung des Betäubungsmittelmissbrauchs als Gesetzeszweck.
Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist kein globaler Akt, der sich auf eine
Masse nicht unterscheidbarer Personen bezieht. Sie realisiert sich vielmehr stets
durch die Versorgung einzelner Individuen, die ihrer bedürfen. Die medizinische Ver-
sorgung der Bevölkerung erfasst nie alle Mitglieder der Bevölkerung zugleich, son-
dern richtet sich an diejenigen, die jeweils ein bestimmtes Krankheitsbild aufweisen.
Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hat jeder das Recht auf Leben und körperliche Unver-
sehrtheit. Dieser Bestimmung kommt im Wertehorizont des Grundgesetzes eine
große Bedeutung zu. Leben und körperliche Unversehrtheit sind in weiten Bereichen
elementare Voraussetzung für die Wahrnehmung der übrigen Grundrechtsgewähr-
leistungen. In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann nicht nur dadurch ein-
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gegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine Körperverletzung vornehmen
oder durch ihr Handeln Schmerzen zufügen. Der Schutzbereich des Grundrechts ist
vielmehr auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass
eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann und wenn dadurch
körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt und aufrechterhalten werden. Das gilt insbe-
sondere durch die staatliche Unterbindung des Zugangs zu prinzipiell verfügbaren
Therapiemethoden zur nicht unwesentlichen Minderung von Leiden (vgl. BVerfG
<1. Kammer des 1. Senats>, Beschluss vom 11. August 1999 - 1 BvR 2181/98 -
NJW 1999, 3399, 3400 f.; Schulze-Fielitz bei Dreier, GG, 2. Auflage 2004, Art. 2
II. Rn. 48; Murswieck bei Sachs, GG, 3. Auflage 2003, Art. 2 Rn. 159 a).
Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit steht in enger Beziehung
zur Menschenwürde, die zu achten und zu schützen nach Art. 1 GG Aufgabe aller
staatlichen Gewalt ist. Schwere Krankheit und das Leiden an starken, lange dauern-
den Schmerzen können den Betroffenen hindern, ein selbstbestimmtes und seinen
Vorstellungen von einem menschenwürdigen Leben entsprechendes Leben zu füh-
ren. Daraus folgt, dass die Therapierung schwer kranker Menschen nicht nur jeweils
deren individuelle Interessen verfolgt, sondern ein Anliegen der Allgemeinheit ist. Der
vom Verwaltungsgericht insoweit aufgebaute Gegensatz ist nicht haltbar. Die Er-
laubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG kann auch für die Therapie eines einzelnen Patienten
erteilt werden.
Die Auffassung, die Behandlung eines einzelnen Patienten mit Cannabis könne von
vornherein nicht im öffentlichen Interesse liegen, ist auch deshalb nicht nachvoll-
ziehbar, weil zwar der konkret zu bescheidende Antrag jeweils von einer Person ge-
stellt ist, dasselbe Anliegen aber häufig von einer größeren Zahl von Patienten geteilt
wird. Die Frage des Einsatzes von Cannabis zur Krankheitsbehandlung nimmt seit
langem in der öffentlichen Diskussion breiten Raum ein (vgl. BTDrucks 13/3282;
BTDrucks 15/2331; Körner, a.a.O., § 3 Rn. 56). Dabei geht es stets um die Frage, ob
der mögliche Nutzen eines solchen Therapieeinsatzes die Gefahr eines Betäu-
bungsmittelmissbrauchs ausgleicht oder gar übersteigt. Diesen Fragen kann nicht
dadurch ausgewichen werden, dass die Therapierung des einzelnen Patienten aus-
schließlich zur Privatsache erklärt wird.
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2. Zu Unrecht beruft sich das Verwaltungsgericht für seine Auffassung, eine Erlaub-
nis nach § 3 Abs. 2 BtMG könne nicht zu therapeutischen Zwecken erteilt werden,
auch auf § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMG. Die Vorschrift verbietet es Ärzten, Zahnärzten
und Tierärzten, die in Anlagen I und II bezeichneten Betäubungsmittel zu verschrei-
ben, zu verabreichen oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch zu überlas-
sen.
Das Verwaltungsgericht sieht ebenso wie der Vertreter des Bundesinteresses § 13
Abs. 1 BtMG insgesamt als abschließende Regelung für den therapeutischen Einsatz
von Betäubungsmitteln an. Daran ist richtig, dass Betäubungsmittel der Anlage I, die
unter § 3 Abs. 2 BtMG fallen, nicht nach § 13 Abs. 1 BtMG verschrieben und
verabreicht werden dürfen. Das ist in Satz 3 dieser Regelung ausdrücklich ausge-
sprochen. Dies ist auch konsequent, denn diese Betäubungsmittel sind weder ver-
kehrs- noch verschreibungsfähig. Das besagt aber nichts darüber, ob sie auf anderen
Wegen, nämlich mittels einer Erlaubnis nach § 3 BtMG, zur Anwendung kommen
können. Dazu trifft § 13 BtMG schon seinem Wortlaut nach keine Aussage (ebenso
BVerfG <3. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 20. Januar 2000 - 2 BvR
2382/99 - a.a.O.). Er regelt in Abs. 1 Satz 1 die therapeutische Verwendung von Be-
täubungsmitteln der Anlage III. Die dort aufgeführten Stoffe sind verkehrs- und ver-
schreibungsfähig. Satz 3 nimmt von diesem Einsatzweg nicht nur die Mittel der Anla-
ge I sondern auch die der Anlage II aus, die verkehrs- aber nicht verschreibungsfähi-
ge Betäubungsmittel enthält. Diese unterliegen nur dem Erlaubnisverfahren nach § 3
Abs. 1 BtMG, für das die Versagungsgründe nach § 5 BtMG maßgeblich sind. Ir-
gendeinen Hinweis, dass insoweit ein Einsatz zu therapeutischen Zwecken unzuläs-
sig sein sollte, gibt das Gesetz nicht. Wenn aber das Verbot des § 13 Abs. 1 Satz 3
BtMG für Betäubungsmittel der Anlage II den therapeutischen Einsatz nicht verbietet,
ist nicht zu erkennen, wieso dieselbe Vorschrift für Betäubungsmittel der Anlage I
einen weitergehenden Gehalt haben sollte.
Das bedeutet, dass eine zu therapeutischen Zwecken erteilte Erlaubnis nach § 3
Abs. 2 BtMG über die Hürde der fehlenden Verkehrsfähigkeit hinweghilft, nicht aber
die Verschreibungsfähigkeit herstellt. Ärzte dürfen die in Anlage I aufgeführten Be-
täubungsmittel in keinem Fall selbst zur Therapie bei einem Patienten einsetzen.
Dem steht das Verbot des § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMG entgegen. Das hindert sie aber
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nicht, einen Patienten medizinisch zu betreuen und zu begleiten, der auf der Grund-
lage einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG solche Mittel im Rahmen der Selbstthe-
rapie bei sich anwendet.
Das angefochtene Urteil beruht hiernach auf einer unrichtigen Auslegung des § 3
Abs. 2 BtMG und damit auf einem Bundesrechtsverstoß.
3. Das angefochtene Urteilt stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als
richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Insoweit könnte allerdings die Aussage des Verwal-
tungsgerichts relevant sein, dass dem Kläger zumindest mit dem verschreibungsfä-
higen Wirkstoff Dronabinol eine gleich wirksame Therapiealternative für die Behand-
lung der im Rahmen der Multiplen Sklerose auftretenden Ataxie (Störung der Koor-
dination von Bewegungsabläufen) und Spastik zur Verfügung stehe, während für die
übrigen Symptome der Krankheit auch andere Medikamente der Schulmedizin ge-
geben seien. Das Verwaltungsgericht verwendet diese Aussage im Hinblick auf Art. 2
Abs. 2 GG, um darzutun, dass die Verweigerung des Cannabiserwerbs keinen
Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Klägers darstelle. Wäre die Aussage
richtig, müsste sie aber schon in die Auslegung des § 3 Abs. 2 BtMG einbezogen
werden. Wenn dem Betroffenen zur Behandlung seiner Krankheit ein gleich wirksa-
mes zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, besteht kein öffentliches Inte-
resse, stattdessen im Wege der Ausnahmeerlaubnis den Einsatz eines weder ver-
kehrs- noch verschreibungsfähigen Betäubungsmittels zuzulassen.
Der Kläger bestreitet mit der Revision wie im gesamten früheren Verfahren, dass
Dronabinol bei der Behandlung von Multipler Sklerose die gleichen Wirkungen zeige
wie Cannabis. Dronabinol ist die Bezeichnung des synthetisch hergestellten Canna-
bis-Wirkstoffs Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC), neben dem Cannabis noch eine
Reihe weiterer Wirkstoffe enthält (vgl. Körner a.a.O. C 1 Rn. 236). Es wird in den
USA hergestellt und ist in Anhang III zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommen. Es
ist in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen, kann aber nach § 73 Abs. 3
AMG nach Deutschland importiert werden. Die Frage, ob dieses Mittel bei bestimm-
ten schweren Erkrankungen, zu denen neben Multipler Sklerose unter anderem auch
Aids gehört, die gleichen Wirkungen entfaltet wie Cannabis, ist sehr umstritten und
Gegenstand verschiedener Forschungsarbeiten, wie nicht zuletzt in der Revisionser-
widerung der Beklagten dargelegt ist.
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Ob die Aussage des Verwaltungsgerichts, Dronabinol sei gleich wirksam wie Canna-
bis, hinreichend belegt ist, erscheint vor diesem Hintergrund nicht unzweifelhaft.
Dennoch kann der Kläger mit seinen dagegen gerichteten Rügen kein Gehör finden.
Mit der Sprungrevision können nach § 134 Abs. 4 VwGO Verfahrensmängel nicht
gerügt werden. Der Kläger kann also nicht geltend machen, das Verwaltungsgericht
habe die Gleichwertigkeit von Dronabinol und Cannabis nicht ausreichend geklärt.
Gleichwohl erweist sich das angefochtene Urteil nicht wegen der Möglichkeit der
Verwendung von Dronabinol im Ergebnis als richtig. Dronabinol ist kein zugelasse-
nes Arzneimittel. Deshalb wird es selbst bei ärztlicher Verschreibung nicht von den
gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Es ist schwer erhältlich und extrem teuer (vgl.
Körner, a.a.O., § 3 Rn. 56; Amtsgericht Mannheim, Urteil vom 15. Mai 2003
- 1 Ls 310 Js 5518/02 -; BTDrucks 15/2331 S. 4 f.).
Diese Aussagen beinhalten keine Korrektur der erstinstanzlichen Tatsachenfeststel-
lungen. Sie machen vielmehr deutlich, dass das Verwaltungsgericht den Begriff der
Verfügbarkeit eines gleichwertigen Wirkstoffes falsch ausgelegt hat. Es hat lediglich
auf die Erhältlichkeit eines - aus seiner Sicht - gleich wirksamen Stoffes abgestellt.
Der Verweis auf ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres verfügbar noch für den
normalen Bürger erschwinglich ist, stellt aber keine Alternative dar, die das öffentli-
che Interesse am Einsatz von Cannabis zur Krankheitsbekämpfung entfallen lässt.
4. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil
die therapeutische Wirksamkeit von Cannabis bei Multipler Sklerose - was das Ver-
waltungsgericht offen gelassen hat - bislang nicht nachgewiesen ist. Zwar sieht sich
die Bundesregierung durch den fehlenden Wirksamkeitsnachweis derzeit gehindert,
neben Dronabinol auch natürlichen Cannabisextrakt verschreibungsfähig zu machen
(BTDrucks 15/2331 S. 6). Abgesehen von der Unschlüssigkeit dieser Argumentation,
weil auch für Dronabinol bislang kein Wirksamkeitsnachweis vorliegt (BTDrucks
15/2331 S. 4), kann das für eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG erforderliche öf-
fentliche Interesse nicht schon wegen des fehlenden Wirksamkeitsnachweises ver-
neint werden; nur der Nachweis der mangelnden therapeutischen Wirksamkeit steht
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der Annahme eines öffentlichen Interesses und damit der Erteilung der Erlaubnis
zwingend entgegen. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Zieht man die Grundsätze der Arzneimittelzulassung heran, so ist nach § 25 Abs. 2
Nr. 4 AMG ein Arzneimittel nicht zulassungsfähig, dem die vom Antragsteller ange-
gebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder bei dem die Wirksamkeit nach dem
jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller
unzureichend begründet ist. Die therapeutische Wirksamkeit ist hiernach Zulas-
sungsvoraussetzung für ein Arzneimittel. Dieser Grundsatz kann aber in das Erlaub-
nisverfahren nach § 3 Abs. 2 BtMG nicht übertragen werden, weil die Regelungen
unterschiedliche Interessenlagen zum Gegenstand haben.
Die Zulassung eines Arzneimittels ist eine generelle Entscheidung, die das Arznei-
mittel ohne weiteres verkehrsfähig macht. Das Erfordernis der therapeutischen Wirk-
samkeit hat in diesem Zusammenhang die Schutzfunktion, den Patienten vor der
Einnahme unwirksamer Arzneimittel zu bewahren, die ihn unter Umständen von der
Anwendung wirksamer Therapiemöglichkeiten abhält. Das Erlaubnisverfahren nach
§ 3 Abs. 2 BtMG hat dagegen eine gänzlich andere Funktion. Die Entscheidung, ei-
nem Patienten den Erwerb oder, was insbesondere bei Cannabis in Betracht kommt,
etwa den Anbau zu gestatten, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung. Sie muss die
konkreten Gefahren des Betäubungsmitteleinsatzes, aber auch dessen möglichen
Nutzen in Rechnung stellen. Dieser kann gerade bei schweren Erkrankungen, wie sie
hier in Rede stehen, auch in einer Verbesserung des subjektiven Befindens liegen.
Dabei ist sich der Betroffene bewusst, dass es keinerlei Gewähr für die thera-
peutische Wirksamkeit des eingesetzten Betäubungsmittels gibt. Bei schweren Er-
krankungen ohne Aussicht auf Heilung gebietet es in diesem Rahmen die von Art. 2
Abs. 2 Satz 1 GG geforderte Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit, die Mög-
lichkeit einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG nur dann auszuschließen, wenn ein
therapeutischer Nutzen keinesfalls eintreten kann.
Speziell im Hinblick auf die Benutzung von Cannabis ist hierzu folgendes zu ergän-
zen: Nach der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts sind die von Cannabis-
produkten ausgehenden Gesundheitsgefahren aus heutiger Sicht zwar geringer, als
der Gesetzgeber bei Erlass des Betäubungsmittelgesetzes angenommen hat, doch
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verbleiben auch nach dem jetzigen Erkenntnisstand nicht unbeträchtliche Gefahren
und Risiken. Diese Gefahren und Risiken rechtfertigen es nach wie vor, den Umgang
mit Cannabisprodukten generell unter Strafe zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom
9. März 1994 - 2 BvL 43 u.a./92 - BVerfGE 90, 145, 181 f.) und das Recht des po-
tenziellen Konsumenten auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit durch Cannabis-
genuss zurückzudrängen. Die genannten Gefahren und Risiken, die insbesondere
beim Umgang von Jugendlichen mit Cannabis drohen, stellen sich aber ganz anders
dar, wenn es um den Einsatz des Betäubungsmittels zur Bekämpfung einer Krank-
heit geht. Hier geht es um ein sehr viel höheres Rechtsgut als die allgemeine Hand-
lungsfreiheit oder das aus ihr von einigen hergeleitete "Recht auf Rausch". In einer
solchen Abwägungssituation erscheint die Aufrechterhaltung der Strafbarkeit nur
vertretbar, wenn schon die Möglichkeit einer Heilung oder Linderung der schweren
Erkrankung die Erlaubnisfähigkeit eröffnet. Außerdem stellt bei schweren Erkran-
kungen, wie sie hier in Rede stehen, schon die Verbesserung der subjektiven Befind-
lichkeit eine Linderung dar, deren Eröffnung im öffentlichen Interesse liegt.
5. Die ablehnende Entscheidung des Bundesinstituts ist auch darauf gestützt, bei
Erteilung der Erlaubnis sei die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelver-
kehrs nicht gewährleistet (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 BtMG). Mit dieser Begründung kann das
angefochtene Urteil schon deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil eine substan-
tiierte Prüfung hierzu selbst durch die Behörde nicht erfolgt ist. Der generelle Hinweis
auf die Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis reicht insoweit jedenfalls nicht aus,
weil § 3 Abs. 2 BtMG auf eine partielle Legalisierung dieses Umgangs zielt.
6. Internationales Recht steht einer Entscheidung zugunsten des Klägers nicht ent-
gegen. Im Ausgangsbescheid war hierzu auf § 5 Abs. 2 BtMG in Verbindung mit dem
Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekannt-
machung vom 4. Februar 1977 (BGBl II S. 111) Bezug genommen worden. Zum ei-
nen bringt das Einheits-Übereinkommen in Art. 2 Abs. 5 b, Art. 19 Abs. 1 a, Art. 21
Abs. 1 a, Art. 30 Abs. 1 c und Art. 32 zum Ausdruck, dass der therapeutische Einsatz
von Suchtstoffen nicht verhindert werden soll (vgl. Körner, a.a.O., § 3 Bd. 56). Zum
anderen stellt § 5 Abs. 2 BtMG die Versagung der Erlaubnis mit der Begründung, sie
stehe der Durchführung der internationalen Suchtstoffübereinkommen entgegen, ins
Ermessen der Behörde.
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7. Das Fehlen zwingender Versagungsgründe rechtfertigt es nicht, die Beklagte ent-
sprechend dem Antrag des Klägers zur Erteilung der Erlaubnis zu verpflichten, viel-
mehr steht die Erlaubnis im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Eine Ermes-
sensentscheidung ist bis jetzt nicht getroffen worden, da sich das BfArM aus
Rechtsgründen an einer Stattgabe gehindert gesehen hat. Ebenso fehlt es bislang an
einer Prüfung, der §§ 5 und 6 BtMG, insbesondere von § 5 Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 6
Abs. 2 BtMG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Dette
Liebler Prof. Dr. Rennert
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 000 € fest-
gesetzt.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Dette
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Betäubungsmittelrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 1, 2 Abs. 2
BtMG § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 13 Abs. 1
Stichworte:
Erwerb von Betäubungsmitteln; Erlaubnis zum Erwerb von Betäubungsmitteln; Can-
nabis; Erwerb von Cannabis zu therapeutischen Zwecken; Cannabis und Multiple
Sklerose.
Leitsatz:
Der Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zur Behandlung
einer Multiple-Sklerose-Erkrankung beim Antragsteller kann nicht nach § 3 Abs. 2
BtMG mit der Begründung abgelehnt werden, eine solche Behandlung liege nicht im
öffentlichen Interesse.
Urteil des 3. Senats vom 19. Mai 2005 - BVerwG 3 C 17.04
I. VG Köln vom 17.02.2004 - Az.: VG 7 K 1979/01 -