Urteil des BVerwG vom 24.06.2010

Genehmigung, Unternehmer, Öffentliches Verkehrsmittel, Angemessene Frist

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 14.09
VGH 2 UE 922/07
Verkündet
am 24. Juni 2010
Jesert
Hauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
Buchheister und Dr. Wysk
für Recht erkannt:
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
21. Oktober 2008 und das Urteil des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main vom 13. März 2007 werden geändert.
Der Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
14. November 2005 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Aus-
nahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen,
die diese selbst trägt.
G r ü n d e :
I
Das klagende Eisenbahnverkehrsunternehmen wendet sich gegen die der Bei-
geladenen erteilte Genehmigung für einen Buslinienfernverkehr.
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Die Beigeladene, die neben der Durchführung von Städte- und Urlaubsreisen
ein europaweites Liniennetz mit Omnibussen betreibt, beantragte beim Beklag-
ten mit Schreiben vom 19. Juli 2005 die Genehmigung der Einrichtung und des
Betriebs eines Linienbusverkehrs von Frankfurt a.M. (Hauptbahnhof) nach Dort-
mund (Hauptbahnhof) mit Zwischenhalten in Bonn, Köln, Düsseldorf, Duisburg,
Essen und Bochum. Ab Frankfurt a.M. sollten täglich vier und in der Gegenrich-
tung ab Dortmund täglich fünf Fahrten stattfinden. Als Fahrpreis waren 25 € für
die einfache Fahrt und 50 € für die Hin- und Rückfahrt vorgesehen; bei Bu-
chung mindestens zwei Wochen vor Abfahrt ermäßigt sich der Fahrpreis auf 15
und 30 €. Bei Reisen, die an einem der Zwischenhalte enden, ermäßigen sich
die Fahrpreise entsprechend.
Die Klägerin erhob im Anhörverfahren nach § 14 des Personenbeförderungs-
gesetzes - PBefG - Einwendungen gegen die Erteilung der Genehmigung. Sie
führe zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen; denn die
Strecke werde mit dem von ihr angebotenen schnelleren, bequemeren und
umweltfreundlicheren Schienenverkehr bereits ausreichend bedient.
Mit Bescheid vom 14. November 2005 erteilte das Regierungspräsidium Darm-
stadt der Beigeladenen die beantragte Genehmigung befristet bis zum 31. Ok-
tober 2013 und wies die Einwendungen der Klägerin zurück. Versagungsgründe
nach § 13 Abs. 2 PBefG lägen nicht vor. Der Verkehr könne mit den vor-
handenen Verkehrsmitteln nicht befriedigend bedient werden. Zwar biete die
Klägerin auf der Relation Frankfurt a.M. - Dortmund ein dichtes, vertaktetes und
vernetztes Fahrtenangebot mit einer deutlich geringeren Fahrtzeit als beim be-
antragten Busverkehr; zudem biete eine Busreise nicht dieselbe Bequemlichkeit
und Bewegungsfreiheit wie eine Fahrt mit der Bahn. Doch betrage der Pkw-
Anteil bei Fernreisen 74 %, der Anteil des Bahnverkehrs nur 11 %. Das zeige,
dass das Bahnangebot den Wünschen der Öffentlichkeit nicht genüge. Insbe-
sondere wegen des Mangels an umsteigefreien Verbindungen und der häufigen
Unpünktlichkeit akzeptiere ein großer Teil des Publikums das Bahnangebot
nicht. Wesentlich für die geringe Nutzung der Bahn bei Fernreisen sei außer-
dem das Fehlen von Angeboten im unteren Preissegment. Bei real gesunkenen
Einkommen gewännen Angebote im Low-Cost-Bereich zunehmend an Bedeu-
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tung, wie auch die hohe Vermittlungsrate von Mitfahrzentralen zeige. Daher sei
durch die äußerst günstigen Bustarife eine wesentliche Verbesserung der Ver-
kehrsbedienung auf der beantragten Relation zu erwarten.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom
13. März 2007 abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom
21. Oktober 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es: Die der Beigela-
denen erteilte Linienverkehrsgenehmigung sei rechtmäßig. Bei dem Begriff der
befriedigenden Verkehrsbedienung in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG han-
dele es sich ebenso wie bei der in Buchst. b genannten wesentlichen Verbes-
serung der Verkehrsbedienung um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Genehmi-
gungsbehörde habe einen Beurteilungs- und Abwägungsspielraum, dessen
Anwendung gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden könne. Ein durch-
greifender Abwägungsfehler sei nicht festzustellen. Soweit der Beklagte Ver-
spätungen im Schienenverkehr zu Lasten der Klägerin in die Abwägung einge-
stellt habe, Stauprobleme auf den von der Beigeladenen genutzten Autobahnen
aber unerwähnt geblieben seien, könne das nicht zur Aufhebung des Be-
scheides führen. Dieser Punkt sei in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht erörtert worden; der Beklagte habe bestätigt, dass er auch
unter Berücksichtigung dieses Umstandes keine andere Entscheidung getroffen
hätte. Darin sei in entsprechender Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO eine
zulässige Ergänzung der Abwägung zu sehen. Die Genehmigung sei auch nicht
wegen einer unzureichenden Berücksichtigung der Belange der Klägerin
rechtswidrig. Der Beklagte habe zu ihren Gunsten die Vorzüge des Schienen-
verkehrs in die Abwägung eingestellt, schneller, bequemer und umweltfreundli-
cher als der Busverkehr zu sein, als letztlich ausschlaggebend habe er jedoch
die günstigeren Fahrpreise der Beigeladenen angesehen. In der Rechtspre-
chung sei anerkannt, dass dem Fahrpreis eine besondere Bedeutung beige-
messen werden könne. Der Beklagte sei davon ausgegangen, dass bei dem
beachtlichen Teil der Bevölkerung, der aus finanziellen Gründen den Schienen-
verkehr nicht nutzen könne, ein zunehmendes Bedürfnis für den von der Beige-
ladenen angebotenen Linienbusverkehr bestehe. Er habe ohne Abwägungsfeh-
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ler annehmen können, dass die Beigeladene eine auf einen anderen Kunden-
kreis abzielende Verkehrsaufgabe wahrnehme, die die Klägerin nicht abdecke.
Deshalb liege der Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG
nicht vor. Ein Abwägungsfehler ergebe sich auch nicht daraus, dass der Be-
klagte bei seinem Tarifvergleich nur die Normalpreise und nicht auch die von
der Klägerin angebotenen Sparpreise und Ermäßigungsmöglichkeiten für
Bahncard-Kunden berücksichtigt habe. Das sei wegen der beim Erwerb einer
Bahncard anfallenden Kosten und den bei einer Inanspruchnahme von Spar-
preisen einzuhaltenden Nutzungsbedingungen gerechtfertigt. Aus dem festge-
stellten Verkehrsbedürfnis folge zugleich, dass der Verkehr der Beigeladenen
eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von § 13
Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG biete. Der Beklagte habe auch diesen Versa-
gungsgrund geprüft. Entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG habe er der
Klägerin vor der Erteilung der Genehmigung zwar nicht die Möglichkeit zu einer
Ausgestaltung ihres bisherigen Verkehrsangebotes gegeben. Daraus könne die
Klägerin indes keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung ableiten,
denn der Verfahrensverstoß habe sie nicht in ihrem Ausgestaltungsrecht ver-
letzt. Eine notwendige Ausgestaltung im Sinne dieser Vorschrift hätte erfordert,
dass die Klägerin ähnlich günstige Fahrpreise wie die Beigeladene anbiete. Der
Beklagte habe geltend gemacht, nach seinen Erfahrungen als auch für die Ta-
rifgenehmigung zuständige Behörde sei nicht zu erwarten gewesen, dass die
Klägerin von dieser Ausgestaltungsmöglichkeit Gebrauch mache. Dem sei die
Klägerin nicht substanziiert entgegengetreten; auch ihrem Einwendungsschrei-
ben und ihrem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren sei eine solche Bereit-
schaft nicht zu entnehmen. Dagegen hätte die Einrichtung eines eigenen Li-
nienbusverkehrs durch die Klägerin keine Aus-, sondern eine Umgestaltung des
vorhandenen Verkehrs bedeutet. Schließlich sei die angefochtene Geneh-
migung nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte in einem späteren, eine
andere Strecke betreffenden Bescheid die Genehmigung eines Parallelverkehrs
mit Bussen trotz auch dort niedrigerer Bustarife abgelehnt habe.
Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Das Berufungsge-
richt habe nicht allein aus den günstigeren Fahrpreisen der Beigeladenen das
ausschlaggebende Argument dafür herleiten dürfen, dass deren Angebot ein
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durch den Bahnverkehr nur unzureichend abgedecktes Verkehrsbedürfnis be-
friedige. Damit werde eine Billigkonkurrenz vom grundsätzlichen Verbot einer
Parallelbedienung freigestellt; Folge sei eine Kannibalisierung des vorhandenen
Verkehrs durch Dumpingangebote. § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG schütze aber das
vorhandene Verkehrsangebot und das dabei tätige Unternehmen grundsätzlich
vor einer Doppelbedienung. Vom Parallelbedienungsverbot könne nur dispen-
siert werden, um eine im öffentlichen Interesse dringend erforderliche wesentli-
che Verbesserung der Verkehrsbedienung herbeizuführen. Allein daraus, dass
erhebliche Teile der Bevölkerung für Fernreisen das Kraftfahrzeug benutzten
oder auf eine Reise ganz verzichteten, könne nicht geschlossen werden, dass
ihnen die Bahn zu teuer sei und daher eine Bedürfnisreserve bestehe. Es gebe
eine Vielzahl von Gründen für eine solche Haltung. Zudem könne mit dieser
Argumentation zu besonders gefragten Tageszeiten oder auf besonders ge-
fragten Strecken stets ein Billigverkehr parallel zum vorhandenen Verkehr ein-
gerichtet werden. Eine solche „Rosinenpickerei“ zerstöre bei einem Schienen-
verkehrsunternehmen, das auch weniger lukrative Zeiträume und Strecken ab-
zudecken habe, die Grundlagen einer wirtschaftlichen Verkehrsbedienung. Aus
dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1977 ergebe
sich nicht, dass den Fahrpreisen für sich betrachtet eine ausschlaggebende
Bedeutung zukomme könne, denn dort sei zusätzlich auf die Einbeziehung in
ein einheitliches Tarifsystem abgestellt worden. Jedenfalls seien bei einem
Preisvergleich auch die von ihr angebotenen Sparpreise und Ermäßigungen für
Bahncard-Inhaber zu berücksichtigen. Sie verringerten den Abstand zu den
Tarifen der Beigeladenen so weit, dass es nicht mehr gerechtfertigt sei, die
Vorzüge einer Bahnreise hinsichtlich Komfort und Reisedauer hintanzustellen.
Auch eine wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von
§ 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG könne nicht allein wegen des niedrigeren
Fahrpreises angenommen werden. Außerdem setze das Berufungsgericht die
Schwelle für einen Abwehranspruch des Schienenverkehrsunternehmens zu
hoch an, wenn es ihn erst bei einem ruinösen Wettbewerb anerkenne. Das
Schienenverkehrsunternehmen solle davor geschützt werden, durch Parallel-
verkehre nach und nach in die Unwirtschaftlichkeit getrieben zu werden.
Schließlich habe das Berufungsgericht die Reichweite des ihr nach § 13 Abs. 2
Nr. 2 Buchst. c PBefG zustehenden Ausgestaltungsrechts verkannt. Es sei nicht
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auf das Angebot billigerer Bahntarife beschränkt, vielmehr hätte sie auch
gefragt werden müssen, ob sie bereit sei, selbst einen kostengünstigeren Bus-
verkehr in dem von der Beigeladenen angebotenen Umfang durchzuführen.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Änderung der vorinstanzli-
chen Urteile und zur Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Linienverkehrs-
genehmigung. Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der
Beklagte diese Genehmigung nicht nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a oder b
PBefG versagen musste. Doch wurde der Klägerin nicht die gemäß § 13 Abs. 2
Nr. 2 Buchst. c PBefG erforderliche Möglichkeit zu einer Ausgestaltung ihres S-
chienenverkehrs eingeräumt. Daraus kann sie entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung herleiten;
weder ist es zu einer Heilung dieses Verfahrensfehlers gekommen, noch entfällt
der Aufhebungsanspruch nach § 46 des Hessischen Verwaltungsverfah-
rensgesetzes - HVwVfG.
1. Auch wenn die Klägerin nicht selbst Adressatin des angefochtenen Geneh-
migungsbescheides ist, ist sie klagebefugt. Ein vorhandener Verkehrsunter-
nehmer hat ein Klagerecht gegen die einem anderen Unternehmer erteilte Ge-
nehmigung, wenn er geltend macht, sein dem öffentlichen Verkehr bereits die-
nendes Unternehmen werde durch die neue Genehmigung beeinträchtigt; § 13
Abs. 2 Nr. 2 PBefG dient auch dem Schutz des vorhandenen Verkehrsangebots
und der darin tätigen Unternehmer (vgl. Urteile vom 25. Oktober 1968 - BVerwG
7 C 90.66 - BVerwGE 30, 347 <348 f.> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 16
S. 27 f. und vom 6. April 2000 - BVerwG 3 C 6.99 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2
VwGO Nr. 4 m.w.N.).
2. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Li-
nienverkehrsgenehmigung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Er-
lasses der letzten Behördenentscheidung (Urteil vom 6. April 2000 a.a.O.), hier
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also des Genehmigungsbescheides vom 14. November 2005. Zu messen ist
die angefochtene Linienverkehrsgenehmigung danach am Personenbeförde-
rungsgesetz in der Fassung des Art. 2 Abs. 7 des Siebten Gesetzes zur Ände-
rung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. Juli 2005
(BGBl I S. 1954).
Die Klägerin stützt ihre Einwendungen darauf, dass der Erteilung der Genehmi-
gung an die Beigeladene Versagungsgründe nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG
entgegenstünden. Danach ist beim Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen die Ge-
nehmigung zu versagen, wenn durch den beantragten Verkehr die öffentlichen
Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden, insbesondere
a) der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient wer-
den kann,
b) der beantragte Verkehr ohne eine wesentliche Verbesserung der Verkehrs-
bedienung Verkehrsaufgaben übernehmen soll, die vorhandene Unterneh-
mer oder Eisenbahnen bereits wahrnehmen,
c) die für die Bedienung dieses Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Ei-
senbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von
der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist und, so-
weit es sich um öffentlichen Personennahverkehr handelt, unter den Voraus-
setzungen des §Abs.selbst durchzuführen bereit sind.
Bei der Bewertung von Verkehrsbedürfnissen der unterschiedlichsten Art und
ihrer befriedigenden Bedienung sowie einer wesentlichen Verbesserung der
Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b PBefG
kommt der Genehmigungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, der auch die
Frage einschließt, wie gewichtig einzelne öffentliche Verkehrsinteressen sowohl
für sich gesehen als auch im Verhältnis zu anderen sind. Dazu hat die Geneh-
migungsbehörde die Verkehrsbedürfnisse zu ermitteln und zu bewerten, um
dann entscheiden zu können, ob und in welchem Maße sie befriedigt werden
können und sollen. Diese Entscheidung setzt nicht nur prognostische, sondern
auch verkehrs- und raumordnerische Wertungen voraus (vgl. auch § 8 Abs. 4
PBefG). Die Entscheidung ist deshalb ähnlich wie andere planerische Verwal-
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tungsentscheidungen der gerichtlichen Überprüfung nur begrenzt zugänglich
(Urteile vom 28. Juli 1989 - BVerwG 7 C 39.87 - BVerwGE 82, 260 <265> =
Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 29 S. 16 und vom 29. Oktober 2009 - BVerwG
3 C 1.09 - VerkMitt 2010 Nr. 33 S. 34).
3. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen Bundes-
recht angenommen, dass § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG der Erteilung der
streitigen Linienverkehrsgenehmigung nicht entgegenstand. Der Beklagte konn-
te ohne Überschreitung der rechtlichen Grenzen seines Beurteilungsspielraums
zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen dieses Versagungsgrun-
des nicht erfüllt sind.
Eine befriedigende Bedienung des Verkehrs mit den vorhandenen Verkehrsmit-
teln im Sinne dieser Regelung findet dann nicht statt, wenn eine Lücke im Ver-
kehrsangebot besteht (vgl. u.a. Urteile vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C
111.66 - BVerwGE 30, 251 <253> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 13
S. 10 und vom 16. Dezember 1977 - BVerwG 7 C 59.74 - BVerwGE 55, 159
<161> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 24 S. 4 f.), wenn - mit anderen Wor-
ten - die Nachfrage das Angebot übersteigt. Umgekehrt gehört es im Allgemei-
nen zur Wahrung öffentlicher Verkehrsinteressen gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2
PBefG, dass nicht mehreren Unternehmen für denselben Verkehr parallel zu-
einander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird (sog. Parallelbedie-
nungsverbot). Das gilt jedenfalls dann, wenn davon auszugehen ist, dass eine
annähernd kostendeckende Bedienung der Linie nur durch einen Unternehmer
erfolgen kann und eine Konkurrenz zu einem ruinösen Wettbewerb führen muss
(„unstreitig erschöpftes Kontingent“, vgl. Urteil vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 7
C 65.87 - BVerwGE 80, 270 <272> = Buchholz 442.03 § 10 GüKG Nr. 3 S. 13).
Mit Recht ist das Berufungsgericht der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt,
die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung sei wegen eines Abwägungsaus-
falls rechtswidrig. Dem Genehmigungsbescheid ist zu entnehmen, dass der
Beklagte auch die mit dem Schienenverkehr der Klägerin für den Nutzer ver-
bundenen Vorteile gesehen und in seine Beurteilung einbezogen hat.
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Die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Bewertung der betroffenen Be-
lange durch den Beklagten und der dabei festgestellten Lücke in der Verkehrs-
bedienung sei es zu keiner offensichtlichen Fehlgewichtung gekommen, hält der
revisionsgerichtlichen Überprüfung ebenfalls stand.
Ob der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln im Sinne von § 13 Abs. 2
Nr. 2 Buchst. a PBefG befriedigend bedient wird, hängt regelmäßig von einer
Vielzahl von Faktoren ab. Hierzu zählen unter anderem die Streckenführung,
die zeitliche Dichte der Verkehrsbedienung, die angefahrenen Haltestellen und
die davon abhängende Vernetzung mit anderen Relationen sowie die Reisege-
schwindigkeit und der mit dem entsprechenden Verkehrsmittel verbundene
Reisekomfort. Ebenso sind die Höhe der Fahrpreise und die eventuelle Einbin-
dung in ein einheitliches Tarifsystem von Bedeutung; das hat das Bundesver-
waltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt
(vgl. u.a. Urteil vom 16. Dezember 1977 a.a.O. S. 164 bzw. S. 7; s. auch OVG
Lüneburg, Urteil vom 14. Oktober 1971 - VI A 53/70 - VRS 42, 457 <458>). Die
Relevanz der Fahrpreise für eine befriedigende Verkehrsbedienung bestätigt
zusätzlich die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969
über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen
Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Stra-
ßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl EG L Nr. 156 S. 1). Nach deren Art. 3 Abs.
2 Buchst. c ist eine ausreichende Verkehrsbedienung (auch) nach den
Beförderungsentgelten und -bedingungen zu beurteilen, welche den Verkehrs-
nutzern angeboten werden können. Soweit das Bundesverwaltungsgericht im
genannten Urteil außer auf niedrigere Fahrpreise auch auf die Einbeziehung in
ein einheitliches Tarifsystem abgestellt hat, um daraus eine wesentliche Ver-
besserung der Verkehrsbedienung herzuleiten, kann dem - entgegen der Auf-
fassung der Klägerin - nicht entnommen werden, dass hierfür stets beide Fakto-
ren zusammen vorliegen müssen.
Das Berufungsgericht sieht - in Übereinstimmung mit dem Beklagten - eine
nicht befriedigende Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2
Buchst. a PBefG und damit ein bislang nicht abgedecktes Verkehrsbedürfnis
dadurch begründet, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung aus finanziellen
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Gründen nicht in der Lage sei, den von der Klägerin angebotenen Schienen-
verkehr zu nutzen. Der Linienbusverkehr der Beigeladenen ziele nicht darauf
ab, der Klägerin Kunden zu entziehen, die die Vorteile des Schienenverkehrs
nutzen wollen und finanziell auch können, sondern darauf, dem Teil der Bevöl-
kerung ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen, der sich eine
Bahnfahrt nicht oder nicht mehr leisten könne. Die hiergegen von der Klägerin
erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Diese Erwägungen erweisen sich nicht deshalb als rechtsfehlerhaft, weil die von
der Klägerin angebotenen Fahrpreisermäßigungen für Bahncard-Besitzer und
durch die Nutzung der Sparpreise 25 und 50 unberücksichtigt geblieben sind.
Zu Recht hat das Berufungsgericht insoweit ausdrücklich auf den mit dem
Erwerb einer Bahncard erforderlichen zusätzlichen finanziellen Aufwand
(51,50 € für die Bahncard 25 und 206 € für die Bahncard 50) und darüber hin-
aus auf die bei einer Nutzung der Sparpreise geltenden Einschränkungen der
Flexibilität durch Vorausbuchungsfristen, Zugbindung und (teilweise) Wochen-
endbindung abgestellt. Zwar sind auch das Angebot der Beigeladenen durch
die beschränkte Kapazität der eingesetzten Busse notwendigerweise be-
schränkt und die erworbene Fahrkarte an einen bestimmten Bus gebunden, so
dass aus dem Tarifangebot der Klägerin jedenfalls der am ehesten erschwingli-
che Sparpreis 25 als Vergleichsgröße in Betracht gezogen werden könnte.
Doch auch gegenüber diesem Angebot weist der von der Beigeladenen vorge-
sehene (Normal)Preis von 25 € für die einfache Fahrt von Frankfurt a.M. nach
Dortmund noch einen deutlichen Preisvorteil auf.
Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass der Beklagte bei seiner Bewertung
der öffentlichen Verkehrsinteressen die mit dem Schienenverkehr für den Rei-
senden verbundenen Vorteile hinsichtlich Reisedauer und Komfort gegenüber
den deutlich günstigeren Fahrpreisen der Beigeladenen hintangestellt hat. Die-
se Gewichtung hält sich in den Grenzen des der Genehmigungsbehörde zuste-
henden Beurteilungsspielraums; sie wäre erst dann fehlerhaft, wenn die objek-
tive Gewichtigkeit einzustellender Belange in nicht mehr vertretbarer Weise ver-
fehlt würde (vgl. Urteile vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 - BVerwGE 45,
309 <326> = Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 9 S. 59 und vom 7. Juli 1978
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- BVerwG 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <126> = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG
Nr. 2 S. 15 f.). Das ist hier nicht der Fall. Zu den öffentlichen Verkehrsinteres-
sen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG gehört, wie § 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG
belegt, auch das Interesse der Nutzer an einer wirtschaftlichen Verkehrsgestal-
tung. Von einer offensichtlichen Fehlgewichtung kann auch deshalb nicht aus-
gegangen werden, weil für den Teil der Bevölkerung, auf den das Angebot der
Beigeladenen jedenfalls auch abzielt, eine Nutzung des Bahnverkehrs zu teuer
wäre. Der betroffene Personenkreis wäre aus diesem Grund daran gehindert,
die mit einer Bahnreise verbundenen Vorteile zu nutzen, die aus der Sicht der
Klägerin vorrangig zu berücksichtigen gewesen wären.
Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Klägerin, eine „Rosinenpickerei“, wie
sie die Beigeladene betreibe, entziehe Schienenverkehrsunternehmern, die
auch weniger lukrative Strecken und Zeiten zu bedienen hätten, die wirtschaftli-
che Grundlage. Es fehlt an jeglicher konkreten und substanziierten Angabe da-
zu, dass der von der Beigeladenen beabsichtigte Busfernverkehr tatsächlich die
wirtschaftliche Grundlage für den von der Klägerin auf der in Rede stehenden
Strecke angebotenen Schienenverkehr gefährden könnte. Dafür ist auch nichts
ersichtlich. Gegen eine solche Annahme spricht insbesondere, dass die Kläge-
rin erwägt, auf der in Rede stehenden Strecke selbst einen Busfernverkehr ein-
zurichten. Auch wenn der Verkehr der Klägerin auf der Strecke Frankfurt a.M. -
Dortmund in gewissem Umfang beeinträchtigt werden sollte, müsste sie das
hinnehmen. § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG gewährt dem vorhandenen Unternehmer,
wie insbesondere dessen Buchstabe b deutlich macht, nur in einem einge-
schränkten Umfang Besitzstandsschutz. Er soll nicht vor Konkurrenz schlecht-
hin geschützt werden. Denn nicht nur dem vorhandenen Unternehmer, sondern
auch dem „neuen“ Unternehmer, der sich um Zugang zum öffentlichen Perso-
nenverkehr bewirbt, steht das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1
GG zur Seite. Die nach § 8 Abs. 3 PBefG anzustrebende wirtschaftliche Ver-
kehrsgestaltung kann nach den Grundprinzipien einer Marktwirtschaft, denen
sich auch die Klägerin nicht entziehen kann, am besten durch Wettbewerb er-
reicht werden. All dem widerspräche es, wenn es - wie die Klägerin geltend
macht - für die Feststellung einer Lücke im Verkehrsangebot auf von einem
Konkurrenten angebotene günstigere Fahrpreise nicht ausschlaggebend an-
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kommen könnte. Schon gar nicht kann der Besitzstandsschutz für den vorhan-
denen Unternehmer so weit gehen, dass ein Verkehrsbedürfnis unbefriedigt
bleibt (so auch bereits Urteil vom 16. Dezember 1977 a.a.O. S. 168 bzw. S. 11).
Schließlich greift die Rüge der Klägerin nicht durch, die Erteilung der Genehmi-
gung an die Beigeladene sei deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte in einem
späteren Bescheid günstigere Bustarife gerade nicht als ausreichend für die
Annahme einer nicht befriedigenden Verkehrsbedienung angesehen habe, wo-
rin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung liege.
Aus diesem späteren Bescheid kann die Klägerin - wie auch das Berufungsge-
richt zutreffend erkannt hat - für die hier angegriffene Genehmigung schon des-
halb nichts herleiten, weil es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf
den Zeitpunkt des Erlasses dieser Genehmigung ankommt, die zweite Geneh-
migung zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht erteilt war. Zudem beruhte die
spätere Versagung einer Linienverkehrsgenehmigung für das Busunternehmen
maßgeblich auf der - wie gezeigt - nicht zwingenden Wertung des Beklagten,
dass zu Gunsten der Klägerin auch Fahrpreisermäßigungen durch Bahncard
und Sparpreise zu berücksichtigen seien.
4. Zu Recht ist das Berufungsgericht dem Einwand der Klägerin nicht gefolgt,
die angegriffene Linienverkehrsgenehmigung sei deshalb rechtswidrig, weil der
Beklagte den in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG genannten zweiten Versa-
gungsgrund nicht geprüft habe. Der Beklagte stellt im angegriffenen Bescheid
nicht nur darauf ab, dass der vorhandene Verkehr mit den vorhandenen Ver-
kehrsmitteln nicht befriedigend bedient werden könne, was auf den Versa-
gungsgrund des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG abzielt; vielmehr enthält der
Genehmigungsbescheid ausdrücklich auch die Aussage, dass durch den güns-
tigeren Tarif eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung zu erwar-
ten sei. Dem konnte das Berufungsgericht entnehmen, dass der Beklagte die
Voraussetzungen von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG geprüft und deren
Vorliegen verneint hat.
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Das ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine
Genehmigungsversagung auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b
PBefG sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Beigeladene keine Ver-
kehrsaufgabe übernehmen will, die die Klägerin bereits wahrnimmt. Eine
Wahrnehmung derselben Verkehrsaufgabe im Sinne dieser Regelung liegt nicht
schon dann vor, wenn dieselbe Strecke bedient wird, sondern setzt darüber
hinaus voraus, dass derselbe Nutzerkreis angesprochen wird. Nach der vom
Berufungsgericht gebilligten Annahme des Beklagten richtet sich das Ver-
kehrsangebot der Beigeladenen aber in erster Linie an einen anderen Kreis von
Kunden als das der Klägerin. Selbst wenn man von einer teilweisen Über-
schneidung ausginge, hätte der Beklagte zu Recht eine „wesentliche“ Verbes-
serung der Verkehrsbedienung angenommen, was diesen Versagungsgrund
ebenfalls entfallen lässt. Denn nach den Annahmen des Beklagten sieht sich
ein beachtlicher Teil der Bevölkerung aus finanziellen Gründen nicht in der La-
ge, den von der Klägerin angebotenen Schienenverkehr zu nutzen. Zwar hat
der Beklagte - ebenso wie das Berufungsgericht - hierzu keine näheren Fest-
stellungen getroffen, sondern sich mit allgemeinen Hinweisen auf die Einkom-
mensverhältnisse bestimmter Bevölkerungskreise begnügt. Es ist indes offen-
sichtlich und nicht weiter darlegungsbedürftig, das angesichts der regulären
Preise der Klägerin gerade bei Personen aus einkommensschwachen Haushal-
ten ein Bedürfnis an preiswerteren Angeboten für Fernreisen besteht, weil sich
dieser Personenkreis eine Bahnreise nicht ohne Weiteres leisten kann oder will
und bereit ist, unter gewissen Einbußen an Komfort und Schnelligkeit das alter-
native Angebot einer Busreise in Anspruch zu nehmen. Die von der Klägerin
zusätzlich gestellte Anforderung, dass die wesentliche Verbesserung der Ver-
kehrsbedienung im öffentlichen Interesse dringend erforderlich sein müsse,
findet in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG keine Stütze.
5. Die der Beigeladenen erteilte Linienverkehrsgenehmigung ist aber deshalb
rechtswidrig, weil der Beklagte die Klägerin nicht gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2
Buchst. c PBefG zu einer Ausgestaltung ihres Schienenverkehrs aufgefordert
hat.
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a) Liegen die Versagungsgründe des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b PBefG
nicht vor, haben die vorhandenen Unternehmen und Eisenbahnen nach § 13
Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG das (Vor-)Recht, durch eine Ausgestaltung ihres
Verkehrs selbst für eine entsprechende Verbesserung der Verkehrsbedienung
zu sorgen; dadurch können sie die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung
an den neuen Unternehmer verhindern. Nach dieser Bestimmung ist die Ge-
nehmigung zu versagen, wenn die für die Bedienung des Verkehrs vorhande-
nen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Ver-
kehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden ange-
messenen Frist selbst durchzuführen bereit sind. Nach dem Willen des Ge-
setzgebers soll die Verkehrsbedienung auf einer Strecke möglichst in der Hand
eines Unternehmers liegen, weil Doppelbedienungen immer die Gefahr von
Unzuträglichkeiten zum Schaden des Verkehrsnutzers bieten (Urteil vom
25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 12.67 - BVerwGE 30, 352 <356> = Buchholz
442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 17 S. 34). Der neue Unternehmer kann erst dann
zum Zuge kommen, wenn in der vorgeschriebenen Form geklärt ist, dass der
vorhandene Unternehmer von seinem Ausgestaltungsrecht keinen Gebrauch
macht (vgl. Urteile vom 17. April 1964 - BVerwG 7 C 79.61 - Buchholz 442.01
§ 13 PBefG 1961 Nr. 9 und vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 111.66 -
a.a.O. S. 253 bzw. S. 10). Geht der vorhandene Unternehmer darauf nicht ein
oder sind die Anforderungen an die „notwendige“ Ausgestaltung nicht erfüllt, ist
dem Antrag des neuen Unternehmers stattzugeben. Ein Ausgestaltungsrecht
kann dann, etwa nach Erhebung einer Konkurrentenklage, nicht mehr geltend
gemacht werden (vgl. Urteil vom 28. Juli 1989 a.a.O. S. 262 f. bzw. S. 13 f.).
b) Der Beklagte hat vor der Erteilung der streitigen Genehmigung an die Beige-
ladene die Klägerin nicht zur Ausgestaltung aufgefordert.
Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass die Genehmigungsbehörde dem
vorhandenen Verkehrsunternehmer gegenüber zum einen präzisiert, in welcher
Weise der vorhandene Verkehr zu verändern, also etwa zu ergänzen ist, damit
die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs erreicht wird. Zudem verlangt § 13
Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG, dass die Genehmigungsbehörde bei der Auffor-
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derung zur Ausgestaltung eine angemessene Frist setzt, innerhalb derer diese
Ausgestaltung vorzunehmen ist.
aa) Fehl geht allerdings der Einwand der Klägerin, dass ihr auch die Möglichkeit
Auch wenn sie die Bereitschaft hierzu erklärt hätte, hätte das die Erteilung der
Genehmigung an die Beigeladene nicht hindern können, weil darin keine Aus-
gestaltung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG mehr gesehen wer-
den kann.
§ 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG begründet nur ein Recht zur Ausgestaltung,
nicht aber zur Umgestaltung des bestehenden Verkehrsangebotes. Eine Aus-
gestaltung im Sinne dieser Regelung darf nicht zu einer Umwandlung des be-
stehenden Verkehrs führen, weil sie dann nicht mehr etwas Vorhandenes
verbessern oder vervollständigen, sondern etwas Neues schaffen würde. Die
Ausgestaltung muss daher stets im Rahmen des vorhandenen Verkehrs bleiben
(Urteil vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 64.67 - BVerwGE 30, 257 <262> =
Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 12 S. 5); das Vorhandene muss im
Wesentlichen erhalten bleiben (Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C
12.67 - BVerwGE 30, 352 <355> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 17
S. 34). So können im Rahmen der Ausgestaltung etwa räumliche Änderungen
der Linienführung in begrenztem Umfang vorgenommen, die Anschlüsse zwi-
schen einzelnen Strecken verbessert, größere Fahrzeuge eingesetzt oder das
Angebot in zeitlicher Hinsicht verändert werden (vgl. Urteil vom 25. Oktober
1968 - BVerwG 7 C 12.67 - a.a.O. S. 356 f. bzw. S 34 f.). Dagegen liegt
beispielsweise eine Umgestaltung vor, wenn die Änderung dazu führt, dass der
Verkehr partiell den Charakter eines Fern- oder Mittelstreckenverkehrs verliert
und stattdessen den eines Ortsnahverkehrs gewinnt (Urteil vom 11. Oktober
1968 - BVerwG 7 C 64.67 - a.a.O.), eine dem allgemeinen Verkehr dienende
Linie, wenn auch nur teilweise, in einen reinen Berufsverkehr umgewandelt wird
oder es zu einer wesentlichen Änderung der Linienführung kommt (vgl. Urteil
vom 6. Dezember 1968 - BVerwG 7 C 73.67 - BVerwGE 31, 133 <136 f.> =
Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 18 S. 41).
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Unter Berücksichtigung dessen läge in der Aufnahme eines Busfernverkehrs
durch die Klägerin keine bloße Aus-, sondern eine Umgestaltung ihres vorhan-
denen Schienenverkehrs. Zu den wesentlichen Merkmalen eines Verkehrs zählt
das eingesetzte Verkehrsmittel. Die Klägerin selbst hat wiederholt hervor-
gehoben, dass der Schienenverkehr erhebliche Unterschiede zu einem Fern-
busverkehr hinsichtlich Geschwindigkeit, Komfort und Umweltverträglichkeit
aufweist. Hinzu kommt, dass der von der Klägerin ins Auge gefasste Busfern-
verkehr separat und zusätzlich zu dem bisher vorhandenen und von ihr fortge-
führten Schienenverkehr stattfinden soll. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg
entgegenhalten, das Bundesverwaltungsgericht habe angenommen, ein Schie-
nenunternehmen könne im Rahmen der Ausgestaltung auch einen Linienver-
kehr mit Kraftfahrzeugen einrichten. Diese Aussage im Urteil vom 25. Oktober
1968 - BVerwG 7 C 12.67 - a.a.O. S. 356 bzw. S. 35) geht allein darauf zurück,
dass dem vorhandenen Verkehrsunternehmer - wie gezeigt - im Rahmen einer
Ausgestaltung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG auch begrenzte räumli-
che Änderungen der Linienführung möglich sein sollen, diese Möglichkeit beim
Schienenverkehr aber fehlt oder jedenfalls erheblich erschwert ist. Damit Bahn-
unternehmen bei der Wahrnehmung ihres Ausgestaltungsrechts nicht benach-
teiligt sind, sollte ihnen auch die Einrichtung eines Linienverkehrs mit Kraftfahr-
zeugen offen stehen. Um einen solchen Ausgleich „natürlicher“ Nachteile des
Schienenverkehrs geht es im vorliegenden Fall aber nicht. Vielmehr würde der
von der Klägerin beabsichtigte Busverkehr dieselbe Strecke bedienen wie bis-
her ihr Schienenverkehr, der fortgeführt werden soll.
Das bedeutet zwar nicht, dass die Klägerin generell daran gehindert wäre, auch
selbst Busfernverkehre anzubieten. Es entfällt hierfür aber die mit dem Ausge-
staltungsrecht nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG verbundene Privilegie-
rung als vorhandenes Eisenbahnunternehmen. Die Klägerin hat sich deshalb,
will sie selbst Fernbuslinien betreiben, einem Wettbewerb mit möglichen Kon-
kurrenten um die bessere Verkehrsbedienung zu stellen.
bb) Dagegen würde es sich bei einer Anpassung oder Annäherung der Bahn-
preise an die von der Beigeladenen vorgesehenen Tarife um eine Ausgestal-
tung des vorhandenen Schienenverkehrs im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2
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Buchst. c PBefG handeln (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1977 a.a.O. S. 168
bzw. S. 11). Eine solche Möglichkeit erscheint im Hinblick auf das bei der Klä-
gerin im Fernverkehr praktizierte System der Relationspreise auch nicht von
vornherein ausgeschlossen; sie könnte zudem durch Vergünstigungen erreicht
werden, die nicht nur auf die konkrete Strecke bezogen sind.
Eine entsprechende Ausgestaltungsaufforderung war hier nicht entbehrlich. Im
Hinblick auf die der Genehmigungsbehörde insoweit obliegenden Konkretisie-
rungspflichten und die Funktion des Ausgestaltungsrechts innerhalb des Ge-
nehmigungsverfahrens wurde diesem Verfahrenserfordernis nicht bereits da-
durch genügt, dass das nach § 14 PBefG gebotene Anhörverfahren stattgefun-
den hat. Ein Verzicht der Klägerin auf ihr Ausgestaltungsrecht (vgl. dazu OVG
Münster, Urteil vom 5. Mai 1975 - XIII A 1090/73 - VRS 49, 478 <480>) kann
ebenfalls nicht angenommen werden, da es an der hierfür erforderlichen Ver-
zichtserklärung fehlt. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen einer Verwir-
kung vor.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt die unterbliebene
Ausgestaltungsaufforderung zur Aufhebung des Genehmigungsbescheides.
aa) Eine Heilung dieses Verfahrensmangels ist nicht eingetreten. Nach § 45
Abs. 1 Nr. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - ist
eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwal-
tungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhö-
rung eines Beteiligten nachgeholt wird; nach Absatz 2 können Handlungen nach
Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwal-
tungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Bei der nach § 13 Abs. 2
Nr. 2 Buchst. c PBefG gebotenen Anfrage der Genehmigungsbehörde bei ei-
nem vorhandenen Unternehmer, ob er zur notwendigen Ausgestaltung seines
Verkehrs bereit ist, handelt es sich funktional um eine Anhörung im Sinne von
§ 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG. Unterbleibt sie, tritt eine Heilung aber nur ein, soweit
die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für
den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Äu-
ßerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stel-
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len keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar (vgl.
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 45 Rn. 26; zurückhaltend auch
Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 45 Rn. 74). Um die
Bewertung solcher Äußerungen der Klägerin geht es jedoch im vorliegenden
Fall. Unabhängig davon fehlt nach wie vor die in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c
PBefG geforderte Fristsetzung.
bb) Auch eine Anwendung von § 46 HVwVfG ist nicht möglich. Nach dieser Be-
stimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44
nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung
von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit
zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Ent-
scheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Bei den verletzten Verfahrensvorschriften muss es sich nicht um solche des
Verwaltungsverfahrensgesetzes handeln, auch entsprechende Vorschriften in
anderen Gesetzen werden erfasst (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 46 Rn. 14; Sachs,
a.a.O. § 46 Rn. 19). Dafür, dass es sich bei der in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c
PBefG vorgeschriebenen Aufforderung zur Ausgestaltung um ein die Anwen-
dung von § 46 HVwVfG ausschließendes absolutes Verfahrenserfordernis han-
delt, das unabhängig von der Richtigkeit der von der Behörde getroffenen Ent-
scheidung beachtet werden soll (vgl. zum Beteiligungsrecht von Naturschutz-
verbänden nach § 29 BNatSchG Urteil vom 12. November 1997 - BVerwG 11 A
49.96 - BVerwGE 105, 348 <353> = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 16
S. 43 f. m.w.N.), gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Auch wenn damit die Anwendung des § 46 HVwVfG nicht von vornherein aus-
geschlossen ist, so sind doch die dort geregelten Voraussetzungen für eine
Unschädlichkeit des Verfahrensfehlers hier nicht erfüllt; denn es ist keineswegs
offensichtlich, dass er ohne Einfluss auf die von der Behörde getroffene Ent-
scheidung war. Dies könnte nur angenommen werden, wenn jeglicher Zweifel
daran ausgeschlossen wäre, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler ge-
nauso entschieden hätte.
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Die Einschätzung dieser Kausalitätsfrage erfordert hier eine hypothetische Be-
trachtung in zweierlei Hinsicht. Zu beantworten ist nicht nur, wie die Genehmi-
gungsbehörde reagiert hätte, wenn die Klägerin die Bereitschaft zu einer Ab-
senkung ihrer Fahrpreise erklärt hätte. Vorab ist zu beantworten, ob die Kläge-
rin im Falle einer Ausgestaltungsaufforderung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c
PBefG überhaupt eine entsprechende Bereitschaft bekundet hätte. Dabei ist zu
beachteten, dass eine notwendige Ausgestaltung im Sinne von § 13 Abs. 2
Nr. 2 Buchst. c PBefG nicht zwingend eine vollständige Übernahme des Preis-
systems der Beigeladenen voraussetzen würde, sondern nur ein zusätzliches,
den Tarifen der Beigeladenen zumindest annähernd vergleichbares Preisange-
bot.
Dass die Klägerin ihre Bereitschaft zu einer solchen Anpassung erklärt hätte,
kann nach ihrem Vorbringen im Revisionsverfahren nicht mit der erforderlichen
Sicherheit verneint werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat
die Klägerin erklärt, dass sie bei einer entsprechenden Anfrage der Genehmi-
gungsbehörde zu einer Überprüfung bereit gewesen wäre. Sie hat darauf hin-
gewiesen, dass sie bei ihrer Entscheidung zwar die Auswirkungen auf das Ge-
samtsystem ihrer Fahrpreise zu berücksichtigen habe, was eine Fahrpreissen-
kung auf einzelnen Strecken erschwere. Es könne aber auch in Betracht gezo-
gen werden, Fahrpreisermäßigungen für finanziell Schlechtergestellte einzufüh-
ren, etwa im Wege einer besonderen Bahncard. Eine solche Möglichkeit werde
auch bereits geprüft. Danach kann nicht von einer offensichtlich fehlenden
Kausalität des vom Beklagten begangenen Verfahrensfehlers ausgegangen
werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Kley
Liebler
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Buchheister
Dr. Wysk
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Verkehrswirtschaftsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
PBefG
§ 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a bis c
HVwVfG
§§ 45, 46
Stichworte:
Linienverkehrsgenehmigung; Busverkehr; Busfernverkehr; Buslinienfernver-
kehr; Bahnverkehr; Schienenverkehr; Parallelverkehr; Parallelbedienungsver-
bot; öffentliche Verkehrsinteressen; Verkehrsangebot; befriedigende Verkehrs-
bedienung; wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung; bereits wahrge-
nommene Verkehrsaufgabe; Ausgestaltung des vorhandenen Verkehrs; Aus-
gestaltungsrecht; vorhandener Unternehmer; vorhandene Verkehrsmittel; Beur-
teilungsspielraum; Versagungsgrund; Konkurrentenklage; Klagebefugnis.
Leitsatz:
Die Genehmigung eines Linienfernverkehrs mit Bussen ist auch für eine Stre-
cke nicht ausgeschlossen, die bereits mit der Bahn bedient wird, wenn die
Fahrpreise im Busverkehr erheblich günstiger sind als die entsprechenden
Bahnpreise.
Urteil des 3. Senats vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 14.09
I. VG Frankfurt am Main vom 13.03.2007 - Az.: VG 12 E 5424/05(2) -
II. VGH Kassel
vom 21.10.2008 - Az.: VGH 2 UE 922/07 -