Urteil des BVerwG vom 28.11.2002

DDR, Kaufvertrag, Mieter, Gvo

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 11.02
Verkündet
VG 1 A 164.98
am 28. November 2002
Riebe
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 –
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht van S c h e w i c k ,
Dr. B o r g s - M a c i e j e w s k i , K i m m e l
und Dr. B r u n n
für Recht erkannt:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Revisions-
verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beklagten, die diese selbst trägt.
G r ü n d e :
I.
Die Kläger wenden sich gegen die von der Zuordnungsbehörde ge-
troffene Feststellung, ein von ihnen vor dem Beitritt der DDR
abgeschlossener notarieller Grundstückskaufvertrag, der nicht
mehr zu einer Eintragung im Grundbuch geführt hat ("hängender
Grundstücksvertrag"), sei unwirksam.
Das streitgegenständliche Grundstück ist mit einem Wohngebäude
bebaut, das die Kläger sowie eine andere Familie zur Miete be-
wohnten. Rechtsträger des im Eigentum des Volkes stehenden
Grundstücks war das Ministerium für Nationale Verteidigung
(MfNV) bzw. für Abrüstung und Verteidigung (MfAV). Die Kläger
wurden im März 1990 seitens des Ministeriums darauf aufmerksam
gemacht, dass sie zusammen mit den anderen Mietern das Grund-
stück mit Gebäude kaufen könnten. Nachdem sich die anderen
Mieter an einem Erwerb nicht interessiert gezeigt hatten,
- 3 –
schlossen die Kläger mit dem MfAV vor dem Staatlichen Notariat
am 16. Juni 1990 einen Grundstückskaufvertrag ab. Dabei trat
auf Seiten des Rechtsträgers ein Herr S. auf, der laut
Vertragsurkunde in "Vollmacht des Herrn Oberst H. vom
12. April 1990, die vorgelegen hat und den gesetzlichen
Vorschriften entspricht", handelte. Der am 20. Juni 1990 beim
Grundbuchamt eingegangene Eintragungsantrag ist bis zum
Beitritt der DDR nicht beschieden worden.
Die Zuordnungsbehörde stellte mit Bescheid vom 10. März 1998
fest, dass der eingeleitete Erwerb der Kläger unwirksam sei,
weil das Ministerium bei Vertragsabschluss nicht rechtswirksam
vertreten gewesen sei.
Der hiergegen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht
stattgegeben mit der Begründung, die von der Beklagten und der
Beigeladenen geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe griffen
nicht durch.
Zum einen liege kein Vertretungsmangel vor. Das Ministerium
habe zu DDR-Zeiten so vertreten werden dürfen, wie es im
Streitfall gehandhabt worden sei. Dies folge insbesondere aus
einem Befehl des MfNV vom 29. März 1990, demzufolge der im
Streitfall aufgetretene Herr S. zulässigerweise durch den
benannten Oberst unterbevollmächtigt worden sei.
Die Unwirksamkeit folge auch nicht aus dem Fehlen einer Geneh-
migung nach der Grundstücksverkehrsverordnung der DDR
- GVVO -. Der Kaufvertrag sei in Ermangelung dieser
Genehmigung allenfalls schwebend unwirksam, was einer
Unwirksamkeitsfeststellung entgegenstehe.
Der Kaufvertrag habe auch nicht gegen ein Verbot verstoßen,
Zweifamilienhäuser an nur eine von mehreren Mietparteien zu
veräußern. Schließlich habe der vereinbarte Kaufpreis einem
Preisvorbescheid des Rats der Stadt P. entsprochen, so dass
- 4 –
der Kaufvertrag auch nicht gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB nichtig
gewesen sei.
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision zielt auf Kla-
geabweisung und macht im Wesentlichen folgende Unwirksamkeits-
gründe geltend:
Das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich der Vertretungsbefug-
nis übersehen, dass der von ihm herangezogene Befehl nur zur
Veräußerung an die derzeitigen Mieter bzw. an Bürger mit
gültiger Wohnraumzuweisung ermächtigt habe. Dieses Erfordernis
erfüllten die Kläger im Hinblick auf die zweite Wohnung nicht.
Was die Genehmigung nach der DDR-GVVO anlange, so fehle es be-
reits an einem rechtzeitigen Genehmigungsantrag. Selbst wenn
man von einer schwebenden Unwirksamkeit zum Beitrittszeitpunkt
ausgehe, hätten der Wegfall des Genehmigungserfordernisses und
die damit verbundene Unmöglichkeit, die Genehmigung nachzuho-
len, endgültig zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts geführt.
Nach den Vorschriften des Verkaufsgesetzes (1990) sei die Ver-
äußerung eines Zweifamilienhauses sowie des dazugehörigen
Grundstücks an nur eine von mehreren Mietparteien unzulässig
gewesen, weil der Verkauf zwingend mit der persönlichen
Nutzung des Gebäudes verbunden gewesen sei. Deshalb hätten
volkseigene Zweifamilienhäuser nur gemeinschaftlich an alle
Mietparteien oder nur mit Hilfe eines gesonderten
Eigentumsanteils an eine Mietpartei veräußert werden dürfen.
Schließlich hätten die Kläger wissen können bzw. müssen, dass
mit der Veräußerung des Zweifamilienhauses an sie gegen
Rechtsvorschriften der DDR verstoßen worden sei. Dies habe zur
Folge, dass auf den Erwerb der Vorwurf der unlauteren
Machenschaften zutreffe, welcher ebenfalls eine
Unwirksamkeitsfeststellung rechtfertige.
- 5 –
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil. Die Beklagte
hat von einer Revision und einer Antragstellung abgesehen,
hält aber die Revision für begründet. Der Vertreter des
Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt
kein Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO. Das Verwal-
tungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die behördliche
Feststellung, der Kaufvertrag vom 16. Juni 1990 sei unwirksam,
rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt.
1. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zunächst angenommen,
die Zuordnungsbehörde habe über die Wirksamkeit des Vertrages
nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Satz 4 VZOG entscheiden dürfen.
Diese Vorschrift ermöglicht nämlich u.a. die Feststellung der
Unwirksamkeit eines vor dem Beitritt der DDR durch notariellen
Kaufvertrag eingeleiteten, aber nicht mehr vollendeten Grund-
stückserwerbs (vgl. Urteil vom 16. März 2000 - BVerwG 3 C
15.99 - Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 31 S. 5). Dabei hat die
Behörde auch darüber zu befinden, ob eine Vermögenszuordnung
wegen eines zu DDR-Zeiten eingeleiteten und grundsätzlich
vollendungsfähigen Erwerbs mit dessen Vollendung
gegenstandslos geworden ist oder zu werden droht (vgl. Urteil
vom 17. Juni 1999 - BVerwG 3 C 38.98 - BVerwGE 109, 134
<137> = Buchholz 428.2 § 2 VZOG Nr. 10 S. 3).
Wegen der Konnexität mit der Vollendungsfähigkeit darf die be-
hördliche Unwirksamkeitsfeststellung erst erfolgen, wenn das
fragliche Rechtsgeschäft sich endgültig als unwirksam
(nichtig) erweist. Wie noch darzulegen ist, fehlt es an dieser
Voraussetzung im vorliegenden Fall, denn der der angefochtenen
behördlichen Feststellung allein anhaftende Mangel der
fehlenden Grundstücksverkehrsgenehmigung kann noch behoben
werden.
- 6 –
2. Ist - wie im vorliegenden Fall - der Antrag auf Eintragung
in das Grundbuch vor dem Wirksamwerden des Beitritts gestellt
worden, so richtet sich die Übertragung von
Grundstückseigentum nach den am 2. Oktober 1990 geltenden DDR-
Rechtsvorschriften (Art. 233 § 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Gegen
die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Überzeugung des
Verwaltungsgerichts, diese Vorschriften hätten der Wirksamkeit
des Kaufvertrages vom 16. Juni 1990 nicht entgegengestanden,
ist revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.
2.1 Was die von der Revision angeführten Unwirksamkeitsgründe
"fehlende Vertretungsbefugnis" (a), "Veräußerungsverbot bzgl.
Zweifamilienhäusern" (b), "Verstoß gegen Wohnraumlenkungsvor-
schriften" (c) sowie "Verstoß gegen Grundsätze der sozialisti-
schen Moral" (d) angeht, so entziehen diese sich der
revisionsgerichtlichen Überprüfung. Sie betreffen nämlich
nicht die Anwendung und Auslegung von Bundesrecht im Sinne von
§ 137 Abs. 1 VwGO, sondern von ausgelaufenem DDR-Recht. Dessen
Auslegung ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten
(vgl. Urteil vom 9. März 1999 - BVerwG 3 C 21.98 - Buchholz
115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 21 S. 10 m.w.N.).
Soweit daher das Verwaltungsgericht die Unwirksamkeit des
Kaufvertrages verneint hat unter Berufung auf DDR-Recht, das
nicht durch Art. 9 EV zum fortgeltenden Bundesrecht bestimmt
worden ist, ist der Senat hieran gebunden.
a) Mit seinen Ausführungen zur ordnungsgemäßen Vertretung des
Ministeriums für Nationale Verteidigung bei dem in Rede
stehenden Grundstückskaufvertrag bewegt sich das angefochtene
Urteil ausschließlich auf dem Boden des ausgelaufenen DDR-
Rechts. In dessen Anwendung hat das Verwaltungsgericht
angenommen, der Verkauf von Gebäuden und Grundstücken sei
durch den Befehl Nr. 44/90 zulässigerweise Leitern von
Unterkunftsabteilungen überantwortet worden. Damit sei der in
der Vollmacht genannte Oberst H. zur Erteilung einer
Untervollmacht an den Leiter
- 7 –
der Arbeitsgruppe, Herrn S., befugt gewesen. Fragen des
revisiblen Bundesrechts sind damit nicht angesprochen.
b) Nichts anderes gilt für die Behauptung der Unwirksamkeit
des Geschäfts wegen Veräußerung an nur eine Mietpartei
(Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 68 Abs. 1 Nr. 2
ZGB). Auch insoweit hat das Verwaltungsgericht in Anwendung
und Auslegung ausgelaufenen DDR-Rechts angenommen, es sei
keine Vorschrift ersichtlich, wonach der Verkauf eines
Zweifamilienhauses nur an beide Mietparteien erlaubt gewesen
sei. Überdies seien die Rechte der anderen Mieter durch eine
Bestimmung des DDR-Rechts geschützt gewesen, wonach der
Verkauf volkseigener Gebäude die Rechte der darin wohnenden
Mieter nicht berühre. Auch mit diesen Darlegungen verbinden
sich keine Fragen des revisiblen Bundesrechts. Im Übrigen
deckt sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts mit
derjenigen des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 17. Mai
2002 - V ZR 193/01 - ZOV 2002, 227 f.). Danach war es nach der
durchgängigen DDR-Praxis gerade nicht erforderlich, dass der
Erwerber beide Wohnungen zu eigenen Wohnzwecken nutzte; zuläs-
sig sei beispielsweise auch der Erwerb zum Zweck der Vermie-
tung der weiteren Einheit gewesen.
c) Fehl geht deshalb auch der ergänzende Vorwurf der Revision,
das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den
Wohnraumlenkungsvorschriften nicht die gebührende Beachtung
geschenkt. Auch insoweit bewegen sich die Darlegungen des
Verwaltungsgerichts innerhalb der Schranken des irrevisiblen
DDR-Rechts.
d) Schließlich scheitert auch der Vorwurf der Revision, das
Verwaltungsgericht hätte prüfen und bewerten müssen, ob und
inwieweit der Erwerb der Kläger gegen Grundsätze der
sozialistischen Moral verstoßen habe, an der Zuständigkeit des
Tatsachengerichts zur Auslegung des früheren DDR-Rechts.
Allerdings trifft es zu, dass auch solche Erwerbstatbestände
nach § 2 Abs. 1 Satz 4 VZOG als unwirksam bewertet werden
- 8 –
können, die auf "unlauteren Machenschaften" beruhten oder sich
als solche darstellten (vgl. Urteil vom 19. November 1998
- BVerwG 3 C 35.97 - Buchholz 428.2 § 2 VZOG Nr. 9 S. 27
m.w.N.). Soweit eine solche Bewertung aber - wie hier - nach
Maßgabe ausgelaufenen DDR-Rechts vorzunehmen war, ist sie
gleichfalls grundsätzlich vom Revisionsgericht nicht
überprüfbar. Im Übrigen rechtfertigen die festgestellten
Tatsachen auch nicht ansatzweise die Annahme, die Kläger
hätten das Grundstück auf anstößige Weise erworben.
2.2 Der Grundstückserwerb ist auch nicht wegen des Wegfalls
der Verfügungsbefugnis des MfAV infolge des In-Kraft-Tretens
der 2. DVO/TreuhG am 30. August 1990 (also nach
Vertragsschluss und Stellung des Eintragungsantrags) unwirksam
geworden. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats
hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass ein wegen noch
fehlender Grundbucheintragung "schwebender"
Grundstückskaufvertrag gleichwohl nach Maßgabe von Art. 233
§ 7 Abs. 1 EGBGB vollendungsfähig sein kann (vgl. hierzu und
zur Revisibilität der 2. DVO/TreuhG: Urteil vom 17. Juni 1999
- BVerwG 3 C 38.98 - a.a.O.). Der Senat hält nach erneuter
Prüfung an seiner Auffassung fest, dass der normativ
angeordnete Wechsel der Verfügungsbefugnis vom MfAV auf die
Treuhandanstalt zuvor abgeschlossenen Grundstücksveräu-
ßerungsverträgen nicht gewissermaßen rückwirkend die
rechtliche Grundlage entzieht.
2.3 Der Grundstückskaufvertrag vom 16. Juni 1990 ist auch
nicht wegen Fehlens der normativ vorgeschriebenen
Grundstücksverkehrsgenehmigung endgültig unwirksam. Da diese
bisher nicht versagt worden ist, hat das Verwaltungsgericht zu
Recht angenommen, dass der bereits zu DDR-Zeiten eingetretene
Zustand der bloß schwebenden Unwirksamkeit des Geschäfts noch
andauere, was eine Unwirksamkeitsfeststellung im Sinne des § 2
Abs. 1 Satz 4 VZOG hindere.
- 9 –
Die Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken vom
15. Dezember 1977 (GBl 1978 I Nr. 5 S. 73), - GVVO - sah in
ihrem § 2
für die hier in Rede stehenden Grundstücksgeschäfte eine
staatliche Genehmigung vor. Das Genehmigungsverfahren diente
ursprünglich der staatlichen Leitung und Kontrolle des Grund-
stücksverkehrs und war Ausdruck der sozialistischen Gesell-
schafts- und Eigentumspolitik (vgl. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1
GVVO). Der Einigungsvertrag (Anlage II, Kapitel III, Sachge-
biet B, Abschnitt II Nr. 1, in Kraft getreten am 29. September
1990, vgl. BGBl II S. 1360) beließ diese Verordnung in Kraft,
änderte sie jedoch in wesentlichen Punkten. Insbesondere
wurden die Bestimmungen aufgehoben, welche die früheren
Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung regelten. Das
Genehmigungsverfahren als solches wurde beibehalten, damit
- wie es in der Amtlichen Erläuterung (BTDrucks 11/7817)
hierzu heißt - "die Verpflichtungen zur Rückgabe des Eigentums
an frühere Eigentümer und die Aufhebung der staatlichen
Verwaltung, wie sie sich aus der Gemeinsamen Erklärung der
beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990 ergeben,
gewährleistet werden können". Am 2. Oktober 1990 als dem nach
Art. 233 § 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB für die Eigentumsübertragung
maßgeblichen Zeitpunkt verlangte somit das DDR-Recht die
besagte Grundstücksverkehrsgenehmigung, wenngleich sich deren
Zielrichtung vollständig geändert hatte. Da den Klägern die
Genehmigung weder erteilt noch versagt worden ist, erweist
sich der Kaufvertrag vom 16. Juni 1990 weder als voll wirksam
noch als endgültig unwirksam.
Nicht zu folgen vermag der Senat der Ansicht von Wacke (Münch-
ner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., 1999,
Band 11, Art. 233 § 7 EGBGB, S. 711 Anm. 6), wonach das Geneh-
migungserfordernis am 3. Oktober 1990 mit der Folge entfallen
sei, dass das bisher schwebend unwirksame Rechtsgeschäft voll
wirksam geworden sei. Das in der DDR 1977 eingeführte Genehmi-
gungserfordernis ist zu keiner Zeit weggefallen, sondern gilt
im Beitrittsgebiet auch heute noch. Die
- 10 –
Grundstücksverkehrsverordnung der DDR ist nach ihrer
Überführung in das Recht der Bundesrepublik zwar mehrfach
geändert, außerdem neugefasst und durch Art. 4 Nr. 1 des
Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992
(BGBl I S. 1257, 1266) in "Grundstücksverkehrsordnung (GVO)"
umbenannt, jedoch nie aufgehoben worden. Nachdem die
sozialistischen Genehmigungskriterien spätestens am
29. September 1990 durch solche des Alteigentümerschutzes
abgelöst worden sind, vermag der Senat gerade auch in Hinblick
auf den Normzweck nicht nachzuvollziehen, inwiefern der
Beitritt der DDR einen Wegfall des Genehmigungserfordernisses
habe bewirken sollen. § 2 Abs. 1 Satz 1 der geltenden Fassung
besagt demgegenüber unmissverständlich, dass u.a. die
Auflassung und der schuldrechtliche Vertrag hierüber einer
Genehmigung bedürfen. Ohne Vorlage des Genehmigungsbescheids
können die Kläger nicht als Eigentümer im Grundbuch
eingetragen werden (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 GVO). Dies gilt
unabhängig davon, ob der notarielle Vertrag vor oder nach dem
Beitritt geschlossen worden ist.
Unschädlich ist es für die Kläger, dass sie den Antrag auf Ge-
nehmigung des Grundstückskaufvertrages - soweit ersichtlich -
erst im Februar 1992 gestellt haben. Der erkennende Senat ver-
mag den Regelungen über die Grundstücksverkehrsgenehmigung we-
der eine ausdrückliche Antragsbefristung noch auch nur einen
Anhalt dafür zu entnehmen, dass eine bis zum Beitritt der DDR
nicht vorgenommene Antragstellung verspätet wäre. Selbst der
Eintragungsantrag kann noch nach dem 3. Oktober 1990 wirksam
gestellt werden (vgl. Art. 233 § 7 Abs. 1 Satz 3 EGBGB). Ent-
sprechendes hat daher auch in Hinblick auf genehmigungsbedürf-
tige Rechtsgeschäfte zu gelten.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist im Streitfall somit von
einem unverändert genehmigungsfähigen und -bedürftigen Rechts-
geschäft auszugehen. Solange die Genehmigung nicht versagt
ist, kann das bislang schwebend unwirksame Rechtsgeschäft noch
volle Wirksamkeit erlangen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November
- 11 –
1994 - VIII ZR 41/94 - BGHZ 127, 368 <375> m.w.N.). Das
verbietet es der Beklagten, den Kaufvertrag vom 16. Juni 1990
für unwirksam zu erklären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Um-
stand, dass die Beklagte nicht Revisionsführerin war, aber die
Revision der Beigeladenen unterstützt hat, rechtfertigt zwar
keine Kostenbelastung der Beklagten, wohl aber den Ausspruch,
dass sie - und nicht die Beigeladene - ihre eigenen außerge-
richtlichen Kosten trägt.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Borgs-Maciejewski
Kimmel Dr. Brunn
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt (§ 6 Abs. 3 Satz 2
VZOG)
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Borgs-Maciejewski
Kimmel Dr. Brunn
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Vermögenszuordnungsrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
EGBGB
Art. 233 § 7 Abs. 1
GVO (1993)
§ 1 Abs. 2
GVVO (1977)
§ 3 Abs. 4
2. DVO/TreuhG
VwGO
§ 137 Abs. 1
VZOG
§ 2 Abs. 1 Satz 4
Stichworte:
DDR-Recht, Revisibilität übergeleiteten bzw. ausgelaufenen
DDR-Rechts; Feststellung der Unwirksamkeit eines Erwerbs im
Vermögenszuordnungsrecht; Vermögenszuordnungsrecht,
Feststellung der Unwirksamkeit im -; Unwirksamkeit eines
Erwerbsgeschäfts, Feststellung der -; "hängendes"
Grundstückserwerbsgeschäft; "schwebendes"
Grundstückserwerbsgeschäft; Grundstücksverkehrsgenehmigung
nach dem Recht der DDR bzw. der Bundesrepublik; Genehmigung
eines Grundstücksgeschäfts im Beitrittsgebiet; Beitritts-
gebiet, Genehmigung von Grundstückserwerbsgeschäften im -; Un-
wirksamkeit, schwebende - eines Geschäfts wegen fehlender Ge-
nehmigung; schwebende Unwirksamkeit eines Geschäfts wegen feh-
lender Genehmigung; Genehmigungsfähigkeit eines Geschäfts.
Leitsatz:
Ein "hängendes" (schwebendes) Grundstückserwerbsgeschäft im
Sinne des Art. 233 § 7 Abs. 1 EGBGB darf nicht gemäß § 2
Abs. 1 Satz 4 VZOG als unwirksam bewertet werden, solange eine
sowohl nach der DDR-GVVO als auch nach der GVO erforderliche
Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht endgültig versagt worden
ist und noch in rechtlich zulässiger Weise erteilt werden
kann, sofern dem Geschäft im Übrigen kein Unwirksamkeitsgrund
(Nichtigkeitsgrund) anhaftet.
Urteil des 3. Senats vom 28. November 2002 - BVerwG 3 C 11.02
I. VG Berlin vom 20.03.2002 - Az.: VG 1 A 164.98 -