Urteil des BVerwG vom 21.06.2007

Politische Verfolgung, Beendigung, Gesundheit, Gleichwertigkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 97.06
VG 1 K 94/02.Me
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Meiningen vom 31. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger beansprucht berufliche Rehabilitierung nach dem Beruflichen Reha-
bilitierungsgesetz (BerRehaG) wegen der verfolgungsbedingten Beendigung
seines Arbeitsverhältnisses als Dozent am Institut für Lehrerbildung in Weimar.
Zwar habe er mit Schreiben vom 17. Januar 1968 die Aufhebung seines Ar-
beitsvertrages selbst beantragt. Grund hierfür sei jedoch der politische Druck
gewesen, dem er ausgesetzt gewesen sei und der bei ihm zu gravierenden Ge-
sundheitsschäden geführt habe. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage ab-
gewiesen, weil im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
eine politische Verfolgung nicht habe festgestellt werden können.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt oh-
ne Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht weder im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
ab (1.), noch weist die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Be-
deutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (2.).
1. a) Der Kläger rügt zunächst eine Divergenz zu dem Urteil des Senats vom
9. Oktober 2003 - BVerwG 3 C 1.03 - (BVerwGE 119, 102-111 = Buchholz
428.6 § 1 VwRehaG Nr. 8). In der herangezogenen Entscheidung habe das
Bundesverwaltungsgericht folgenden Rechtssatz aufgestellt:
„Ein Gesamtkomplex von Maßnahmen des schlichten Ver-
waltungshandelns, welche zur ‚Zersetzung’ dienten, kann
eine hoheitliche Maßnahme darstellen, insbesondere bei
Eingriffen in das Rechtsgut Gesundheit.“
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Diesem Rechtssatz widerspreche das Verwaltungsgericht, dessen Urteil sich
folgender gegensätzliche Rechtssatz entnehmen lasse:
„Hatte der Betroffene selbst aufgrund gesundheitlicher
Beeinträchtigung die Aufhebung des Arbeitsvertrages be-
antragt, so kann dahinstehen, ob die beim Betroffenen
eingetretenen Gesundheitsschäden direkt Folge eines
Gesamtkomplexes Maßnahmen des schlichten Verwal-
tungshandelns zur ‚Zersetzung’ des Betroffenen waren, da
jedenfalls keine hoheitliche Maßnahme vorliegt.“
Die gerügte Abweichung besteht nicht. Der vom Kläger aufgezeigte Wider-
spruch ist nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht hat keineswegs - wie der
Kläger meint - in Abrede gestellt, dass ein Gesamtkomplex von Maßnahmen
des schlichten Verwaltungshandelns, welche zur „Zersetzung“ dienten, eine ho-
heitliche Maßnahme darstellen kann, insbesondere bei Eingriffen in das
Rechtsgut Gesundheit. Das Verwaltungsgericht hat im Falle des Klägers ledig-
lich aus tatsächlichen Gründen das Vorliegen von politisch motivierten Maß-
nahmen verneint, die seine Erkrankung mit dem Ziel der Beendigung des Ar-
beitsverhältnisses bezweckt hätten.
b) Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf einer Abweichung von dem
Urteil des Senats vom 6. April 2000 - BVerwG 3 C 34.99 - (Buchholz 115 Sonst.
Wiedervereinigungsrecht Nr. 29). Dazu trägt der Kläger vor, in der herangezo-
genen Entscheidung habe das Bundesverwaltungsgericht folgenden Rechtssatz
aufgestellt:
„Bei einer Einkommenseinbuße von etwa 20 % ist regel-
mäßig davon auszugehen, dass ein sozialer Abstieg vor-
liegt und die soziale Gleichwertigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2
i.V.m. § 1 BerRehaG zu verneinen ist.“
Diesem Rechtssatz widerspreche das Verwaltungsgericht, dessen Urteil sich
der folgende entgegengesetzte Rechtssatz entnehmen lasse:
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„Für die Beurteilung der sozialen Gleichwertigkeit kommt
es maßgeblich auf den Verdienst des Durchschnitts der
Versicherten mit der gleichen Qualifikation an.“
Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht diesen Rechtssatz tatsächlich
aufgestellt hat und ob er mit dem vom Kläger benannten Urteil des Senats zu
vereinbaren ist. Jedenfalls hat das Verwaltungsgericht ihn nicht zur Grundlage
seiner Entscheidung gemacht. Es hat als Voraussetzung einer Rehabilitierung
einen „politisch motivierten Eingriff in den Beruf“ gefordert. Die vom Kläger be-
anstandeten Ausführungen hat es sodann zu der Frage gemacht, wann ein - re-
levanter - Eingriff in den Beruf vorliegt. Eine Subsumtion der vom Kläger erlitte-
nen Nachteile unter diese Begriffsbestimmung hat es jedoch nicht vorgenom-
men. Seine Entscheidung hat es vielmehr auf die Feststellung gestützt, dass
die Beeinträchtigungen, denen der Kläger ausgesetzt war, nicht die Folge eines
politisch motivierten Eingriffs gewesen seien. Das Verwaltungsgericht hat mithin
auf das Fehlen einer politischen Verfolgung abgestellt. Dass es in diesem Punkt
von dem Urteil des Senats vom 6. April 2000 abgewichen sei, macht die
Beschwerde nicht geltend.
2. Dem Vortrag des Klägers lässt sich auch keine Rechtsfrage entnehmen, die
der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO verleiht. Der Kläger meint, durch sein Beschwerdevorbringen werde fol-
gende klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage aufgeworfen:
„Erfüllt eine erzwungene Eigenkündigung die Vorausset-
zungen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG, wenn die Eigen-
kündigung aus einer Maßnahme resultiert, welche in den
Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG fällt.“
Diese Frage kann schon deswegen nicht die Zulassung der Revision nach
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen, weil sie sich im vorliegenden Verfahren
nicht stellt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts liegt keine Maß-
nahme vor, die in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG fällt.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133
Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des
Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Kley van Schewick Dr. Dette
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