Urteil des BVerwG vom 20.05.2008

Schiedsstelle, Budget, Verminderung, Restzahl

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 96.07
OVG 13 A 4584/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Mai 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 2007 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die
Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerde-
verfahren auf 1 406 313 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe
liegen nicht vor.
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1. Das Berufungsgericht hat nicht einen Teil des Klagebegehrens unbeschieden
gelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 88 VwGO). Die Klägerin hat beantragt, den
Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2005 aufzuheben, mit dem diese die
Entscheidung der Schiedsstelle vom 19. Januar 2005 genehmigt hatte. Eine
sachliche Beschränkung auf Teile des Genehmigungsbescheides oder der
Schiedsstellenentscheidung hat die Klägerin nicht vorgenommen und haben ihr
die Vorinstanzen auch nicht unterstellt, so dass keiner Entscheidung bedarf, ob
Genehmigungsbescheid und Schiedsstellenentscheidung überhaupt teilbar wä-
ren. Über dieses Anfechtungsbegehren haben die Vorinstanzen restlos ent-
schieden, indem sie die Klage abgewiesen bzw. die Berufung der Klägerin zu-
rückgewiesen haben. Daran ändert nichts, dass das Berufungsgericht seine
Sachprüfung auf einzelne Punkte der Entscheidung der Schiedsstelle be-
schränkt hat. Dies mag dazu führen, dass sein Beschluss auf einer unvollkom-
menen Würdigung des Klägervortrags beruht (vgl. § 108 VwGO, Art. 103 Abs. 1
GG) oder in der Sache unrichtig ist; es führt aber nicht zu einer Verletzung von
§ 88 VwGO.
2. Der angefochtene Beschluss beruht auch nicht auf einer Verletzung von
§ 108 VwGO (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Die Klägerin rügt, dass das Berufungsgericht eine Erklärung des Bevoll-
mächtigten der Beigeladenen zu 1 vor der Schiedsstelle ihr zugeschrieben ha-
be. Das trifft zu; entgegen der Feststellung des Berufungsgerichts (Beschluss-
abdruck S. 9) hat die Klägerin vor der Schiedsstelle nicht erklärt, „der veränder-
te Gesamtbetrag von 15 765 483 € sei bei Nichtabsenkung des Leistungsge-
rüsts unstreitig“.
Allerdings legt die Klägerin nicht dar, inwiefern der angefochtene Beschluss auf
diesem Fehler beruhen könnte. Dass die Schiedsstelle den Gesamtbetrag und -
wie hier eigentlich gemeint - das Erlösbudget zutreffend festgesetzt hatte,
wurde und wird nämlich auch von ihr nicht in Zweifel gezogen. Dabei muss be-
achtet werden, dass der Gesamtbetrag nicht dem medizinisch leistungsgerech-
ten Budget entspricht, sondern hier lediglich dessen Obergrenze im Sinne von
§ 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 BPflV markiert (vgl. Urteil vom 8. September 2005
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- BVerwG 3 C 41.04 - BVerwGE 124, 209 <214 ff.> = Buchholz 451.74 § 18a
KHG Nr. 3 Rn. 30 ff.).
b) In Wahrheit wendet sich die Klägerin dagegen, dass das Berufungsgericht
angenommen hat, dass mit dem Gesamtbetrag zugleich die Fallzahlen unstrei-
tig gestellt seien. Tatsächlich verstand sich das nicht von selbst. Da der Ge-
samtbetrag der Obergrenze im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 BPflV ent-
spricht, kann er über die Zahl der Behandlungsfälle keinen Aufschluss geben;
anders läge es nur, wenn der Gesamtbetrag dem medizinisch leistungsgerech-
ten Budget entspräche, das unterhalb der Obergrenze bleibt (vgl. Urteil vom
8. September 2005 a.a.O.). Damit ging die Annahme des Berufungsgerichts
fehl, mit dem Gesamtbetrag sei mittelbar zugleich die Zahl der Behandlungsfäl-
le im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 2 KHEntgG „vereinbart“.
Die Klägerin legt aber auch insofern nicht dar, inwiefern der angefochtene Be-
schluss auf diesem Fehler beruhen könnte. Die Schiedsstelle hat die Zahl der
Behandlungsfälle mit 8 209 angesetzt. Dass dies unrichtig gewesen wäre, hat
die Klägerin nicht geltend gemacht. Im Gegenteil lässt sie die weitere Feststel-
lung des Berufungsgerichts, die Prognose der Schiedsstelle habe auf einer
Fortschreibung der Vorjahreszahlen beruht und habe sich zudem im Vereinba-
rungszeitraum bestätigt, unwidersprochen. Dann aber trifft die tatsächliche An-
nahme des Berufungsgerichts, auch die Klägerin habe ihr Leistungsvolumen mit
8 209 Behandlungsfällen angenommen, in der Sache zu.
In Wirklichkeit verlangt die Klägerin eine Herabsetzung der Zahl der Behand-
lungsfälle nicht aus tatsächlichen, sondern aus Rechtsgründen; sie meint, die
Fallzahl dürfe nur so hoch angesetzt werden, dass ihr eine Erfüllung des Ver-
sorgungsauftrags ohne Verluste wirtschaftlich möglich sei. Ob ein Verfahrens-
fehler vorliegt, beurteilt sich aber nicht nach der Rechtsauffassung der Klägerin,
sondern nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts.
3. Der Sache kommt auch die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzli-
che Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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a) Die Klägerin wirft die Frage auf, ob einem Krankenhaus für ein Obergren-
zenbudget nach § 6 BPflV eine Leistungsmenge abverlangt werden darf, deren
notwendige Kosten bei wirtschaftlicher Betriebsführung die Höhe des Budgets
in erheblichem, existenzgefährdendem Maße übersteigen. Diese Frage würde
sich in dieser Allgemeinheit in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stel-
len, für die konkrete Lage der Klägerin im streitigen Vereinbarungsjahr 2004
aber fehlt es an einer näheren Substantiierung der Grundsatzfrage (vgl. § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO). Nach den - insoweit mit Verfahrensrügen nicht angegrif-
fenen - Feststellungen des Berufungsgerichts war die wirtschaftliche Existenz
der Klägerin weder in den Jahren 2003 und 2004 noch in den Folgejahren be-
droht. Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, dass noch Wirt-
schaftlichkeitsreserven vorhanden seien und mobilisiert werden könnten.
Schließlich hat es darauf hingewiesen, dass mit dem Vereinbarungsjahr 2004
ein mehrjähriger Übergangszeitraum eingeleitet wurde, der das bisherige Ver-
gütungssystem tagesgleicher Pflegesätze schrittweise auf das neue System
landeseinheitlicher Fallpauschalen umstellen soll; jedenfalls für diese Über-
gangszeit seien Defizite zumutbar. Auf all diese Umstände geht die Klägerin in
der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nicht ein. Damit aber verfehlt
sie die Darlegungserfordernisse.
b) Klarzustellen ist freilich, dass dem Einwand der Klägerin keinesfalls auf dem
von ihr favorisierten Wege einer künstlichen Verminderung der Fallzahlen be-
gegnet werden könnte. Das Berufungsgericht weist mit Recht darauf hin, dass
die Zahl der Behandlungsfälle grundsätzlich vor Beginn des Vereinbarungsjah-
res und damit prognostisch vereinbart werden muss. Es versteht sich von
selbst, dass diese Prognose sämtliche absehbaren Behandlungsfälle erfassen
muss und sich nicht willkürlich auf eine Teilzahl beschränken darf mit dem Ef-
fekt, dass das Krankenhaus gleichwohl die Erlösobergrenze ausschöpfen und
obendrein die Restzahl an Behandlungsfällen im Wege des Mehrerlösaus-
gleichs nach § 12 Abs. 2 BPflV gesondert abrechnen dürfte. Es mag sein, dass
andere Krankenhäuser ihr Leistungsvolumen gezielt vermindern mit dem Ziel,
das medizinisch leistungsgerechte Budget unter die Obergrenze abzusenken
und so nach diesem medizinisch leistungsgerechten Budget bezahlt zu werden.
Ebenso mag zutreffen, dass ein solches Verhalten zu einer entsprechenden
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Vermehrung der Behandlungsfälle bei benachbarten Krankenhäusern führt,
welche die Kostenträger dann diesen Krankenhäusern im Wege des Mehrer-
lösausgleichs zusätzlich vergüten müssen. Allein hieraus lässt sich aber nicht
schließen, dass einem Krankenhaus erlaubt sein müsse, sein Leistungsvolu-
men fiktiv zu vermindern, um den dadurch provozierten Mehrerlösausgleich
selbst zu vereinnahmen. Das ließe sich weder aus Art. 12 Abs. 1 GG noch aus
Art. 3 Abs. 1 GG herleiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO,
die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52
Abs. 1 GKG.
Kley
Dr. Dette
Prof. Dr. Rennert
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