Urteil des BVerwG vom 09.06.2011

Berufliche Tätigkeit, Hochschule, Verweigerung, Zusammenarbeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 95.10
VG 8 K 121/10 Me
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Juni 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Mei-
ningen vom 7. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt seine berufliche Rehabilitierung und die Zuerkennung von
Rentenanwartschaften nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz
(BerRehaG). Er war seit Ende 1973 an der Pädagogischen Hochschule in Erfurt
tätig, zunächst als wissenschaftlicher Assistent, ab 1984 als wissenschaftlicher
Sekretär und ab 1986 als wissenschaftlicher Oberassistent. Vom 1. September
1987 bis 30. Juni 1988 war er an die Bezirksparteischule in Erfurt delegiert. Der
Kläger macht geltend, diese Delegierung sei eine subtile Form der Beschädi-
gung seiner akademischen Entwicklung gewesen. Während ihrer Dauer habe er
seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben und keine Rentenanwartschaften er-
werben können. Der Grund für die Benachteiligung liege darin, dass er sich
1977 geweigert habe, für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig zu
werden. Antrag, Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Verwaltungs-
gericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt, dem Akteninhalt
seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass dem Kläger mit der Dele-
gierung, die grundsätzlich eine Auszeichnung gewesen sei, ein Schaden hätte
zugefügt werden sollen. Ebenso wenig sei erkennbar, dass er wegen der Ver-
weigerung einer Zusammenarbeit mit dem MfS gravierende Nachteile erlitten
habe. Einen Abstiegsschaden habe der Kläger ebenfalls nicht erlitten, weil er
nach Rückkehr an die Hochschule wieder als Oberassistent eingesetzt worden
sei und Gehaltserhöhungen erhalten habe.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat
keinen Erfolg. Keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 1 VwGO liegt vor.
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1. Mit der Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO möchte der Kläger
sinngemäß geklärt wissen, ob die Delegierung an eine Bezirksparteischule als
Strafmaßnahme zu bewerten ist und damit als Maßnahme politischer Verfol-
gung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG. Diese Frage rechtfertigt schon
deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil das angefochtene Urteil eigen-
ständig tragend auf die zusätzliche Erwägung gestützt ist, dass der Kläger kei-
nen Abstiegsschaden erlitten hat. Ist die angefochtene Entscheidung aber
- selbstständig tragend - auf mehrere Begründungen gestützt, so ist die Revisi-
on nach ständiger Rechtsprechung nur dann zuzulassen, wenn hinsichtlich je-
der Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl.
Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310
§ 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht ist in Über-
einstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats von der Notwen-
digkeit eines sogenannten Abstiegsschadens als zusätzlicher Voraussetzung
einer beruflichen Rehabilitierung ausgegangen (vgl. Beschluss vom
20. Dezember 2010 - BVerwG 3 PKH 6.10 - juris Rn. 5) und hat diesen im Fall
des Klägers verneint. Das Beschwerdevorbringen setzt sich hingegen nur mit
der Frage des politischen Verfolgungscharakters der Delegierung auseinander.
2. Aus dem genannten Grund ist auch nicht ersichtlich, dass das angefochtene
Urteil im Sinne des § 132 Abs. 1 Nr. 2 VwGO von der Entscheidung des Bun-
desverwaltungsgerichts vom 23. September 2010 - BVerwG 3 C 40.09 - (Buch-
holz 428.8 § 1 BerRehaG Nr. 5 = ZOV 2010, 324) abweicht und auf dieser Ab-
weichung beruht. Abgesehen davon, dass die behauptete Abweichung nicht
ordnungsgemäß bezeichnet ist, weil einander widersprechende abstrakte
Rechtssätze nicht herausgearbeitet werden, würde das Urteil auch bei Abwei-
chung Bestand behalten, weil sein Ergebnis von der selbstständigen weiteren
Begründung getragen wird, der Kläger habe keinen Abstiegsschaden erlitten.
3. Die sinngemäß geltend gemachten Verfahrensmängel greifen aus demsel-
ben Grund ebenfalls nicht durch. Das Urteilsergebnis könnte nicht im Sinne des
§ 132 Abs. 1 Nr. 3 VwGO darauf beruhen, dass das Verwaltungsgericht die
vom Kläger bezeichneten Sachverhaltsumstände unzureichend aufgeklärt und
seinen Vortrag unberücksichtigt gelassen hat. Denn diese Verfahrensrügen
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betreffen wiederum ausschließlich den Verfolgungscharakter der Maßnahmen,
nicht aber den Abstiegsschaden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Kley
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
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