Urteil des BVerwG vom 24.06.2010

Politische Verfolgung, Versorgung, DDR, Unterlassen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 93.09
VG 3 K 760/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juni 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz
vom 9. September 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt seine Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitie-
rungsgesetz (BerRehaG) wegen einer ärztlichen Falschbehandlung in einem
Krankenhaus der DDR nach einem Unfall im Mai 1976. Antrag, Widerspruch
und Klage blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat nach Vernehmung der
Ehefrau des Klägers als Zeugin eine hoheitlich-willkürliche Maßnahme im Sinne
des § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerRehaG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwRehaG verneint. Der Klä-
ger habe nicht gemäß § 25 Abs. 2 BerRehaG glaubhaft gemacht, dass das pri-
vatrechtliche Handeln der Ärzte auf einem übergeordneten leitenden Plan
staatlicher Stellen der DDR mit dem Ziel beruht habe, ihn zu schädigen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil
des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die Rechtssache weist weder die
geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO auf noch liegt der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügte Verfahrens-
fehler vor.
1. Die aufgeworfenen Fragen:
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(a) Stellt die unterlassene medizinische Versorgung in der
DDR eine „andere Maßnahme“ im Sinne von § 1 Abs. 1
Nr. 4 BerRehaG dar?
(b) Kann in einer unterlassenen medizinischen Versorgung
sodann eine „politische Verfolgung“ gesehen werden,
wenn der Betroffene Geheimnisträger war und Indizien die
Annahme rechtfertigen, dass die Geheimnisträgerschaft
zumindest mitursächlich für die Unterlassung war?
verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Beide Fragen las-
sen sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise bejahen oder verneinen.
Außerdem bestehen nach den bindenden - vom Kläger nicht mit durchgreifen-
den Rügen infrage gestellten - Feststellungen im angefochtenen Urteil selbst
unter Anwendung der Beweiserleichterung des § 25 Abs. 2 BerRehaG keine
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Opfer einer auf einen Willensentschluss
staatlicher Stellen zurückgehenden gezielten Falschbehandlung geworden ist.
Das Verwaltungsgericht hat es vielmehr als naheliegender angesehen, dass
entweder ein ärztlicher Kunstfehler vorlag, der vertuscht werden sollte, oder der
Kläger zwar nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandelt worden ist, die
Behandlungsmethoden wegen der Schwere des Krankheitsbildes aber objektiv
unzureichend waren. Das schließt die Annahme einer auf berufliche Benachtei-
ligung zielenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG aus,
selbst wenn das Unterlassen medizinischer Versorgung als potenziell tatbe-
standserfüllend betrachtet wird.
Aus der Würdigung des Verwaltungsgerichts ergibt sich weiter, dass der Kläger
mit der Frage zu (b) einen Sachverhalt unterstellt, der nach dem angefochtenen
Urteil nicht vorliegt. Denn nach den dort getroffenen Feststellungen fehlen Indi-
zien, die auf eine Mitursächlichkeit der Geheimnisträgerschaft des Klägers für
eine (unterstellte) fehlerhafte medizinische Versorgung hinweisen. Wenn der
Kläger solche Indizien sehen will, setzt er seine Würdigung an die Stelle derje-
nigen im angefochtenen Urteil, ohne insofern zugleich einen Zulassungsgrund
aufzuzeigen.
2. Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen
kann. Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen die Anforderungen an die
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Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO darin, dass das Verwaltungs-
gericht nur Nr. 3, nicht aber Nr. 4 des § 1 Abs. 1 BerRehaG geprüft habe. Das
trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat nach § 117 Abs. 5 VwGO „wegen der
weiteren Einzelheiten“ auf die für zutreffend befundenen Gründe des Wider-
spruchsbescheides Bezug genommen (UA S. 7). Dort ist auf S. 4 ausgeführt,
dass eine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 4
BerRehaG nicht festgestellt werden könne.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Kley
Liebler
Dr. Wysk
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