Urteil des BVerwG vom 27.06.2007

Arzneimittel, Bestandteil, Stoff, Unternehmer

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 89.06
OVG 13 A 807/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2006
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 40 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund
des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Die Rechtssache hat keine
grundsätzliche Bedeutung.
Die Klägerin erstrebt die Verlängerung der fiktiven Zulassung eines von ihr ver-
triebenen Arzneimittels unter Berufung auf § 109a Abs. 3 AMG. Dabei bezieht
sie sich auf die Position Nr. 757 der sog. Traditionsliste, in der der Stoff Arti-
schockenblätter, SE mit Wasser, in den Darreichungsformen Dragees und Kap-
seln mit dem Anwendungsgebiet „Traditionell angewendet zur Unterstützung
der Verdauungsfunktion“ eingetragen ist. Die Beklagte lehnte die Nachzulas-
sung ab mit der Begründung, das Arzneimittel der Klägerin enthalte zusätzlich
zu dem Artischockenblätterextrakt Dimeticon als arzneilich wirksamen Bestand-
teil, obwohl dieser Stoff in der in Bezug genommenen Listenposition nicht auf-
geführt sei. In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg.
Die Klägerin meint, die Revision müsse zugelassen werden zur Klärung der
Frage, ob der von § 109a Abs. 3 Satz 1 AMG angesprochene Wirksamkeits-
nachweis nur dann erbracht werden kann, wenn sämtliche Bestandteile des
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Arzneimittels, denen eine therapeutische Wirksamkeit zugeschrieben wird, in
der in Bezug genommenen Listenposition der Aufstellung der Stoffe oder Stoff-
kombinationen genannt sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Wirk-
stoffe oder um sonstige Bestandteile im arzneimittelrechtlichen Sinne handelt.
Diese Frage verleiht der Rechtssache aber keine grundsätzliche Bedeutung,
weil sie so, wie sie sich hier richtigerweise stellt, nicht der Klärung in einem Re-
visionsverfahren bedarf. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass sie - mit dem
Oberverwaltungsgericht - zu bejahen ist.
Klarzustellen ist vorab, dass der Nachsatz der von der Klägerin formulierten
Frage einen Gegensatz enthält, der sich von Rechts wegen von vornherein
nicht stellt. Ein Bestandteil eines Arzneimittels, der therapeutische Wirksamkeit
entfaltet, ist in der Terminologie des Arzneimittelgesetzes arzneilich wirksam
(vgl. u.A. § 4 Abs. 19, § 10 Abs. 1 Nr. 8, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG). Er ist,
wie die Beschwerde zutreffend darlegt, nach § 4 Abs. 19 AMG ein Wirkstoff.
Das Berufungsgericht hat zwar den Begriff des arzneilich wirksamen Bestand-
teils nicht verwendet, obwohl er auch für die Beurteilung traditionell angewen-
deter Arzneimittel relevant ist. Der Zusammenhang seiner Ausführungen ergibt
aber, dass es dem Dimeticon in dem Arzneimittel der Klägerin die Rolle eines
arzneilich wirksamen Bestandteils beimisst.
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage geht also richtigerweise dahin, ob sich
ein Arzneimittel zum Nachweis seiner Wirksamkeit nur dann auf eine Ein-
tragung in der Traditionsliste stützen kann, wenn es sich hinsichtlich seiner arz-
neilich wirksamen Bestandteile mit der in Bezug genommenen Listenposition
deckt. Die Antwort hierauf kann nicht ernsthaft bezweifelt werden.
Das ergibt sich insbesondere aus § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG. Nach dieser
Bestimmung unterliegen Kombinationsarzneimittel einem besonderen Begrün-
dungserfordernis. Bei einem Arzneimittel, das mehr als einen arzneilich wirk-
samen Bestandteil enthält, bedarf es einer ausreichenden Begründung dafür,
dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurtei-
lung des Arzneimittels leistet. Die Eintragung eines Kombinationsarzneimittels
in die Traditionsliste entbindet den pharmazeutischen Unternehmer auch inso-
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weit von dem ansonsten erforderlichen Begründungsaufwand. Das setzt aber
voraus, dass die arzneilich wirksamen Bestandteile im Einzelnen in der Listen-
position Berücksichtigung gefunden haben. Fehlt es daran, so kann der Listen-
eintragung nicht entnommen werden, ob etwa zusätzlich in dem Arzneimittel
enthaltene arzneilich wirksame Bestandteile überflüssig oder gar schädlich sind.
Letztlich werden diese Grundsätze auch von der Klägerin nicht in Abrede ge-
stellt. In der Sache ist vielmehr für sie die Überzeugung entscheidend, dass es
sich bei Dimeticon nicht um einen arzneilich wirksamen Bestandteil handele.
Für seine abweichende Beurteilung hat sich das Berufungsgericht zutreffend
auf die Bewertungsmaßstäbe des § 109a Abs. 3 AMG gestützt. Gegen die hier-
zu getroffenen Tatsachenfeststellungen sind Verfahrensrügen nicht erhoben
worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Kley van Schewick Dr. Dette
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