Urteil des BVerwG vom 07.01.2009

Schkg, Sicherstellung, Gebietskörperschaft, Sachzusammenhang

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 88.08
OVG 16 A 343/06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2008 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 13 442,97 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt die Feststellung, die Nichtgewährung einer über die staatli-
che Förderquote von 81 % hinausgehenden kommunalen Förderung seiner
Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle durch den beklagten Landkreis in den
Jahren 2001 und 2002 sei rechtswidrig gewesen. Das Verwaltungsgericht hat
der Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung
des Beklagten hin abgewiesen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Die
vom Kläger in Anspruch genommenen Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
1. Eine Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli
2003 - BVerwG 3 C 26.02 - (BVerwGE 118, 289 = Buchholz 436.41 SchKG
Nr. 1) ist nicht ersichtlich. Der Kläger nimmt insofern den Satz des Berufungsur-
teils in Bezug, dass sich ein Anspruch auf Förderung durch eine Kommunalkör-
perschaft nicht aus § 4 Abs. 2 SchKG, sondern allenfalls aus Landesrecht er-
geben könne. Damit weicht das Berufungsurteil jedoch von dem genannten
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht ab. Der Senat hat dort entschieden,
dass § 4 Abs. 2 SchKG den anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungs-
stellen, die zur Sicherstellung eines ausreichenden pluralen und wohnortnahen
Beratungsangebots erforderlich sind, einen gesetzlichen Anspruch auf öffentli-
che Förderung einräumt (a.a.O. S. 290 ff. bzw. S. 2 ff.). Er hat des Weiteren
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entschieden, dass sich dieser Anspruch grundsätzlich gegen das jeweilige Land
richtet (a.a.O. S. 295 bzw. S. 5). Zwar ermächtigt § 4 Abs. 3 SchKG die Länder
zum Erlass konkretisierender Regelungen, die auch eine Beteiligung der Kom-
munen an der gebotenen öffentlichen Förderung vorsehen können. Das Fehlen
einer solchen konkretisierenden Landesregelung beeinträchtigt aber die Um-
setzungsfähigkeit der in § 4 Abs. 2 SchKG vorgesehenen Förderpflicht nicht.
Soweit ein konkretisierendes Landesgesetz fehlt oder nichts anderes bestimmt,
richtet sich der Förderanspruch aus § 4 Abs. 2 SchKG daher gegen das jeweili-
ge Land, das dann auch selbst zur Kostentragung verpflichtet ist. Einen
Rechtssatz des Inhalts, dass sich unmittelbar aus § 4 Abs. 2 SchKG ein För-
deranspruch gegen eine Kommunalkörperschaft herleiten ließe, hat das Bun-
desverwaltungsgericht damit gerade nicht aufgestellt.
Die Revision kann auch nicht wegen einer Divergenz zu dem Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts vom 15. März 2007 - BVerwG 3 C 35.06 - (Buchholz
436.41 SchKG Nr. 3) zugelassen werden. Eine derartige Divergenz legt der Klä-
ger schon nicht schlüssig dar. Er nimmt zwar Bezug auf die Ausführungen des
Bundesverwaltungsgerichts zu dem bundesrechtlichen Erfordernis eines
pluralen Beratungsangebots (a.a.O. ). Er stellt dem aber keinen
widersprechenden Obersatz aus dem angefochtenen Berufungsurteil gegen-
über. Er rügt vielmehr lediglich, das Berufungsgericht habe eine Überprüfung
der Förderpraxis des Beklagten an diesen Maßstäben unterlassen. Damit ist
eine Divergenz nicht dargetan.
Im Übrigen betreffen die vom Kläger angeführten Urteile des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 3. Juli 2003 und vom 15. März 2007 die zur Sicherstellung
eines ausreichenden Angebots an Beratungsstellen sowohl verfassungsrecht-
lich als auch durch § 4 SchKG gebotene öffentliche Förderung. In diesem Sinne
geboten ist nach der zitierten Rechtsprechung des Senats die Übernahme von
mindestens 80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten von anerkannten
und erforderlichen Beratungsstellen. Das steht hier nicht im Streit. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts wurden 2001 und 2002 in Nordrhein-
Westfalen 81 % der hier allein fraglichen Personalkosten vom Land getragen.
Auch die Beratungsstelle des Klägers im Kreis des Beklagten wird vom Land so
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gefördert. Die Beteiligten streiten vorliegend allein um eine zusätzliche
Förderung durch den beklagten Landkreis. Hierzu hat das Bundes-
verwaltungsgericht bislang keine Rechtssätze aufgestellt, von denen das Beru-
fungsurteil abweichen könnte.
Auch eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt
der Kläger nicht auf. Er verweist zwar auf dessen Urteil vom 28. Mai 1993
- 2 BvF 2/90 und 4, 5/92 - (BVerfGE 88, 203), zitiert aber keinen rechtlichen
Obersatz hieraus, zu dem sich das Berufungsurteil in Widerspruch hätte setzen
können. Er meint freilich, dem genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts
ebenso wie denjenigen des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen zu können,
dass das verfassungsrechtliche Gebot, ein ausreichendes Angebot an Konflikt-
beratungsstellen sicherzustellen, nur dann umgesetzt werden könne, wenn
nicht nur die gebotene öffentliche Förderung, sondern auch eine darüber noch
hinausgehende zusätzliche Förderung nach denselben bundeseinheitlichen
Grundsätzen erfolge. Einen derartigen rechtlichen Obersatz haben aber weder
das Bundesverfassungsgericht noch das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt.
Dazu bestand auch kein Anlass. Wenn ein ausreichendes Beratungsangebot
durch eine öffentliche Förderung in Höhe von mindestens 80 % der notwendi-
gen Personal- und Sachkosten der anerkannten und für eine wohnortnahe und
plurale Versorgung erforderlichen Beratungsstellen sichergestellt wird, dann ist
dem verfassungsrechtlich Gebotenen Genüge getan. Zusätzliche Maßnahmen
sind dann verfassungsrechtlich grundsätzlich irrelevant. Anderes könnte allen-
falls dann gelten, wenn durch diese zusätzlichen Maßnahmen der Sicherstel-
lungserfolg wieder in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998
- 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <118 ff.>). Das aber hat das Beru-
fungsgericht bedacht, indem es die Förderpraxis des Beklagten auch daran
gemessen hat, ob sie sich mit dem verfassungsrechtlichen Sicherstellungsauf-
trag in Widerspruch setze.
2. Die Rechtssache besitzt auch keine grundsätzliche Bedeutung.
Wie dargelegt, ist die erste vom Kläger insofern aufgeworfene Rechtsfrage, ob
das Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz einen unmittelbaren Förderan-
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spruch gegenüber einer kommunalen Gebietskörperschaft begründet, durch
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2003 (a.a.O. S. 290 ff.,
295 bzw. S. 2 ff., 5) bereits - im verneinenden Sinne - geklärt.
Bislang nicht geklärt ist freilich die weitere Frage des Klägers, ob eine kommu-
nale Gebietskörperschaft bei einer freiwilligen zusätzlichen Förderung von Kon-
fliktberatungsstellen die Grundsätze der §§ 3 und 8 SchKG zu beachten habe.
Die Frage lässt sich aber auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es der Durchführung
eines Revisionsverfahrens bedürfte. Wie erwähnt, dient die in § 4 SchKG vor-
gesehene öffentliche Förderung der Umsetzung des verfassungsrechtlich Ge-
botenen, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Angebots an
wohnortnahen Beratungsstellen. Umgekehrt geht das Bundesgesetz davon aus,
dass mit dieser öffentlichen Förderung das verfassungsrechtlich Gebotene auch
erfüllt wird. Es bestand kein Anlass für den Bundesgesetzgeber, Regelungen
über diesen Umkreis hinaus zu treffen. Hierfür hätte ihm schon die Ge-
setzgebungskompetenz gefehlt, die er für das Schwangerschaftskonfliktbera-
tungsgesetz aus dessen Sachzusammenhang mit dem Strafrecht herleitet
(Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG), aber nicht über diesen Sachzusammenhang hinaus
beliebig ausdehnen darf. Soweit eine zusätzliche Förderung gerade durch
Kommunen in Rede steht, kommt - worauf das Berufungsgericht mit Recht hin-
weist - deren Autonomiebereich hinzu (Art. 28 Abs. 2 GG), der dem Bundesge-
setzgeber in besonderer Weise verschlossen ist (vgl. Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG).
Aus all dem drängt sich auf, dass das Schwangerschaftskonfliktgesetz des
Bundes einer zusätzlichen kommunalen Förderung von Konfliktberatungsstellen
nur insofern Grenzen zieht, als diese die Sicherstellung eines ausreichenden
pluralen Angebots an wohnortnahen Beratungsstellen nicht vereiteln darf.
Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht demnach mit Recht angelegt. Natür-
lich müssen die Kommunen auch anderes Bundesrecht wie etwa Art. 3 Abs. 1
und 3, Art. 33 Abs. 3 GG beachten; insofern hat der Kläger aber keinen Klä-
rungsbedarf aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der Festsetzung
des Streitwerts, die sich auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1
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und 3 GKG stützt, geht der Senat von dem am 22. Dezember 2000 beantragten
Zuschuss aus, den er mit Rücksicht auf das bloße Bescheidungsbegehren um
die Hälfte vermindert.
Kley
Dr. Dette
Prof. Dr. Rennert
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Gesundheitsverwaltungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquelle:
SchKG
§ 4
Stichworte:
Schwangerschaftskonfliktberatung; Beratungsstellen; ausreichendes Angebot;
Pluralitätsgebot; plurales Angebot; öffentliche Förderung; kommunale Selbst-
verwaltung.
Leitsatz:
Das Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes zieht einer über die durch § 4
Abs. 2 und 3 SchKG gebotene öffentliche Förderung hinausgehenden, zusätz-
lichen kommunalen Förderung von Konfliktberatungsstellen nur insofern Gren-
zen, als diese die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an wohnortna-
hen pluralen Beratungsstellen nicht vereiteln darf.
Beschluss des 3. Senats vom 7. Januar 2009 - BVerwG 3 B 88.08
I. VG Minden vom 22.12.2005 - Az.: VG 7 K 3012/02 -
II. OVG Münster vom 29.05.2008 - Az.: OVG 16 A 343/06 -