Urteil des BVerwG vom 12.04.2010

Gesundheit, Verwaltungsverfahren, Teilanfechtung, Rüge

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 87.09
VG 3 K 1261/06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. April 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Chemnitz vom 26. August 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger beansprucht seine berufliche und verwaltungsrechtliche Rehabilitie-
rung. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage abgewiesen, weil sie hinsichtlich
der Klagegegenstände „Gesundheit“ und „berufliche Rehabilitierung für den
Zeitraum vor dem 1. Januar 1976“ unzulässig und hinsichtlich der geltend ge-
machten beruflichen Benachteiligung im Zeitraum 1/1976 bis 5/1981 unbegrün-
det sei.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem
Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte
grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf noch sind
die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel erkennbar.
1. Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob die Durchführung des Vorverfahrens
gemäß den §§ 68 ff. VwGO auch außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Aus-
nahmetatbestände entbehrlich sein kann und, wenn ja, unter welchen Voraus-
setzungen. In dieser allgemeinen und umfassenden Formulierung ist die auf-
geworfene Rechtsfrage schon deswegen nicht geeignet, der Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu verleihen,
weil sie keinen hinreichenden Bezug zu dem konkreten Rechtsstreit aufweist.
Selbst wenn man diese Frage aber unter Heranziehung des weiteren Be-
schwerdevorbringens dahin konkretisiert, ob die Durchführung eines Vorverfah-
rens dann entbehrlich ist, wenn die Behörde sich zwar auf das Fehlen des Vor-
verfahrens beruft, sich aber gleichwohl hilfsweise zur Sache einlässt, kann dies
ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen; denn die Frage würde sich
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so in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Entgegen dem Eindruck, den der
Kläger mit seinem Beschwerdevorbringen erwecken will, hat sich die Behörde
hinsichtlich der beruflichen Rehabilitierung für die Zeit vor 1976 gerade nicht
abschließend zur Sache eingelassen, sondern dies unter Hinweis darauf ver-
weigert, dass dieser Sachverhaltskomplex nicht Gegenstand des Verwaltungs-
verfahrens gewesen sei und daher in einem neuen Ausgangsverfahren geprüft
werden müsse. Abgesehen davon verkennt der Kläger, dass die Frage der
Notwendigkeit eines Widerspruchsverfahrens schon deswegen in einem Revi-
sionsverfahren nicht beantwortet werden müsste, weil das auf die Zeit vor 1976
bezogene Begehren ausweislich der Feststellungen des Verwaltungsgerichts
nicht einmal Gegenstand des an die Verwaltung gerichteten Antrages war. Ein
solcher Antrag ist aber grundsätzlich Voraussetzung für die Zulässigkeit einer
Verpflichtungsklage (Urteil vom 28. November 2007 - BVerwG 6 C 42.06 -
BVerwGE 130, 39 = Buchholz 442.066 § 132 TKG Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.; stRspr).
2. Ebenfalls zu Unrecht sieht der Kläger einen Verstoß gegen die Pflicht zur
Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO darin, dass das Gericht dem Sachver-
haltskomplex „berufliche Rehabilitierung 1974/75“ nicht von sich aus weiter
nachgegangen sei, obwohl dieser Komplex und der Sachverhaltskomplex „be-
rufliche Rehabilitierung 1976 - 1981“ einem einheitlichen Verpflichtungsbegeh-
ren zuzuordnen seien. Diese Rüge ist schon deswegen verfehlt, weil der Um-
fang der Sachaufklärungspflicht sich nach der dem Urteil zugrunde liegenden
Rechtsauffassung bestimmt. Da das Verwaltungsgericht aber die berufliche
Rehabilitierung für die Geschehnisse vor 1976 als ein neues, nicht zur Sach-
entscheidung stehendes Begehren angesehen hat, bestand insoweit auch kein
weiterer Ermittlungsbedarf.
Ebenso wenig ist ein Verstoß gegen eine ordnungsgemäße richterliche Über-
zeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO feststellbar, soweit das Verwal-
tungsgericht die Klage hinsichtlich des Gegenstandes „Gesundheit“ als unzu-
lässig beurteilt hat, weil die Klageschrift diesen Gegenstand nicht erfasst habe
und der Widerspruchsbescheid in diesem Umfang bestandskräftig geworden
sei. Die Behauptung des Klägers, in der Klageschrift finde sich kein Anhalts-
punkt für eine gewollte Teilanfechtung des Widerspruchsbescheides, ist unzu-
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treffend. Vielmehr hat er mit seinem Verpflichtungsbegehren vier konkrete Kla-
geanträge gestellt, in denen die im Verwaltungsverfahren geltend gemachten
Gesundheitsschäden nicht einmal ansatzweise erwähnt werden. Es lässt sich
daher kein Verstoß gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze nach den
§§ 133 und 157 BGB erkennen, wenn das Verwaltungsgericht daraus gefolgert
hat, diese Schäden sollten nicht Gegenstand der fristgerecht gestellten Klage-
anträge sein und seien daher bestandskräftig beschieden. Soweit der Kläger
beanstandet, dass das Verwaltungsgericht ihn nicht über dieses Verständnis
des Klagebegehrens aufgeklärt habe, sind keine Umstände erkennbar, die eine
solche Pflicht hätten begründen können. Der vermisste Hinweis wäre allenfalls
dann angezeigt gewesen, wenn die Klageschrift in dieser Hinsicht Zweifel am
Umfang des Begehrens hätte wecken können. Davon kann jedoch angesichts
der konkret formulierten Klageanträge keine Rede sein.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Kley
Liebler
Dr. Wysk
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