Urteil des BVerwG vom 28.01.2005

Aufklärungspflicht, Stadt, Verfahrensrecht, Rüge

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 84.04 (3 PKH 7.04)
VG 5 K 912/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Januar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom
23. März 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für die Durch-
führung des Beschwerdeverfahrens zu gewähren und seinen
Prozessbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 1 001,61 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund des Ver-
fahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Der 1989 aus der ehemaligen UdSSR in die Bundesrepublik Deutschland überge-
siedelte Kläger begehrt als Erbe seines unmittelbar geschädigten Vaters über den
festgestellten Vertreibungsschaden und die bereits gewährte Hauptentschädigung
hinaus, einen Vertreibungsschaden auch bezüglich eines seinem Vater von dessen
Schwiegereltern im Jahre 1927 übertragenen landwirtschaftlichen Vermögens fest-
zustellen und ihm demgemäß eine höhere Hauptentschädigung zuzuerkennen.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers führt seine Verfahrensrüge nicht auf einen
Zulassungsgrund für die begehrte Revision. Der Kläger rügt mit seiner Beschwerde
die nach seiner Ansicht unrichtige Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Archiv-
kopien "Abschrift aus dem Protokoll Nr. 2/2-K der Sitzung der Gerichts-Troika der
Verwaltung des Volkskommissariats des Innern (NKWD), Region Altai vom 31. Okto-
ber 1937 und der Bescheinigung zur Vermögenslage des Dorfbewohners … K.,
deutscher Rayon, Region West-Sibirien" keine Urkunden darstellen, die eine dem
Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Das Verwaltungs-
gericht wäre gehalten gewesen, eine amtliche Auskunft oder ein Sachverständigen-
Gutachten zu der Beweiseignung der Urkunden aus dem Jahre 1937 vorzunehmen.
Im Übrigen sei auch noch Zeugnis durch Herrn G. T. und Herrn L. JA F. angeboten
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worden, welcher der stellvertretende Staatsanwalt der Stadt A. gewesen sei und der
geeignete Urkunden hätte beschaffen können.
Damit zielt die Beschwerde auf einen Verstoß gegen die aus § 86 VwGO folgende
Aufklärungspflicht. Das Verwaltungsgericht hat - entgegen der Auffassung des Klä-
gers - seine Pflichten aus § 86 Abs. 1 VwGO allerdings nicht verletzt. Zunächst ver-
kennt die Beschwerde, dass die Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch ein Tat-
sachengericht regelmäßig dem sachlichen Recht (und nicht dem gerichtlichen Ver-
fahrensrecht) zuzurechnen ist. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in seinen Ur-
teilsgründen im Einzelnen dargelegt, weshalb die vorgelegten Urkunden aus dem
Jahre 1937 keine Urkunden darstellen, die eine dem Kläger günstigere Entscheidung
herbeigeführt haben würden. In Auseinandersetzung mit dem klägerischen Vorbrin-
gen hat es sich anhand von tatsächlichen Gegebenheiten und nachvollziehbaren
Überlegungen eine Überzeugungsgewissheit verschafft, ohne dass ihm dabei Ver-
stöße gegen die Denkgesetze unterlaufen wären. Es hat die gegenteiligen Äußerun-
gen des Klägers zur Kenntnis genommen, aber anders gewürdigt als dieser; darin
liegen kein Gehörsverstoß und auch kein sonstiger verfahrensrechtlich beachtlicher
Verstoß.
Davon abgesehen braucht ein Tatsachengericht nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts keine Beweiserhebung durchzuführen, die eine an-
waltlich vertretene Partei nicht beantragt und die sich auch nicht aus anderen Grün-
den aufgedrängt hat. Die Rüge, der Sachverhalt sei nicht von Amts wegen erschöp-
fend aufgeklärt worden, kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, die eine
Partei selbst zumutbarerweise stellen konnte, aber zu stellen unterlassen hat. Ange-
sichts des Verhaltens des Klägers und seines Rechtsanwalts in der mündlichen
Verhandlung einerseits und der vom Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegten
Erwägungen (vgl. UA S. 10 - 12) andererseits kann auch keine Rede davon sein,
dass sich dem Gericht die Erhebung weiterer Beweise hätte aufdrängen müssen.
2. Das Prozesskostenhilfegesuch und der Antrag auf Beiordnung des Prozessbe-
vollmächtigten konnten nach dem Vorstehenden gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114,
121 ZPO keinen Erfolg haben.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des
Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. i.V.m.
§ 72 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I
718).
Prof. Dr. Driehaus
van Schewick
Dr. Dette