Urteil des BVerwG vom 31.03.2008

Rechtliches Gehör, Rechtsnachfolge, Realteilung, Überführung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 81.07
VG 1 K 936/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. März 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Pots-
dam vom 3. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beige-
ladenen, die diese selbst trägt.
G r ü n d e :
Die auf alle drei Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Revisionszu-
lassungsgründe sind nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderli-
chen Weise dargelegt oder sie liegen - soweit dem Substanziierungserfordernis
genügt wurde - nicht vor.
1. Der Rechtssache kommt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeu-
tung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Klägerin hält zum einen die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob
bei einer Vermögenszuordnung zu ihren Gunsten bezüglich der streitgegen-
ständlichen Grundstücke Art. 135 Abs. 2 GG Anwendung finde, nachdem es
sich hier um ehemals preußisches Vermögen handele und das Land Preußen
im Jahr 1947 völkerrechtlich untergegangen sei. Diese Frage kann schon des-
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halb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt ist, dass ein Übergang des Verwal-
tungsvermögens nicht mehr bestehender Körperschaften des öffentlichen
Rechts - im damaligen Fall in Gauwirtschaftskammern überführter Industrie-
und Handelskammern - auf deren Funktionsnachfolger gemäß Art. 135 Abs. 2
GG ausscheidet, wenn das Vermögen in Volkseigentum überführt wurde; für
solches Vermögen gilt die Verteilungsregelung der Art. 21, 22 EV (vgl. Be-
schluss vom 12. Dezember 1995 - BVerwG 7 B 158.95 - Buchholz 111 Art. 21
EV Nr. 14 m.w.N.). Zu einer solchen Überführung in Volkseigentum ist es auch
bei den im vorliegenden Fall streitigen Flächen gekommen. Danach ergibt sich
aus der genannten Rechtsprechung ohne Weiteres, dass Art. 135 Abs. 2 GG
auch hier ohne Bedeutung für die Zuordnungsentscheidung ist. Das Beschwer-
devorbringen gibt zu einer weiteren Klärung keinen Anlass.
b) Ebenso fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der weiteren von der Klägerin
zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache benannten
Fragen. Sie zielen zum einen auf die Frage einer Rechtsnachfolge der Klägerin
und die dabei zugrunde zu legenden Kriterien ab und betreffen zum anderen
die Voraussetzungen, unter denen die Überleitung eines vermögenszuord-
nungsrechtlichen Antrags vom früheren Antragsteller - hier dem Land Branden-
burg - auf den aktuellen Prätendenten - hier die Klägerin - möglich ist. Beides
sind jedoch Gesichtspunkte, die das Verwaltungsgericht lediglich im Rahmen
der Erwägungen zur Zulässigkeit der Klage in den Blick genommen hat. Deren
Zulässigkeit hat das Verwaltungsgericht dann jedoch dahinstehen lassen und
seine Entscheidung tragend darauf gestützt, dass es sich bei der als Strandbad
genutzten Fläche um eine durch Realteilung vom Buchgrundstück abtrennbare
Teilfläche handele, die wegen ihrer für die maßgeblichen Stichtage festgestell-
ten Nutzung zu kommunalen Zwecken nach Art. 21 Abs. 1 und 2 EV der Beige-
ladenen zuzuordnen sei. Im Hinblick darauf wären die aufgeworfenen Fragen
auch für die Revisionsentscheidung unerheblich und ihre Klärung daher nicht zu
erwarten.
2. Die behauptete Abweichung der angegriffenen Entscheidung vom Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2002 - BVerwG 7 C 7.02 - (Buchholz
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428 § 2 VermG Nr. 67) ist nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§ 132
Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Klägerin rügt insoweit, dass
das Verwaltungsgericht von diesem Urteil bei den Bestimmungsmerkmalen ei-
ner Rechtsnachfolge abgewichen sei. Divergenz liegt vor, wenn das vorinstanz-
liche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung
tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des über-
geordneten Gerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist
(stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 21. Juli 1988 - BVerwG 1 B 44.88 - Buchholz
130 § 8 RuStAG Nr. 32). Hier fehlt es aber bereits an der gebotenen Herausar-
beitung zueinander in Widerspruch stehender abstrakter Rechtssätze, wenn nur
pauschal auf die Ausführungen auf einer bestimmten Seite der Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen wird. Hinzu kommt, dass sich die
vermeintlich divergierende Rechtsprechung auf die Anwendung derselben
Rechtsvorschrift beziehen muss. Bei dem von der Klägerin genannten Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts ging es aber um eine vermögensrechtliche
Restitution und die Auslegung von § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 VermG. Dage-
gen war im vorliegenden Fall eine vermögenszuordnungsrechtliche Entschei-
dung zu beurteilen, für die § 2 Abs. 1 Satz 5 VermG, der die Rechtsnachfolge
speziell in den Fällen des § 1 Abs. 6 VermG betrifft, und ebenso § 2 Abs. 1
Satz 1 VermG erkennbar ohne Bedeutung waren. Dementsprechend hat das
Verwaltungsgericht diese Regelungen schon gar nicht in Bezug genommen,
geschweige denn ausgelegt. Schließlich muss die angegriffene Entscheidung
auf der Divergenz beruhen. Auch dies ist hier nicht der Fall, weil sich die ange-
griffenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtsnachfolge der Klä-
gerin in dem die Entscheidung nicht tragenden Teil zur Zulässigkeit der Klage
befinden.
3. Die Beschwerdebegründung führt auch nicht auf einen Verfahrensfehler im
Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen
den Überzeugungsgrundsatz und das Gebot rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 1
und 2 VwGO) darin, dass sich das Gericht mit ihren Einwänden gegen eine Ab-
trennung der Teilfläche nur sehr unzureichend auseinandergesetzt habe. Doch
hat das Gericht diese Einwände sowohl im Urteil benannt als dort auch die
Gründe ausgeführt, weshalb es sie nicht als durchgreifend erachtet. Dass das
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Gericht hierbei im Ergebnis anderer Auffassung war als die Klägerin, begründet
weder einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz noch liegt darin eine
unzureichende Gewährung rechtlichen Gehörs. Soweit die Klägerin eine Inau-
genscheinnahme des Objekts vermisst, fehlt es - schon im Hinblick auf die für
die Zuordnung maßgeblichen Stichtage - an einer schlüssigen Darlegung, wes-
halb sich dem Gericht eine solche Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen,
obwohl die Klägerin, die auch im erstinstanzlichen Verfahren bereits anwaltlich
vertreten war, dort einen entsprechenden Beweisantrag nicht gestellt hatte.
Der Vortrag, dass das Verwaltungsgericht ihrem Einwand, die Realteilung des
Buchgrundstücks zerschneide ein einheitliches Parkdenkmal und führe so zu
gravierenden Problemen des Denkmalschutzes, nicht weiter nachgegangen sei,
begründet im Übrigen auch keinen Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör
zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat diesen Vortrag für unerheblich
erachtet. Es ist hierbei von der Rechtsansicht ausgegangen, ein Buchgrund-
stück sei teilbar, wenn dies ohne gravierende praktische Probleme möglich sei,
wobei sich diese Voraussetzung lediglich auf die praktische Durchführbarkeit
der Teilung des Buchgrundstücks als solche beziehe. Diesen rechtlichen Aus-
gangspunkt greift die Beschwerde nicht an. Auf der Grundlage dieser
Rechtsauffassung kam aber dem Hinweis der Klägerin auf die Auswirkungen
der Realteilung für die Wahrnehmung ihrer Denkmalschutzaufgabe in der Tat
keine Bedeutung zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO;
nachdem die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat, bestand kein An-
lass, ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Hinsichtlich des
Wertes des Streitgegenstandes wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.
Kley
Liebler
Prof. Dr. Rennert
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