Urteil des BVerwG vom 30.06.2011

Rechtliches Gehör, Verwaltungsakt, Vergleich, Ausnahme

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 77.10
VG 9 K 55.10
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley, den
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:
Die Beschwerden der Klägerinnen gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Berlin vom 24. Juni 2010 werden verworfen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdever-
fahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Be-
schwerdeverfahren auf 2 027,28 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Klägerinnen, die vom Beklagten mit Rückforderungs- und Leistungsbe-
scheiden vom 3. November 2009 auf Rückzahlung von Lastenausgleich in An-
spruch genommen worden sind, begehren die Aufhebung der auf Seite 1 eines
mit „Mahnung“ überschriebenen Schreibens des Beklagten vom 12. Januar
2010 enthaltenen Aufforderung zur Zahlung des unter dem 3. November 2009
geforderten Betrages. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen als unzulässig
abgewiesen, weil Seite 1 des Schreibens nicht als Verwaltungsakt, sondern als
„schlichte Zahlungsaufforderung“ zu betrachten sei, gegen die kein förmlicher
Rechtsbehelf gegeben sei. Die Regelungen über die Festsetzung eines Säum-
niszuschlags und der Kosten der Forderungsverwaltung auf der Rückseite des
Schreibens seien nicht Gegenstand der Klage.
Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil sind
unzulässig. Ein Grund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, aus dem die Revision
zugelassen werden dürfte, wird weder den Anforderungen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO entsprechend ausdrücklich bezeichnet noch ist er dem Be-
schwerdevorbringen sinngemäß zu entnehmen. Die Klägerinnen machen mit
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ihren Ausführungen, die einer Berufungsbegründung ähneln, geltend, das Ver-
waltungsgericht habe dem Schreiben vom 12. Januar 2010 zu Unrecht den
Charakter als Verwaltungsakt abgesprochen. Damit rügen sie die Rechtsan-
wendung durch das Verwaltungsgericht. Das Aufzeigen eines bloßen Subsum-
tionsfehlers erfüllt die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes im Sinne von
§ 132 Abs. 2 VwGO jedoch grundsätzlich nicht. Für eine Ausnahme ist hier
nichts dargelegt. Insbesondere wird der Vorwurf willkürlicher Auslegung nicht
ansatzweise ausgefüllt.
Die Beschwerde hätte auch dann keinen Erfolg, wenn man zugunsten der Klä-
gerinnen unterstellen würde, das Vorbringen laufe auf einen Verfahrensfehler
im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hinaus. Die Auslegung einer behördli-
chen Erklärung ist grundsätzlich der Tatsachenermittlung zuzurechnen. Für das
Revisionsgericht sind die tatrichterlichen Feststellungen über den Wortlaut einer
Erklärung, ihren objektiven Erklärungswert und die Begleitumstände der Erklä-
rung bindend. Das Ergebnis dieser Feststellung ist revisionsgerichtlich nur dar-
auf überprüfbar, ob allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Ausle-
gungsregeln verletzt sind (Urteil vom 24. März 2011 - BVerwG 3 C 23.10 - juris
Rn. 11 m.w.N.). Für einen solchen Verstoß legt die Beschwerde nichts dar. Im
Gegenteil erscheint das eingehend begründete Auslegungsergebnis des Ver-
waltungsgerichts auch im Lichte des Beschwerdevorbringens als offensichtlich
zutreffend.
Eine Verletzung des Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren (§ 108 Abs. 2
VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) ist ebenfalls nicht entsprechend den Anforderungen
des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ordnungsgemäß dargelegt. Entgegen der pau-
schalen Behauptung der Klägerinnen hat das Verwaltungsgericht ihren Vortrag
zu dem durch Vergleich abgeschlossenen Klageverfahren 9 A 77.06 VG Berlin
durchaus zur Kenntnis genommen (vgl. S. 2 letzter Absatz des Urteilsab-
drucks). Einer darüber hinausgehenden Auseinandersetzung mit diesem Punkt
in den Urteilsgründen bedurfte es ausgehend von der insoweit maßgeblichen
materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 i.V.m. § 39 Abs. 1
GKG.
Kley
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
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