Urteil des BVerwG vom 23.03.2010

Beschwerdefrist, Urlaub, Rechtsmittelbelehrung, Fristende

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 74.09
VG 5 A 2064/08
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. März 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk
beschlossen:
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Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vori-
gen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist wird
abgelehnt.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover
vom 3. Juli 2009 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens
je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 24 727,09 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Kläger wenden sich gegen die Rückforderung von Lastenausgleichsleistun-
gen sowie gegen Säumniszuschläge wegen verspäteter Zahlung der Rückfor-
derungsbeträge. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage mit einem am 18. Juli
2009 zugestellten Urteil abgewiesen.
Mit einem am 17. August 2009 beim Verwaltungsgericht eingegangenen
Schriftsatz haben die Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revisi-
on in diesem Urteil eingelegt, ohne sich dabei durch einen Prozessbevollmäch-
tigten vertreten zu lassen. Sie haben darauf hingewiesen, das Urteil wegen ur-
laubsbedingter Abwesenheit erst an diesem Tage gelesen und nicht verstanden
zu haben, und angekündigt, sich fachmännischen Rat für die Begründung der
Beschwerde einzuholen. Mit einem am 14. September 2009 bei Gericht einge-
gangenen Schriftsatz hat sodann ihr Prozessbevollmächtigter die Beschwerde-
begründung eingereicht und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wegen der Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Zur Begründung des
Wiedereinsetzungsgesuchs hat er darauf hingewiesen, dass die Kläger dem
Gericht ihre Urlaubsabwesenheit vom 1. Juli bis 16. August 2009 bereits mit
Schreiben vom 10. April 2009 und nochmals - aus dem Urlaub - mit Schreiben
vom 23. Juli 2009 mitgeteilt hätten. Aufgrund der missverständlichen Formulie-
rungen der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung seien sie davon aus-
gegangen, die Beschwerde persönlich einlegen zu dürfen. Am 1. September
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2009 hätten sie sich dann an ihren Prozessbevollmächtigten gewandt, der
durch entsprechende Rückfrage am 6. September 2009 von ihnen erfahren
habe, dass bei der Beschwerdeeinlegung der Vertretungszwang nicht eingehal-
ten worden sei.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung
der Beschwerdefrist hat keinen Erfolg. Da das angegriffene Urteil den Klägern
am 18. Juli 2009 zugestellt worden ist, hätten sie bis zum 18. August 2009 (ei-
nem Dienstag) Beschwerde einlegen müssen, um die Beschwerdefrist des
§ 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu wahren. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie je-
doch nur die von ihnen persönlich verfasste Beschwerdeschrift bei Gericht ein-
gereicht. Diese war zur Fristwahrung nicht geeignet, weil die Kläger sich entge-
gen § 67 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VwGO bei der Einlegung der Beschwerde
nicht durch einen Prozessbevollmächtigten im Sinne des § 67 Abs. 2 VwGO ha-
ben vertreten lassen. Dem Ablauf der Beschwerdefrist lässt sich auch nicht
entgegenhalten, dass die Kläger - wie sie geltend machen - über den Vertre-
tungszwang missverständlich belehrt worden wären. Vielmehr lässt die dem
Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung mit der Formulierung, dass sich die
Beteiligten
„bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde
sowie in dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsge-
richt“
vertreten lassen müssen, keinen Zweifel daran, dass selbst die Einlegung der
Beschwerde dem Vertretungszwang unterliegt.
Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf eine Wiedereinsetzung in den vo-
rigen Stand wegen ihrer Säumnis nach § 60 Abs. 1 VwGO. Selbst wenn man
ihnen zugutehält, dass sie erst einen Tag vor Fristablauf aus dem angekündig-
ten Urlaub zurückgekehrt sind und dass es ihnen nicht möglich war, in der kur-
zen Zeit bis zum Fristende einen vertretungsberechtigten Prozessbevollmäch-
tigten zu finden, hätten sie dieses nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO spätestens
14 Tage nach Wegfall des Hindernisses, also zwei Wochen nach Rückkehr aus
dem Urlaub, bei Gericht geltend machen müssen. Eingegangen ist der Schrift-
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satz ihres Prozessbevollmächtigten mit dem Wiedereinsetzungsgesuch aber
erst am 14. September 2009. Soweit die Kläger ihre subjektive Unkenntnis vom
Vertretungszwang als Hinderungsgrund geltend machen wollen, der erst infolge
der Beratung durch ihren Prozessbevollmächtigten am 6. September 2009
weggefallen ist, ist diese Unkenntnis wegen der insoweit eindeutig formulierten
Rechtsmittelbelehrung nicht unverschuldet im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO.
Da den Klägern die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt werden
muss, ist ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision unzulässig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m.
§ 100 Abs. 1 ZPO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Kley
Liebler
Dr. Wysk
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