Urteil des BVerwG vom 27.05.2002

Stationäre Behandlung, Fahrzeug, Führer, Abschleppen

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BESCHLUSS
BVerwG 3 B 67.02
OVG 4 L 118/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Mai 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht van S c h e w i c k und
Dr. B r u n n
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Urteil des
Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungs-
gerichts vom 19. März 2002 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Be-
schwerdeverfahren auf 100 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Das Beschwerdevor-
bringen, mit welchem die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2
Nr. 1 und Nr. 2 VwGO (Grundsatzbedeutung und Divergenz) gel-
tend gemacht werden, führt auf keinen Revisionszulassungs-
grund.
Die Beschwerde will vor allem rechtsgrundsätzlich die Frage
geklärt wissen, "ob ... bei Verstößen gegen Parkverbote i.S.d.
§ 12 Abs. 3 StVO eine Halteranfrage vor Abschleppmaßnahmen
grundsätzlich notwendig und geboten ist und daher nur in Aus-
nahmefällen auf eine Halteranfrage verzichtet werden kann".
Ferner hält die Beschwerde eine Klärung der Frage für geboten,
ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mit-
tel verlangt, dass eine Abschleppmaßnahme auf eine Umsetzung
eines Fahrzeugs auf einen benachbarten freien Parkplatz be-
schränkt wird. Beide Fragestellungen nötigen nicht zur Zulas-
sung der Revision, weil sich - unbeschadet der Problematik, ob
damit Fragen des revisiblen Bundesrechts aufgeworfen worden
sind - deren Beantwortung auch ohne Durchführung eines Revisi-
onsverfahrens aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts ergibt und/oder sie von tatsächlichen Um-
ständen ausgehen, die so vom Oberverwaltungsgericht nicht
festgestellt worden sind.
Auch der Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht sei im Sinne des
§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von einschlägiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, trifft nicht zu, wie
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sich aus den nachstehenden Darlegungen ebenfalls ergibt.
1. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 18. Februar 2002
- BVerwG 3 B 149.01 -, der den Beteiligten bekannt gegeben
worden ist, dargelegt hat, hält er zum einen an der Rechtspre-
chung fest, dass das - im Streitfall in Rede stehende - ver-
botswidrige Parken auf einem Behindertenparkplatz auch unter
Berücksichtigung des bundesverfassungsrechtlichen Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsatzes regelmäßig eine Abschleppmaßnahme recht-
fertigt (vgl. Urteil vom 14. Mai 1992 - BVerwG 3 C 3.90 -
BVerwGE 90, 189 <193>), und zum anderen ungewisse Erfolgsaus-
sichten und nicht abzusehende weitere Verzögerungen regelmäßig
einer Verpflichtung zu Halteranfragen oder sonstigen Nachfor-
schungsversuchen entgegenstehen (vgl. vor allem Beschluss vom
6. Juli 1983 - BVerwG 7 B 182.82 - Buchholz 442.151 § 13 StVO
Nr. 3). Das Beschwerdevorbringen nötigt nicht zu einer Über-
prüfung und Modifizierung dieser Rechtsprechung.
Was namentlich die von der Beschwerde in den Mittelpunkt ge-
rückte Problematik einer Verpflichtung zur Halteranfrage an-
langt, so missversteht die Beschwerde zum einen die von ihr
herangezogene Rechtsprechung (Urteil vom 11. Dezember 1996
- BVerwG 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 <319 f.>) und zum ande-
ren geht es der Beschwerde in Wahrheit nicht um eine solche
Halteranfrage, sondern um den damit verbundenen Zeitgewinn.
a) Dem vorgenannten Urteil, dem eine vom Streitverfahren voll-
kommen verschiedene Ausgangslage zugrunde lag (ein Ver-
kehrsteilnehmer hatte, bevor er sich für eine mehrwöchige sta-
tionäre Behandlung in ein Krankenhaus begab, sein Fahrzeug
zwar zulässig abgestellt, war aber dadurch zum Störer gewor-
den, dass infolge der Aufstellung eines mobilen Halteverbots-
schilds das Fahrzeug verbotswidrig abgestellt war), kann ent-
gegen der Beschwerde kein Grundsatz etwa des Inhalts entnommen
werden, nur bei auswärtigen Kfz-Kennzeichen dürfe auf eine
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Halteranfrage verzichtet werden. Vielmehr gilt - wie das Ober-
verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat - unverändert die
Leitlinie, dass (nur) dann bei einer - bezogen auf den Zeit-
punkt der Entdeckung des Verstoßes - zeitnahen Abschleppmaß-
nahme eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
in Betracht zu ziehen ist, wenn der Führer des Fahrzeugs ohne
Schwierigkeiten und ohne Verzögerung festgestellt und zur Be-
seitigung des verbotswidrigen Parkens veranlasst werden kann
(vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1989 - BVerwG 7 B 179.89 -
Buchholz 442.151 § 12 StVO Nr. 7).
b) Dass durch die von der Beschwerde vermisste Halteranfrage
im Streitverfahren der Kläger hätte erreicht werden können,
behauptet auch die Beschwerde nicht; nach dem Klägervorbringen
hielt sich dieser zum Zeitpunkt des Abschleppvorgangs in einer
Gaststätte auf. Wie sein Vorbringen, er habe sich dort länger
als erwartet aufgehalten und sei verhältnismäßig kurze Zeit
nach der Abschleppmaßnahme am Abschlepport erschienen, um das
Fahrzeug wegzufahren, erweist, kommt es dem Kläger in Wahrheit
auf die mit einer Halteranfrage immer verbundene verstrichene
Zeit an (und nicht auf einen erfolgreichen Versuch des Er-
reichtwerdens). Es bedarf indessen keiner weiteren Darlegun-
gen, dass mit diesem Ansinnen der Zweck einer Halteranfrage
verfehlt würde.
2. Was die Behauptung der Beschwerde anlangt, im Streitverfah-
ren hätte sich die Behörde mit einer bloßen Umsetzung begnügen
müssen, weil in der Umgebung des Behindertenparkplatzes genü-
gend freie zulässige Abstellmöglichkeiten vorhanden gewesen
seien, so kann dahinstehen, ob der Kläger damit überhaupt noch
gehört werden kann; nach den Gründen des angefochtenen Urteils
bezog sich das klägerische Vorbringen insoweit durchgängig auf
die Behauptung, für Schwerbehinderte hätten genügend freie an-
dere Plätze bereitgestanden, und nur mit diesem Vorbringen hat
sich folgerichtig das Urteil (auf S. 10) beschäftigt.
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Es bedarf nämlich nicht erst der Durchführung eines Revisions-
verfahrens, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass selbstver-
ständlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sein
kann, wenn sich eine Behörde nicht mit einer gegebenen Mög-
lichkeit begnügt, ein verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug auf
eine benachbarte Fläche mit der Folge umzusetzen, dass dann
ein Verkehrsverstoß nicht mehr vorläge, sondern stattdessen zu
einem (womöglich weit entfernten) Sammelplatz abschleppen
lässt. Ob eine in diesem Verständnis bedenkenfreie Umsetzmög-
lichkeit besteht, ist indessen immer einer Einzelfallwürdigung
vorbehalten und kann u.a. auch davon abhängen, inwieweit als
Folge einer Umsetzung gewährleistet ist, dass das umgesetzte
Fahrzeug nicht anderen - auf einem Sammel-Abstellplatz nicht
zu befürchtenden - Gefährdungen ausgesetzt und/oder durch den
Führer/Halter ohne weiteres ebenso aufzufinden ist, wie es auf
einem Sammelplatz aufzufinden sein würde.
Von einer weiteren Begründung sieht der beschließende Senat
gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der fest-
gesetzte Streitwert entspricht in etwa den vom Kläger verlang-
ten Kosten und Gebühren (195,46 DM).
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Brunn