Urteil des BVerwG vom 27.03.2003

Verordnung, Begriff, Verbraucher, Etikettierung

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BESCHLUSS
BVerwG 3 B 62.02
OVG 7 A 10731/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht van S c h e w i c k und
Dr. B o r g s – M a c i e j e w s k i
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzu-
lassung der Revision im Urteil des Oberverwal-
tungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Januar
2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerde-
verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 13 294 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte
Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung damit be-
gründet hat, es bestünden Auslegungszweifel im Hinblick auf
Art. 11 Abs. 2 Buchst. k 4. Gedankenstrich der Verordnung
(EWG) Nr. 2392/89 des Rates vom 24. Juli 1989 (ABl
Nr. L 232/03 Z) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1427/96 vom
26. Juni 1996 (ABl Nr. L 184/3), ist dem inzwischen die Grund-
lage entzogen worden. Mit dem In-Kraft-Treten der Verordnung
(EG) Nr. 1493/1999 vom 17. Mai 1999 über die Gemeinsame Markt-
organisation für Wein (ABl Nr. L 179/1) sowie der Verordnung
(EG) Nr. 753/2002 vom 29. April 2002 mit Durchführungsbestim-
mungen zur Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 hinsichtlich der Be-
schreibung, der Bezeichnung, der Aufmachung und des Schutzes
bestimmter Weinerzeugnisse (ABl Nr. L 118/1) am 1. Januar 2003
ist die Verordnung (EWG) Nr. 2392/89 außer Kraft getreten. Für
die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist sie daher
nicht mehr entscheidungserheblich.
Zu Unrecht meint der Beklagte, auch im Hinblick auf das nun-
mehr geltende Gemeinschaftsrecht werfe die Verwendung des Be-
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griffs "feinherb" klärungsbedürftige Rechtsfragen auf. Nach
seiner Auffassung verstößt die Verwendung dieses Begriffs in
der Etikettierung in herausgestellter Form gleich und an der
Stelle einer gesetzlich definierten Geschmacksangabe gegen das
Irreführungsverbot des Art. 48 VO (EG) Nr. 1493/1999 sowie des
Art. 6 VO (EG) Nr. 753/2002. Diese Argumentation ist jedoch
nicht nachzuvollziehen. Der Beklagte stellt die Richtigkeit
der Feststellung des Berufungsgerichts nicht in Frage, dass
der Begriff "feinherb" den Verbraucher nicht hinsichtlich der
geschmacklichen und sonstigen Eigenschaften des Weines
täuscht. Die Gefahr der Irreführung soll aber nach Ansicht des
Beklagten darin liegen, dass der Verbraucher glauben könne, es
handle sich um einen gesetzlich definierten Begriff. Selbst
wenn dies zuträfe, würde es sich um einen Irrtum ohne jegliche
Relevanz für das Kaufverhalten des Verbrauchers handeln. Die
Unterstellung schließt die Annahme mit ein, dass sich der
betreffende Verbraucher über die gesetzlichen Anforderungen an
einen solchen Wein im Unklaren ist. Unter diesen Umständen
verbindet sich mit dem Begriff "feinherb" - anders als mit den
gesetzlich definierten Begriffen "trocken", "halbtrocken",
"lieblich" und "süß" - keine gesicherte Verbrauchererwartung,
die enttäuscht werden könnte.
Die Auffassung des Beklagten würde im Übrigen dazu führen,
dass der mit der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 vollzogene
Übergang vom Verbots- zum Missbrauchsprinzip verhindert würde.
Mit der Begründung, der Verbraucher könne irrtümlich vom Vor-
liegen eines gesetzlich definierten Begriffs ausgehen, ließen
sich letztlich alle nicht gesetzlich definierten Begriffe ver-
hindern. Damit wäre die vom Gesetzgeber gewollte größere Frei-
heit im Weinbezeichnungsrecht wieder aufgehoben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1, § 14 GKG.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Borgs-Maciejewski
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Weinrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
VO (EWG) Nr. 2392/89 Art. 11 Abs. 2 Buchst. k
VO (EG) Nr. 1427/96 Art. 1 Nr. 6
VO (EG) Nr. 1493/1999 Art. 48
VO (EG) Nr. 753/2002 Art. 6, 16
Stichworte:
Weinbezeichnung; Begriff "feinherb".
Leitsatz:
Auf der Grundlage des Irreführungsverbots in Art. 48 VO (EG)
Nr. 1493/1999 sowie in Art. 6 VO (EG) Nr. 753/2002 begegnet
die Verwendung des Begriffs "feinherb" in der Etikettierung
eines Qualitätsweins b.A. keinen Bedenken.
Beschluss des 3. Senats vom 27. März 2003 – BVerwG 3 B 62.02
I. VG Trier vom 06.02.2001 – Az.: VG 2 K 1453/00.TR -
II. OVG Koblenz vom 29.01.2002 – Az.: OVG 7 A 10731/01 -