Urteil des BVerwG vom 29.04.2014

Ärztliches Gutachten, Psychologisches Gutachten, Konzentration, Konsum

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 61.13
OVG 1 B 2.13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. April 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Rothfuß
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts Berlin-Brandenburg vom 13. Juni 2013 wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Revisionszulas-
sungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der
Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
sind nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise darge-
legt bzw. bezeichnet oder sie liegen - soweit dem Substanziierungserfordernis
genügt wurde - nicht vor.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Er hatte am
13. März 2011 unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt. Im Serum der
Blutprobe wurden 3,2 ng/ml THC, 42 ng/ml THC-COOH und 0,93 ng/ml
11-Hydroxy-THC festgestellt. Bei der Erstellung des vom Beklagten zur Klärung
von Art, Umfang und Häufigkeit des Konsums angeforderten ärztlichen Gutach-
tens vom September 2011 gab der Kläger an, er habe seit 2007 bis Ende Mai
2011 Cannabis konsumiert, etwa 20 g pro Monat. Zurzeit nehme er keine Dro-
gen. Eine gesicherte Drogenabstinenz existierte zu dieser Zeit für knapp zwei
Wochen (24. August 2011 bis 6. September 2011). Mit Bescheid vom
11. November 2011 wurde dem Kläger wegen gelegentlichen Cannabiskon-
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sums und fehlenden Trennungsvermögens gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur
Fahrerlaubnis-Verordnung die Fahrerlaubnis entzogen. Sein Widerspruch blieb
ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Fahrerlaubnisentziehung aufgeho-
ben; die Auffassung, dass ein gelegentlicher Cannabiskonsument seine Kraft-
fahreignung erst nach einjähriger Abstinenz wiedererlange, sei unzutreffend.
Der Beklagte hätte daher weitere Ermittlungen anstellen müssen, ob der Kläger
auch künftig unter Cannabiseinfluss fahren werde; das sei unterblieben. Diese
Entscheidung hat das Berufungsgericht aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Wiedererlangung der Kraftfahreignung setze bei gelegentlichem Cannabis-
konsum und fehlender Trennung vom Führen von Kraftfahrzeugen den Nach-
weis eines tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandels voraus; ein entspre-
chendes für ihn positives medizinisch-psychologisches Gutachten habe der
Kläger nicht beigebracht. Der Nachweis einer zweiwöchigen Abstinenz reiche
bei dem über vier Jahre (2007 bis 2011) andauernden, gewohnheitsmäßigen
und einem regelmäßigen Konsum zumindest nahekommenden Cannabiskon-
sum des Klägers und seiner damit einhergehenden Gewöhnung an diese Droge
nicht aus.
1. Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass die Rechtssache
die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufweist. Soweit danach geklärt werden soll, „wann
denn jemand zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist“, lässt die Fra-
gestellung in dieser Allgemeinheit den erforderlichen Bezug zu den entschei-
dungserheblichen und damit gegebenenfalls klärungsbedürftigen Rechtsfragen
des Falles vermissen. Soweit die Beschwerde eine Abweichung von Entschei-
dungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg rügt und dazu da-
rauf abstellt, dass der Kläger die für einen regelmäßigen Konsum sprechenden
THC-Werte nicht erreicht habe, wird verkannt, dass die Fahrerlaubnisentzie-
hung nicht auf regelmäßigen, sondern auf gelegentlichen Cannabiskonsum
verbunden mit fehlendem Trennungsvermögen gestützt war. Von nichts ande-
rem ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
2. Ebenso wenig wird mit der Beschwerde in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO gebotenen Weise eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bun-
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desverwaltungsgerichts dargetan. Die dort aufgestellte Behauptung, der Kläger
habe bei der Polizeikontrolle eine THC-Konzentration „unter 1,0 ml, mithin unter
der nach BVerwG 3 C 1/08 für relevant gehaltenen Konzentration“ aufgewiesen,
geht an der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellung des Beru-
fungsgerichts vorbei, dass bei ihm eine Konzentration von 3,2 ng/ml THC fest-
gestellt worden war. Außerdem verhält sich das in der Beschwerde angeführte
Urteil des Senats vom 26. Februar 2009 - BVerwG 3 C 1.08 - (BVerwGE 133,
186) nicht zur Frage der „relevanten“ THC-Konzentration, sondern befasst sich
mit der Abgrenzung zwischen einem regelmäßigen und einen gelegentlichen
Cannabiskonsum im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-
Verordnung im Hinblick auf die Häufigkeit des Konsums.
3. Schließlich sind auch die in der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler nicht
zu erkennen. Geltend gemacht wird zum einen, das Berufungsgericht habe den
Sachverhalt deshalb fehlerhaft erfasst, weil der Kläger nicht behauptet habe, in
Zukunft nur gelegentlich Cannabis zu nehmen und dann zwischen Konsum und
Fahrzeugführen trennen zu können; vielmehr habe er angegeben, drogenfrei zu
sein und habe das auch bewiesen. Genau von diesen Angaben des Klägers ist
das Berufungsgericht jedoch ausweislich der Wiedergabe seines Berufungsvor-
bringens im Tatbestand des Beschlusses ausgegangen (vgl. BA S. 5: „Er sei
drogenfrei ... . In dem Gutachten … seien seine Drogenfreiheit und seine Eig-
nung zur Führung von Kraftfahrzeugen festgestellt worden … .“). Der vom Klä-
ger mit dieser Rüge aufgegriffene Abschnitt auf S. 7 des Beschlusses enthält
ein wörtliches Zitat aus einem Kommentar zu den Begutachtungsleitlinien zur
Kraftfahreignung, nicht aber Angaben zum Klägervortrag. Ebenso wenig erweist
sich die Rüge als zutreffend, das Berufungsgericht habe die weiteren bei der
ärztlichen Begutachtung getroffenen Feststellungen übergangen, wonach sich
keinerlei Anzeichen einer Drogensucht oder Ähnlichem ergäben. Das Beru-
fungsgericht ist darüber nicht hinweg gegangen, sondern hat entscheidungser-
heblich darauf abgestellt, dass der Kläger nach gelegentlichem Cannabiskon-
sum und in dem in der Vergangenheit gezeigten fehlenden Trennungsvermö-
gen nicht den Nachweis einer hinreichend langen Abstinenz geführt habe. Auch
am Ende des Gutachtens wird von der Ärztin ausdrücklich darauf hingewiesen,
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das „naturgemäß … ein alleiniges ärztliches Gutachten keine Aussage über die
Stabilität einer Drogenabstinenz liefern“ kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Kley
Liebler
Rothfuß
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