Urteil des BVerwG vom 17.11.2006

Verordnung, Durchführung des Gemeinschaftsrechts, Extensive Bewirtschaftung, Kommission

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 61.06
OVG 10 LB 45/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2006 wird verwor-
fen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 143 390,40 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid in der Gestalt des Wider-
spruchsbescheides, mit dem die Beklagte eine Beihilfe für die extensive Bewirt-
schaftung von Weideflächen zurückgenommen hatte. Das Berufungsgericht hat
der Klage stattgegeben und die Bescheide aufgehoben, weil die Beklagte ihr
Rücknahmeermessen nicht ausgeübt habe. Es hat die Revision gegen sein
Urteil nicht zugelassen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig. Die in
Anspruch genommenen Zulassungsgründe werden nicht schlüssig dargelegt,
obwohl dies erforderlich gewesen wäre (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
1. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO), den die Beklagte in erster Linie in Anspruch nimmt, muss der Be-
schwerdeführer einen rechtlichen Obersatz bezeichnen, den das Berufungsge-
richt aufgestellt hat und auf dem seine Entscheidung beruht, und ihm einen
abweichenden Obersatz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts oder eines der anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte
gegenüberstellen (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 28. Juli 2004 - BVerwG 1 B
22.04 - Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 65). Das leistet die Beklagte nicht.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die angefochtenen Bescheide
ihre Grundlage nicht im Gemeinschaftsrecht fänden, sondern nur im nationalen
Recht finden könnten. Hierzu hat es ausgeführt, das Gemeinschaftsrecht ent-
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halte keine Rechtsvorschriften, die die Befugnis der Behörden gegenüber dem
Beihilfeempfänger regeln, Bewilligungsbescheide über in Durchführung des
Gemeinschaftsrechts gewährte Prämien und Beihilfen zurückzunehmen oder zu
widerrufen. Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1258/1999
des Rates vom 17. Mai 1999 (ABl EG Nr. L 160 S. 103) träfen die Mitgliedstaa-
ten die erforderlichen Maßnahmen vielmehr gemäß ihren eigenen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften.
Dies steht in Übereinstimmung mit dem von der Beklagten angeführten Urteil
des Senats vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 3 C 22.02 - (Buchholz 316 § 49
VwVfG Nr. 44). Allerdings hatte der Senat dort weiter ausgeführt, dass sich - mit
Blick auf den ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall - anderes auch nicht aus
den Durchführungsverordnungen der Kommission ergebe. In diesem Zu-
sammenhang ist er unter anderem auf Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99
der Kommission vom 23. Juli 1999 (ABl EG Nr. L 214 S. 31) und Art. 14 Abs. 1
der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992
(ABl EG Nr. L 391 S. 92) eingegangen. Auf diese Ausführungen nimmt die
Beklagte Bezug. Sie legt jedoch nicht dar, inwiefern das Berufungsgericht
hiervon abgewichen sei. Eine Divergenz ist auch nicht ersichtlich. Tatsächlich
hat das Berufungsgericht bei der Feststellung der einschlägigen
Ermächtigungsgrundlage Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99 überhaupt
nicht in den Blick genommen. Die Beklagte rügt damit in Wahrheit, dass das
Berufungsgericht Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99 insofern übersehen
habe. Damit aber ist der Zulassungsgrund der Divergenz nicht dargetan.
2. Auch den weiter in Anspruch genommenen Zulassungsgrund der grundsätz-
lichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) legt die Beklagte
nicht genügend dar. Hierzu wäre erforderlich gewesen, eine Rechtsfrage zu
bezeichnen, die sich dem Berufungsgericht gestellt hat, und näher auszuführen,
inwiefern diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedarf, inwiefern mit der
Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und inwiefern
hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu
erwarten steht. Dem wird das Beschwerdevorbringen schon im Ansatz nicht
gerecht.
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Die Beklagte hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob „in Fällen, in denen
es zu Rückforderungen aufgrund der Nichteinhaltung oder (des) Nichtvorlie-
gen(s) von Zuwendungsvoraussetzungen kommt“, „den gemeinschaftlichen
Regelungen zur Rückforderung von zu Unrecht gewährten Zuwendungen …
der Vorzug vor den nationalen Vorschriften der §§ 48 und 49 VwVfG einzuräu-
men“ ist. Damit ist eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht be-
zeichnet. Das weitere Beschwerdevorbringen lässt zwar erkennen, dass die
Beklagte an Art. 48 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99 in Verbindung mit
Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der Verordnung
(EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 (ABl EG Nr. L 212 S. 23)
denkt. Es unterliegt aber keinem Zweifel und bedarf daher nicht erst der Klä-
rung in einem Revisionsverfahren, dass diesen Vorschriften im Rahmen ihres
Anwendungsbereichs der Anwendungsvorrang vor den Vorschriften des natio-
nalen Rechts zukommt. Offenbar möchte die Beklagte auch nicht die Tatsache
des Anwendungsvorrangs geklärt wissen, sondern die Reichweite des Anwen-
dungsbereichs der genannten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften. Insofern
formuliert sie aber keine klärungsfähige Rechtsfrage. In Wahrheit meint sie le-
diglich wiederum, das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass Art. 48
Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99 im vorliegenden Falle einschlägig sei
und § 48 VwVfG verdränge. Damit aber rügt sie lediglich eine falsche Rechts-
anwendung im Einzelfall.
Im Übrigen betrifft die Grundsatzrüge ausgelaufenes Recht. Die Verordnung
(EG) Nr. 1750/99 ist durch die Verordnung (EG) Nr. 445/2002 der Kommission
vom 26. Februar 2002 (ABl EG Nr. L 74 S. 1) und diese wiederum durch die
Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission vom 29. April 2004 (ABl EG
Nr. L 153 S. 30, berichtigt Nr. L 231 S. 24) ersetzt worden. Ebenso ist an die
Stelle der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 zwischenzeitlich die Verordnung
(EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 (ABl EG
Nr. L 327 S. 11) getreten. Die Vorschriften über die Rückforderung zu Unrecht
gezahlter Beihilfen in dem neuen Regelwerk stimmen mit dem alten Recht auch
nicht überein. Damit kann eine Klärung einer Zweifelsfrage zum alten Recht
nicht zur Fortentwicklung der Rechtsprechung beitragen, wie dies für die
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Grundsatzrevision vorauszusetzen ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 20. De-
zember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO
Nr. 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 sowie § 72
Nr. 1 GKG.
Kley
Liebler
Prof. Dr. Rennert
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