Urteil des BVerwG vom 28.08.2015

Gesetzliche Frist, Hindernis, Unterlassen, Verfahrensmangel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 6.15
VG 8 K 194/12 Me
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. August 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:
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Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebe-
gründungsfrist wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Meiningen vom 11. September 2014 wird verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der von § 133 Abs. 3
Satz 1 VwGO vorgegebenen Frist von zwei Monaten nach der Zustellung des
vollständigen Urteils begründet worden ist. Die Beschwerdebegründungsfrist lief
hier am 1. Dezember 2014 ab; die Begründung ist erst am 17. Dezember 2014
eingegangen. Auf die Frist ist in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen
Urteils zutreffend hingewiesen worden.
Der Beklage hat keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Wiedereinsetzung ist nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, wenn glaubhaft
gemacht wird, dass der Antragsteller ohne Verschulden verhindert war, eine
gesetzliche Frist einzuhalten. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des
fehlenden Verschuldens (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO) hat der Beklagte nicht er-
füllt; insofern fehlt es an allem.
Einer Behörde ist es grundsätzlich zuzumuten, die geltenden Verfahrensrege-
lungen einzuhalten. Nach den Umständen des Falles bestehen hier aber schon
erhebliche Zweifel, dass sich der Beklagte der Begründungsfrist überhaupt be-
wusst war und die gesetzlichen Anforderungen also nicht fahrlässig missachtet
hat. Bei einer korrekten Berechnung der Begründungsfrist, die dem Beklagten
ohne Weiteres möglich war, musste ihm klar sein, dass die Frist bei Einreichung
der Begründung um immerhin mehr als zwei Wochen überschritten und die Be-
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schwerde aus diesem Grund unzulässig war. In der Beschwerdebegründung
geht der Beklagte aber mit keinem Wort auf diese Problematik ein, insbesonde-
re hat er weder einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt noch Gründe für die
Verspätung mitgeteilt. Entsprechender Vortrag erfolgte erst auf ausdrücklichen
Hinweis des Senats. Auch in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags
wird nicht mitgeteilt, dass die Frist vom Beklagten berechnet und ob und wie
ihre Einhaltung gesichert worden ist. Hat der Beklagte dies aber unterlassen,
beruhte die Fristversäumung auf Fahrlässigkeit, was eine Wiedereinsetzung
ausschließt.
Davon abgesehen sind die zeitlichen Zusammenhänge, die die Säumnis ent-
schuldbar machen sollen, nicht hinreichend beschrieben. Der Beklagte beruft
sich darauf, dass von ihm nachträglich angeforderte Unterlagen des Bundesbe-
auftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik (BStU), die er zur Beschwerdebegrün-
dung benötigt habe, erst so spät eingegangen seien, dass er die Begründungs-
frist nicht habe einhalten können. Es fehlt indes jede Mitteilung, wann der Be-
klagte diese Unterlagen angefordert hat, wann sie bei ihm eingegangen sind
und welche Anstrengungen er unternommen hat, für eine rechtzeitige Übermitt-
lung Sorge zu tragen. Daher ist auch nicht feststellbar, wann das geltend ge-
machte Hindernis im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO weggefallen ist. Nach
dem zeitlichen Zusammenhang liegt allerdings auf der Hand, dass der am
22. Januar 2015 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb der für
die Nichtzulassungsbeschwerde geltenden Frist von einem Monat (§ 60 Abs. 2
Satz 1 Halbs. 2 VwGO) gestellt worden sein kann. Wegen der vom Beklagten
mitgeteilten Bearbeitungszeit von einer Woche nach Eingang der BStU-
Unterlagen muss das damit verbundene Hindernis jedenfalls mehrere Tage vor
dem 16. Dezember 2014 entfallen sein.
Schließlich ergeben die Ausführungen des Beklagten - seine Beschwerdebe-
gründung eingeschlossen - nicht, dass er die neuen Unterlagen des BStU benö-
tigte, um die Beschwerde substanziell zu begründen. Er nutzt sie vielmehr aus-
schließlich dazu, der Sachverhalts- und Beweiswürdigung im angefochtenen
Urteil eine eigene entgegenzusetzen. Diese Würdigung ist aber dem materiellen
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und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen; insoweit gegebenenfalls vorliegen-
de Fehler ergeben daher grundsätzlich keinen Verfahrensmangel oder einen
anderen Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO. Um die unter-
lassene Beiziehung als Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung
den Anforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO genügend zu bezeichnen, hätte
der Beklagte aufzeigen müssen, dass sich dem Verwaltungsgericht die Beizie-
hung der Unterlagen unabhängig davon aufdrängen musste, dass der Beklagte
es unterlassen hatte, dem Verwaltungsgericht Existenz und Bedeutung der Un-
terlagen etwa durch einen Beweisantrag zu vermitteln. Zumindest hätte die Be-
schwerde dartun müssen, dass dem Verwaltungsgericht die Unterlagen be-
kannt waren.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Beschwerde
auch im Falle der Wiedereinsetzung erfolglos geblieben wäre. Die Beschwer-
debegründung legt keinen Revisionszulassungsgrund dar. Auf den in der Be-
schwerdeschrift angesprochenen Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeu-
tung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt die Begründung in
keiner Weise zurück, für den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO) legt sie nichts dar und die geltend gemachten Fehler in der
Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind keinem Zulassungsgrund im Sinne
des § 132 Abs. 2 VwGO zuzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Kley
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
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