Urteil des BVerwG vom 26.08.2009

Psychologisches Gutachten, Republik, Beurteilungsspielraum, Gestaltung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 57.09
OVG 12 LB 330/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 3. Juni 2009 wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers, der von einer
ihm in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis im Bundesgebiet
Gebrauch machen will, bleibt ohne Erfolg. Die erforderlichen Zulassungsvor-
aussetzungen werden nicht entsprechend den Anforderungen von § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO dargetan oder sie liegen nicht vor.
Der Kläger, einem deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz im Bundesge-
biet, war in der Bundesrepublik Deutschland wegen Trunkenheitsfahrten bereits
zweimal die Fahrerlaubnis entzogen worden. Anträge auf Neuerteilung nahm er
zurück, nachdem ein medizinisch-psychologisches Gutachtens vom Oktober
2003 zu einem negativen Ergebnis gekommen war; ein später erstelltes zweites
Gutachten legte er der Fahrerlaubnisbehörde nicht vor. Am 16. Februar 2005
erwarb der Kläger in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der Klasse
B; im Führerschein ist sein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland
eingetragen. Der Aufforderung des Beklagten, ein medizinisch-psychologisches
Gutachten vorzulegen, kam der Kläger nicht nach. Deshalb erkannte ihm der
Beklagte mit Bescheid vom 17. November 2005 gestützt auf § 3 Abs. 1 StVG
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i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV die Befugnis ab, im Inland von seiner ausländischen
Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Die Klage und die gegen das erstinstanz-
liche Urteil eingelegte Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg.
1. Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Kläger zum einen die Frage, ob
die Ausübung des vom Bundesverwaltungsgericht in den beiden Entscheidun-
gen vom 11. Dezember 2008 formulierten „Zugriffsrechts“ des Wiederaufnah-
memitgliedstaates bei ausländischen Fahrerlaubnissen mit einem im tschechi-
schen Führerschein eingetragenen deutschen Wohnsitz tatsächlich auf der
- teleologisch reduzierten - Vorschrift des § 28 Abs. 4 FeV alter Fassung beruhe
und ob diese Entscheidung für den Betroffenen Wirkung auf das Ausstel-
lungsdatum oder erst für die Zukunft zeitige. Damit ist die grundsätzliche Be-
deutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO schon des-
halb nicht dargetan, weil sich diese Frage, auch wenn man ihre beiden Teilele-
mente getrennt betrachtet, weder im Berufungsverfahren gestellt hat noch in
der Revision stellen würde. Sowohl der Beklagte als auch das Berufungsgericht
haben die Rechtsgrundlage für die Aberkennungsentscheidung - zutreffend - in
§ 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV gesehen, nicht dagegen in § 28 Abs. 4
FeV a.F. Im Übrigen hat auch der Senat in seinen Urteilen vom 11. Dezember
2008 - BVerwG 3 C 26.07 (NJW 2009, 1689) und 3 C 38.07 (ZfSch 2009, 233) -
das dort in Bezug genommene Zugriffsrecht des Mitgliedstaates gerade nicht
aus § 28 Abs. 4 FeV hergeleitet (a.a.O. Rn. 31 bzw. Rn. 28). Auf die zweite
Teilfrage kommt es bereits deshalb nicht an, weil sich die vom Beklagten
ausgesprochene Aberkennung keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Aus-
stellung der tschechischen Fahrerlaubnis beilegt.
2. Auch die vom Kläger außerdem aufgeworfene Frage, ob die Ausübung des
Zugriffsrechts zwingend sei oder inländischen Straßenverkehrsbehörden bei-
spielsweise bei langjähriger Bewährung im Inland ein Ermessens- bzw. Beurtei-
lungsspielraum zustehe, rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grund-
sätzlicher Bedeutung nicht. Aus § 3 Abs. 1 und 2 StVG sowie § 46 Abs. 1 und 5
FeV ergibt sich eindeutig, dass die Fahrerlaubnisbehörde insoweit keinen Er-
messens- oder sonstigen Spielraum hat. Dem Betroffenen ist hiernach bei feh-
lender Eignung das Recht zum Gebrauchmachen von der ausländischen Fahr-
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erlaubnis zwingend abzuerkennen (so auch schon Beschluss des Senats vom
26. Mai 2009 - BVerwG 3 B 29.09 - juris, Rn. 4). Etwas anderes ergibt sich auch
nicht aus Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG. Der Senat hat bereits
mehrfach klargestellt, dass es sich insoweit um eine rechtliche Befugnis der Mit-
gliedstaaten zu einer entsprechenden Gestaltung ihres innerstaatlichen Rechts
handelt und nicht etwa um die Begründung eines Ermessensspielraums der
Verwaltungsbehörden (BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 2008, a.a.O. Rn. 36
bzw. 34).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2
GKG.
Kley
Liebler
Buchheister
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