Urteil des BVerwG vom 20.09.2013

Enteignung, Begriff, Dokumentation, DDR

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 54.13 (3 B 85.12)
VG 8 K 867/11 Me
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. September 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:
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Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des
Senats vom 28. Juni 2013 - BVerwG 3 B 85.12 - wird zu-
rückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Kläger zeigt nicht auf, dass der Senat
im Beschluss vom 28. Juni 2013, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des
Klägers zurückgewiesen worden ist, seinen Anspruch auf Gewährung rechtli-
chen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, § 152a Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 VwGO.
Es trifft nicht zu, dass der Senat Vortrag übergangen hat. Das gilt zunächst für
die Ansicht, die Zahlung der Leibrente habe nicht nach dem Fürstenenteig-
nungsgesetz eingestellt werden dürfen, weil dieses Gesetz nicht anwendbar
gewesen sei. Mit Blick hierauf hat der Senat auf Seite 3 f. des Beschwerde-
beschlusses ausgeführt, dass es für die Bejahung einer Enteignung auf besat-
zungshoheitlicher Grundlage - Enteignung im weiten Sinne verstanden - nicht
darauf ankommt, ob die einschlägigen Rechtsgrundlagen exzessiv ausgelegt
oder willkürlich angewendet wurden, was den Fall einschließt, dass sie nicht
anwendbar waren.
Der Begriff der „besatzungshoheitlichen Grundlage“, der in § 1 Abs. 8 Buchst. a
des Vermögensgesetzes (VermG) verwendet wird, ist in der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts seit langem geklärt, unter anderem bereits in
dem auf Seite 3 des Beschwerdebeschlusses zitierten Urteil vom 13. Februar
1997 - BVerwG 7 C 50.95 - (m.w.N.). Dieser Begriff wird in § 1 Abs. 1 Satz 3
des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zur Beschreibung der von
Rehabilitierung (wie von Restitution) ausgeschlossenen Fallgruppen in Bezug
genommen.
In den im Beschluss vom 28. Juni 2013 zitierten Entscheidungen ebenfalls ge-
klärt sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Zurechnung von Enteig-
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nungsmaßnahmen einer deutschen Stelle an die jeweilige Besatzungsmacht.
Danach kommt es nur darauf an, ob eine Maßnahme auf Wünsche oder Anre-
gungen der sowjetischen Besatzungsmacht zurückging oder sonst ihrem gene-
rellen oder im Einzelfall geäußerten Willen entsprach; eines konkreten Voll-
zugsauftrags oder einer nachträglichen Bestätigung der betreffenden Enteig-
nung durch die Besatzungsmacht bedarf es nicht. Angesichts der allgemein
bekannten obersten Hoheitsgewalt der sowjetischen Besatzungsmacht, die ein
jederzeitiges Eingreifen ermöglichte, ist die Annahme des Klägers spekulativ,
die Besatzungsmacht habe sich durch Begründung eines „Delegationsverhält-
nisses“ zugunsten des Freistaates Thüringen ihrer Einflussnahme in einer Wei-
se begeben, die eine Zurechnung von Enteignungen an sie ausschließt. Der
vom Kläger zur Stützung dieser Ansicht immer wieder angeführt
vom 22. Oktober 1945 (VOBl der Provinzialverwaltung Mark Branden-
burg vom 15. November 1945, S. 1; abgedruckt bei Fieberg/Reichenbach,
RWS-Dokumentation 7, Enteignung und Offene Vermögensfragen in der ehe-
maligen DDR, Bd. I, 2. Aufl. 1992, Nr. 2.4.3) ist offensichtlich unergiebig. In ihm
werden die oberste Gewalt der Besatzungsmacht in der sowjetischen Besat-
zungszone und die fortbestehende Rückbindung an die Befehle der sowjeti-
schen Militärverwaltung betont, denen die künftigen Gesetze und Verordnungen
der Provinzialverwaltungen und Verwaltungen der föderalen „Länder“ nicht wi-
dersprechen dürfen. Aus der so genannten Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945
(abrufbar unter www.documentarchiv.de) folgt nichts anderes. Soweit dort im
vierten Absatz der Präambel davon die Rede ist, dass die Erklärenden „im Inte-
resse der Vereinten Nationen handeln“, ist daraus keineswegs eine Bindung der
Sowjets an die UN-Menschenrechtscharta und ein Widerspruch des Fürsten-
enteignungsgesetzes zu einem dadurch gebildeten Willen der Besatzungs-
macht zu schließen (dazu Rn. 4 a.E. des Beschwerdebeschlusses).
Mit seinen weiteren Ausführungen, namentlich im Schriftsatz vom 5. September
2013, rügt der Kläger lediglich, dass der Senat dem Beschwerdevorbringen
nicht gefolgt ist oder es für unerheblich erachtet hat. Eine Verletzung des recht-
lichen Gehörs wird daraus nicht ersichtlich, sodass keiner Entscheidung bedarf,
ob und inwieweit Ausführungen nach Ablauf der zweiwöchigen Rügefrist noch
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berücksichtigt werden können (dazu Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl.
2010, § 152a Rn. 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Kley
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
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