Urteil des BVerwG vom 01.08.2005

Rechtliches Gehör, Stammkapital, Abtretung, Klagebegehren

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 54.05
VG 15 A 359.02
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. August 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom
3. November 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens ein-
schließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen
nicht vor.
1. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf Verfahrensfehlern.
a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass das Klagebegehren einen be-
haupteten Anspruch der Kommunen auf Zuordnung von Geschäftsanteilen am er-
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höhten Stammkapital der EMB betreffe und dass dies ein anderer Streitgegenstand
als der Anspruch derselben Kommunen auf Zuordnung von Geschäftsanteilen am
ursprünglichen Stammkapital der EMB sei. Während die Anträge der Kommunen auf
Zuordnung von Geschäftsanteilen am ursprünglichen Stammkapital der EMB fristge-
recht bei der Zuordnungsbehörde gestellt, von dieser aber noch nicht abschließend
beschieden seien, habe die Klägerin die Ansprüche auf Zuordnung von Geschäfts-
anteilen am erhöhten Stammkapital der EMB aus abgetretenem Recht erstmals mit
Schreiben vom 26. September 2001 und damit erst nach Ablauf der Anmeldefrist
nach § 2 der Antragsfristverordnung bei der Zuordnungsbehörde geltend gemacht.
Auf dieser Grundlage hat das Verwaltungsgericht den Versuch der Klägerin, sich
hinsichtlich der Anmeldefrist auf die rechtzeitigen Zuordnungsanträge der Kommunen
zu berufen, als Klageänderung gewertet und diese als nicht sachdienlich zu-
rückgewiesen und die Klage mit deren ursprünglichem Begehren unter anderem we-
gen der versäumten Anmeldefrist als unbegründet abgewiesen.
Hieran rügt die Klägerin in erster Linie, eine Klageänderung habe nicht vorgelegen.
Durch ihre Berufung auf die schon von den Kommunen - fristgerecht - gestellten Zu-
ordnungsanträge habe sie nicht ihr Klagebegehren geändert, sondern diesem nur ei-
ne zusätzliche Begründung gegeben. Damit dringt sie nicht durch. Allerdings ist nicht
verkennbar, dass die Klägerin mit ihrem Zuordnungsantrag und sodann mit ihrer
Verpflichtungsklage aus abgetretenem Recht Ansprüche der abtretenden Gemeinden
aus § 4 Abs. 2 KVG auf Beteiligung an der EMB geltend macht, die in demselben
Lebenssachverhalt wurzeln wie diejenigen Ansprüche, die vor der Abtretung
- innerhalb der Frist - von den Gemeinden selbst geltend gemacht worden waren.
Allein aus der Ungewissheit, ob sich dieser Zuordnungsanspruch auf Anteile (nur) am
ursprünglichen Stammkapital oder - nach der Kapitalerhöhung - nunmehr auch am
erhöhten Stammkapital der EMB bezieht, lässt sich keine Duplizität von Streitge-
genständen herleiten. Die Klägerin verkennt aber, dass sie die von den Gemeinden
bereits eingeleiteten Zuordnungsverfahren nach der Abtretung nicht fortgeführt und
sich mit ihrem eigenen Zuordnungsantrag auf deren Anträge auch nicht berufen hat.
Insofern hat sie selbst Anlass zu der Annahme gegeben, sie berühme sich eines zu-
sätzlichen, von den bereits anhängigen Zuordnungsansprüchen unterschiedenen
Anspruchs. Das trägt die Annahme eines selbständigen Streitgegenstandes.
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Im Übrigen würde das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel
nicht beruhen. Hätte das Verwaltungsgericht sich der Rechtsansicht der Klägerin
angeschlossen und eine Identität des klägerischen Begehrens mit den älteren Zu-
ordnungsbegehren der Gemeinden angenommen, so hätte es die Klage ebenfalls
- und zwar insgesamt als unzulässig - abweisen müssen. Die Klägerin hätte es näm-
lich in diesem Falle versäumt, vor Klageerhebung das Verwaltungsverfahren durch-
zuführen. Zwar waren die Zuordnungsanträge von den Gemeinden gestellt, aber
nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und dem eigenen Vortrag der Klä-
gerin noch nicht abschließend verbeschieden. Vielmehr lag bislang lediglich ein Quo-
tierungsbescheid vor, der zudem, wie der Senat entschieden hat, rechtswidrig ist
(Urteil vom 11. November 2004 - BVerwG 3 C 4.04 - Buchholz 428.21 KVG Nr. 2).
Dass die Voraussetzungen des § 75 VwGO gegeben wären, ist nicht ersichtlich. Die
Zuordnungsbehörde muss zunächst einen rechtmäßigen Quotierungsbescheid er-
lassen, auf dessen Grundlage dann über die Anteilsübertragungsansprüche der
Gemeinden entschieden werden kann. Erst in diesem Zusammenhang kann dann
auch darüber befunden werden, ob die Klägerin Zuordnung der Anteile ihrer Zeden-
ten an sich verlangen kann.
b) Auch die Aufklärungsrüge greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat (auf
Seite 7 seines Urteils) festgestellt, dass die abtretenden Gemeinden Verwaltungsver-
fahren auf Übertragung der Geschäftsanteile eingeleitet haben und dass diese noch
nicht abgeschlossen sind. Die Klägerin rügt, dass das Verwaltungsgericht diese
Feststellung auf der Grundlage eines "wenig aussagekräftigen Verwaltungsvorgangs
der Beklagten" getroffen habe. Diese Rüge genügt nicht den Darlegungserfordernis-
sen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Klägerin legt nämlich nicht dar, inwiefern
eine weitere Sachaufklärung zusätzliche, insbesondere abweichende Erkenntnisse
erbracht hätte. Sie legt auch nicht dar, inwiefern eine abweichende Erkenntnis zu
einer ihr günstigeren Entscheidung hätte führen können. Das ist auch nicht erkenn-
bar. Hätte das Verwaltungsgericht etwa festgestellt, dass einer oder mehrere dieser
Zuordnungsanträge zwischenzeitlich zurückgenommen oder unanfechtbar abgelehnt
wurden, so hätte dies zum Nachteil der Klägerin ausschlagen müssen.
c) Das Verwaltungsgericht hat schließlich auch nicht das Gebot verletzt, der Klägerin
rechtliches Gehör zu gewähren. Soweit die Klägerin bemängelt, ihr habe nur unzu-
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reichend Zeit zum Studium eines Verwaltungsvorgangs zugestanden, unterlässt sie
schon, darzulegen, an welchem Vortrag sie hierdurch gehindert gewesen ist. Soweit
sie sich durch die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, ihr mündlicher Vortrag
zur Klagebegründung sei als Klageänderung zu werten, überrascht gesehen hat, legt
sie zwar nunmehr mit ihrer Beschwerdebegründung ihre Rechtsauffassung ausführ-
lich dar. Aus dem Vorstehenden folgt indes, dass diese Darlegungen nicht zu einer
ihr günstigeren Entscheidung hätten führen können.
2. Das angefochtene Urteil weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Senat hat in dem von der Klägerin
genannten Beschluss vom 3. Juli 2003 - BVerwG 3 B 32.03 - die Frage der Zulässig-
keit und Wirksamkeit einer Abtretung von Zuordnungsansprüchen der Kommunen
auf Private nicht entschieden, sondern ausdrücklich offen gelassen. Im Übrigen be-
ruht das angefochtene Urteil nicht auf diesem Punkt, da es zugleich - selbständig
tragend - auf die Nichteinhaltung der Anmeldefrist gestützt ist.
3. Der Rechtssache kommt schließlich nicht die von der Klägerin behauptete grund-
sätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zwar ist die von der Klägerin
bezeichnete Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
bislang ungeklärt, wie auch das Verwaltungsgericht selbst hervorhebt. Jedoch hat
das Verwaltungsgericht, wie erwähnt, seine Entscheidung zugleich - selbständig tra-
gend - auf die Nichteinhaltung der Anmeldefrist gestützt. Insofern macht die Klägerin
keine durchgreifenden Zulassungsgründe geltend. Dass das Verwaltungsgericht ih-
ren Versuch, sich hiergegen auf die fristgerechten Zuordnungsanträge ihrer Zeden-
ten zu berufen, ohne Verfahrensfehler zurückgewiesen hat, wurde bereits ausge-
führt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festset-
zung des Streitwerts auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.
Prof. Dr. Driehaus Liebler Prof. Dr. Rennert