Urteil des BVerwG vom 11.07.2006

Verordnung, Erzeugnis, Gesundheit, Erlass

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 50.06
OVG 1 A 60/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
der Freien Hansestadt Bremen vom 25. Oktober 2005 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 63 250 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Grenzkontrollstelle der Beklagten untersagte der Klägerin die Einfuhr zweier
mit Nitrofuran belasteter Partien Garnelen aus Thailand. Die Klägerin wendet
sich gegen die Bescheide, soweit obendrein die Vernichtung der Garnelen an-
geordnet wurde. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Der
Rechtssache kommt die behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 und 4 der Verordnung über die Durchführung der vete-
rinärrechtlichen Kontrollen bei der Einfuhr von Lebensmitteln tierischer Herkunft
aus Drittländern sowie über die Einfuhr und das Inverkehrbringen sonstiger Le-
bensmittel aus Drittländern (Lebensmitteleinfuhr-Verordnung - LMEV) in der
hier anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 20. April 1999 (BGBl I
S. 775) kann die zuständige Behörde, wenn sie feststellt, dass die in § 1 Abs. 1
Nr. 3 genannten Lebensmittel nicht den lebensmittelrechtlichen Anforderungen
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entsprechen, gestatten, die Sendung innerhalb einer Frist von 60 Tagen zu-
rückzuverbringen, sofern gesundheitliche Bedenken nicht entgegenstehen; an-
sonsten sind die Lebensmittel unbrauchbar zu machen oder nach den Vor-
schriften des Tierkörperbeseitigungsgesetzes zu beseitigen. Das Berufungsge-
richt hat angenommen, gesundheitliche Bedenken stünden der Gestattung der
Rückverbringung auch dann entgegen, wenn - wie hier - von dem Erzeugnis
selbst Gesundheitsgefahren ausgingen. Die Klägerin hält für klärungsbedürftig,
ob dem zu folgen sei. Sie meint, gesundheitliche Gefahren im Sinne der Vor-
schrift lägen nur vor, wenn sie gerade von der Rückverbringung ausgingen.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. Es
liegt auf der Hand, dass die Vorschrift im Sinne des Berufungsgerichts auszu-
legen ist.
Auf den Wortlaut der Regelung kann die Klägerin ihre enge Auslegung nicht
stützen. Hieraus ergibt sich nicht, dass Gesundheitsgefahren gerade von der
Rückverbringung als solcher ausgehen müssten. Vielmehr stellt § 6 Abs. 3
Satz 1 LMEV darauf ab, ob Gesundheitsbedenken gegen die Gestattung der
Rückverbringung bestehen. Gesundheitsbedenken stehen einer Gestattung der
Rückverbringung aber auch und gerade dann entgegen, wenn Gesundheitsge-
fahren von dem Erzeugnis selbst ausgehen. Die Behörde muss dann nicht nur
die vorgesehene Einfuhr in das Gemeinschaftsgebiet abwehren, sondern auch
jeden erneuten Einfuhrversuch sowie jede missbräuchliche Verwendung des
Erzeugnisses verhindern. Hierzu dient die Unbrauchbarmachung oder Beseiti-
gung des Erzeugnisses. Dass dies gemeint ist, zeigen die Parallelvorschriften
§ 13 Abs. 5 Satz 4 der Fleischhygiene-Verordnung (FlHV) und § 16 Abs. 4
Satz 4 der Geflügelfleischhygiene-Verordnung (GFlHV; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1
und 2 LMEV). Nach beiden Vorschriften hat die Behörde, wenn gesundheitliche
Bedenken bestehen, die Beseitigung anzuordnen und Maßnahmen zu treffen,
die eine missbräuchliche Verwendung des Fleisches oder Geflügelfleisches
verhindern. Dies zeigt unmissverständlich, dass auch Gesundheitsgefahren
erfasst werden, die von dem Erzeugnis selbst ausgehen. Gerade dann droht
nämlich eine missbräuchliche Verwendung.
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Nur diese Auslegung stimmt auch mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht
überein. Die Lebensmitteleinfuhr-Verordnung dient der Umsetzung der Richtli-
nie 97/78/EG des Rates vom 18. Dezember 1997 zur Festlegung von Grundre-
geln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft einge-
führten Erzeugnissen (ABl 1998 L Nr. 24 S. 9). Die Klägerin berücksichtigt le-
diglich Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie, wonach die unschädliche Beseitigung des
Erzeugnisses unter anderem angeordnet wird, wenn die Rücksendung - auch
bei Erlass gesundheits- oder tierseuchenrechtlicher Auflagen - nicht möglich ist.
§ 6 Abs. 3 Satz 1 und 4 LMEV dient indes zugleich der Umsetzung von Art. 22
Abs. 2 der Richtlinie. Wird im Laufe der in der Richtlinie vorgesehenen Kontrol-
len festgestellt, dass eine Sendung von Erzeugnissen die menschliche oder
tierische Gesundheit gefährden könnte, so hat die zuständige Behörde hiernach
die beanstandete Sendung zu beschlagnahmen und ihre unschädliche Beseiti-
gung anzuordnen; zudem hat sie alle anderen Grenzkontrollstellen und die
Kommission über ihre Feststellungen und den Ursprung der Erzeugnisse
unverzüglich zu unterrichten. Diese Regelung dient zweifelsfrei der Bekämpfung
von Gefahren, die von dem Erzeugnis selbst ausgehen, nicht erst von seiner
Rückverbringung in den Herkunftsstaat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 sowie § 72
Nr. 1 GKG.
Kley
Liebler
Prof. Dr. Rennert
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Lebensmittelrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
LMEV
§ 6 Abs. 3
Richtlinie 97/78/EG Art. 17 Abs. 2
Richtlinie 97/78/EG Art. 22 Abs. 2
Stichworte:
Einfuhr von Lebensmitteln; Lebensmittelkontrolle; Veterinärkontrolle; Gesund-
heitsbedenken; Gesundheitsgefahr; Rücksendung; Rückverbringung; Vernich-
tung; Beseitigung; Unbrauchbarmachung.
Leitsatz:
Gesundheitsbedenken stehen einer Gestattung der Rückverbringung eingeführ-
ter Lebensmittel in den Herkunftsstaat im Sinne von § 6 Abs. 3 LMEV nicht nur
dann entgegen, wenn Gefahren von der Rückverbringung als solcher ausge-
hen.
Beschluss des 3. Senats vom 11. Juli 2006 - BVerwG 3 B 50.06
I. VG Bremen vom 11.12.2003 - Az.: VG 8 K 1788/02 -
II. OVG Bremen vom 25.10.2005 - Az.: OVG 1 A 60/04 -