Urteil des BVerwG vom 28.01.2015

Republik, Schulbesuch, Hochschule, Aufenthalt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 48.14
VGH 11 BV 13.1080
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Januar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Rothfuß
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 16. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die geltend
gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
zu; ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision
wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufforderung durch die Fahrerlaubnisbehör-
de, seinen in der Tschechischen Republik erworbenen Führerschein zur Eintra-
gung des Fehlens der Fahrberechtigung in Deutschland vorzulegen. Ihm wurde
im Juli 2006 durch Strafbefehl seine deutsche Fahrerlaubnis wegen des Füh-
rens eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss entzogen; die Sperrfrist für
die Neuerteilung endete im März 2007. Im Juni 2007 erwarb er eine tschechi-
sche Fahrerlaubnis der Klasse B; als Wohnsitz ist im Führerschein ein Ort in
Tschechien eingetragen. Das Gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen
Polizei- und Zollzusammenarbeit teilte der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass es
nach den Ermittlungen der tschechischen Polizei weder in der tschechischen
Einwohnermeldedatei noch in der Ausländerdatei einen Eintrag zum Kläger ge-
be. In der tschechischen Führerscheinakte des Klägers ist in nahezu allen Do-
kumenten ein Wohnsitz in Deutschland eingetragen. Der Kläger wurde mit
strafgerichtlichem Urteil vom 16. Juli 2010 rechtskräftig wegen vorsätzlichen
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Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Nach dem Urteil des Landgerichts hatte
der Kläger im Strafverfahren angegeben, er habe sich zum Erwerb einer Fahr-
erlaubnis unter Vermeidung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung
nur vier Wochen in der Tschechischen Republik aufgehalten (UA S. 21). Die
Fahrerlaubnisbehörde forderte den Kläger daraufhin mit Bescheid vom
23. November 2011 auf, den tschechischen Führerschein bei ihr zur Eintragung
eines Sperrvermerks für Deutschland vorzulegen. Diesen Bescheid hat das
Verwaltungsgericht aufgehoben; der Kläger habe zum Zeitpunkt der Fahrer-
laubniserteilung zwar seinen ordentlichen Wohnsitz nicht in der Tschechischen
Republik gehabt, sich dort aber als Studierender aufgehalten. Das Berufungs-
gericht hat dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen; der Kläger habe
zum maßgeblichen Zeitpunkt weder einen ordentlichen Wohnsitz in Tschechien
gehabt noch sich dort als Studierender oder Schüler mindestens sechs Monate
aufgehalten (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 2. Alt. i.V.m. § 7 Abs. 2 FeV). Obwohl die
Eintragung im tschechischen Führerschein des Klägers einen Wohnort in der
Tschechischen Republik ausweise, stehe aufgrund unbestreitbarer Auskünfte
des Ausstellermitgliedstaates fest, dass das Wohnsitzerfordernis nicht erfüllt
gewesen sei. Der Kläger habe gegenüber diesen Erkenntnissen einen Wohnsitz
in der Tschechischen Republik nicht ansatzweise belegt. Er könne sein Klage-
ziel auch nicht durch einen Wechsel des Berechtigungsgrundes für den Erwerb
einer Fahrerlaubnis in der Tschechischen Republik erreichen (Studium statt
ordentlicher Wohnsitz). Aufgrund des nachträglichen Austauschs des Berechti-
gungsgrundes müsse der Kläger den Nachweis für das Bestehen des anderen,
vom Ausstellermitgliedstaat nicht geprüften und im Führerschein nicht doku-
mentierten Berechtigungsgrundes erbringen. Daran fehle es sowohl hinsichtlich
der Teilnahme am Studienbetrieb als auch hinsichtlich eines Aufenthalts von
sechs Monaten im Ausstellermitgliedstaat. Sowohl die vom Ausbildungsträger
erteilten Bescheinigungen als auch die Angaben des Klägers hierzu seien wi-
dersprüchlich.
1. Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob im Fahrerlaubnisrecht hinsichtlich der Anerkennung
von in den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheinen
unter Berücksichtigung der Regelung des Art. 2 Nr. 1 der
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3. Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG die allgemeinen
Beweisregeln angewendet werden können und zwar da-
hingehend, dass derjenige Führerscheininhaber, der die
Einhaltung der Wohnsitzvoraussetzung für sich bean-
sprucht, den für ihn günstigen Sachverhalt vollumfänglich
beweisen muss und hierzu substanziiert vorzutragen hat.“
Diese vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erstmals eingeführte Beweis-
lastregelung betreffe eine Vielzahl von Führerscheininhabern mit einem auslän-
dischen Führerschein; es bedürfe deshalb höchstrichterlicher Klärung, wann
genau unter welchen Umständen der Nachweis, dass der Ausstellermitglied-
staat die Fahrerlaubnis habe erteilen dürfen, den allgemeinen Beweislastregeln
unterliege.
Die vom Kläger angeführte Frage würde sich in einem Revisionsverfahren in
dieser umfassenden Form aber nicht stellen. Das Berufungsgericht hat eine
solche (materielle) Darlegungslast des Fahrerlaubnisinhabers nicht allgemein,
sondern nur für den Fall angenommen, dass mittels unbestreitbarer Informatio-
nen des Ausstellermitgliedstaats festgestellt werde, dass der im ausländischen
EU-Führerschein eingetragene Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat unrichtig
sei, der Führerscheininhaber aber geltend mache, er habe tatsächlich einen
anderen, im EU-Führerschein nicht eingetragenen Wohnsitz im Sinne von Art. 9
der Richtlinie 91/439/EWG und Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG im Ausstel-
lermitgliedstaat innegehabt und daher das Wohnsitzerfordernis erfüllt (UA
Rn. 43).
Für diesen hier allein entscheidungserheblichen Anwendungsfall ergibt sich be-
reits aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats, dass es dem Fahrerlaub-
nisinhaber obliegt, substanziierte Darlegungen zur Erfüllung des Wohnsitzerfor-
dernisses zu machen. Danach hat der Fahrerlaubnisinhaber, wenn er trotz einer
das Gegenteil ausweisenden Aufenthaltsbescheinigung des Ausstellermitglied-
staats darauf beharrt, das Wohnsitzerfordernis eingehalten zu haben, substan-
ziierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im
Austellermitgliedstaat sowie zu den persönlichen und beruflichen Bindungen zu
machen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen
Wohnort bestanden (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 - BVerwGE
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146, 377 Rn. 30). Es liegt auf der Hand, dass dieselbe Obliegenheit den Fahrer-
laubnisinhaber auch dann trifft, wenn die Annahme, das unionsrechtliche
Wohnsitzerfordernis sei bei der Fahrerlaubniserteilung erfüllt gewesen, nicht
- wie in jenem Fall - durch eine für den Betroffenen negative Aufenthaltsbe-
scheinigung der Meldebehörde widerlegt wird, sondern - wie hier - sonstige aus
dem Ausstellermitgliedstaat herrührende und nach Würdigung des Tatsachen-
gerichts (vgl. dazu a.a.O. Rn. 26) unbestreitbare Informationen vorliegen, aus
denen sich ergibt, dass die im Führerschein eingetragene Angabe zum Wohn-
sitz unzutreffend ist.
2. Außerdem muss nach Auffassung des Klägers die Annahme des Berufungs-
gerichts überprüft werden,
dass die Eintragung eines Wohnsitzes des Ausstellermit-
gliedstaates die Berechtigungsalternative Wohnsitz und
Studium ausschließe, soweit der Aufenthalt des Fahrer-
laubnisinhabers im Ausstellermitgliedstaat ausschließlich
den Besuch einer Hochschule oder Schule beinhalte.
Es sei von allgemeiner Bedeutung, in welcher Weise ein Führerscheininhaber,
der sich auf die mit einem Studium oder Schulbesuch im Ausstellermitgliedstaat
verbundene Ausnahme vom Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes berufe,
im Falle des Nachweises der Durchführung eines Studiums oder Schulbesu-
ches im Ausstellermitgliedstaat den allgemeinen Beweisregeln unterliege.
Das rechtfertigt die begehrte Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Be-
deutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aber deshalb
nicht, weil der Kläger damit an der mit zulässigen und begründeten Verfahrens-
rügen nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts vorbeigeht, er
habe durch die von ihm beigebrachten Unterlagen nicht nachgewiesen, zum
maßgeblichen Zeitpunkt sechs Monate in der Tschechischen Republik studiert
zu haben (UA Rn. 67 ff.); davon wäre deshalb auch im Revisionsverfahren aus-
zugehen gewesen.
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3. Ferner wird mit der Beschwerde geltend gemacht, es sei von allgemeiner
Bedeutung und, um Rechtssicherheit für eine Vielzahl von Fahrerlaubnisinha-
bern herzustellen, zu klären,
„welche Beweisregeln und welche Beweislastregelung in
Frage kommt, wenn die besuchte Schule oder Hochschule
und wie hier vorliegend auch die Führerscheinbehörde
bestätigt, dass ein 12-monatiges Studium mit einer über
90%igen Anwesenheit absolviert worden ist.“
Mit dieser allgemeinen Fragestellung wird eine konkrete, entscheidungserhebli-
che Rechtsfrage nicht herausgearbeitet. Sie knüpft unmittelbar an die konkreten
Umstände des hier entschiedenen Einzelfalles an und zeigt damit die für eine
Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erforderliche fallübergrei-
fende Bedeutung der aufgeworfenen Frage nicht auf.
Entsprechend ist die anschließend aufgeführte Frage,
ob der Führerscheininhaber einen Wohnort im Aussteller-
mitgliedstaat und seinen genauen Aufenthalt nachweisen
müsse und für den Fall, dass er die notwendigen Beweise
nicht beibringe, die Privilegierung vom Wohnsitzprinzip
nicht akzeptiert bzw. ausgeschlossen werde,
nicht hinreichend konturiert; sie wurde in der Beschwerde nicht auf den ent-
scheidungserheblichen und damit in dem erstrebten Revisionsverfahren klä-
rungsbedürftigen und klärungsfähigen Inhalt zurückgeführt.
An diesen Darlegungserfordernissen für die grundsätzliche Bedeutung einer
Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geht es auch vorbei, wenn
der Kläger in seinem - zumal erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist
eingegangenen - Schriftsatz vom 11. November 2014 Ausführungen dazu
macht, weshalb die Bewertung der Studienbescheinigungen durch das Beru-
fungsgericht aus seiner Sicht unzutreffend sei. Soweit dort - was aus dem Vor-
bringen nicht ganz deutlich wird - weitere Rechtsfragen von aus Sicht des Klä-
gers grundsätzlicher Bedeutung in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden
sollen und ein - vermeintlicher - Verstoß gegen die Denkgesetze gerügt werden
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soll, steht dem der Ablauf der Begründungsfrist entgegen (§ 133 Abs. 3 Satz 1
VwGO).
4. Schließlich macht der Kläger geltend, es lägen divergierende Rechtsmeinun-
gen vor, ob eine vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Infor-
mation anzunehmen sei, wenn die dortige Führerscheinbehörde die Bestäti-
gung einer Bildungseinrichtung zu einem Studium oder Schulbesuch des Be-
troffenen nicht überprüft habe. Er verweist darauf, dass das Verwaltungsgericht
die Äußerung des Stadtamts L., die Voraussetzungen für die Erteilung der
tschechischen Fahrerlaubnis an den Kläger seien erfüllt gewesen, für eine sol-
che unbestreitbare Information gehalten habe, obwohl das Stadtamt die Studi-
enbescheinigung des Trägers der Bildungseinrichtung nicht überprüft habe; das
Berufungsgericht habe die gegenteilige Auffassung vertreten.
Sollte der Kläger damit eine Revisionszulassung wegen Divergenz erreichen
wollen, scheitert das schon daran, dass das Verwaltungsgericht nicht zu den in
§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführten Gerichten gehört.
Soweit der Kläger unter Verweis auf diese unterschiedlichen Bewertungen der
Stellungnahme des Stadtamtes L. durch die Vorinstanzen Klärungsbedarf hin-
sichtlich der Frage sieht,
„ob eine Beweislast des Führerscheininhabers hinsichtlich
der Einhaltung des Wohnsitzprinzips bzw. des Aufenthalts
im Ausstellerstaat besteht, auch wenn die Führerschein-
behörde im Ausstellermitgliedstaat bestätigt, dass die Vo-
raussetzungen für eine Fahrerlaubniserteilung als erfüllt
anzusehen waren“,
führt das ebenso wenig auf eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Zum ei-
nen hängen das Bestehen und der Umfang einer solchen (materiellen) Darle-
gungslast des Fahrerlaubnisinhabers von den Umständen des jeweiligen Ein-
zelfalles ab. Zum anderen lässt die Beschwerde jegliche Auseinandersetzung
mit dem Urteil vom 30. Mai 2013 vermissen, in dem sich der Senat mit den Dar-
legungsobliegenheiten des Fahrerlaubnisinhabers im Falle entgegenstehender
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aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührender Informationen bereits befasst hat;
damit fehlt es an der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Konkretisie-
rung eines weitergehenden revisionsgerichtlichen Klärungsbedarfs.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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