Urteil des BVerwG vom 08.09.2010

Amtshandlung, Verordnung, Übergangsregelung, Umkehrschluss

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 47.10
OVG 9 A 2682/09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. September 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
und Buchheister
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-West-
falen vom 31. März 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 3 108 € festgesetzt.
Gründe:
I
1. Die Beteiligten streiten über die Höhe der Gebühren für die Zulassung von
zwei Arzneimitteln. Die Klägerin hatte die Zulassung Ende 2003 beantragt; die
Zulassungsbescheide gingen ihr im Juni 2004 zu. Die Beklagte erhob für die
Zulassungen eine Gebühr in Höhe von jeweils 2 934 € nach der am 1. Januar
2004 in Kraft getretenen Kostenverordnung für die Zulassung von Arzneimitteln
vom 10. Dezember 2003 (AMGKostV 2004). Die Klägerin hat den Gebührenbe-
scheid angefochten und geltend gemacht, dass eine Gebühr nach der zum
Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Kostenverordnung für die Zulassung
von Arzneimitteln in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 2002
(AMGKostV 2002) nur 1 380 € betrage; zufolge § 11 Abs. 1 VwKostG entstehe
die Gebühr bei Antragstellung. Ihre Klage hatte vor dem Berufungsgericht Er-
folg. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem nach § 130a VwGO ergan-
genen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich die Beschwerde der Be-
klagten.
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2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im
Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu.
Die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen,
ob § 11 Abs. 1 Var. 1 VwKostG so zu verstehen ist, dass
die Gebührenschuld bei antragsgebundenen Amtshand-
lungen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach be-
reits mit Eingang des Antrags bei der Behörde entsteht,
und ob daraus folgt, dass für eine antragsgebundene
Amtshandlung eine nach Antragseingang in Kraft getrete-
ne Gebührenordnung nicht anwendbar ist, selbst wenn die
Amtshandlung erst in zeitlichem Geltungsbereich der neu-
en Gebührenordnung erfolgt und in der alten Gebühren-
ordnung bereits ein entsprechender Gebührentatbestand
für die Amtshandlung vorhanden war und das Gesetz
zwingend eine kostendeckende Gebührenerhebung vor-
sieht,
bedürfen zu ihrer Klärung nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens,
sondern lassen sich im Sinne der angegriffenen Entscheidung des Berufungs-
gerichts beantworten. Das gilt namentlich für die Annahme des Berufungsge-
richts, § 11 Abs. 1 VwKostG differenziere bei antragsgebundenen Amtshand-
lungen nicht nach Grund und Höhe der Gebühr. Die Vorschrift bestimmt, dass
die Gebührenschuld, soweit ein Antrag notwendig ist, mit dessen Eingang bei
der zuständigen Behörde entsteht, im Übrigen mit der Beendigung der gebüh-
renpflichtigen Amtshandlung. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung richtet
sich die Höhe der Gebühr nach der zum Zeitpunkt ihres Entstehens geltenden
Rechtsgrundlage und deshalb bei antragsgebundenen Amtshandlungen nach
dem Zeitpunkt der Antragstellung. Das dient insbesondere der Vorhersehbarkeit
der Kosten für den Antragsteller. Für das Anknüpfen an einen anderen
Zeitpunkt fehlt im Gesetz - anders als in der entsprechenden nordrhein-
westfälischen Regelung - ein greifbarer Anhaltspunkt.
Fraglich könnte allenfalls sein, ob § 33 Abs. 2 AMG für seinen Anwendungsbe-
reich den Verordnungsgeber zu einem Abweichen von § 11 Abs. 1 VwKostG
ermächtigt oder dieser über den Verweis auf das Verwaltungskostengesetz in
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§ 33 Abs. 3 AMG gebunden ist. Diese Frage würde sich indes nur stellen, wenn
der Verordnungsgeber abweichende Übergangsregelungen tatsächlich getrof-
fen hätte. Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, das die Übergangs-
regelung in § 5 AMGKostV 2004, soweit sie die Fortgeltung der vorherigen
Fassung der Gebührenverordnung anordnet, mit Blick auf § 11 Abs. 1 VwKostG
lediglich deklaratorischer Natur sei und nicht den Umkehrschluss erlaube, in
allen nicht erwähnten Fällen sei die Gebührenhöhe nach neuem Recht maß-
geblich. Dagegen trägt die Beklagte nichts Substantiiertes vor. Zudem hat der
Verordnungsgeber der Sache nach die Richtigkeit der Sichtweise des Beru-
fungsgerichts aus Anlass der Zweiten Verordnung zur Änderung der AMG-
Kostenverordnung vom 23. April 2008 (BGBl I S. 749) bestätigt, indem er die
nunmehr auf die Antragstellung abstellende Neufassung der Übergangsrege-
lung in § 5 Abs. 1 der Verordnung ausdrücklich mit dem in § 11 Abs. 1
VwKostG bestimmten Entstehungszeitpunkt einer Gebührenschuld begründet
und darauf hinweist, dass hierdurch Auslegungs- und Anwendungsunsicherhei-
ten zum Geltungsumfang der bisherigen Fassung vermieden werden. Auf die
geänderte aktuelle Rechtslage hat bereits die Klägerin mit der Beschwerdeer-
widerung hingewiesen.
b) Das Berufungsgericht hat, indem es über die Berufung ohne mündliche Ver-
handlung im Wege des Beschlusses nach § 130a Satz 1 VwGO entschieden
hat, nicht das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt. Die Rechtssache weist
keinen außergewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad auf, der die Wahl der Ent-
scheidungsform ermessensfehlerhaft erscheinen lässt (vgl. zu dieser Voraus-
setzung für eine Verfahrensrüge Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 -
BVerwGE 121, 211 <217>). Der Fall wirft weder eine Vielzahl von Fragen auf
noch ist der zu bewältigende Streitstoff in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht
besonders umfangreich; vielmehr entscheidet sich die Sache durch die Beant-
wortung einer einzelnen Rechtsfrage. Dass das Berufungsgericht dabei von der
Ansicht der Vorinstanz abgewichen ist, zwang nicht zur Durchführung einer
mündlichen Verhandlung, zumal die streitentscheidende Frage zwischen den
Beteiligten bereits hinlänglich erörtert worden war und das Berufungsgericht im
Anhörungsschreiben seinen Standpunkt dargelegt hat. Die Beschwerde der
Beklagten lässt im Übrigen nicht erkennen, welche neuen Aspekte sie zu der
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maßgeblichen Rechtsfrage in einer mündlichen Verhandlung noch hätte beitra-
gen können, die infolge der Entscheidung im Beschlusswege ungehört geblie-
ben sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Kley
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Buchheister
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