Urteil des BVerwG vom 19.08.2003

DDR, Grundstück, Entstehung, Neubau

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 47.03
VG 1 K 1791/99
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D r i e h a u s
sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. B o r g s - M a c i e j e w s k i
und Dr. B r u n n
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision
in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 14. Februar 2003
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließ-
lich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren
auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ge-
stützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bleibt erfolglos.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur, wenn zu erwarten ist, dass
die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu er-
halten oder die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. Die aufgeworfene Rechtsfrage
muss klärungsbedürftig und in dem erstrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
sein. Diesen Anforderungen werden die in der Beschwerde angeführten Fragen nicht ge-
recht.
1. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es u.a. dann, wenn eine Frage von einem Sach-
verhalt ausgeht, der in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellt worden ist oder ihm wo-
möglich widerspricht. Dies trifft auf die auf Seite 3 der Beschwerdebegründung formulierten
Fragen sowie auf Frage 4 (Seite 8) zu. Hier wird nämlich dem Umstand maßgebliche Bedeu-
tung beigelegt, dass die staatlichen Organe der DDR davon ausgegangen seien,
das streitgegenständliche Grundstück stehe im Eigentum des Volkes. Diese Annahme der
Beschwerde steht im Widerspruch zu den für das Revisionsgericht nach Maßgabe von § 137
Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz. Das Verwaltungsgericht hat an
mehreren Stellen des Urteils zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner Überzeugung das
gesamte Grundstück, an welchem der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Rechtsträ-
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gerschaft übertragen worden war, in Volkseigentum gestanden habe. Insoweit ist für den von
der Beschwerde unterstellten Irrtum der DDR-Organe über die Eigentumsverhältnisse kein
Raum.
Selbst wenn sich das Verwaltungsgericht in Hinblick auf das Bestehen von Volkseigentum
nicht festgelegt hätte, könnte die Beschwerde mit den bezeichneten Fragen keinen Erfolg
haben. Zwar schweigt sich das Urteil darüber aus, welche eigentumsrechtlichen Vorstellun-
gen die DDR-Stellen seinerzeit hatten, so dass auch der von der Beschwerde unterstellte
Rechtsirrtum nicht ausgeschlossen wäre. Eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher
Bedeutung scheidet aber aus, wenn die Vorinstanz eine Tatsache (hier: den vermeintlichen
Behördenirrtum) nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der mit der Nichtzulassungs-
beschwerde angesprochenen Rechtsfrage in dem erstrebten Revisionsverfahren erheblich
sein würde, vielmehr lediglich die Möglichkeit besteht, dass sie nach Zurückverweisung der
Sache aufgrund weiterer Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich werden kann (Be-
schluss vom 5. Oktober 1996 - BVerwG 9 B 387.96 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 VwGO
Nr. 12).
2. Keine grundsätzliche Bedeutung kommt ferner solchen Fragen zu, an deren zutreffender
Beurteilung durch die Vorinstanz kein vernünftiger Zweifel bestehen kann. Dies trifft auf die
- sinngemäß - gestellte Frage zu, ob die an das Vorliegen einer "bestandskräftigen Bauge-
nehmigung" (Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 lit. a EGBGB) hinsichtlich der Entstehung von Ge-
bäudeeigentum geknüpften Rechtsfolgen auch dann eintreten, wenn die zum Abbruch des
Vorgängergebäudes möglicherweise einzuholende Abrissgenehmigung nicht vorgelegen hat.
Indem der Gesetzgeber sich mit der Baugenehmigung als Ausdruck des staatlichen
Einverständnisses mit der Baumaßnahme begnügt hat, entbehrt das Verlangen nach weite-
ren Formalvoraussetzungen jeglicher Grundlage und Plausibilität.
3. Auch die Frage 3 ermangelt der grundsätzlichen Bedeutung. Ob die in einer Baugeneh-
migung verwandte Wortwahl (hier: "Ausbau" statt "Neubau") für die rechtliche Subsumtion
von Bedeutung ist, hat das Tatsachengericht nach den Umständen des Einzelfalles zu ent-
scheiden. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Gebäudeerrichtung im Einklang
mit der Baugenehmigung erfolgt ist. Damit hat es indirekt zum Ausdruck gebracht, dass je-
denfalls im vorliegenden Fall die Verwendung des Begriffs "Ausbau" unschädlich ist. Der
Senat vermag nicht zu erkennen, welche verallgemeinerungsfähige Aussage sich die Be-
schwerde in diesem Zusammenhang von einem Revisionsverfahren verspricht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwert-
festsetzung auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG i.V.m. Art. 233 § 2 b Abs. 3 Satz 2 EGBGB.
Prof. Dr. Driehaus
Dr. Borgs-Maciejewski
Dr. Brunn