Urteil des BVerwG vom 13.09.2007

Widmung, Zugehörigkeit, DDR, Gemeinde

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 46.07
VG 2 K 1286/06 Ge
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. September 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera
vom 1. März 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten
selbst.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Der Rechtssache kommt die behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 21
Abs. 1 EV und entspricht im Übrigen ständiger Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts, dass die Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstandes
zum kommunalen Verwaltungsvermögen voraussetzt, dass er nach Maßgabe
seiner Widmung am 1. Oktober 1989 unmittelbar für Verwaltungsaufgaben ge-
dient hat, die nach dem Grundgesetz von den Kommunen wahrzunehmen sind
(vgl. Urteil vom 18. Mai 1993 - BVerwG 7 C 13.92 - BVerwGE 92, 215 <218>).
Diesen Begriff des Verwaltungsvermögens hat auch das Verwaltungsgericht
zugrunde gelegt. Es hat die Zugehörigkeit der strittigen Grundstücke zum
kommunalen Verwaltungsvermögen verneint, weil die Klägerin nichts dafür vor-
getragen habe, dass die Grundstücke am 1. Oktober 1989 als öffentliche Wege
genutzt worden oder nutzbar gewesen seien; vielmehr sei davon auszugehen,
dass sie bereits seit geraumer Zeit - wie die umliegenden Felder - als Acker-
und Grünland genutzt wurden. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
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Die Klägerin hat erst mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt, dass die
Grundstücke auf der Grundlage eines Rezesses 1882 gebildet und zu be-
schränkt öffentlichen Wegen gewidmet worden seien, und hieran sinngemäß
die Frage geknüpft, ob eine Zuordnung als Verwaltungsvermögen nach Maß-
gabe der alten Widmung nicht auch zu erfolgen habe, wenn diese Widmung zu
DDR-Zeiten nicht aufgehoben, nur tatsächlich nicht mehr beachtet worden sei.
Das kann der Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg ver-
helfen, weil es sich maßgeblich auf neuen Tatsachenvortrag stützt, der auch im
Revisionsverfahren unberücksichtigt bleiben müsste (§ 137 Abs. 2 VwGO). Im
Übrigen nimmt Art. 21 EV die Zuordnung des öffentlichen Vermögens nach der
tatsächlichen Nutzung zum Stichtag vor, gerade ohne Rücksicht auf eine frühe-
re abweichende Widmung und deren Fortbestand während der Zeit der DDR.
Dies sollte ermöglichen, die zum Stichtag geübte Verwaltungsnutzung nach der
Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands möglichst bruchlos von
dem nunmehr hierfür zuständigen Verwaltungsträger fortzuführen. Zwar muss
der tatsächlichen Nutzung eine dahingehende Zweckbestimmung im Sinne ei-
ner Widmung zugrunde liegen; die tatsächliche Nutzung als solche genügt nicht
(Urteil vom 14. Dezember 2006 - BVerwG 3 C 2.06 - ). Ist die tatsäch-
liche Nutzung insofern noch keine hinreichende, so ist sie aber doch eine not-
wendige Voraussetzung für die Zugehörigkeit des Vermögensgegenstandes
zum Verwaltungsvermögen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Senats vom
25. Mai 2001 - BVerwG 3 B 30.01 - (Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 45), auf den
sich die Klägerin beruft, sowie aus dem Urteil vom 16. Dezember 2003
- BVerwG 3 C 50.02 - (BVerwGE 119, 349 <354>). Diese Entscheidungen
betreffen den Sonderfall, dass eine zum 1. Oktober 1989 geübte widmungsge-
mäße Nutzung bis zum 3. Oktober 1990 aufgegeben und nach der Behauptung
des jeweiligen Klägers durch eine neue tatsächliche Nutzung ersetzt worden ist.
In solchen Fällen können aus der neuen Nutzung nach der Rechtsprechung des
Senats Rechte nur hergeleitet werden, wenn die der am 1. Oktober 1989
geübten Nutzung zugrunde liegende Widmung bis zum 3. Oktober 1990 unter
Beachtung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften der DDR aufgehoben wor-
den ist. Das gibt für die von der Klägerin aufgeworfene Frage einer schon ge-
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raume Zeit vor dem 1. Oktober 1989 nicht mehr beachteten alten Widmung
nichts her. Dementsprechend kann das angefochtene Urteil auch nicht von dem
Beschluss des Senats vom 25. Mai 2001 abweichen, weshalb die Revision
auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden kann.
Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf einem Verfahrensmangel (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat seine Aufklärungspflicht nicht
verletzt (§ 86 Abs. 1 VwGO). Die Klägerin hatte Tatsachen vorgetragen, um den
Klaganspruch zu begründen. Es musste sich dem Gericht nicht aufdrängen,
dass dieser Sachvortrag unvollständig war. Im Übrigen kam es auf die alten
Rezessunterlagen für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht an.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu Unrecht beklagt, auf
der Grundlage der Rechtsauffassung, die dem angefochtenen Urteil zugrunde
liegt, hätten die Gemeinden keine rechtliche Handhabe, ihr altes Wegenetz
wieder herzustellen. Soweit eine Gemeinde oder ihr Rechtsvorgänger bei deren
Überführung in Volkseigentum Eigentümer alter Wegegrundstücke war, kommt
ein Anspruch auf öffentliche Restitution nach Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1
Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 EV in Betracht, wobei der Gemeinde nach der
Rechtsprechung des Senats Beweiserleichterungen zur Seite stehen (Urteil
vom 21. Juni 2007 - BVerwG 3 C 27.06 -). Hiervon hätte auch die Klägerin
- bzw. ihre Rechtsvorgängerin - innerhalb der vorgesehenen Antragsfrist
Gebrauch machen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2
VZOG hingewiesen.
Kley
Liebler
Prof. Dr. Rennert
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