Urteil des BVerwG vom 17.08.2009

Grundstück, Bereicherung, Gemeinde, Geldinstitut

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 44.09
VG 7 K 2793/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
beschlossen:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. März
2009 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussent-
scheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
Die Klägerin beansprucht nach § 8 Abs. 4 Satz 2 des Vermögenszuordnungs-
gesetzes - VZOG - die Auskehr des Erlöses aus einer im Jahre 1991 vorge-
nommenen Veräußerung eines Grundstücks durch die Beklagte. Das Verwal-
tungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zu dem Einwand der Beklagten, mit
dem Verkaufserlös habe ihre Rechtsvorgängerin Altkredite bedient, hat es in
seinem Urteil sinngemäß Folgendes ausgeführt: Zwar könne die entsprechende
Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB auf den geltend gemachten Anspruch we-
gen seiner bereicherungsrechtlichen Art in Betracht gezogen werden; dennoch
könne die Beklagte die vorgetragene Kreditbedienung dem Anspruch der Klä-
gerin nicht erfolgreich entgegenhalten. Es erschließe sich bereits nicht, ob nicht
vielmehr eigene Verbindlichkeiten der Gemeinde getilgt worden seien, die nicht
zum Wegfall der Bereicherung führten, oder rechtsgrundlose, jedenfalls nicht im
Interesse der Klägerin liegende Zahlungen an das Geldinstitut erfolgt seien.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in die-
sem Urteil hat Erfolg. Das angegriffene Urteil beruht auf der von der Beklagten
gerügten Verletzung der Pflicht zur gerichtlichen Sachaufklärung nach § 86
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Abs. 1 VwGO sowie einer Verletzung der Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3
VwGO.
Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass das Verwaltungsgericht ihrem Ein-
wand, mit dem Verkaufserlös seien durch ihre Rechtsvorgängerin objektbezo-
gene Kredite bedient worden, nicht näher nachgegangen ist. Aus den dem
Verwaltungsgericht vorgelegten und ausweislich seines Urteils zum Gegens-
tand seiner Entscheidung gemachten Verwaltungsvorgängen ergibt sich, dass
sich die Beklagte bereits unmittelbar, nachdem sie erstmals vom Bundesver-
mögensamt zur Auskehr des Erlöses aufgefordert worden ist, mit Schreiben
vom 23. Mai 2000 nebst Anlagen darauf berufen hat, mit dem Geld seien am
22. März 1993 laufende Baukredite für das veräußerte Grundstück getilgt wor-
den. Dazu hat sie Kopien der Kreditverträge vorgelegt, aus denen sich die Höhe
der Kredite und der Zweck der eingegangenen Verpflichtungen ergab, zum
einen die Finanzierung der Werterhaltung zweier Wohneinheiten auf dem be-
troffenen Grundstück zum anderen die Finanzierung der Rekonstruktion dieser
Wohneinheiten. Weiter hat sie Darlehens-Jahreskontoauszüge eingereicht, de-
nen die Höhe der seinerzeit noch zu tilgenden Darlehensschulden zu entneh-
men war. Da dem Bundesvermögensamt „nicht ersichtlich“ war, inwiefern diese
getätigten Zahlungen dem Anspruch des Bundes entgegengehalten werden
könnten und es sich darauf berief, dass das Grundstück zum Zeitpunkt der
Veräußerung nicht dinglich belastet worden sei, erläuterte die Beklagte mit
Schreiben vom 1. August 2000 nochmals unter Vorlage der Unterlagen, zu wel-
chem Zweck die Kreditverpflichtungen in den Jahren 1984 und 1986 eingegan-
gen worden seien und dass der Verkaufserlös ausschließlich zur Tilgung dieser
Kredite verwendet worden sei.
Nachdem ausweislich des weiteren Schriftverkehrs in der Folgezeit keine Eini-
gung zwischen den Beteiligten erzielt werden konnte, wobei die Beklagte auch
ein Konvolut von Rechnungen über die auf dem Grundstück in den Jahren 1984
und 1986 durchgeführten Baumaßnahmen vorgelegt hatte, hat die Klägerin
Ende 2005 beim Verwaltungsgericht die Zahlungsklage erhoben. Dieser hat die
Beklagte nunmehr in erster Linie die Einrede der Verjährung entgegengehalten,
sich daneben aber auch weiterhin auf die Verwendung des Verkaufserlöses zur
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Tilgung der Baukredite berufen und sich dazu auch auf den vorprozessualen
Schriftverkehr und insbesondere auf ihr Schreiben vom 1. August 2000 nebst
Anlagen bezogen.
Angesichts dieser Verfahrensgeschichte durfte das Verwaltungsgericht diesen
Einwand, von dessen grundsätzlicher Erheblichkeit es in entsprechender An-
wendung des § 818 Abs. 3 BGB ausgegangen ist, nicht, jedenfalls nicht ohne
weitere Rückfrage an die Beklagte, mit der Begründung zurückweisen, dass
sich nicht erschließe, ob die Gemeinde „nicht vielmehr“ eigene Verbindlichkei-
ten getilgt habe, die nicht zum Wegfall der Bereicherung führten. Da nicht
ernstlich angenommen werden kann, dass das Verwaltungsgericht unter Ver-
letzung seiner Justizgewährungspflicht entscheidungserhebliche Rechtsfragen
offen lassen wollte, kann der Senat diese Ausführungen nur dahin verstehen,
dass dem Gericht das vorliegende Tatsachenmaterial nicht ausreichte, die von
ihm aufgeworfene Frage zu entscheiden. Es hätte sich daher dem Verwal-
tungsgericht aufdrängen müssen, den Sachverhalt in dieser Richtung weiter
aufzuklären; denn die Beklagte hatte insoweit - entgegen der Beschwerdeerwi-
derung der Klägerin - ihre prozessuale Mitwirkungspflicht erfüllt. Die Beklagte
hatte vorprozessual und im Prozess unter zulässiger Bezugnahme auf diesen in
den beigezogenen Verwaltungsvorgängen enthaltenen Vortrag, eingehend
dargelegt, welchem Zweck die Kredite dienten. Dieses Vorbringen zielte für je-
den verständigen Betrachter auch darauf, dass der Klägerin, die als Zuord-
nungsberechtigte auch für die objektbezogenen Verbindlichkeiten hätte einste-
hen müssen (vgl. Beschluss vom 8. Juni 2007 - BVerwG 3 C 19.06 - Buchholz
428.2 § 1a VZOG Nr. 15, im Anschluss an das Urteil vom 8. Juli 1994 - BVerwG
7 C 36.93 - BVerwGE 96, 231 = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 4; Urteil vom
25. Juli 2007 - BVerwG 3 C 19.06 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 70), infolge
der Tilgung der Kredite durch die seinerzeit verfügungsberechtigte Beklagte
Aufwendungen in derselben Höhe erspart worden sind. Das Verwaltungsgericht
hätte daher im Zweifel klären müssen, ob mit dem Verkaufserlös
Verbindlichkeiten getilgt worden waren, für die jedenfalls letzten Endes die Zu-
ordnungsberechtigte hätte einstehen müssen. Zumindest durfte es sich nicht
darauf zurückziehen, diese Frage offen zu lassen, solange es die Beklagte nicht
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gemäß § 86 Abs. 3 VwGO darauf hingewiesen hatte, inwieweit ihr Vortrag noch
ergänzungsbedürftig war.
Ebenso wenig durfte sich das Verwaltungsgericht mit der alternativ dazu gege-
benen Begründung begnügen, dass sich ihm auch nicht erschließe, ob die Zah-
lungen rechtsgrundlos oder jedenfalls nicht im Interesse der Klägerin an das
Geldinstitut geleistet worden seien. Auch insoweit hätte es, wenn ihm die erfor-
derliche Tatsachengrundlage für eine Entscheidung fehlte, den Sachverhalt
weiter aufklären oder durch entsprechende Hinweise auf eine Ergänzung des
Vorbringens durch die Beklagte hinwirken müssen.
Der Senat nimmt den geschehenen Verfahrensfehler zum Anlass, das angegrif-
fene Urteil nach § 133 Abs. 6 VwGO aufzuheben und den Rechtsstreit an die
Vorinstanz zurückzuverweisen.
Kley
Dr. Dette
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
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